Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.07.2010, Az. VI ZR 111/09

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 4932

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/09 Verkündet am: 13. Juli 2010 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: jaEGZPO § 15a; [X.] § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Wird der im Mahnverfahren nur gegen den [X.] geltend gemachte Anspruch mit der Anspruchsbegründung im Klageverfahren auf den Versicherungsnehmer erweitert, ist die gegen diesen erhobene Klage als unzu-lässig abzuweisen, wenn vor der Parteierweiterung das grundsätzlich erforderli-che Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt worden ist. [X.], Urteil vom 13. Juli 2010 - [X.]/09 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat im schriftlichen Verfahren nach [X.] bis zum 24. Juni 2010 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] und [X.], die Richterin [X.] und [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil der [X.]. Zivilkammer des [X.] vom 28. November 2008 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand:Der Kläger nimmt die [X.] auf Schadensersatz in Anspruch, weil die Beklagte zu 2 mit ihrem bei der [X.] zu 1 haftpflichtversicherten PKW am 14. August 2007 beim Einparken den ordnungsgemäß geparkten PKW des [X.] beschädigt habe. 1 Der Kläger hat am 15. Oktober 2007 gegen die Beklagte zu 1 den Erlass eines Mahnbescheids über 387,30 • nebst Zinsen beantragt, der antragsgemäß erlassen worden ist. In der Anspruchsbegründung vom 13. Dezember 2007 hat der Kläger die Klage gegen die Beklagte zu 2 erweitert, ohne vorher ein Schlichtungsverfahren durchzuführen. 2 - 3 - Das Amtsgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 2 durch Teilurteil als unzulässig abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt dieser die Zurückverwei-sung an das Amtsgericht. 3 Entscheidungsgründe: [X.] Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klage gegen die Beklagte zu 2 unzulässig, weil vor Erhebung der Klage weder ein Streitschlichtungsver-fahren zwischen dem Kläger und der [X.] zu 2 stattgefunden habe noch ein Mahnverfahren vorausgegangen sei (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 5, Abs. 3 des [X.] zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung vom 28. Juni 2000 - [X.], [X.]. 2000, 470). 4 Die Durchführung der Streitschlichtung sei nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger zunächst ein Mahnverfahren gegen die mit der [X.] zu 2 [X.] haftende Beklagte zu 1 durchgeführt und die Klage gegen die Beklagte zu 2 erst mit der Anspruchsbegründung im Wege der Klageerwei-terung erhoben habe. Bei der vorliegenden einfachen Streitgenossenschaft müssten die Prozessvoraussetzungen jeweils gegenüber jedem Streitgenossen vorliegen. Dies sei bei der [X.] zu 2 wegen der nicht durchgeführten obli-gatorischen Streitschlichtung nicht der Fall. 5 Es bestehe keine Veranlassung, die im Rahmen eines Verkehrsunfalls haftenden Parteien prozessual abweichend von anderen gesamtschuldnerisch 6 - 4 - haftenden Parteien zu behandeln. Weder der Gesichtspunkt der Regulierungs-befugnis der [X.] zu 1 und deren Befugnis zur Prozessführung vor den Gerichten noch der Umstand, dass die Beklagte zu 2 nicht befugt sei, im [X.] gegenüber dem Haftpflichtversicherer eigene Regulierungstätigkeiten vorzunehmen oder für diesen rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben, recht-fertige eine abweichende Bewertung. Gerade bei kleineren Blechschäden sei eine Einigung allein mit dem in Anspruch genommenen Halter nicht von [X.] aussichtslos. I[X.] Die dagegen gerichtete Revision ist unbegründet. Die Klage ist zu Recht als unzulässig abgewiesen worden, weil vor der Parteierweiterung auf die [X.] zu 2 nicht das nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] erforderliche Schlichtungsverfahren durchgeführt worden ist. Der [X.] kann die Anwendung dieser Vorschrift durch die Vorinstanzen gemäß § 545 Abs. 1 ZPO überprüfen. 