Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.03.2010, Az. VIII R 50/07

8. Senat | REWIS RS 2010, 8666

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Gegenstand

StraBEG: Sperrwirkung wegen Erscheinens eines Amtsträgers - Erscheinen des Prüfers "zur steuerlichen Prüfung" - Prüfungen an Amtsstelle - Ort der Prüfung


Leitsatz

Auch bei Prüfungen an Amtsstelle ist der Ausschluss der Strafbefreiung oder Bußgeldbefreiung nach § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG möglich. Der Amtsträger (hier: Prüfer) "erscheint" beim Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter auch dann, wenn im FA ein persönlicher Kontakt stattfindet, der nach außen erkennbar macht, dass der Amtsträger mit der Außenprüfung beginnt .

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten um die Frage, ob ein Ausschlussgrund für eine Straf- oder Bußgeldbefreiung nach § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a des [X.] ([X.]) vorliegt.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist niedergelassener Facharzt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) ordnete bei ihm eine Außenprüfung betreffend Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer für die Veranlagungszeiträume 1998 bis 2000 an. Die Prüfung fand in den Räumen des [X.] statt und begann am 4. Februar 2003. Zu diesem Zweck überreichte der Bevollmächtigte des [X.] dem Betriebsprüfer am 4. Februar 2003 im [X.] zahlreiche Unterlagen; außerdem wurden im weiteren Verlauf der Prüfung mehrfach Unterlagen angefordert und Gespräche zwischen dem Prüfer und dem Bevollmächtigten des [X.] geführt. An zwei Zwischenbesprechungen im [X.] und im Büro des Bevollmächtigten nahm jeweils auch der Kläger teil. Am 31. März 2004 ging beim [X.] eine strafbefreiende Erklärung des [X.] ein, in der der Kläger einen Betrag in Höhe von 500,75 € als zu Unrecht nicht besteuerte Einnahmen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] erklärte. Dabei handelte es sich um den Ansatz von Reparaturkosten für ein Privatfahrzeug als Betriebsausgaben bei den Einkünften des [X.] gemäß § 18 des Einkommensteuergesetzes. Von dem nacherklärten Betrag entfielen 223,83 € auf 1999, der Rest auf den Veranlagungszeitraum 2000. Binnen 10 Tagen nach Abgabe der Erklärung entrichtete der Kläger an das [X.] einen Betrag in Höhe von 25 % der erklärten Einnahmen.

3

Daraufhin leitete das Finanzamt für [X.] und Steuerfahndung X gegen den Kläger ein Strafverfahren ein, welches indes im Jahre 2005 gemäß § 153 der Strafprozessordnung eingestellt wurde. Am 28. April 2004 erließ das [X.] einen Aufhebungsbescheid gemäß § 10 Abs. 3 [X.], mit dem es die mit der Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung in Höhe von 25 % der erklärten Einnahmen (125,19 €) aufhob. Zur Begründung führte das [X.] an, nach § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] sei keine Straf- oder Bußgeldbefreiung eingetreten, da bereits vor Eingang der strafbefreienden Erklärung bei dem Erklärenden ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen sei.

4

Den dagegen eingelegten Einspruch wies das [X.] als unbegründet zurück.

5

Dagegen richtet sich die Klage, mit der der Kläger geltend macht, "Erscheinen" i.S. des § 7 [X.] sei ein Realakt. Darunter sei die körperliche Anwesenheit des Prüfers am Prüfungsort zu verstehen. Erschienen sei der Amtsträger, sobald er in [X.] das Grundstück mit den Betriebs- oder Wohnräumen des Steuerpflichtigen betrete. Daran fehle es im Streitfall. Der Steuerberater sei zwar als Bevollmächtigter des [X.] an Amtsstelle erschienen, um dort alle Belege und Sachkonten für den Prüfungszeitraum zu übergeben. Das Erscheinen des Steuerpflichtigen oder seines Bevollmächtigten in den Diensträumen des Amtsträgers reichten aber nicht aus; die Ausschlussgründe des [X.] seien restriktiv auszulegen.

