Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.03.2016, Az. IX AR (VZ) 5/15

9. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 14336

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anspruch auf Aufnahme in die Vorauswahlliste zur Bestellung als Insolvenzverwalter: Aufnahmeanspruch bei Wechsel des Insolvenzrichters; fachliche Eignung bei früheren Fehlern des Insolvenzverwalters


Leitsatz

1. Wenn ein Bewerber um die Aufnahme in eine Vorauswahlliste eine Vielzahl von Verfahren beanstandungsfrei geführt hat, kann ihm die generelle fachliche Eignung nicht allein deswegen abgesprochen werden, weil der Insolvenzrichter ihm zwei Fehler nachweisen kann.

2. Die von einem Insolvenzrichter persönlich erstellte Vorauswahlliste wird gegenstandslos, wenn der Richter aus dem Insolvenzgericht ausscheidet und sein Nachfolger sich die Liste und die ihr zugrundeliegenden Auswahlkriterien nicht zu Eigen macht.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 2. Zivilsenats des [X.] vom 22. April 2015, berichtigt am 3. August 2015, aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Der Geschäftswert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

[X.]

1

Die Antragstellerin ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Insolvenzrecht mit Kanzleisitz in [X.]. Seit dem [X.] wird sie regelmäßig an mehreren Gerichten in Norddeutschland als Insolvenzverwalterin und Treuhänderin bestellt, seit dem [X.] auch beim Amtsgericht [X.]. Dies handhabten die Amtsvorgänger des Antragsgegners ebenso. Nachdem der Antragsgegner die Abteilungen 67b und 68b des Amtsgerichts [X.] als Insolvenzrichter übernommen hatte, beantragte die Antragstellerin im Dezember 2013 ihre Aufnahme auch in seine [X.] zur Bestellung als Insolvenzverwalter. Mit Bescheid vom 12. Februar 2014 lehnte der Antragsgegner die Aufnahme der Antragstellerin in seine [X.] ab. Zur Begründung führte er aus: Aus dem Verfahren 67b IN 518/08 ergebe sich die mangelnde Eignung der Antragstellerin in juristischer Hinsicht wie auch bei der praktischen Herangehensweise. Sie habe nicht erkannt, dass der vom Schuldner durch einen Erbfall während des Insolvenzverfahrens erworbene Pflichtteilsanspruch in Gänze zur Insolvenzmasse selbst dann gehöre, wenn er erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens anerkannt oder rechtshängig gemacht werde. In einem Ergänzungsbescheid vom 20. März 2014 begründete der Antragsgegner die Ablehnung der Aufnahme in die [X.] mit einem fehlerhaften Gutachten im Insolvenzverfahren 67b IN 209/13. Gegen diesen Bescheid beantragte die Antragstellerin fristgerecht beim [X.] die gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff [X.].

2

Durch Beschluss vom 22. April 2015 hat das [X.] den Bescheid vom 12. Februar 2014 aufgehoben und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit seiner frist- und formgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde möchte der Antragsgegner die Zurückweisung des Antrags erreichen.

I[X.]

3

Das gemäß § 29 Abs. 1 [X.] statthafte Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das [X.]. Die mögliche mangelnde [X.] des Antragsgegners führt nicht zur Unzulässigkeit seiner Rechtsbeschwerde. Für den Streit über die [X.] ist die davon betroffene [X.] als beteiligtenfähig anzusehen (vgl. [X.], Beschluss vom 9. November 2010 - [X.], [X.], 507 Rn. 3).

4

1. Das [X.] hat den Antragsgegner als beteiligtenfähig und als materiell-rechtlich zutreffenden Antragsgegner angesehen. Es hat ausgeführt, an der Annahme, der Antragsgegner sei als Leiter einer Insolvenzabteilung des Amtsgerichts [X.] nach § 23 [X.] beteiligtenfähig, nicht durch die Entscheidungen des [X.] vom 16. Mai 2007 ([X.] ([X.]) 5/07, [X.], 711) und vom 19. Dezember 2007 ([X.] ([X.]) 6/07 Z[X.] 2008, 207) gehindert zu sein, auch wenn dort als richtiger Antragsgegner der Träger der Landesjustizverwaltung nach den [X.] der betroffenen Länder angesehen worden sei. Denn seit dem Inkrafttreten von § 8 Nr. 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (künftig FamFG) am 1. September 2009 seien Behörden beteiligtenfähig. § 8 FamFG sei auch auf das Verfahren nach §§ 23 ff [X.] anwendbar. Behörde im Sinne von § 23 [X.] sei der einzelne Insolvenzrichter als Leiter der jeweiligen Insolvenzabteilung, denn allein diesem obliege nach § 56 Abs. 1 Satz 1 [X.] die Entscheidung darüber, ob er einen Bewerber in die Insolvenzverwaltervorauswahlliste aufnehme.

