Bundessozialgericht, Urteil vom 24.02.2011, Az. B 14 AS 75/10 R

14. Senat | REWIS RS 2011, 9145

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Arbeitslosengeld II - Sonderbedarf - Wohnungserstausstattung - Fernsehgerät - Streitgegenstand - Rechtsschutzbedürfnis


Leitsatz

Zur Erstausstattung einer Wohnung gehören nur solche Gegenstände, die der Befriedigung grundlegender Bedürfnisse wie Essen, Schlafen und Aufenthalt dienen, nicht aber bestimmten Freizeitbeschäftigungen oder Unterhaltungs- und Informationsbedürfnissen, wie zB ein Fernsehgerät.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des [X.] vom 27. April 2010 und des [X.] vom 22. Januar 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander in allen drei Rechtszügen keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem beklagten [X.] Leistungen für einen Fernseher im Rahmen der Erstausstattung einer Wohnung nach dem [X.] ([X.]).

2

Der im Jahr 1970 geborene Kläger bezieht seit dem 17.7.2007 laufende Leistungen nach dem [X.] von dem beklagten [X.]. Zunächst war er obdachlos; ab [X.] bezog er eine 17 qm große Ein-Zimmer-Wohnung in [X.] . Er beantragte die [X.]ewährung einer Erstausstattung für im Einzelnen aufgeführte [X.]egenstände, ua ein Fernsehgerät. Der Beklagte bewilligte für bestimmte [X.]egenstände einen Betrag von 506,50 Euro (Bescheid vom [X.]) und einen Zuschuss für [X.]ardinen in Höhe von 195,42 Euro (Bescheid vom 3.9.2007). Die [X.]ewährung einer Beihilfe ua für einen Fernseher lehnte er ab (weiterer Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom 29.11.2007).

3

Das Sozialgericht (S[X.]) hat den Beklagten "verpflichtet, dem Kläger Leistungen nach dem [X.] für die Erstausstattung mit einem Fernsehgerät zu gewähren" (Urteil vom [X.]). Auf die Berufung des Beklagten hat das [X.] (LS[X.]) das Urteil des S[X.] geändert und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom [X.] in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2007 "verurteilt, dem Kläger [X.]eld- oder Sachleistungen für die Erstausstattung mit einem gebrauchten Fernsehgerät zu gewähren" (Urteil vom 27.4.2010). Zur Begründung hat das LS[X.] im Wesentlichen ausgeführt: [X.]emäß § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 [X.] seien Leistungen für die Erstausstattung einer Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht von der Regelleistung umfasst. Zur Begründung des [X.] Zwölftes [X.] (S[X.]B XII) sei auf § 21 Abs 1a [X.] (BSH[X.]) verwiesen worden, dessen [X.] auch [X.]ebrauchsgüter von längerer [X.]ebrauchsdauer umfasst habe, zu denen auch Haushaltsgegenstände und die Wohnungsausstattung gehört haben. Ein Fernsehgerät sei kein Haushaltsgerät iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 [X.] wie ein Herd oder eine Waschmaschine, es sei auch kein Einrichtungsgegenstand. Allerdings sei es ein "wohnraumbezogener Ausstattungsgegenstand", der Beziehungen zu Umwelt, Informationsdeckung und Teilhabe am kulturellen Leben ermögliche. Auch wenn ein Fernsehgerät im engeren Sinne nicht für eine geordnete Haushaltsführung erforderlich sei, gehöre es doch unter dem Aspekt der Üblichkeit selbst in unteren Einkommensgruppen zu einem an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientierten Wohnen. Die Einrichtung eines Zugangs für den Fernseh- und Radioempfang gehöre zu den üblichen Wohnstandards (Hinweis auf [X.] Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BS[X.]E 102, 274 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]). Die Ausstattungsdichte mit Fernsehgeräten betrage seit 1998 ca 93 Prozent auch in Haushalten von Arbeitslosen bzw 95 Prozent bezogen auf die [X.]esamtbevölkerung. Um eine Ausgrenzung zu verhindern und eine durch die Verweisung auf die Ansparleistung oder Darlehen drohende Bedarfsunterdeckung zu vermeiden, sei die [X.]ewährung eines Fernsehgerätes im Rahmen der Erstausstattung erforderlich, wenn der Leistungsbezieher sich eines solchen - wie vorliegend - zur Informationsbeschaffung und Unterhaltung bedienen wolle. Es bestehe jedoch nur Anspruch auf Leistungen für ein gebrauchtes [X.]erät, da dies einem üblichen und sparsamen Verhalten entspreche. Das Urteil des S[X.] sei zu ändern gewesen, da es im Ermessen des Beklagten stehe, ob er die Leistung als [X.]eld- oder Sachleistung erbringen wolle.