6

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2008, 79 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab. Es entschied, den Voraussetzungen des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] werde auch dann Genüge getan, wenn nicht der Prüfer in den Wohn- und Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen erscheine, sondern im [X.] ein persönlicher Kontakt stattfinde, der nach außen hin erkennbar mache, dass der Prüfer mit der Außenprüfung beginne. Das sei z.B. der Fall, wenn der Prüfer die im Rahmen der Betriebsprüfung angeforderten Unterlagen in den Räumlichkeiten des [X.] vom Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter persönlich in Empfang nehme. Es könne keinen Unterschied machen, ob die Prüfung in den Räumen des Steuerpflichtigen, des Beraters oder des [X.] stattfinde.

7

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das [X.] beschränke sich bei Auslegung des § 7 [X.] auf die Auslegung des Wortes "erscheinen" und setze sich dabei mit den entsprechenden Kommentierungen zu § 371 Abs. 2 der Abgabenordnung [X.]) auseinander. Dabei übersehe es aber, dass § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] mit § 371 Abs. 2 AO nicht übereinstimme. Die Auslegung des § 7 [X.] durch das [X.] sei vom Gesetzestext nicht mehr gedeckt.

8

Der Kläger beantragt,

das Urteil des [X.] Münster vom 9. August 2007  6 K 5364/04 AO sowie den Aufhebungsbescheid des [X.] vom 28. April 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. September 2004 aufzuheben.

9

Das [X.] beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Rechtsfehlerfrei ist das [X.] davon ausgegangen, dass der Aufhebungsbescheid des [X.] gemäß § 10 Abs. 3 [X.] rechtmäßig ist, weil die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Straf- oder Bußgeldbefreiung gemäß § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] vorgelegen haben.

1. Gemäß § 10 Abs. 3 [X.] ist die mit Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern, soweit nach diesem Gesetz keine Straf- oder [X.] eintritt. Das ist im Streitfall zu bejahen. Zwar hat der Kläger am 31. März 2004 eine strafbefreiende Erklärung eingereicht. Nach § 7 [X.] tritt die Straf- oder [X.] jedoch nicht ein, soweit vor Eingang der strafbefreienden Erklärung wegen einer Tat i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 der Norm oder einer Handlung i.S. des § 6 des [X.] oder seinem Vertreter ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist. Diese Regelung entspricht trotz des nicht vollständig übereinstimmenden Wortlauts derjenigen in § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a [X.] zum [X.] bei Selbstanzeige ([X.] München, Urteil vom 31. Mai 2006  1 [X.], E[X.] 2006, 1401; [X.]/[X.], [X.] 2004, 497, 504, m.w.N.), weshalb [X.] und [X.] zu jener Vorschrift bei der Auslegung des § 7 Satz 1 Nr. 1 [X.] herangezogen werden können (vgl. Urteil des [X.] vom 19. Juni 2007 [X.], [X.], 1, [X.], 7, m.w.N.).

a) Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass ein Erscheinen des Prüfers "zur steuerlichen Prüfung" eine entsprechende Prüfungsanordnung voraussetzt. Nur soweit die Prüfungsanordnung reicht, kann das Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde die Strafbefreiung ausschließen (vgl. [X.]surteil in [X.], 1, [X.], 7). Die Sperrwirkung nach § 7 [X.] kann außerdem nur durch ein Erscheinen eines Betriebsprüfers herbeigeführt werden, wobei das Gesetz aus Gründen der Beweisklarheit als entscheidendes Kriterium auf das leicht feststellbare physische Erscheinen des Prüfers abstellt (vgl. [X.]surteil in [X.], 1, [X.], 7, m.w.N.; Rottpeter/[X.] in [X.], [X.], Anhang zu § 371 --§ 7 [X.]-- [X.] 4; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 371 [X.] 70; [X.] in [X.], [X.], § 371 [X.] 31; [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 371 [X.] 26 und 27; [X.], Steuerstrafrecht, § 371 [X.] 1977, [X.] 132).