5

Der Antrag habe auch Erfolg, weil der Antragsgegner sein Auswahlermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Bei dem angegriffenen [X.] handele es sich nicht um die Ablehnung einer Aufnahme in die [X.], sondern um eine Streichung aus der [X.], weil die Antragstellerin bei dem Amtsvorgänger des Antragsgegners gelistet gewesen sei. Der Antragsgegner habe seiner Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen die Antragstellerin (weiter) als Insolvenzverwalterin bestellt werden könne, Maßstäbe zugrunde gelegt, die einer rechtlichen Überprüfung nicht standhielten, und sein Auswahlermessen überschritten. Der Antragstellerin sei in einem Verfahren nachweisbar ein Rechtsfehler unterlaufen und sie habe in einem anderen Verfahren ein nicht gänzlich beanstandungsfreies Gutachten erstattet. Demgegenüber habe sie unbeanstandet 1.400 Insolvenzverfahren geführt. Daher könne eine fehlende fachliche Eignung nicht angenommen werden. Ebenso wenig könne aus einer unzureichenden Examensnote auf die fehlende fachliche Eignung geschlossen werden.

6

2. Die Ausführungen des [X.]s zur [X.] des Antragsgegners halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

7

a) Allerdings ist die Frage in der Rechtsprechung streitig, wie der Antragsgegner in den Verfahren vor dem [X.] nach §§ 23 ff [X.] in diesen zu bezeichnen und wer zu beteiligen ist. Die jüngere Spruchpraxis der [X.]e sieht regelmäßig in dem einzelnen Insolvenzrichter oder in den [X.] in ihrer Gesamtheit, wenn sie gemeinsam die [X.] führen, den nach § 23 [X.] richtigen Antragsgegner ([X.], [X.], 105, 106; Z[X.] 2015, 798 f; [X.], [X.], 659 f; Beschluss vom 7. Januar 2013 - 27 VA 3/11, [X.]; [X.], [X.], 248, 249; ZIP 2011, 341, 342; [X.], [X.], 647, 648). Andere meinen, Antragsgegner sei das Amtsgericht - Insolvenzgericht - ([X.], [X.], 309; [X.], [X.], 678) oder der Behördenleiter des Amtsgerichts (KG, [X.], 187; früher auch [X.], [X.], 614, 615). Wieder andere sehen in dem Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, den richtigen Antragsgegner, sofern nicht im Landesrecht etwas anderes bestimmt ist ([X.], Beschluss vom 16. Mai 2007 - [X.] ([X.]) 5/07, [X.], 711 Rn. 14 f; vom 19. Dezember 2007 - [X.] ([X.]) 6/07, Z[X.] 2008, 207 Rn. 13 ff; vom 19. September 2013 - [X.] ([X.]) 1/12, [X.]Z 198, 225 Rn. 3; so auch [X.], [X.], 524; Beschluss vom 25. Februar 2010 - 20 VA 14/08, [X.]; vgl. auch OLG [X.], [X.], 744, 745; [X.], 762, 764; [X.], 193). In der Literatur ist die Frage ebenso umstritten (vgl. einerseits [X.]/Zipperer, [X.], 14. Aufl., § 56 Rn. 35; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2015, § 56 Rn. 26; [X.] in [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], 2. Aufl., § 56 Rn. 22; [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 56 Rn. 31; andererseits [X.]/[X.], [X.], 19. Aufl., § 56 Rn. 73; HK-[X.]/[X.], 7. Aufl., § 56 Rn. 17; FK-[X.]/[X.], 8. Aufl., § 56 Rn. 27).

