Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.04.2009, Az. VIII ZR 142/08

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 3790

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 29. April 2009 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 543 Eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] erfordert nicht, dass der Mieter darlegt, warum ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zumutbar ist. Für die Wirksamkeit einer Kündigung genügt es vielmehr grundsätzlich, wenn einer der in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 [X.] aufgeführten Tatbestände vorliegt. [X.], Urteil vom 29. April 2009 - [X.] - [X.] - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. März 2009 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] sowie die [X.]innen [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Rechtsmittel der Kläger werden das Urteil der [X.] des [X.] vom 30. April 2008 im Kosten-punkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Kläger er-kannt worden ist, und das Urteil des [X.] vom 29. November 2007 teilweise abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, die Freigabe des [X.] auf dem Sparkonto Nummer

der [X.]zu erklären sowie das Sparbuch zu dem vorgenannten Konto, ausgestellt auf den Kläger, an die [X.]herauszugeben. Die Widerklage wird abgewiesen. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Kläger waren seit 1. Mai 2002 Mieter einer Wohnung des Beklagten. Mit anwaltlichem Schreiben vom 24. Januar 2005 erklärten die Kläger die außerordentliche fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung des [X.] - 3 - hältnisses zum 30. April 2005, weil die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % von der mit —ca. 100 m²fi vereinbarten Wohnfläche abweiche. Sie zogen Ende Januar 2005 aus und stellten die Mietzahlung ein. 2 Die Kläger haben die Freigabe des verpfändeten [X.]s nebst Herausgabe des Kautionssparbuchs sowie die Rückzahlung von 4.901,11 • überzahlter Miete nebst Zinsen begehrt. [X.] hat der [X.] - soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse - die Zahlung [X.] Miete für Februar bis April 2005 in Höhe von 2.045,55 • nebst Zinsen [X.]. Das Amtsgericht hat den Beklagten nach Einholung eines Sachverstän-digengutachtens, wonach die tatsächliche Wohnfläche lediglich 77,37 m² be-trägt und um 22,63 % von der vereinbarten Wohnfläche abweicht, unter [X.] der weitergehenden Klage zur Zahlung von 4.901,11 • nebst Zinsen ver-urteilt. Auf die Widerklage hat es die Kläger als Gesamtschuldner verurteilt, an den Beklagten 1.600,85 • nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung der Kläger hat das [X.] die auf die Widerklage erfolgte Verurteilung auf einen Be-trag von 1.263,45 • nebst Zinsen ermäßigt und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfol-gen die Kläger ihre erstinstanzlichen Anträge hinsichtlich der Kaution und der Abweisung der Widerklage weiter. 3 - 4 - Entscheidungsgründe: 4 Die Revision hat Erfolg. [X.] 5 Das Berufungsgericht hat, soweit im Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt: 6 Die Berufung der Kläger sei nur insoweit begründet, als der Beklagte für die drei Monate bis zur Beendigung des Mietverhältnisses infolge der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung mit der Widerklage nur noch die Nettomiete, jedoch wegen zwischenzeitlich erfolgter Abrechnung keine Vorauszahlungen auf die Nebenkosten mehr verlangen könne. Die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses durch Anwalts-schreiben vom 24. Januar 2005 habe nicht zu einer Beendigung des Mietver-hältnisses schon zum Ende des Monats Januar 2005 geführt. Diese fristlose Kündigung sei unwirksam gewesen, weil die Voraussetzungen des § 543 [X.] nicht vorlägen. 