b) Im Streitfall ist der Prüfer indes nicht in den Wohn- oder Geschäftsräumen des [X.] erschienen. Vielmehr hat die Prüfung in den Räumlichkeiten des [X.] stattgefunden. Bei Prüfungen an Amtsstelle ist umstritten, ob das Erscheinen des Steuerpflichtigen mit Geschäftsunterlagen beim Finanzamt die Sperrwirkung auslösen kann. Im Schrifttum wird diese höchstrichterlich bislang nicht entschiedene Frage unterschiedlich beantwortet. Teilweise wird dazu die Auffassung vertreten, nach dem Gesetzeswortlaut sei bei einer Prüfung an Amtsstelle ein Erscheinen des Prüfers beim Steuerpflichtigen oder dessen Vertreter nicht möglich, bei Prüfungen an Amtsstelle könne daher keine Sperrwirkung ausgelöst werden (vgl. dazu Lüttger, [X.] im Steuerstrafrecht, Der Steuerberater --StB-- 1993, 372, 376; [X.], [X.] bei Steuerhinterziehung, 1998, [X.]; Merkt, [X.], 710, 712; differenzierend Theil, Selbstanzeige nach § 371 [X.]: Berichtigung und Erscheinen eines Amtsträgers, StB 1999, 108, 112; [X.], Die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a [X.], Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 1998, 216; Streck/[X.], Steuerfahndung, 4. Aufl., [X.], die eine Sperrwirkung aber dann nicht ausschließen, wenn der Steuerpflichtige dem Prüfer keine geeigneten Räumlichkeiten zur Verfügung stellen kann; Stahl, Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung, 2. Aufl., [X.] 217). Demgegenüber ist die wohl herrschende Meinung im Schrifttum der Ansicht, bei Prüfungen an Amtsstelle sei der Prüfer jedenfalls dann erschienen, wenn der Steuerpflichtige oder sein Bevollmächtigter die Räumlichkeiten des Finanzamts mit den prüfungsrelevanten Unterlagen betritt, wobei teilweise noch differenziert wird, ob die Übergabe der Unterlagen erfolgen soll, um die Prüfung zu ermöglichen, oder ob das Betreten aus anderen Gründen erfolgt, z.B. zur Übergabe einer berichtigten Steuererklärung (vgl. dazu [X.] in [X.]/Gast/[X.], Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 371 [X.] 145, m.w.N.; Rolletschke, Steuerstrafrecht, 3. Aufl., [X.] 584; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 371 [X.] 26; [X.], Steuerstrafrecht, 2. Aufl., [X.]; [X.], a.a.[X.], § 371 [X.] 1977, [X.] 126; ebenso das angefochtene [X.]-Urteil).

c) Nach Auffassung des [X.]s ist auch bei Prüfungen an Amtsstelle der Ausschluss der Straf- oder Bußgeldbefreiung nach § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] möglich. Zwar tritt nach dem Wortlaut der Norm Straf- oder [X.] nur dann nicht ein, "soweit vor Eingang der strafbefreienden Erklärung wegen einer Tat im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 oder einer Handlung im Sinne des § 6 bei dem Erklärenden oder seinem Vertreter ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung ... erschienen ist ...". Daraus kann indes nicht gefolgert werden, die Sperrwirkung des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] komme nur in Betracht, wenn ein Betriebsprüfer die Wohn- oder Geschäftsräume des Steuerpflichtigen oder seines Vertreters aufsucht, nicht aber bei einer Prüfung an Amtsstelle. Eine solche Auslegung widerspräche dem Gesetzeszweck. Mit dem [X.] vom 23. Dezember 2003 ([X.], 2928) wollte der Gesetzgeber denjenigen, die in der Vergangenheit Steuern verkürzt haben, Gelegenheit geben, durch Abgabe einer strafbefreienden Erklärung und Entrichtung einer pauschalen, als Einkommensteuer geltenden Abgabe Strafbefreiung oder Befreiung von Geldbußen erlangen zu können (sog. "Brücke in die Steuerehrlichkeit", vgl. [X.] 542/03 vom 15. August 2003; BTDrucks 15/1521, S. 1 f., 9, 12; vgl. auch Merkblatt des [X.] --BMF-- zur Anwendung des [X.] vom 3. Februar 2004 IV A 4 -S 1928- 18/04, [X.], 225, [X.] 1). Gerade mit Blick auf das [X.] nach § 371 [X.] wurde die ursprünglich in § 7 des Gesetzentwurfs vorgesehene Sperrwirkungsregelung aber deutlich enger gefasst (vgl. [X.] 542/1/03 vom 15. September 2003 sowie [X.] 542/03 vom 26. September 2003) und hat letztlich die nunmehr gültige Fassung erhalten, die --ähnlich wie § 371 [X.]-- eine Sperrwirkung bei Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde vor Eingang der strafbefreienden Erklärung vorsieht.