8

b) Richtiger Antragsgegner nach § 23 [X.] in Verbindung mit § 8 Nr. 3 FamFG in Verbindung mit [X.] [X.] Buchst. e der Anordnung über die Vertretung der Freien und Hansestadt [X.] im Geschäftsbereich der für die Justiz zuständigen Behörde vom 16. Februar 2012 (AV der [X.], [X.]. 5002/1/1, HmbJVBl 2012, 11) ist nicht der jeweilige die Auswahlliste führende Insolvenzrichter als Leiter einer Insolvenzabteilung, sondern das Amtsgericht [X.], das nach § 9 Abs. 3 FamFG durch den Vorstand des Amtsgerichts vertreten wird, in [X.] durch den Präsidenten.

9

aa) Nach der grundlegenden Entscheidung des [X.] vom 3. August 2004 (NJW 2004, 2725; vgl. auch [X.], [X.], 636; [X.], 641) ist in Rechtsprechung (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Mai 2007 - [X.] ([X.]) 5/07, [X.], 711; vom 19. Dezember 2007 - [X.] ([X.]) 6/07, Z[X.] 2008, 207; vom 19. September 2013 - [X.] ([X.]) 1/12, [X.]Z 198, 225) und Literatur (vgl. [X.]/[X.], [X.], 2007, § 56 Rn. 62; MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 56 Rn. 104; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2015, § 56 Rn. 26; [X.] in Kübler/Prütting/Bork, [X.], 2009, § 56 Rn. 25; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 23 [X.] Rn. 60; [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 23 [X.] Rn. 133) allgemein anerkannt, dass es sich bei der Entscheidung über die Aufnahme eines Bewerbers in die bei den [X.] geführte [X.] um einen [X.] handelt, der nach §§ 23 ff [X.] anfechtbar ist. Entsprechendes gilt als actus contrarius für die Streichung des Bewerbers von der [X.] (MünchKomm-[X.]/[X.], aaO § 56 Rn. 114; [X.]/Zipperer, [X.], 14. Aufl., § 56 Rn. 37; [X.]/[X.], [X.], 19. Aufl., § 56 Rn. 72). Die Entscheidung im [X.]verfahren ist kein Rechtsprechungsakt. Sie ist deswegen weder Rechtsprechung im materiellen Sinne noch unterfällt sie dem funktionellen Rechtsprechungsbegriff, weil der [X.] zwar in richterlicher Unabhängigkeit tätig wird, aber nicht in seiner Funktion als Instanz der unbeteiligten Streitbeilegung. Die [X.] hat jedoch einen erheblichen Einfluss auf die Berufsausübung der Bewerber (Art. 12 Abs. 1 GG). Bei der Bewerbung um eine Tätigkeit im Rahmen von Insolvenzverfahren, die nur von hoheitlich tätigen [X.]n vergeben wird, muss jedenfalls jeder Bewerber eine faire Chance erhalten, entsprechend seiner in § 56 Abs. 1 [X.] vorausgesetzten Eignung berücksichtigt zu werden. Eine Chance auf eine Einbeziehung in ein konkret anstehendes Auswahlverfahren und damit auf Ausübung des Berufs hat ein potentieller Insolvenzverwalter nur bei [X.] Einbeziehung in das [X.]verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Chancengleichheit der Bewerber ist daher gerichtlicher Überprüfung zugänglich. Allein sie gewährleistet insoweit die Beachtung subjektiver Rechte ([X.], NJW 2004, 2725, 2727).

bb) Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 [X.] entscheiden über die Rechtmäßigkeit von Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Zivilprozesses - dessen Regeln das Insolvenzverfahren folgt (§ 4 [X.]) - getroffen werden ([X.]e), auf Antrag die ordentlichen Gerichte. Dieser besonderen Rechtswegregelung liegt die Annahme zugrunde, dass die ordentlichen Gerichte den Verwaltungsmaßnahmen in den aufgeführten Gebieten sachlich näher stehen als die Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit und über die zur Nachprüfung justizmäßiger Verwaltungsakte erforderlichen zivilrechtlichen Erkenntnisse und Erfahrungen verfügen. Die Bestimmung ist als Ausnahme zu § 40 Abs. 1 VwGO eng auszulegen ([X.], Beschluss vom 16. Mai 2007 - [X.] ([X.]) 5/07, [X.], 711 Rn. 11).

