Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2011, Az. XII ZB 326/10

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 10322

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[X.]BESCHLUSS [X.] 326/10 vom 19. Januar 2011 in der [X.]
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: jaFamFG § 59 Abs. 1; ZPO §§ 57, 80, 86, 280 a) Der Kläger eines Rechtsstreits ist hinsichtlich der Entscheidung, mit der das Betreu-ungsgericht die von ihm angeregte Bestellung eines Betreuers für den prozessunfä-higen Beklagten ablehnt, grundsätzlich [X.]. b) Etwas anderes gilt wegen § 86 ZPO allerdings, wenn die [X.], bevor sie prozessun-fähig geworden ist, ihrem Rechtsanwalt gemäß § 80 ZPO wirksam [X.] erteilt hatte. Fehlt es indes an einer wirksamen Vollmachtserteilung oder bestehen hieran Zweifel, ist die klagende [X.] [X.]. [X.], Beschluss vom 19. Januar 2011 - [X.] 326/10 - [X.]Notariat [X.]

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 19. Januar 2011 durch [X.], die Richterin [X.] und [X.] Klinkhammer, Schilling sowie [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 28. Juni 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des [X.] - an das [X.] zurückverwiesen. [X.]: 3.000 • Gründe: A. Die Antragstellerin ist Klägerin in einem vor dem [X.] gegen die Betroffene als Beklagte geführten Zivilprozess, der seit 2003 anhängig ist. Am 8. Dezember 2009 erteilte die Betroffene Rechtsanwalt [X.] für jenen Rechtsstreit. 1 Bereits am 8. Oktober 2008 ordnete das [X.] (im Folgenden: Pro-zessgericht) eine Beweisaufnahme über die Prozessfähigkeit der Betroffenen an. Mit Beschluss vom 29. Januar 2010 stellte es fest, dass die Betroffene "ab dem heutigen Tage" als [X.] anzusehen sei. 2 - 3 - Die Antragstellerin hat daraufhin beim Betreuungsgericht die Bestellung eines Betreuers für die Betroffene mit dem Aufgabenkreis der rechtlichen Ver-tretung in dem vorgenannten Verfahren beantragt. 3 4 Das Betreuungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Die von der Antragstel-lerin eingelegte Beschwerde hat das [X.] (im Folgenden: Beschwerde-gericht) als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin. B. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG statt-haft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. 5 I. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Antragstellerin sei nicht be-schwerdeberechtigt im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG. Die Entscheidung des Betreuungsgerichts beeinträchtige sie nicht in einem ihrer Rechte. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Antragstellerin infolge der fehlenden gesetzlichen Vertretung der Betroffenen ihre eigenen Rechte nicht durchsetzen könne. Die Antragstellerin könne aber den Prozess vor dem [X.] weiter betreiben, da die Betroffene zu einem Zeitpunkt, zu dem ihre [X.] noch nicht festgestellt gewesen sei, einen Anwalt mit der Prozessführung beauftragt und bevollmächtigt habe. Gemäß § 86 ZPO reiche eine einmal wirksam erteilte [X.] über den Eintritt der [X.] hinaus. Soweit das 6 - 4 - [X.] am 29. Januar 2010 ausdrücklich festgestellt habe, dass eine [X.] mit dem [X.] vorliege, sei im Umkehrschluss zu jedem früheren Zeitpunkt von der Prozessfähigkeit der Betroffenen auszugehen. II. 7 Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 1. Entgegen der Ansicht des [X.] ist die Antragstellerin beschwerdeberechtigt. 8 a) Gemäß § 59 Abs. 1 FamFG steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den angefochtenen Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Eine Rechtsbeeinträchtigung liegt vor, wenn der Entscheidungssatz des angefochte-nen Beschlusses unmittelbar in ein dem Beschwerdeführer zustehendes Recht eingreift, wobei diese Beeinträchtigung auch in einer ungünstigen Beeinflus-sung oder Gefährdung des Rechts liegen kann (zum früheren Recht: Senatsbe-schluss vom 25. Februar 2004 - [X.] 208/00 - FamRZ 2004, 1024, 1025; [X.] Beschluss vom 17. März 1997 - [X.] - NJW 1997, 1855; [X.], 922, 923; 1996, 1369 f.; vgl. auch [X.]/[X.] FamFG 16. Aufl. § 59 Rn. 9). 