Mit der Formulierung "soweit vor Eingang der strafbefreienden Erklärung ... bei dem Erklärenden oder seinem Vertreter ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung ... erschienen ist ..." macht der Gesetzgeber deutlich, dass Steuerpflichtige, die ihren steuerlichen Pflichten zuvor nicht im erforderlichen Umfang nachgekommen sind, nicht unbegrenzt Zeit haben sollen, die sog. "Brücke in die Steuerehrlichkeit" zu beschreiten. Vielmehr wird diese Möglichkeit genommen, wenn ein Prüfer sich anlässlich einer Außenprüfung im Einzelnen mit den steuerlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen befasst. Insoweit bestehen Parallelen zu § 371 [X.], der Straffreiheit bei Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung u.a. versagt, wenn vor Abgabe der Selbstanzeige ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist. Zur steuerlichen Prüfung erscheint ein Amtsträger in der Regel beim Steuerpflichtigen, d.h. in dessen Wohn- oder Geschäftsräumen. Da der Prüfer die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und die Bemessung der Steuer maßgebend sind, umfassend prüfen muss (vgl. § 199 Abs. 1 [X.]) und der Steuerpflichtige insoweit mitwirkungspflichtig ist und demgemäß die Pflicht hat, Bücher, Aufzeichnungen etc. zur Einsicht und Prüfung vorzulegen (vgl. § 200 Abs. 1 [X.]), hat der Gesetzgeber in § 200 Abs. 2 [X.] verfügt, dass diese Unterlagen grundsätzlich in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen vorzulegen sind, wobei dem Prüfer sogar ein geeigneter Raum und Arbeitsplatz unentgeltlich zur Verfügung zu stellen ist. Der Vorrang der Geschäftsräume folgt aus dem Wortlaut des § 200 Abs. 2 [X.] und aus dem Zweck der Außenprüfung; daher kommt eine Prüfung in den Wohnräumen oder an Amtsstelle nur in Betracht, wenn die Prüfung in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen nicht möglich ist (vgl. § 200 Abs. 2 [X.]; BMF-Schreiben vom 2. Januar 2008 IV A 4 - S 0062/07/0001, 2007/0605275, [X.], 26, [X.] zur Abgabenordnung, zu § 200 [X.] Nr. 2; Betriebsprüfungsordnung (Steuer) vom 15. März 2000, [X.], 368, § 6).

Dieser Entscheidung des Gesetzgebers trägt auch § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] Rechnung, wenn dort angeordnet wird, die Straf- oder Bußgeldbefreiung komme nicht in Betracht, wenn beim Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter bereits vor Eingang der strafbefreienden Erklärung ein Amtsträger der Finanzbehörde zwecks steuerlicher Prüfung erschienen ist. Das bedeutet aber nicht, dass in den Fällen, in denen ausnahmsweise die Prüfung an Amtsstelle stattfindet, die Ausschlussregelung in § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] keine Wirkung entfalten soll. Das würde eine Besserstellung derjenigen Steuerpflichtigen bedeuten, bei denen --entgegen der Grundregel in § 200 Abs. 2 [X.]-- keine Prüfung in ihren Räumlichkeiten vorgenommen wird oder werden kann. Der Gesetzgeber kann nicht die Absicht gehabt haben, diejenigen besser zu stellen, die ihrer in § 200 Abs. 2 [X.] geregelten Mitwirkungspflicht bewusst nicht nachkommen oder dies aus objektiven Gründen nicht können. Andernfalls hätten Steuerpflichtige es nämlich in der Hand, die Ausschlussregelung in § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] gezielt dadurch zu umgehen, dass sie vorgeben, eine Prüfung in ihren Räumlichkeiten sei nicht möglich, die Prüfung möge daher an Amtsstelle stattfinden. Mit dem Zweck des Gesetzes wäre das nicht vereinbar, weil § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] ähnlich wie § 371 [X.] darauf zielt, den Vorteil einer strafbefreienden Erklärung (bei § 371 [X.]: Selbstanzeige) zu versagen, wenn im Rahmen einer Außenprüfung mit der Aufdeckung unrichtiger Angaben, die zu einer Steuerverkürzung und einem steuerlichen Vorteil geführt haben, gerechnet werden muss.