Es entspricht einhelliger Auffassung, dass der Begriff der Justizbehörde im funktionellen Sinne zu verstehen ist, wenn es darum geht, ob die jeweils in Rede stehende Amtshandlung in Wahrnehmung einer Aufgabe vorgenommen worden ist, die der jeweiligen Behörde als ihre spezifische Aufgabe auf einem der in § 23 [X.] genannten Rechtsgebiete zugewiesen ist. Von diesen Grundsätzen ist das [X.] ausgegangen. Es hat zutreffend die Insolvenzrichter ihrer Funktion nach als Justizbehörde angesehen. Soweit sie in dieser Eigenschaft tätig geworden sind, unterliegt ihr Handeln der vom [X.] geforderten Kontrolle ([X.], Beschluss vom 16. Mai 2007, aaO Rn. 12). Daraus ist jedoch nicht ohne Weiteres zu folgern, dass der einzelne Insolvenzrichter selbst Antragsgegner in dem Verfahren nach §§ 23 ff [X.] ist. Richtiger Antragsgegner ist nach diesen Regeln die für die Rechtsverletzung durch einen [X.] verantwortliche staatliche Stelle, also vorliegend die Stelle, die für die Entscheidung, einen Interessenten für das Amt des Insolvenzverwalters in die [X.] nicht aufzunehmen oder ihn aus dieser Liste zu streichen, verantwortlich ist. Aus den Regeln der §§ 23 ff [X.] ergibt sich nicht unmittelbar, wer die in diesem Sinne für den angegriffenen [X.] verantwortliche staatliche Stelle ist.

cc) Im Verwaltungsprozess kommt einzelnen Behörden neben natürlichen und juristischen Personen nur dann die Fähigkeit zu, am Verfahren beteiligt zu sein, wenn das Landesrecht dies bestimmt (§ 61 Nr. 1, 3 VwGO, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Gibt es eine solche Regelung nicht, ist gegen den Rechtsträger zu klagen, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat. Im Zivilprozess gilt zu § 50 ZPO eine vergleichbare Regelung. Behörden sind auch hier [X.] und allein insoweit parteifähig. Bis zum 31. August 2009 ordnete § 29 Abs. 2 Halbs. 1 [X.] aF für das Verfahren vor dem [X.] nach §§ 23 ff [X.] die entsprechende Anwendung des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit ([X.]) an. Auch in Verfahren, die nach den Regeln dieses Gesetzes geführt wurden, konnten grundsätzlich nur rechtsfähige Rechtsträger am Verfahren beteiligt sein. Behörden, die keine eigene Rechtspersönlichkeit besaßen, waren lediglich parteifähig, wenn ihnen die Fähigkeit zugesprochen war, sich an einem Verfahren zu beteiligen. Dies setzte eine entsprechende gesetzliche Regelung voraus, durch welche die fehlende [X.]fähigkeit ersetzt wurde ([X.], Beschluss vom 16. Mai 2007, aaO Rn. 14 f). Deswegen nahm der [X.] bis zum Inkrafttreten des § 8 Nr. 3 FamFG am 1. September 2009 auch an, dass Antragsgegner des abgelehnten Bewerbers auf Aufnahme in die [X.] in den Verfahren nach §§ 23 ff [X.] der Rechtsträger war, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hatte, sofern nicht die Behörde selbst nach Landesrecht verklagt werden konnte ([X.], Beschluss vom 16. Mai 2007, aaO; vom 19. Dezember 2007 - [X.] ([X.]) 6/07, Z[X.] 2008, 207 Rn. 12 ff). Das [X.] [X.] hat daher bislang unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung und der einschlägigen [X.] als richtige Antragsgegnerin die Freie und Hansestadt [X.], vertreten durch die [X.], angesehen (vgl. OLG [X.], Z[X.] 2012, 175).

dd) Seit dem 1. September 2009 gilt für das Verfahren nach §§ 23 ff [X.] vor dem Zivilsenat des [X.]s die Vorschrift des § 8 Nr. 3 FamFG. Nach dieser Regelung sind Behörden allgemein beteiligtenfähig.