4

Mit der - vom LS[X.] zugelassenen - Revision rügt der Beklagte die Verletzung materiellen Rechts: Ein Fernsehgerät sei kein [X.] iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 [X.]. Nach der Rechtsprechung des [X.] (BVerw[X.]) habe nach dem BSH[X.] ein Fernsehgerät zum Bedarf für den notwendigen Lebensunterhalt gehört. Hieraus könne aber nicht der Schluss gezogen werden, dass es auch zur Erstausstattung iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 [X.] gehöre, weil die unter dem BSH[X.] gewährten einmaligen Leistungen durch die pauschalierte Regelleistung nach dem [X.] abgedeckt würden. Die Ausnahme in § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 [X.] erfasse nur die zum Wohnen erforderliche Erstausstattung, nicht aber ein Fernsehgerät. Auch unter [X.]leichbehandlungsgesichtspunkten könne dem, der ein Fernsehgerät als Informationsquelle und Teilhabemöglichkeit am kulturellen Leben betrachte, ein solches nicht zusätzlich zur Regelleistung bewilligt werden, während anderen, die sich aus Zeitschriften, Büchern usw informierten oder sich Aufführungen im Theater anschauten, diese Leistungen aus ihrer Regelleistung erbringen müssten.

5

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.]s Niedersachsen-Bremen vom 27. April 2010 und des [X.] vom 22. Januar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält das angefochtene Urteil grundsätzlich für zutreffend. Zur Erstausstattung gehöre alles, was zum menschenwürdigen Leben unbedingt notwendig sei und daher auch ein Fernsehgerät einfacher [X.]üte.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Die Urteile des [X.] vom 27.4.2010 und des [X.] vom [X.] sind aufzuheben und die Klage abzuweisen, weil der Kläger im Rahmen der Erstausstattung seiner Wohnung keinen Anspruch auf ein gebrauchtes Fernsehgerät dem [X.]runde nach hat.

9

Bei dem vom Kläger begehrten Fernsehgerät als Teil der Erstausstattung seiner Wohnung nach § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] handelt es sich um einen eigenständigen, abtrennbaren Streitgegenstand, über den isoliert und unabhängig von den übrigen [X.]rundsicherungsleistungen entschieden werden kann (vgl nur BS[X.] vom 19.9.2008 - [X.] AS 64/07 R - [X.], 268 = [X.]-4200 § 23 [X.], Rd[X.] 12, zuletzt Urteile des Senats vom [X.] AS 10/09 R und [X.] AS 36/09 R).

Einer Sachentscheidung des Senats steht das als Klagevoraussetzung von Amts wegen zu prüfende Rechtsschutzbedürfnis nicht entgegen, auch wenn der Kläger nach dem Bezug der Wohnung in [X.] wiederholt umgezogen ist. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, wenn der Kläger mit seiner Anfechtungs- und Leistungsklage ein "berechtigtes Interesse" (vgl § 55 Abs 1 S[X.][X.] am Ende) geltend macht und dieses nicht auf einfachere und schnellere Art und Weise zu erreichen ist (vgl nur BS[X.]E 1, 246, 252 f; BS[X.]E 82, 239 = [X.]-2600 § 118 [X.] 3). Das zur [X.] der Klageerhebung aufgrund der den Antrag des [X.] ablehnenden Verwaltungsentscheidung des Beklagten bestehende Rechtsschutzbedürfnis könnte allenfalls entfallen sein, wenn der Kläger zwischenzeitlich ein Fernsehgerät von dritter Seite erhalten hätte oder aufgrund anderer Umstände sich ein solcher Bedarf erledigt hätte (vgl [X.] in Breitkreuz/Fichte, S[X.][X.], 2009, § 54 Rd[X.]7 f). Derartiges ist dem vorliegenden Sachverhalt nicht zu entnehmen und der Kläger hat erklärt, dass er nach wie vor kein Fernsehgerät besitze und zwischenzeitlich auch keines besessen habe.

Der Kläger, der nach den Feststellungen des LS[X.] dem [X.]runde nach leistungsberechtigt nach dem S[X.]B II ist, hat wegen der Erstausstattung seiner am [X.] bezogenen Wohnung in [X.] gegen den Beklagten keinen Anspruch auf ein gebrauchtes Fernsehgerät.

Als Anspruchsgrundlage hierfür kommt nur § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] idF vom [X.] in Betracht. Danach sind "Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten“ nicht von der Regelleistung umfasst; sie werden gesondert erbracht.

