Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.04.2013, Az. VI ZR 151/12

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6132

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]
Verkündet am:

30. April 2013

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
EGZPO § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3; [X.] BW § 1 Abs. 1 Satz 1
Die Bestimmung des §
1 Abs.
1 Satz 1 [X.] BW kann nicht erweiternd dahin-gehend ausgelegt werden, dass sie generell auch die Fälle erfasst, in denen die Klage aufgrund einer unzutreffenden Ermittlung des Streitwerts zunächst vor dem [X.] erhoben wird und dieses den Rechtsstreit wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit gemäß §
281 Abs.
1 ZPO an das Amtsgericht verweist.

[X.], Urteil vom 30. April 2013 -
VI [X.] -
LG [X.]

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
30.
April 2013
durch den Vorsitzenden [X.], [X.], Pauge und [X.] sowie die Richterin von Pentz
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 3.
Zivilkammer
des [X.]s [X.] vom 7.
März 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die [X.]en sind geschiedene Eheleute. Mit der beim [X.] erho-benen Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Unterlassung der Behaup-tung in Anspruch, sie habe ihm 40.000

agen. Den Streitwert hat sie in der Klage mit 10.000

den Streitwert auf 2.000

Klägerin hat das [X.] als unzulässig verworfen. Auf den Verwei-sungsantrag der Klägerin hat das [X.] den Rechtsstreit
an das [X.]
-

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-

richt verwiesen. Das Amtsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Klägerin das gemäß §
15a EGZPO [X.]. §
1 Abs.
1 Satz
1
Nr.
3 [X.]
BW
erforderliche Schlichtungsverfahren vor
der
Klageerhebung nicht durchgeführt habe. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klagantrag weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klage unzulässig, weil entgegen §
15a Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 EGZPO [X.]. §
1 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 [X.]
BW vor der Klageerhebung kein Schlichtungsverfahren stattgefunden habe. Von §
1 [X.] BW würden Klagen erfasst, die vor dem Amtsgericht er-hoben würden. Der Anwendungsbereich der Bestimmung
erstrecke sich aber auch auf solche Klagen, die richtigerweise vor dem Amtsgericht hätten erhoben werden müssen und nur aufgrund einer Höherbewertung des Streitwerts durch den Kläger vor dem [X.] erhoben worden seien. Das mit §
15a EGZPO verfolgte Ziel werde nur erreicht, wenn die Bestimmung konsequent derart [X.] werde, dass die Rechtsuchenden und die Anwaltschaft in den durch Landesgesetz vorgegebenen Fällen vor Anrufung der Gerichte auch tatsächlich den Weg zur Schlichtungsstelle beschreiten müssten. Die vorliegende Sach-verhaltskonstellation entspreche den Fällen einer subjektiven bzw. objektiven Klagehäufung, in denen der [X.] die Durchführung eines Schlich-tungsverfahrens für erforderlich gehalten habe. In jedem Einzelfall zu prüfen, ob missbräuchlich ein zu hoher Streitwert angenommen worden sei, um die Klage vor dem [X.] erheben zu können, entspreche nicht dem Wortlaut und 2
-

4

-

der Zielrichtung der
gesetzlichen Regelung und würde zu einer nicht [X.] prozessualen Rechtsunklarheit führen.

II.
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts fällt das vorliegende Verfahren nicht in den Anwendungsbereich des §
1 Abs.
1 Satz
1 Nr.
3 [X.] BW.
1. Gemäß §
1 Abs.
1 Satz
1 Nr.
3 [X.]
BW ist die Erhebung der Klage vor den Amtsgerichten in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche we-gen Verletzungen
der persönlichen
Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind, erst zulässig, nachdem versucht worden ist, die [X.] in einem Schlichtungsverfahren einvernehmlich beizulegen. Die [X.] enthält eine von Amts wegen zu prüfende, besondere Prozessvorausset-zung, die bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung vorliegen muss (vgl. Senats-urteile vom 23.
November 2004 -
VI
ZR 336/03, [X.]Z 161, 145, 147
ff.; vom 8.
Juli 2008 -
VI
ZR 221/07, [X.], 1288 Rn.
10; vom 13.
Juli 2010 -
VI
ZR 111/09, [X.], 1444 Rn.
9, 11, jeweils mwN).
2. Wie das [X.] zutreffend gesehen hat, sind die Voraussetzun-gen des § 1 Abs.
1 Satz
1 [X.] BW an sich nicht erfüllt. Denn die Klägerin hat die Klage nicht vor dem Amtsgericht, sondern -
unter Zugrundelegung eines