7 Da den Klägern als Mietern nur eine Mietfläche zur Verfügung gestellt worden sei, die nach den unbeanstandet gebliebenen Feststellungen des Sachverständigen um deutlich mehr als 10 % unter der im Mietvertrag verein-barten Fläche liege, sei ihnen insoweit der vertragsgemäße Gebrauch der [X.] zum Teil nicht rechtzeitig gewährt worden. Damit seien zwar [X.] die —grundsätzlichen Voraussetzungenfi für eine außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund gegeben (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]). 8 - 5 - Dennoch sei ein uneingeschränktes fristloses Kündigungsrecht des [X.] bei einer sich wie hier unter Berücksichtigung der Dachschrägen ergeben-den Flächenabweichung von 22,63 % als unbillig anzusehen. [X.] die tat-sächliche Größe der überlassenen Mietfläche von den Angaben im Mietvertrag ab, so führe dies nicht in jedem Fall zu einem fristlosen Kündigungsrecht des Mieters nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]. Vielmehr müsse der Mieter darle-gen, weshalb die nunmehr festgestellte Minderfläche, deren Fehlen ihm bisher nicht aufgefallen sei, ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung sein solle. Dazu bedürfe es der Darlegung besonderer konkreter Umstände, die dem [X.] die Fortsetzung des Mietverhältnisses trotz des Anspruchs auf [X.] unzumutbar erscheinen ließen. Solche Gründe seien von den Klägern nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich. Die Kläger hätten [X.] während des Verlaufs des Mietverhältnisses zu keiner Zeit eine für sie fühlbare Einschränkung ihres Mietgebrauchs hinnehmen müssen. Sie hätten genau die Räume uneingeschränkt nutzen können, die sie vor [X.] besichtigt und als für ihre Zwecke tauglich angemietet hätten. Nach diesen Umständen sei es für die Kläger durchaus zumutbar, bis zum Ablauf der "regulären" Kündigungsfrist noch drei Monate zuzuwarten. Auch aus § 543 Abs. 1 [X.] ergebe sich letztlich nichts anderes. Geboten sei eine umfassende Interessenabwägung. 9 Die Widerklage sei in Höhe der angesichts der Wohnungsgröße reduzier-ten Nettomiete begründet. Da somit dem Beklagten noch restliche Mietzinsan-sprüche aus dem zum 30. April 2005 beendeten Mietverhältnis zustünden, be-stehe trotz des erheblichen Zeitablaufs das [X.] an dem [X.] fort. Der Beklagte mache insoweit zu Recht von seinem Zurück-behaltungsrecht Gebrauch. 10 - 6 - I[X.] 11 Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. 12 Durch die Kündigung der Kläger vom 24. Januar 2005 ist das Mietver-hältnis entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bereits zum 31. Januar 2005 und nicht erst zum 30. April 2005 beendet worden. Die vom Berufungsge-richt angeführten Gründe tragen den Ausschluss der außerordentlichen fristlo-sen Kündigung der Kläger gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] nicht. 1. Im Ausgangspunkt zutreffend sieht das Berufungsgericht in der Ab-weichung der tatsächlichen Wohnfläche von der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche um 22,63 % einen Mangel der Mietwohnung im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 [X.] (vgl. [X.]surteile vom 24. März 2004 - [X.] ZR 133/03, [X.], 268, und [X.] ZR 295/03, [X.], 1947), der zur Folge hat, dass den Klägern der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache zum Teil nicht [X.] gewährt wurde und daher die —grundsätzlichen Voraussetzungenfi einer außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] gegeben sind. 13 Das Kündigungsrecht ist hier auch weder nach § 543 Abs. 3 Satz 1 [X.] noch nach § 543 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 536b [X.] ausgeschlossen, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt. Da der Vermieter bei einer Ab-weichung der tatsächlichen von der vereinbarten Wohnfläche einer [X.] Wohnung regelmäßig keine Abhilfe schaffen kann, ist eine Abmahnung oder Fristsetzung zur Mängelbeseitigung entbehrlich. Auch war den Klägern nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts der Mangel der Mietsache bei Mietvertragsabschluss weder bekannt noch infolge grober 14 - 7 - Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, da sich die [X.] erst später beim Nachmessen der Wohnung gezeigt hat. 15 2. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht dagegen, die fristlose Kündi-gung sei unwirksam, weil die Kläger nicht dargelegt hätten, weshalb die [X.] festgestellte Minderfläche, deren Fehlen ihnen zuvor nicht aufgefallen sei, ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung sein solle. Eine fristlose Kündi-gung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] erfordert nicht, dass der Mieter [X.], warum ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zumutbar ist. Für die Wirksamkeit einer Kündigung genügt es vielmehr grundsätzlich, wenn einer der in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 [X.] aufgeführten Tatbestände vorliegt. a) Nach der Rechtsprechung des [X.] zur Gewerbe-raummiete ([X.], Urteil vom 18. Oktober 2006 - [X.], [X.], 147, [X.]. 10; noch zweifelnd: Urteil vom 4. Mai 2005 - [X.], [X.], 2152, unter [X.]) ist bei Vorliegen der Tatbestände des § 543 Abs. 2 [X.] eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich, ohne dass die in § 543 Abs. 1 [X.] genannten Voraussetzungen, wie etwa die Unzumutbarkeit der Vertrags-fortsetzung, zusätzlich erfüllt sein müssen. Hiervon abzuweichen besteht für die Wohnraummiete kein Anlass. Dies entspricht auch einer verbreiteten Auffas-sung im Schrifttum zum Wohnraummietrecht (Schmidt-Futterer/Blank, [X.], 9. Aufl., § 543 [X.] Rdnr. 3 m.w.N.; [X.], Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 543 Rdnr. 60; [X.]/Jendrek, [X.], 12. Aufl., § 543 Rdnr. 10; Pa-landt/[X.], [X.], 68. Aufl., § 543 Rdnr. 6; aA MünchKomm[X.]/[X.], 5. Aufl., § 543 Rdnr. 22, 23; einschränkend [X.], [X.], 553, 557 f.). Nach der Gesetzessystematik handelt es sich bei den in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 [X.] aufgeführten Kündigungsgründen um gesetzlich typisierte Fälle der Unzumutbarkeit. Soweit deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt 16 - 8 - sind, ist grundsätzlich auch ein wichtiger Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 [X.] zur fristlosen Kündigung gegeben. 17 b) Unabhängig von den vorgenannten Ausführungen kann das Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung allerdings aufgrund besonderer Um-stände des Einzelfalls verwirkt sein (vgl. [X.], Urteil vom 18. Oktober 2006, aaO, [X.]. 11). Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn der Mieter bei [X.] oder danach erkennt, dass die tatsächliche Wohnfläche die im Mietvertrag angegebene um mehr als zehn Prozent unterschreitet, ohne dies zeitnah zum Anlass für eine fristlose Kündigung zu nehmen. Anhaltspunkte dafür, dass die außerordentliche fristlose Kündigung der Kläger aufgrund derartiger besonderer Umstände treuwidrig oder verwirkt sein könnte, sind den Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch nicht zu [X.]. 18 3. Da dem Beklagten somit keine restliche Miete für die Monate Februar bis April 2005 zusteht, ist sein [X.] an dem [X.] entfallen, so dass er zu dessen Freigabe verpflichtet ist. 19 II[X.] Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] kann in der Sache selbst [X.], da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf die Rechtsmittel der Kläger ist
20 - 9 - der Klage auf Freigabe des verpfändeten [X.]s sowie Herausga-be des Kautionssparbuchs stattzugeben und die Widerklage abzuweisen. Ball [X.] [X.] [X.] am [X.] [X.] am [X.] [X.] ist wegen Eintritts in den [X.] ist urlaubsabwesend Ruhestand gehindert, zu unterschreiben. und daher gehindert, zu unterschreiben. [X.], 28.04.2009 [X.], 28.04.2009
Ball Ball [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 29.11.2007 - 1 C 825/05 - [X.], Entscheidung vom 30.04.2008 - 7 S 2/08 -

Meta

VIII ZR 142/08

29.04.2009

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.04.2009, Az. VIII ZR 142/08 (REWIS RS 2009, 3790)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 3790

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