(1) Richtig hat das [X.] erkannt, dass § 8 Nr. 3 FamFG auf das Verfahren nach §§ 23 ff [X.] Anwendung findet, auch wenn in § 29 Abs. 3 [X.] nur auf § 17 FamFG und auf §§ 71 bis 74a FamFG, also die Regelungen über die Wiedereinsetzung und für das Verfahren der Rechtsbeschwerde, verwiesen wird. Die Verweisung in § 29 Abs. 2 [X.] aF auf das [X.] für das Verfahren vor dem [X.] hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 ([X.]) ersatzlos gestrichen. Weiter hat der Gesetzgeber § 29 [X.] aF dadurch grundlegend geändert, dass die Entscheidung des [X.]s nicht mehr endgültig ist, die Pflicht einer Divergenzvorlage an den [X.] abgeschafft und dafür die Rechtsbeschwerde eingeführt wurde. Der [X.] hat dabei die Bedeutung des § 29 Abs. 2 [X.] aF zu eng nur auf das Verfahren der Divergenzvorlage bezogen und nicht seine darüber hinaus bestehende Bedeutung für das Verfahren vor dem [X.] bedacht. Die Materialien machen deutlich, dass nur beabsichtigt war, den Rechtsmittelzug neu zu ordnen, ohne das Verfahren im Übrigen zu ändern (vgl. BT-Drucks. 16/6308, [X.] zu Art. 21 zu [X.]). Deswegen müssen auf das Verfahren vor dem Zivilsenat des [X.]s die Regelungen des FamFG weiterhin auch ohne ausdrücklichen Verweis ergänzend herangezogen werden ([X.]/[X.], 4. Aufl., Vorbemerkung zu den §§ 23 ff [X.] Rn. 5; [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 29 [X.] Rn. 2; vgl. [X.]/[X.], [X.], 2015, 93, 94 ff).

(2) Daraus ergibt sich jedoch noch nicht, dass dem einzelnen Insolvenzrichter Behördenqualität im Sinne dieser Vorschrift zukommt. Behörden im Sinne von § 8 Nr. 3 FamFG sind wie in § 61 Nr. 3 VwGO solche Stellen, die durch organisationsrechtliche Rechtssätze gebildet, vom Wechsel des Amtsinhabers unabhängig und nach der einschlägigen Zuständigkeitsregelung berufen sind, unter eigenem Namen für den Staat oder einen anderen Träger öffentlicher Verwaltung Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Sie sind unselbständige Teile ihres jeweiligen Rechtsträgers und daher nur nach Maßgabe des Landesrechts beteiligtenfähig. Demgegenüber sind im Anwendungsbereich des § 8 Nr. 3 FamFG sämtliche Stellen, die dem Behördenbegriff entsprechen, beteiligtenfähig (Haußleiter/[X.], FamFG, 2011, § 8 Rn. 10; zu § 61 Nr. 3 VwGO: [X.], NVwZ 1986, 761, NVwZ-RR 1989, 576, NJW 1991, 2586, 2587; BeckOK-VwGO/[X.], 2016, § 61 Rn. 18; Bier in [X.]/[X.]/Bier, VwGO, 2015, § 61 Rn. 8).

(3) Der einzelne Insolvenzrichter bildet entgegen der Ansicht des [X.]s keine solche Stelle. Denn er ist, soweit er - wenn auch in richterlicher Unabhängigkeit - Verwaltungsaufgaben wahrnimmt, lediglich unselbständiger Teil der Gesamtbehörde Amtsgericht [X.]. Nur das Amtsgericht selbst ist durch organisatorische Rechtssätze gebildet, nicht aber die einzelnen Untergliederungen und Abteilungen. Diesen fehlt die für die Annahme der [X.] unabdingbare organisatorische Verselbständigung gegenüber dem Amtsgericht im Übrigen (vgl. [X.], NVwZ 1986, 761; vgl. [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 23 [X.] Rn. 133, § 29 Rn. 4 [X.]). Nach der Anordnung über die Vertretung der Freien und Hansestadt [X.] im Geschäftsbereich der für die Justiz zuständigen Behörde vom 16. Februar 2012 ([X.]. 5002/1/1; HmbJVBl 2012, 11) ist unter [X.] [X.] Buchst. e angeordnet, dass die Freie und Hansestadt [X.] im Geschäftsbereich der für die Justiz zuständigen Behörde, soweit durch Gesetz, Rechtsverordnung oder Verwaltungsanordnung nichts anderes bestimmt ist, in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch die Dienststelle vertreten wird, zu deren Geschäftsbereich die dem Verfahren zugrunde liegende Angelegenheit gehört.