7 1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] ist die Erhebung der Klage vor den Amtsgerichten in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten in vermögensrechtlichen Streitigkeiten über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert bei Einreichung der Klage 750 • nicht übersteigt, grundsätzlich erst zulässig, nach-dem versucht worden ist, die Streitigkeit in einem Schlichtungsverfahren ein-vernehmlich beizulegen. Ein solcher Versuch ist nicht erfolgt. Die Ausnahmere-gelung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 [X.] liegt im Verhältnis zur [X.] zu 2 nicht vor, weil ihr gegenüber der Anspruch im Mahnverfahren nicht geltend ge-macht worden ist. Auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 [X.] sind erfüllt, weil alle Parteien im Zeitpunkt des Eingangs der Klagebegründung ihren 8 - 5 - Wohnsitz, ihren Sitz oder ihre Niederlassung in demselben Landgerichtsbezirk hatten. 2. Nach der Rechtsprechung des erkennenden [X.]s muss, wenn durch Landesrecht ein obligatorisches Güteverfahren vorgeschrieben ist, der Einigungsversuch der Klageerhebung vorausgehen, so dass eine ohne den [X.] erhobene Klage als unzulässig abzuweisen ist ([X.]surteile [X.] 161, 145, 148 f.; vom 7. Juli 2009 - [X.] ZR 278/08 - [X.], 1383 Rn. 7). Die Zielsetzung der Öffnungsklausel des § 15a EGZPO, angesichts des ständig steigenden Geschäftsanfalls bei den Gerichten Institutionen zu fördern, die im Vorfeld der Gerichte Konflikte beilegen, und neben der Entlastung der Justiz durch eine Inanspruchnahme von Schlichtungsstellen Konflikte rascher und kostengünstiger zu bereinigen, kann nur erreicht werden, wenn die Verfah-rensvorschrift des § 15a EGZPO konsequent derart ausgelegt wird, dass die Rechtsuchenden und die Anwaltschaft in den durch Landesgesetz vorgegebe-nen Fällen vor Anrufung der Gerichte auch tatsächlich den Weg zu den Schlich-tungsstellen beschreiten müssen ([X.]surteile [X.] 161, 145, 149 f.; vom 7. Juli 2009 - [X.] ZR 278/08 - aaO). Im Hinblick darauf hat der [X.] entschie-den, dass die Schlichtungsbedürftigkeit eines Klageantrags nicht deshalb ent-fällt, weil er im Wege der objektiven Klagehäufung mit einem nicht schlich-tungsbedürftigen Antrag verbunden wird. Ansonsten bestünde eine Möglichkeit zur einfachen Umgehung des [X.], die der Zielsetzung des [X.] widerspräche, durch die Inanspruchnahme von Schlichtungsstellen die Gerichte zu entlasten und Konflikte rascher und kostengünstiger zu [X.] (vgl. [X.]surteil vom 7. Juli 2009 - [X.] ZR 278/08 - aaO, Rn. 10 ff.). 9 3. Diese Überlegungen sind auch bei der Frage maßgebend, ob das Schlichtungserfordernis entfällt, wenn der im Mahnverfahren im Wege des [X.] gegen den Haftpflichtversicherer geltend gemachte Anspruch mit 10 - 6 - der Anspruchsbegründung im Klageverfahren auf den Versicherungsnehmer erweitert wird. Eine solche subjektive Klagehäufung ist nicht anders zu [X.] als der bereits entschiedene Fall der objektiven Klagehäufung. a) Werden der Direktanspruch gegen den Versicherer und der [X.] nicht in getrennten, [X.] geführten Prozessen geltend gemacht, sondern - wie im Streitfall - Versi-cherer und Schädiger gemeinsam im selben Rechtsstreit in Anspruch genom-men, liegt zwischen ihnen gemäß §§ 59, 60 ZPO eine einfache Streitgenossen-schaft vor (vgl. [X.] 63, 51, 53 ff.; [X.]surteil vom 15. Januar 2008 - [X.] ZR 131/07 - [X.], 485 Rn. 6; [X.], 3. Aufl., § 59 Rn. 9; [X.]/Gehrlein, ZPO, 2. Aufl., §§ 59, 60 Rn. 6; [X.]/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 60 Rn. 5, § 62 Rn. 8a). In diesen Fällen der subjektiven Klagehäu-fung werden die mehreren Verfahren nur äußerlich verbunden und es besteht zu jedem Streitgenossen ein gesondertes Prozessrechtsverhältnis. Es gilt der Grundsatz, dass die Prozessvoraussetzungen für jeden einzelnen Antrag ge-sondert zu prüfen sind. Liegen diese bezüglich eines der Streitgenossen nicht vor, so ist die Klage insoweit - ggf. wie hier durch Teilurteil - grundsätzlich als unzulässig abzuweisen (vgl. [X.]surteil vom 8. Juli 2008 - [X.] ZR 221/07 - [X.], 1288 Rn. 15; [X.], Urteil vom 26. Mai 1994 - [X.] ZR 39/93 - NJW 1994, 3102, 3103; [X.], aaO, Rn. 11, 22; [X.]/Gehrlein, aaO, Rn. 13; [X.]/Vollkommer, aaO, § 60 Rn. 9). Demgemäß muss die be-sondere Prozessvoraussetzung eines obligatorischen Streitschlichtungsverfah-rens, das vor Erhebung der Klage gegen den Streitgenossen - hier gegen die Beklagte zu 2 mit Zustellung der Anspruchsbegründung - durchgeführt werden muss, hinsichtlich des einzelnen Streitgenossen vorliegen. Soweit der Bundes-gerichtshof in Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO die Durchführung eines weiteren [X.]s für den nachträglich erweiterten oder beschränkten Anspruch als grundsätzlich entbehrlich angesehen hat (vgl. [X.], Urteil vom 22. Oktober 11 - 7 - 2004 - [X.]