Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.12.2005, Az. II ZB 2/05

II. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 459

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[X.] vom 5. Dezember 2005 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO §§ 511, 280, 303 Ein Zwischenurteil, das sich seinem Inhalt nach nicht auf die Klärung einer pro-zessualen Vorfrage beschränkt, sondern tatsächlich eine Entscheidung über den materiellen Streitgegenstand trifft, ist als Sachurteil uneingeschränkt mit einem Rechtsmittel anfechtbar. Ein trotz fehlender Rechtshängigkeit erlassenes Urteil ist wirkungslos; es kann mit dem Rechtsmittel angefochten werden, das gegen ein rechtsfehlerfreies Urteil gleichen Inhalts gegeben wäre. [X.], [X.]uss vom 5. Dezember 2005 - [X.] - [X.]

LG Hannover - 2 - [X.] [X.] hat am 5. Dezember 2005 durch [X.] und [X.], Prof. Dr. Gehrlein, [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der [X.]uss des 9. Zivilsenats des [X.] vom 17. Januar 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das [X.]. Geschäftswert: 20.000,00 • Gründe: [X.] Der Kläger ist Gesellschafter der beklagten GmbH. Mit seiner "An-fechtungs- und Nichtigkeitsklage" wendet er sich gegen mehrere auf der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 15. April 2004 gefasste [X.]. Durch "Zwischenurteil" hat das [X.] erkannt, dass [X.] am Stammkapital der Beklagten seit dem 3. Mai 2004 über drei Geschäftsantei-le mit insgesamt 100.000,00 DM beteiligt ist und die Beklagte als Gesellschafter hinsichtlich der Auseinandersetzungen um die Wirksamkeit der [X.]üsse der Gesellschafterversammlungen vom 15. April 2004 und 14. Mai 2004 vertritt. Die gegen beide [X.] gerichtete Berufung des [X.], der die [X.] - 3 - tretung der Beklagten durch [X.] lediglich im Blick auf eine von diesem selbst gegen einen Gesellschafterbeschluss erhobene Klage beanstandet, hat das [X.] als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechts-beschwerde des [X.]. 2 I[X.] Das [X.] hat gemeint, ein Zwischenurteil sei nur inso-weit anfechtbar, als darin über die Zulässigkeit der Klage entschieden worden sei. Die Berufung des [X.] richte sich nicht gegen die von dem [X.] sinngemäß bejahte Zulässigkeit der Klage. Durch die nicht in Rechtskraft er-wachsenden, über den vorliegenden Rechtsstreit hinausgehenden Feststellun-gen in Tenor und Begründung des angefochtenen Urteils werde der Kläger nicht beschwert. II[X.] Die Rechtsbeschwerde des [X.] ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 575 Abs. 1 und 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), weil die Beurteilung des Berufungsgerichts zur Zulässigkeit des Rechtsmittels auf einem grundlegenden Missverständnis höchstrichterlicher Rechtsprechung beruht und daher eine strukturelle Wiederholungsgefahr besteht (vgl. [X.], [X.]. v. 8. September 2004 - [X.], [X.], 154 f.). Die Berufung des [X.] ist gegen beide in der Urteilsformel des [X.]s getroffene Feststel-lungen zulässig. 3 1. Soweit der [X.] [X.] die Rechtsstellung eines Gesellschafters der Beklagten einräumt, bildet die Entscheidung des [X.]s ein mit der Berufung [X.]. 4 - 4 - a) Lediglich im Ausgangspunkt geht das Berufungsgericht zutreffend da-von aus, dass ein Zwischenurteil nur insoweit als mit Rechtsmitteln angreifbares Endurteil anzusehen ist, als gemäß § 280 ZPO nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden wird. Ferner noch zutreffend hat das Berufungsgericht aus-gesprochen, daß die in dem angegriffenen landgerichtlichen Urteil unausge-sprochen enthaltene Feststellung, daß die Klage zulässig sei, den Kläger nicht beschwert. 5 b) [X.] ist indessen die Annahme des Berufungsgerichts, das [X.] habe lediglich ein - nicht gesondert anfechtbares - Zwischenur-teil im Sinne von § 303 ZPO erlassen. Es hat verkannt, dass das prozessuale Wesen eines Urteils nicht notwendig mit der ihm gegebenen Bezeichnung übereinstimmt. In der Rechtsprechung ist seit jeher anerkannt, dass ein ver-meintliches "Zwischenurteil", das sich seinem Inhalt nach nicht, wie § 303 ZPO voraussetzt, auf die Klärung einer prozessualen Vorfrage beschränkt, sondern tatsächlich eine Entscheidung über den materiellen Streitgegenstand trifft, ein (Teil-)Endurteil darstellt und in diesem Fall wie ein Sachurteil uneinge-schränkt anfechtbar ist ([X.] 8, 383; [X.], [X.]. v. 18. September 1996 - [X.], NJW 1996, 3345 f.; [X.], Urt. v. 8. Februar 1994 - [X.], NJW 1994, 1651 f.). 