-
vor dem [X.] erhoben.
Dort hat sie ihre [X.] eingereicht; von dort ist die Klage dem Beklagten zugestellt worden (vgl. §
253 Abs.
1, §
271 Abs.
1 ZPO).
3
4
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-

5

-

3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann
die [X.] des § 1 Abs.
1 Satz
1 [X.] BW
nicht erweiternd dahingehend ausgelegt werden, dass sie generell auch die Fälle
erfasst,
in denen die
Klage
aufgrund einer unzutreffenden Ermittlung des Streitwerts zunächst vor dem [X.] erhoben
wird
und dieses den Rechtsstreit
wegen fehlender sachlicher Zustän-digkeit
gemäß §
281 Abs.
1 ZPO an das Amtsgericht verweist.
Ein derartiges Verständnis der Norm ist mit ihrem Wortlaut nicht
vereinbar, berücksichtigt den Sinn und Zweck des §
281 ZPO nicht hinreichend
und führt zu unerwünschten prozessualen Unklarheiten.
a) Durch die Schaffung des §
1 Abs.
1 Satz
1 [X.] BW hat der Landes-gesetzgeber von der ihm in §
15a EGZPO eingeräumten Kompetenz Gebrauch gemacht, die Zulässigkeit der Klageerhebung
in bestimmten bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten von der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens abhängig zu machen.
Ausweislich des klaren Wortlauts des §
1 Abs.
1 Satz
1 [X.] BW und der Gesetzesbegründung
hat er hierbei die Ermächtigung nicht voll ausgeschöpft, sondern sich ausdrücklich darauf beschränkt, eine -
den all-gemeinen Justizgewährungsanspruch der Rechtsuchenden einschränkende
-
zusätzliche Sachurteilsvoraussetzung in Form der obligatorischen Schlichtung nur für die Klagen anzuordnen, die vor den Amtsgerichten erhoben werden (vgl. [X.]. 12/5033 S.
1, 17
f.; zur Beeinträchtigung des allgemeinen Justizge-währungsanspruchs durch Regelungen über die obligatorische Schlichtung: [X.], 275).
Die Möglichkeit, ein obligatorisches Schlichtungsverfahren auch für landgerichtliche Verfahren vorzusehen, hat der Landesgesetzgeber bewusst nicht wahrgenommen ([X.]. 12/5033 S.
18).
b) Eine danach
beim [X.] ohne vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens zulässig erhobene Klage wird nicht nachträglich dadurch unzulässig, dass der
Rechtsstreit vom [X.] wegen fehlender 6
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-