(4) Aus der Stellung des [X.] und den Besonderheiten der Insolvenzordnung ergibt sich nichts Anderes. Allerdings entscheidet der einzelne Insolvenzrichter selbst und weisungsfrei über die Aufnahme eines Bewerbers auf die von ihm geführte [X.] und über die Streichung in richterlicher Unabhängigkeit. Denn mit der Erstellung der [X.] bereitet er die allein ihm obliegende Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters im konkreten Insolvenzverfahren vor. Allein die [X.] gewährleistet eine zügige Eignungsprüfung für das konkrete Verfahren und verschafft dem Insolvenzrichter hinreichende Informationen für eine pflichtgemäße Ausübung des Auswahlermessens ([X.]E 116, 1, 16 f; [X.], Z[X.] 2009, 1641 Rn. 12). In die jeweilige [X.] ist jeder Bewerber einzutragen, der die grundsätzlich zu stellenden Anforderungen an eine generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung für das erstrebte Amt erfüllt ([X.], aaO Rn. 11).

Daraus ist jedoch nicht zu folgern, dass nur der Insolvenzrichter selbst verklagt werden kann, weil weder der Leiter des Amtsgerichts noch der Träger der Landesjustizverwaltung Weisungen in Bezug auf die Listenführung erteilen dürften und deswegen eine gegen das Land oder das Amtsgericht ergehende Entscheidung nicht durchgesetzt werden könne (vgl. [X.]/[X.], [X.], 19. Aufl., § 56 Rn. 73). Die Besonderheiten seiner Stellung als Insolvenzrichter haben weder zur Folge, dass seine Entscheidungen nicht justiziabel wären, noch machen sie ihn zur Behörde im Sinne von § 8 Nr. 3 FamFG. Eine gegen das Amtsgericht nach § 28 [X.] ergehende Entscheidung des [X.]s zur Führung der [X.] ist von ihm zu beachten, ohne dass es einer Weisung des [X.] bedarf.

II[X.]

Da das [X.] bislang das Amtsgericht [X.] als den richtigen Antragsgegner nicht beteiligt hat (§ 7 Abs. 2 [X.], § 9 Abs. 3 FamFG), war die Sache an das [X.] zurückzuverweisen.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

1. Dadurch dass die Antragstellerin in ihrer Antragschrift als Antragsgegner nicht das Amtsgericht [X.], sondern den einzelnen Insolvenzrichter genannt hat, ist ihr Antrag nicht gemäß § 26 Abs. 1 [X.] verfristet. Allerdings muss nach dieser Regelung der Antrag auf gerichtliche Entscheidung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids gestellt werden. In dem Antrag muss der Antragsgegner bezeichnet werden, um dem [X.] die Prüfung zu ermöglichen, ob eine Rechtsverletzung durch die Maßnahme einer Justiz- oder Vollzugsbehörde geltend gemacht wird ([X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 23 [X.] Rn. 50). Richtet sich ein zulässiger Antrag gegen den materiell-rechtlich unrichtigen Antragsgegner, ist er unbegründet. Ein solcher Antrag wahrt gegenüber dem richtigen Antragsgegner die Frist nicht.

Die Antragstellerin hat ihren Antrag jedoch nicht gegen den unrichtigen Antragsgegner gerichtet, indem sie den Insolvenzrichter als Gegner bezeichnet hat. Insoweit handelt es sich um eine bloße Falschbezeichnung. Dem Antrag war deutlich zu entnehmen, dass die Antragstellerin eine Rechtsverletzung durch die Maßnahme einer Justizbehörde geltend machte und wer die Verletzungshandlung vorgenommen haben soll.

