Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.10.2012, Az. 7 VR 7/12, 7 VR 7/12 (7 A 15/12)

7. Senat | REWIS RS 2012, 2293

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Eilantrag gegen Elbvertiefung; Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage


Gründe

I.

1

Die Antragsteller sind anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigungen. Sie begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss der Antragsgegnerin vom 23. April 2012 für die Fahrrinnenanpassung der Unter- und [X.] für 14,5 m tiefgehende Containerschiffe. Sie machen vor allem geltend, der Planfeststellungsbeschluss beruhe auf falschen Grundannahmen und unzureichenden Berechnungsmodellen hinsichtlich der hydromorphologischen und [X.] bzw. morphodynamischen Auswirkungen des Ausbaus und verstoße gegen zwingende Vorschriften des Gewässer-, Gebiets- und Artenschutzes. Die Antragsgegnerin habe weder die zwingenden Vorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes und der Wasserrahmenrichtlinie, etwa das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot und [X.], noch des Habitat- und Artenschutzrechts beachtet und die Auswirkungen des Vorhabens auf das FFH-Gebiet "[X.] und [X.]", das besondere Vogelschutzgebiet "Unterelbe bis [X.]" und das faktische Vogelschutzgebiet "Holzhafen" sowie die Veränderungen der Lebensraumkompartimente "Tideröhricht" und "Schlickwatt" und die Betroffenheit von Schierlings-Wasserfenchel, [X.], [X.], [X.] und Stör nicht ausreichend geprüft. Diese Mängel schlügen auch auf die fachplanerische Abwägung durch.

II.

2

Der Antrag ist begründet. Das Interesse der Antragsteller am Unterbleiben von [X.] bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens überwiegt das Interesse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses.

3

Der Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache ist offen. Auf der Grundlage des Klagevorbringens stellen sich zahlreiche teils schwierige Tatsachen- und Rechtsfragen, die den Gewässer-, Gebiets- und Artenschutz betreffen. Eine Beantwortung dieser Fragen kann im vorläufigen Rechtsschutzverfahren im Wege einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht hinreichend sicher prognostiziert werden, zumal entgegen der Auffassung der Beigeladenen weder der Dauer des Planfeststellungsverfahrens von fast sechs Jahren noch dem Umfang des Planfeststellungsbeschlusses von circa 2 600 Seiten Indizwirkung für dessen Rechtmäßigkeit zukommt.

4

Davon ausgehend ist es im Hinblick auf den Grundsatz effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) vorliegend trotz des gesteigerten [X.], das aus der (internationalen) Verkehrsbedeutung des [X.] folgt und in der durch § 14e Abs. 2 Satz 1 [X.] gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses zum Ausdruck kommt, geboten, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern; denn diese könnten zur Folge haben, dass gewichtige, auch unionsrechtlich geschützte Gemeinwohlbelange des Gewässer-, Gebiets- und Artenschutzes beeinträchtigt werden (vgl. Beschluss vom 14. April 2005 - BVerwG 4 VR 1005.04 - BVerwGE 123, 241 <243 ff.> = [X.] 310 § 80 VwGO Nr. 69 S. 11 ff.).

5

Aus dem Vorbringen der Antragsgegnerin, ein erheblicher Teil der Maßnahmen sei - soweit die Eingriffsflächen der streitgegenständlichen Fahrrinnenanpassung nicht ohnehin mit den Eingriffsflächen der heutigen [X.] übereinstimmten - bei Einstellung der Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen reversibel, folgt nichts anderes. Unter Berücksichtigung des substantiierten Vortrags der Antragsteller lässt sich nicht mit der nötigen Sicherheit feststellen, dass die durch die Initialbaggerung und die sonstigen strombaulichen Maßnahmen ausgelösten morphologischen Veränderungen und morpho- bzw. hydrodynamischen Auswirkungen ohne Weiteres reversibel sind. Die streitgegenständlichen Ausbaumaßnahmen gehen im Hinblick auf das Maß der Vertiefung der [X.] und die [X.] aus [X.]/[X.], Klei, Schluff und Geschiebemergel von 37,8 Mio. cbm (Bauablaufplan, [X.], [X.]) nach Art und Umfang über die bisherigen Ausbaumaßnahmen weit hinaus. Allein die zeitnah geplanten [X.] und strombaulichen Maßnahmen zur Herstellung der [X.] und [X.] sowie der [X.] Neuer [X.], bei denen es sich um die drei größten Bauwerke des [X.] handelt, betreffen ausweislich der Übersicht über das Strombau- und Verbringungskonzept ([X.], [X.]) eine Fläche von circa 1 496 ha; Teilflächen der [X.] werden mit Hartsubstraten abgedeckt. Auch der Planfeststellungsbeschluss geht insoweit - von den Antragstellern im Einzelnen benannt - teilweise von dauerhaften Veränderungen der Unterwassertopographie, der Hydrologie und Morphologie, der Sedimentstruktur und der allgemeinen Lebensraumfunktion aquatischer Arten und Lebensgemeinschaften sowie von [X.] aus. Überdies lässt sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen, dass aufgrund der Vorbelastungen durch frühere Ausbaumaßnahmen und der Dimension des geplanten Vorhabens bereits als Folge der Initialbaggerung und der strombaulichen Maßnahmen ein "Umkippen" des Ökosystems im [X.] droht. Schließlich kann nach den eigenen Angaben der Antragsgegnerin nicht von einer Reversibilität der morphologischen Veränderungen (und der damit verbundenen Folgewirkungen) ausgegangen werden, soweit bindige bzw. andere erosionsfeste Sedimente entfernt werden. Nach dem Bauablaufplan machen bindige Sedimente einen Anteil von 12,5 Mio. cbm und damit von mehr als 25 % an der [X.] von 37,8 Mio. cbm aus; sie sind danach schon mengenmäßig nicht zu vernachlässigen.

6

Hinsichtlich der Maßnahmen zur Umsetzung des Ufersicherungskonzepts [X.] Bogen und zur Baufeldräumung überwiegt hingegen das Interesse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses. Die Antragsteller haben auch im Nachgang zum Beschluss des Senats vom 20. August 2012 nicht dargetan, inwieweit durch eine zeitnahe Umsetzung dieser Maßnahmen (dauerhafte) nachteilige Auswirkungen für Umweltgüter drohen.

Meta

7 VR 7/12, 7 VR 7/12 (7 A 15/12)

16.10.2012

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: A

§ 14e Abs 2 S 1 WaStrG, § 80 Abs 5 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.10.2012, Az. 7 VR 7/12, 7 VR 7/12 (7 A 15/12) (REWIS RS 2012, 2293)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2293

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

7 A 2/15, 7 A 2/15 (7 A 14/12) (Bundesverwaltungsgericht)

Ausbau der Bundeswasserstraße Elbe ("Elbvertiefung")


7 A 17/12 (Bundesverwaltungsgericht)

Gemeindeklage gegen die Fahrrinnenanpassung in der Unter- und Außenelbe


7 A 6/17, 7 A 6/17 (7 A 11/12) (Bundesverwaltungsgericht)

Klage einer Anwohnerin gegen die Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe


7 A 3/17 (Bundesverwaltungsgericht)

Gemeindeklage gegen die Fahrrinnenanpassung in der Unter- und Außenelbe


7 A 1/15, 7 A 1/15 (7 A 20/11) (Bundesverwaltungsgericht)

Ausbau der Bundeswasserstraße Weser


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.