d) Die Auffassung des [X.], die Formulierung "Erscheinen" in § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] sei nicht lokal zu verstehen, sondern personenbezogen, und der Prüfer erscheine beim Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter auch dann, wenn im Finanzamt ein persönlicher Kontakt stattfinde, der nach außen erkennbar mache, dass der Prüfer mit der Außenprüfung beginne, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung demnach stand. Der Prüfer hat die im Rahmen der Außenprüfung zunächst angeforderten Geschäftsunterlagen in den Räumlichkeiten des [X.] vom Kläger bzw. seinem Vertreter am 4. Februar 2003 persönlich empfangen. Damit war erkennbar, dass die Außenprüfung begonnen hat. Da vor dem 31. März 2004, dem Datum des Eingangs der strafbefreienden Erklärung beim [X.], weitere Unterlagen vom Prüfer angefordert worden sind und Gespräche zwischen dem Prüfer, dem Kläger und seinem Bevollmächtigten stattgefunden haben, war aus der Sicht des [X.] deutlich, dass die Prüfung jedenfalls am 31. März 2004 bereits seit längerem im Gange war. Der Tatbestand des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] ist damit erfüllt. Die Frage, ob bereits das bloße erstmalige Erscheinen des [X.] auf Vorladung des [X.] mit den vom Prüfer angeforderten Unterlagen geeignet ist, die Sperrwirkung des § 7 [X.] herbeizuführen, kann daher offen bleiben.

2. § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] ist --entgegen der Auffassung des [X.]-- nicht so zu verstehen, dass das Erscheinen eines Betriebsprüfers im Rahmen einer regulären Außenprüfung nach § 193 ff. [X.] keine Sperrwirkung zeitigen kann, weil der Prüfer nicht wegen einer Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit beim Steuerpflichtigen erschienen ist. Dieser Argumentation vermag der [X.] nicht zu folgen. Die strafbefreiende Erklärung bezweckt die Korrektur vormaliger unrichtiger oder unvollständiger Angaben, die zu Steuerverkürzungen oder steuerlichen Vorteilen geführt haben (vgl. §§ 1, 6 [X.]). Bei einer "normalen" Außenprüfung erscheint der Prüfer beim Steuerpflichtigen indes nicht wegen einer Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit. Vielmehr geht es um die umfassende Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Rahmen der Prüfungsanordnung, nicht aber konkret um ein Verhalten des Steuerpflichtigen, das eine Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit beinhaltet, zumal dem Prüfer ein solches bei seinem erstmaligen Erscheinen gar nicht bekannt sein kann. Daher ist die Gesetzesformulierung "wegen einer Tat im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 oder einer Handlung im Sinne des § 6" auf die strafbefreiende Erklärung zu beziehen (a.[X.], a.a.[X.], [X.] 681). Wegen des klar erkennbaren Gesetzeszwecks und des Wortlauts des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] ("zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat ...") wird durch diese Auslegung das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot nicht verletzt.

Meta

VIII R 50/07

09.03.2010

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 9. August 2007, Az: 6 K 5364/04 AO, Urteil

§ 7 S 1 Nr 1 Buchst a StraBEG, § 371 Abs 2 Nr 1 Buchst a AO, § 193 AO, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 200 Abs 2 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.03.2010, Az. VIII R 50/07 (REWIS RS 2010, 8666)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8666

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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