2. Vorliegend geht es entgegen der Ansicht des [X.]s nicht um die Streichung aus der [X.], sondern um die Aufnahme in diese Liste. Jeder einzelne Insolvenzrichter entscheidet selbst über die Aufnahme eines Interessenten auf die von ihm geführte [X.] und über die Streichung in richterlicher Unabhängigkeit. Er bereitet mit der Erstellung der [X.] die allein ihm obliegende Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters im konkreten Verfahren vor (vgl. [X.]E 116, 1, 16 f). Die Listenführung darf er jedenfalls dann nicht einem anderen Insolvenzrichter oder Stellen der [X.] überlassen, wenn nicht sichergestellt ist, dass die Liste entsprechend der von ihm selbst für maßgeblich befundenen Kriterien geführt wird ([X.], Z[X.] 2009, 1641 Rn. 12). Die von einem Insolvenzrichter persönlich erstellte [X.] wird deswegen gegenstandslos, wenn der [X.] aus dem Insolvenzgericht ausscheidet und sein Nachfolger sich die Liste und die ihr zugrundeliegenden Auswahlkriterien nicht zu Eigen macht (vgl. [X.]/Zipperer, [X.], 14. Aufl., § 56 Rn. 8). Dass der Antragsgegner sich die [X.] des Vorgängers zu Eigen gemacht hat, hat das [X.] nicht festgestellt. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten ist das Gegenteil der Fall: Der Antragsgegner führt eine eigene [X.], auf welche die Antragstellerin aufgenommen werden will.

3. Für das [X.]verfahren steht die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der persönlichen und fachlichen Eignung im Vordergrund. Für diese generelle Eignung ist ein bestimmtes Anforderungsprofil zu erstellen, nach dem sich die Qualifikation des jeweiligen Bewerbers richtet ([X.], Beschluss vom 19. Dezember 2007 - [X.] ([X.]) 6/07, Z[X.] 2008, 207 Rn. 19; [X.], Z[X.] 2009, 1641 Rn. 14). Der Insolvenzrichter hat die Auswahlkriterien transparent zu machen, etwa durch Veröffentlichung im [X.] oder durch Fragebögen ([X.]/Zipperer, [X.], 14. Aufl., § 56 Rn. 9). Dabei ist es ihm verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen; darüber hinaus kann die tatsächliche Vergabepraxis zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen (Art. 3 Abs. 1 GG; [X.]E 116, 135, 153 f). Damit die [X.] die ihr zukommende Funktion erfüllen kann, darf sich das [X.]verfahren nicht nur auf das Erstellen einer Liste mit Namen und Anschriften interessierter Bewerber beschränken, vielmehr müssen die Daten über die Bewerber erhoben, verifiziert und strukturiert werden, die der jeweilige Insolvenzrichter nach der eigenen Einschätzung für eine sachgerechte Ermessensausübung bei der Auswahlentscheidung benötigt ([X.]E 116, 1,17). Erfüllt ein Bewerber die persönlichen und fachlichen Anforderungen für das Amt des Insolvenzverwalters im Allgemeinen, kann ihm die Aufnahme in die Liste nicht versagt werden. Ein Ermessen für den die [X.] führenden Insolvenzrichter besteht nicht ([X.], Beschluss vom 19. Dezember 2007 - [X.] ([X.]) 6/07, Z[X.] 2008, 207 Rn. 20). Ihm ist allerdings ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen, wenn er den Bewerber an den allgemeinen Kriterien für die fachliche und persönliche Eignung misst. Denn seiner Beurteilung, ob der Bewerber dem Anforderungsprofil genügt, ist ein prognostisches Element immanent ([X.], Beschluss vom 19. Dezember 2007, aaO Rn. 21; vgl. [X.]/Zipperer, [X.], 14. Aufl., § 56 Rn. 34).

4. Bei der Antragstellerin geht es allein um die Frage ihrer fachlichen Eignung.

a) Sie ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Insolvenzrecht. Sie ist seit 2006 als Insolvenzverwalterin tätig und hat beanstandungsfrei 1.400 Verfahren geführt. Diese Zahl war zwischen den [X.]en im Verfahren vor dem [X.] unstreitig. Deswegen hatte das [X.] keinen Anlass, hierzu eigene Ermittlungen anzustellen, nachdem der Insolvenzrichter selbst zur Berufserfahrung der Antragstellerin keine anderslautenden Feststellungen getroffen hatte. Angesichts dieser Berufserfahrung durfte der Antragsgegner die fachliche Ungeeignetheit der Antragstellerin nicht aus Unkenntnis einer Entscheidung des [X.] und einem fehlerhaften Gutachten schließen.