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-

sachlicher Zuständigkeit gemäß §
281 Abs.
1 ZPO
an das [X.] wird (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 29.
Aufl., §
281 Rn.
15a; [X.]/[X.], aaO, §
15a EGZPO Rn.
18; [X.], Außergerichtliche Streitschlichtung, 2003, Rn.
179; [X.], [X.], 633, 636
f.; Bitter, NJW 2005, 1235, 1239; Schilken, FS Ishikawa,
2001, S.
471, 473 in Fn.
15
zur Verweisung durch ein Gericht in einem Land ohne obligatorisches Schlichtungsverfahren in ein Land mit obligatorischem Schlichtungsverfahren; Hk-ZPO/[X.], 5.
Aufl., §
15a EGZPO Rn.
2; [X.]/[X.], [X.] BW,
2001,
§
1 Rn.
5; a.[X.]/[X.], 3.
Aufl., §
15a EGZPO Rn.
5; [X.], ZPO, 22.
Aufl., §
15a EGZPO Rn.
12; [X.], [X.] 2001, 355, 357). Denn die [X.] gemäß §
281 ZPO erhält die Rechtshängigkeit des Rechtsstreits; frühere Prozesshandlungen wirken wegen des Grundsatzes der Einheit des Verfahrens fort (vgl. [X.]/[X.], aaO §
15a EGZPO Rn.
18; [X.], [X.], 633, 636; [X.]/[X.], aaO).
Eine andere Beurteilung führte dazu, dass die Bestimmung des §
281 ZPO in diesen Fällen ihres Sinns beraubt würde. Zweck dieser Regelung ist es, im Interesse der Prozessökonomie einer [X.] und
Verteuerung der Verfahren durch Zuständigkeitsstreitigkeiten vor-zubeugen
und die Vorteile der Rechtshängigkeit zu sichern (vgl. [X.], [X.] vom 23. März 1988 -
IVb
ARZ 8/88, [X.], 943; MünchKomm-ZPO/Prütting,
4.
Aufl., §
281 Rn.
1; [X.] in [X.] ZPO, §
281 Rn.
1, Stand: 15. Januar 2013; [X.]/[X.], aaO, §
281 Rn.
1). Dieser Zweck würde verfehlt, wenn sich der Anwendungsbereich des §
1 Abs.
1 Satz 1 [X.] BW auf die Fälle erstreckte, in denen der Rechtsstreit vom [X.] gemäß §
281 Abs.
1 ZPO an das Amtsgericht verwiesen wird. Denn da
das Schlich-tungsverfahren der Klageerhebung vorausgehen muss und nicht nachgeholt werden kann (Senatsurteile vom 23.
November 2004 -
VI
ZR 336/03, aaO; vom 13.
Juli 2010 -
VI
ZR 111/09, aaO, Rn.
9, jeweils mwN), müsste die Klage in diesen Fällen ausnahmslos als unzulässig abgewiesen werden.

-

7

-

c) Hinzu kommt, dass der Rechtsuchende gerade in den in §
1 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 und 3 [X.] BW geregelten Streitigkeiten im Vorfeld nicht immer klar erkennen kann, ob die Klage "richtigerweise beim Amtsgericht erhoben werden" muss. Denn in diesen Streitigkeiten ist das Klagebegehren häufig nicht auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme, sondern auf Duldung, Unterlassung oder Beseitigung gerichtet, so dass die Bewertung des für den Zuständigkeits-streitwert gemäß §
3 ZPO maßgeblichen Interesses des Klägers (vgl. [X.], [X.] vom 8. März 2012 -
V
ZB 247/11, Grundeigentum 2012, 683; vom 6.
Dezember 2012 -
V
ZR 44/12, Grundeigentum 2013, 347) durch die [X.] bzw. ihren Anwalt einerseits und das Gericht andererseits unterschiedlich aus-fallen kann. Erfasste §
1 Abs.
1 Satz 1 [X.] BW auch vom [X.] gemäß §
281 Abs.
1 ZPO an das Amtsgericht verwiesene Verfahren, so müsste der Rechtsuchende, um eine Abweisung seiner Klage als unzulässig sicher zu [X.], in allen Streitigkeiten im Sinne des §
1 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 und Nr. 3 [X.] BW vor der Klageerhebung einen Einigungsversuch unternehmen, auch wenn aus seiner Sicht die sachliche Zuständigkeit des [X.]s gegeben ist. Eine derart umfassende Schlichtungspflicht war mit der Einführung des §
1 [X.] BW aber gerade nicht beabsichtigt (vgl. [X.]. 12/5033 S. 1, 17 f.).
4. Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn die Klage
rechtsmiss-bräuchlich vor einem sachlich unzuständigen Gericht erhoben
wurde
(vgl. Bitter,

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-

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-

NJW 2005, 1235, 1239), bedarf keiner Entscheidung. Für eine solche Annahme sind Anhaltspunkte weder ersichtlich noch dargetan.

Galke

Richter am [X.] Pauge

[X.] ist wegen Urlaubs verhindert

zu unterschreiben

Galke

[X.]
von Pentz
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.10.2011 -
3 C 1763/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 07.03.2012 -
3 S 91/11 -

Meta

VI ZR 151/12

30.04.2013

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.04.2013, Az. VI ZR 151/12 (REWIS RS 2013, 6132)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6132

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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