9 b) Ein Kläger ist hinsichtlich einer Entscheidung, mit der das Betreu-ungsgericht die von ihm angeregte Bestellung eines Betreuers für einen pro-zessunfähigen Beklagten ablehnt, grundsätzlich [X.]. 10 Der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes gebietet es, der klagenden [X.] die Möglichkeit einzuräumen, ihre Forderung auch gegen eine prozess-unfähige [X.] durchzusetzen. Um die ordnungsgemäße Vertretung der pro-zessunfähigen [X.] im Prozess zu gewährleisten, bedarf es grundsätzlich der 11 - 5 - Bestellung eines Betreuers ([X.] Beschluss vom 9. November 2010 - [X.]/09 - juris Rn. 9). Deshalb ist in einem solchen Fall dem Betroffenen ausnahmsweise im Interesse eines [X.], nämlich des [X.] bzw. [X.], ein Betreuer zu bestellen, wenn die Voraussetzungen des § 1896 BGB vorliegen (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 117 f.; [X.], 922, 923; 1996, 1369, 1370; vgl. auch Senatsbeschluss [X.] 93, 1, 6 ff. = [X.], 276 zur [X.]). Demgegenüber handelt es sich bei dem Prozesspfleger, der nach § 57 Abs. 1 ZPO bei Gefahr in Verzug zu bestellen ist, lediglich um einen Notvertreter, der bis zur Bestellung des ordentlichen gesetz-lichen Vertreters, hier also des Betreuers, einstweilen die Vertretung zu über-nehmen hat ([X.]/[X.] ZPO 28. Aufl. § 57 Rn. 1 und 9). Hat der Kläger ein rechtlich geschütztes Interesse an der Bestellung ei-nes Betreuers, geht damit im Falle einer abschlägigen Entscheidung des Betreuungsgerichts seine Beschwerdebefugnis einher (BayObLG FamRZ 1996, 1369, 1370; 1991, 737). 12 c) Etwas anderes gilt wegen § 86 ZPO allerdings, wenn die [X.], bevor sie [X.] geworden ist, ihrem Rechtsanwalt gemäß § 80 ZPO wirk-sam [X.] erteilt hatte. 13 Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, wird eine wirksam erteilte [X.] gemäß § 86 ZPO durch den Verlust der [X.] nicht berührt. Der Rechtsstreit wird abweichend von § 241 ZPO nicht unterbrochen (§ 246 Abs. 1 ZPO). Vielmehr ist die pro-zessunfähig gewordene [X.] auch nach Eintritt der [X.] im Sinne des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO "nach Vorschrift der Gesetze vertreten", wes-halb gegen sie auch ein Sachurteil ergehen kann (vgl. [X.] 121, 263, 265 f. = NJW 1993, 1654; [X.] NJW-RR 2001, 244; [X.], 613, 614; Musielak/[X.] ZPO 7. Aufl. § 86 Rn. 1, 10, 12; [X.]/[X.] aaO § 246 14 - 6 - Rn. 5; [X.]/[X.] aaO § 86 Rn. 12). Mithin fehlt der klagenden [X.] das Bedürfnis für eine Betreuerbestellung. 15 d) Fehlt es indes an einer wirksamen Vollmachtserteilung oder bestehen hieran Zweifel, ist die klagende [X.] ebenfalls [X.]. 16 aa) Wenn der Vollmachtgeber bereits geschäftsunfähig war, als er die [X.] erteilt hatte, ist diese unwirksam und der Vollmachtgeber nicht ordnungsgemäß vertreten. Erfolgt im weiteren Verlauf des Rechtsstreits keine Genehmigung der bisherigen Prozessführung, darf ein Sachurteil daher nicht ergehen (vgl. [X.] 86, 184, 185 ff. = NJW 1983, 996). [X.]) Entsprechendes gilt, wenn das Prozessgericht die Wirksamkeit der [X.] nicht durch ein Zwischenurteil gemäß § 280 ZPO bindend festgestellt hat, obgleich hieran Zweifel bestehen. 17 (1) Besteht Streit über das Vorliegen von Zulässigkeitsvoraussetzungen, sollen durch das Zwischenurteil zunächst die vorgreiflichen Zulässigkeitsfragen abschließend geklärt werden. Das Zwischenurteil ist gemäß § 280 Abs. 2 ZPO selbständig anfechtbar und unterliegt daher der formellen Rechtskraft gemäß § 705 ZPO. Ist es mit Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbar, kann es daher im Wege des Rechtsmittels gegen das später ergehende Endurteil grundsätzlich nicht mehr überprüft werden; insoweit bindet es das Rechtsmittelgericht gemäß §§ 512, 557 Abs. 2 ZPO ([X.] 182, 10 = [X.], 1239 Rn. 18 f. mwN). 18 (2) Fehlt es an einem solchen Zwischenurteil und bestehen Zweifel an der Wirksamkeit der [X.], ist der Kläger auch dann in seiner Rechtssphäre beeinträchtigt, wenn das Prozessgericht dem Verfahren - wie hier - Fortgang gibt. Denn in einem solchen Fall besteht die Möglichkeit, dass das Gericht erst im weiteren Verlauf des Prozesses die Unwirksamkeit der [X.] feststellt und demzufolge ein Prozessurteil ergeht, wenn dem Betroffe-19 - 7 - nen nicht zuvor ein Betreuer bestellt wird und dieser die bisherige Prozessfüh-rung genehmigt ([X.]