Negative Erfahrungen aus früheren Verfahren auch vor anderen [X.] können einen Grund zur Ablehnung der Aufnahme eines Bewerbers auf und zu seiner Streichung von der [X.] darstellen. Darunter kann fallen: Unzureichende Berichterstattung, fehlerhafte Insolvenzplanbearbeitung, umfassende Delegation oder vermeidbar verlustreiche Betriebsfortführungen, Notwendigkeit zur Verhängung von Ordnungsgeldern oder verlorene Haftpflichtprozesse (vgl. [X.], [X.], 831, 832; OLG [X.], NJW 2006, 451, 452; [X.], Z[X.] 2010, 2149 Rn. 14, 22, 24; vgl. [X.]/Zipperer, [X.], 14. Aufl., § 56 Rn. 16). Doch genügt bei einer langen, [X.] Berufsausübung nicht jeder Fehler, um die Ablehnung der Aufnahme auf die [X.] oder die Streichung von dieser zu begründen. Ein Fehler kann jedem Verwalter unterlaufen und berechtigt nicht den Schluss auf seine fachliche Ungeeignetheit. Vielmehr muss sich aufgrund mehrerer Insolvenzverfahren ergeben, dass der Bewerber immer wieder fehlerhaft gearbeitet hat und arbeitet (vgl. [X.], Z[X.] 2010, 2149 Rn. 52).

Hierzu hat der Antragsgegner keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Insbesondere hat er nicht festgestellt, dass es zu einem schwerwiegenden Haftungsfall gekommen ist. Vielmehr ist nach den bisherigen Feststellungen davon auszugehen, dass die Antragstellerin ihren Fehler im Wesentlichen wieder berichtigt hat und kein gravierender Schaden für die von ihr betreute Masse entstanden ist.

b) Unerheblich ist, dass der Antragsgegner als Insolvenzrichter einer anderen Abteilung des Amtsgerichts die Aufnahme der Antragstellerin in seine damals geführte [X.] im [X.] wegen unzureichender Examensergebnisse abgelehnt hat. Denn ein Bewerber, dessen Aufnahme in die [X.] von dem [X.] einer Abteilung des Insolvenzgerichts abgelehnt worden ist, ist nicht gehindert zu beantragen, in die [X.] einer anderen Abteilung aufgenommen zu werden. An diesem Ergebnis ändert sich nicht deswegen etwas, weil zwischenzeitlich der Antragsgegner Leiter der neuen Abteilung geworden ist. Seit der Ablehnung im [X.] sind [X.], in denen die Antragstellerin als Insolvenzverwalterin beruflich tätig war und 1.400 Insolvenzverfahren beanstandungsfrei geführt hat. Im Übrigen erweist sich die Examensnote nicht als geeignetes Qualifizierungsmerkmal für die Aufnahme in die [X.], zumal der Beruf des Insolvenzverwalters kein juristisches Studium voraussetzt (vgl. OLG [X.], [X.], 744, 746 f).

Kayser                     Vill                          Lohmann

               [X.]                     Möhring

Meta

IX AR (VZ) 5/15

17.03.2016

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 22. April 2015, Az: 2 VA 1/14

§ 56 Abs 1 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.03.2016, Az. IX AR (VZ) 5/15 (REWIS RS 2016, 14336)

Papier­fundstellen: WM 2016, 846 REWIS RS 2016, 14336

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX AR (VZ) 2/15 (Bundesgerichtshof)

Antrag auf Aufnahme in die Vorauswahllisten für die Bestellung von Insolvenzverwaltern: Merkmale der Ortsnähe und …


IX AR (VZ) 4/15 (Bundesgerichtshof)

Antrag auf Aufnahme in die Vorauswahllisten für die Bestellung von Insolvenzverwaltern: Merkmale der Ortsnähe und …


IX AR (VZ) 1/15 (Bundesgerichtshof)

Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Aufnahme in die bzw. Streichung aus der Insolvenzverwalter-Vorauswahlliste in …


IX AR (VZ) 5/15 (Bundesgerichtshof)


IX AR (VZ) 7/15 (Bundesgerichtshof)

Justizverwaltung: Aufnahme eines Bewerbers in die Vorauswahlliste des Insolvenzgerichts für Insolvenzverwalter


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.