/04 - NJW-RR 2005, 501, 503), ist schon deswegen keine ver-gleichbare Situation gegeben, weil im damaligen Fall vor Klageerhebung ein Streitschlichtungsversuch erfolgte. b) Das vor Klageerhebung durchzuführende Schlichtungsverfahren war entgegen der Auffassung der Revision nicht deshalb entbehrlich, weil der [X.] nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 [X.] im Falle eines Rechtsstreits des-sen Führung dem Versicherer zu überlassen und dem Rechtsanwalt, den der Versicherer bestellt, Vollmacht zu erteilen hat. Diese Vorschrift regelt mit der Übertragung der [X.] lediglich das Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 20. Januar 2004 - [X.] ZB 76/03 - [X.], 622, 623; vom 19. Januar 2010 - [X.] ZB 36/08 - [X.] Rn. 5; [X.]/[X.]/Lemor-[X.], Kraftfahrtversi-cherung, 3. Aufl., § 7 [X.] Rn. 118; Stiefel/[X.], Kraftfahrtversicherung, 17. Aufl., § 7 [X.] Rn. 193 m.w.[X.]). Zudem ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Erfüllung der Obliegenheit, dem Versicherer die Prozessführung zu überlas-sen, regelmäßig die Zustellung der entsprechenden gerichtlichen Schriftstücke an den Versicherungsnehmer seitens des Gerichts, mit der erst im Sinne der Zivilprozessordnung die Rechtshängigkeit eintritt und somit von einem Rechts-streit gesprochen werden kann (vgl. [X.]/[X.]/Lemor-[X.], Kraft-fahrtversicherung, aaO Rn. 120; Stiefel/[X.], aaO). Im Streitfall ist eine solche Zustellung an die Beklagte zu 2 und Begründung des [X.] ihr gegenüber erst mit der Zustellung der Anspruchsbegründung nach dem vorher nur gegen die Beklagte zu 2 erlassenen Mahnbescheid er-folgt. Aus diesen Gründen steht § 7 Abs. 2 Nr. 5 [X.] der Durchführung eines Streitschlichtungsverfahrens vor Erhebung der Klage gegen den Versiche-rungsnehmer nicht entgegen. Insoweit weist das Berufungsgericht auch zu Recht darauf hin, dass gerade bei dem hier vorliegenden niedrigen Streitwert eine Einigung allein mit dem in Anspruch genommenen Halter nicht von [X.] - 8 - herein aussichtslos ist, weil dieser im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens durchaus auch ohne Zustimmung des Versicherers zu einer gütlichen Einigung bereit sein kann, um durch eigene Regulierung das Risiko einer Prämienrück-stufung zu vermeiden (vgl. auch [X.], Urteil vom 17. April 2007 - 20 S 7/07 -, juris Rn. 15, 44). Im Schlichtungsverfahren können Tatsachen berück-sichtigt werden, die für eine einverständliche Lösung des Konflikts der Parteien von wesentlicher oder ausschlaggebender Bedeutung sein können, im [X.] Prozess jedoch rechtlich irrelevant sind. In dem Verfahren tritt den [X.] als neutrale Person gegenüber, der sich um eine Einigung bemüht und - insbesondere, wenn auch der Geschädigte etwas nachgibt - eine Einigung erreichen kann. Ob von Seiten der [X.] das Schlichtungsverfah-ren als aussichtslos erscheint, ist insoweit ohne Bedeutung (vgl. [X.] NJW-RR 2007, 1073, 1074 f.). 4. Nach den vorstehenden Ausführungen wurde die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, weil der mit der Anspruchsbegründung erfolgten [X.] gegenüber der [X.] zu 2 nicht das nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 [X.] erforderliche Schlichtungsverfahren vorausgegangen ist. Hinsichtlich des weiteren Vorgehens weist der [X.] den Kläger vorsorglich auf die nach § 3 Nr. 8 [X.], § 124 Abs. 1 [X.] eintretende Rechts-krafterstreckung eines möglicherweise zwischenzeitlich im Prozess gegen die 13 - 9 - Beklagte zu 1 ergangenen klageabweisenden Urteils hin (vgl. [X.]surteil vom 15. Januar 2008 - [X.] ZR 131/07 - [X.], 485 Rn. 6 f. m.w.[X.]). 5. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. 14 [X.]Zoll [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 29.05.2008 - 7 C 486/07 - [X.], Entscheidung vom [X.]/08 -

Meta

VI ZR 111/09

13.07.2010

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.07.2010, Az. VI ZR 111/09 (REWIS RS 2010, 4932)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4932

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