/[X.]. § 52 Rn. 38). 20 Das Verfahren befindet sich mithin in einem für den Kläger nicht hin-nehmbaren Schwebezustand; das gilt im Übrigen gleichermaßen für die pro-zessunfähige [X.]. Weil es an der erforderlichen Rechtssicherheit fehlt, ist der Kläger in der Ausübung seiner Rechte empfindlich gestört; sein rechtlich ge-schütztes Interesse an einer wirksamen Vertretung der [X.]en [X.] wird durch die Ablehnung der Bestellung eines Betreuers zumindest gefährdet. 2. Nach diesen Grundsätzen ist die Antragstellerin vorliegend beschwer-debefugt. 21 Das Beschwerdegericht meint zu Unrecht, dass die Antragstellerin in der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen die Betroffene nicht beeinträchtigt ist. 22 Es ist der Auffassung, eine Beeinträchtigung der Antragstellerin scheide aus, weil die Betroffene ihrem Rechtsanwalt wirksam [X.] erteilt habe. Diese werde gemäß § 86 ZPO nicht von der festgestellten Prozessunfä-higkeit der Betroffenen berührt. Dabei geht das Beschwerdegericht von [X.] Voraussetzungen aus, indem es sich die Rechtsansicht des [X.] zu eigen macht, wonach die Betroffene bis zur Feststellung des Mangels - hier also mit Beschluss vom 29. Januar 2010 - "im Umkehrschluss" als prozessfähig gelte. Die Fiktion der Prozessfähigkeit beschränkt sich [X.] ausschließlich auf das Verfahren, das die Feststellung der Prozessfähigkeit zum Gegenstand hat. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist eine [X.] bis zur rechtskräftigen Feststellung der [X.] inso-weit als prozessfähig zu behandeln, als ihre Prozessfähigkeit im Streit steht ([X.] Beschluss vom 9. November 2010 - [X.]/09 - juris Rn. 3; [X.] 143, 122, 123, 127; [X.]/[X.] aaO § 52 Rn. 6; § 56 Rn. 13). Damit soll der betroffenen [X.] ermöglicht werden, die Frage ihrer Prozessfähigkeit 23 - 8 - selbst klären zu lassen. Diese Fiktion erfasst indessen nicht das übrige ([X.]) Verfahren (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Mai 2004 - [X.] 226/03 - NJW-RR 2004, 1505, 1506). 24 Dem Beschluss vom 29. Januar 2010 lassen sich Feststellungen dar-über, wann die [X.] der Betroffenen eingetreten ist, nicht ent-nehmen. Im Übrigen ist die Entscheidung, da nicht in Form eines Zwischenur-teils ergangen, auch nicht rechtskraftfähig. Ob die [X.] wirksam ist, ist zudem nach den vom [X.] in Bezug genommenen Feststellungen des [X.] in dem Beschluss vom 29. Januar 2010 zweifelhaft. Dieses ist davon ausgegan-gen, dass die Betroffene jedenfalls bereits von Oktober 2008 an [X.] war, also schon bevor die Betroffene ihren Rechtsanwalt erneut bevollmächtigt hat. 25 Soweit das Beschwerdegericht in seiner Entscheidung anklingen lässt, dass im Falle einer schon früher bestehenden [X.] kein anderes Ergebnis gerechtfertigt wäre, weil dann auch der [X.] - vor der [X.] Beauftragung ihres Rechtsanwalts - zunächst erfolgte Entzug des Mandats unwirksam gewesen wäre, rechtfertigt dies keinen anderen Schluss. Denn es besteht zum einen die Möglichkeit, dass bereits die erste Erteilung der [X.], zu deren Umständen das Beschwerdegericht keine Feststellungen ge-troffen hat, unwirksam war. Andererseits kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Betroffene noch prozessfähig war, als sie ihrem Prozessbevollmächtig-ten die Vollmacht entzogen hat. 26 - 9 - III. 27 Nach alledem war der Beschluss des [X.]s gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben und die Sache nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG zur ander-weitigen Behandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen. Dose [X.] Klinkhammer Schilling Günter Vorinstanzen: Notariat [X.], Entscheidung vom 01.04.2010 - 5 VG 3/10 - [X.], Entscheidung vom 28.06.2010 - 2 T 116/10 -

Meta

XII ZB 326/10

19.01.2011

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2011, Az. XII ZB 326/10 (REWIS RS 2011, 10322)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10322

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