6 c) Ein solcher Fall liegt hier vor. Die in dem [X.] des [X.]s getroffene Feststellung, dass [X.] an der Beklagten mit mehreren Geschäfts-anteilen beteiligt ist, betrifft nicht die Zulässigkeit der Klage. Vielmehr wird tat-sächlich die zwischen den Parteien streitige Frage entschieden, ob [X.] Ge-sellschafter der Beklagten ist. Dieses Feststellungsurteil beschwert den Kläger und eröffnet ihm die Überprüfung des Ausspruchs des [X.]s im Beru-fungsverfahren. 7 - 5 - 2. Der zweite Teil der Entscheidungsformel, der [X.] die Vertretung der Beklagten in allen Auseinandersetzungen um die Wirksamkeit der [X.]üsse der Gesellschafterversammlungen vom 15. April 2004 und 14. Mai 2004 zu-weist, ist zwar ein Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Klage (§ 280 Abs. 1 ZPO). Dieses Urteil kann aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wegen seines, wie mangels jeglicher tatrichterlicher Feststellungen durch das Berufungsgericht für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellen ist, über das vorliegende Verfahren hinausgehenden Entscheidungsinhalts als wirkungs-loses Urteil von dem Kläger - in dem geltend gemachten eingeschränkten Um-fang - mit seinem Rechtsmittel angefochten werden. 8 a) Das [X.] hat der Beklagten die Prozessfähigkeit (§ 51 ZPO) zugebilligt, weil sie durch ihren Gesellschafter [X.] wirksam vertreten werde. Damit hat das [X.] über eine einzelne Sachurteilsvoraussetzung aus-drücklich befunden ([X.] 27, 15, 26 ff.; [X.], Urt. v. 23. Mai 1985 - [X.], NJW-RR 1986, 61 f.; [X.]/[X.]. § 280 [X.]. 8; Musielak/Foerste, ZPO 4. Aufl. § 280 [X.]. 7). Die Vertretung der [X.] durch [X.] greift der Kläger, soweit der vorliegende Rechtsstreit betrof-fen ist, nicht an. 9 b) Ausweislich des [X.]s, dessen Inhalt - was das Berufungsge-richt nicht beachtet - für die Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft maßgeblich ist (vgl. [X.] 124, 164, 166; 34, 337, 339), hat das [X.] der Beklagten die Prozessfähigkeit mit der Maßgabe der Vertretung durch ihren Gesellschafter [X.] nicht nur für das vorliegende, sondern ausdrücklich für sämtliche gerichtliche Verfahren zugebilligt, welche Auseinan-dersetzungen um die Wirksamkeit der auf den Gesellschafterversammlungen vom 15. April 2004 und 14. Mai 2004 gefassten [X.]üsse zum Gegenstand 10 - 6 - haben. Nach dem für das Rechtsbeschwerdeverfahren maßgeblichen Vorbrin-gen des [X.] hat - neben weiteren von ihm selbst eingeleiteten Verfahren - auch [X.] einen der auf den Gesellschafterversammlungen gefassten [X.] als Kläger beanstandet. 11 c) Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass das [X.] der [X.] auch für das letztgenannte Verfahren die Prozessfähigkeit auf der Grundlage einer Vertretung durch ihren Gesellschafter S. bescheinigt hat. Die von [X.] erhobene Klage ist - wie auch die von dem Kläger offenbar verfolgten weiteren [X.] - nicht Bestandteil des vorliegenden [X.]. Über diese Klage kann - mangels einer Verfahrensverbindung (§ 147 ZPO) - nur innerhalb des betreffenden Verfahrens entschieden werden. Folglich ist die Entscheidung des [X.]s, die sich nach ihrem Inhalt auch auf den von [X.] betriebenen Prozess erstreckt, außerhalb eines rechtshängigen [X.] ergangen. Ein trotz fehlender Rechtshängigkeit erlassenes Urteil ist jedoch wirkungslos ([X.], 671 f.; [X.] 1982, 1924 f.; LG Tübingen JZ 1982, 474 f.; [X.]/[X.], ZPO 25. Aufl. [X.]. 18 vor § 300; Musielak/Musielak, ZPO 4. Aufl. § 300 [X.]. 5). Ein solches Urteil entfaltet - dies gilt auch für etwaige von dem Kläger [X.] weitere, nicht den Gegenstand der Berufung bildenden Klagen - keine materielle Rechtskraft ([X.] 4, 389, 394; [X.]/[X.] aaO [X.]. 19 vor § 300; Musielak/Musielak aaO § 300 [X.]. 7), kann aber, wenn es nicht ange-fochten wird, formelle Rechtskraft erlangen. Um deren Eintritt zu verhindern, kann ein wirkungsloses Urteil mit dem Rechtsmittel angefochten werden, das 12 - 7 - gegen ein rechtsfehlerfreies Urteil gleichen Inhalts gegeben wäre ([X.] 10, 346, 349; 4, 389, 394; [X.]/[X.]. § 511 [X.]. 13). Goette [X.] Gehrlein Strohn [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 30.06.2004 - 23 O 66/04 - [X.], Entscheidung vom 17.01.2005 - 9 U 190/04 -

Meta

II ZB 2/05

05.12.2005

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.12.2005, Az. II ZB 2/05 (REWIS RS 2005, 459)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 459

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9 U 190/04

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