Mit § 23 Abs 3 Satz 1 S[X.]B II hat der [X.]esetzgeber normiert, dass trotz der grundsätzlichen Abgeltung auch einmaliger Bedarfe durch die Regelleistung bestimmte Bedarfe weiterhin gesondert durch den [X.]rundsicherungsträger zu erbringen sind. Der Anspruch nach § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] ist wie alle Leistungen des S[X.]B II bedarfsbezogen zu verstehen (BS[X.] vom 19.9.2008 - [X.] AS 64/07 R - [X.], 268 = [X.]-4200 § 23 [X.]). Entscheidend für die Auslegung des Begriffs der Erstausstattung ist, ob ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist. Leistungen nach § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] sind, wie die zuständigen Senate des BS[X.] übereinstimmend entschieden haben, für die Ausstattung mit wohnraumbezogenen [X.]egenständen zu erbringen, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen (BS[X.] aaO; zuletzt BS[X.] vom 20.8.2009 - [X.] [X.]/08 R - [X.]-4200 § 23 [X.] 5 Rd[X.] 14).

Die [X.]rundvoraussetzung für eine Erstausstattung nach § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] ist nach den Feststellungen des LS[X.] erfüllt, weil der Kläger vor seinem Einzug in die Wohnung obdachlos war und über keine Einrichtungsgegenstände verfügte.

Wie dem Wortlaut des § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] und der bisher vom BS[X.] verwandten Formulierung "Ausstattung mit wohnraumbezogenen [X.]egenständen, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Wohnverhältnisse orientiertes Wohnen ermöglichen," zu entnehmen ist, sind "Erstausstattungen für die Wohnung" nicht auf Haushaltsgeräte und Haushaltszubehör beschränkt, sondern schließen diese nur ein. Auch in der Literatur werden nahezu durchgängig neben die notwendigen [X.]egenstände für die Haushaltsführung die [X.]egenstände für ein menschenwürdiges Wohnen gestellt (vgl nur [X.] in [X.]agel, S[X.]B II, S[X.]B III, Loseblatt, § 23 Rd[X.] 63; [X.] in [X.]/[X.], S[X.]B II, § 23 Rd[X.] 331; [X.] in [X.]K-S[X.]B II, § 23 Rd[X.] 38).

Die Wohnung oder Unterkunft - nach dem Sprachgebrauch des § 22 S[X.]B II werden die Begriffe synonym verwandt - soll zwar nicht nur die Bedürfnisse nach Schutz vor Witterung und einer [X.]elegenheit zum Schlafen befriedigen, sondern auch die Unterbringung von [X.]egenständen aus dem persönlichen Lebensbereich ermöglichen (BS[X.] vom 16.12.2008 - [X.] AS 1/08 R - [X.]-4200 § 22 [X.] 14 Rd[X.] 16) sowie die Führung eines Haushalts, wie sich aus der gesonderten Aufführung der Haushaltsgeräte in § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] ergibt. Andererseits werden die Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs 1 Satz 1 S[X.]B II nur übernommen, soweit sie angemessen sind. Dies erfordert, dass die Unterkunft nach Lage, Ausstattung und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Standard aufweist (BS[X.] vom 16.12.2008 - [X.] AS 1/08 R - [X.]-4200 § 22 [X.] 14 Rd[X.] 15 mwN). Von daher wird von dem Begriff "Wohnen" iS des § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] nur die Befriedigung der grundlegenden Bedürfnisse Essen, Schlafen, Aufenthalt umfasst, nicht aber bestimmte Freizeitbeschäftigungen.

Hierfür spricht auch das oben schon angesprochene Verhältnis des § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] als Sonderregelung zu der in § 20 S[X.]B II kodifizierten Regelleistung, die grundsätzlich alle Bedarfe abdecken soll (vgl nur BT-Drucks 15/1516 [X.]). Ergänzend ist auf die verschiedenen Abteilungen nach § 2 Abs 2 Regelsatzverordnung (RSV) hinzuweisen, in denen zwischen den Abteilungen 04 Wohnen, Energie, Wohnungsinstandhaltung und 05 Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände, die das Wohnen betreffen, und zB der Abteilung 09 Freizeit, Unterhaltung und Kultur unterschieden wird.

Eine Abgrenzung der Erstausstattung nach § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] zu dem von der Regelleistung nach § 20 S[X.]B II umfassten unabweisbaren Bedarf nach § 23 Abs 1 S[X.]B II ist notwendig, weil die Erstausstattung als Beihilfe, während der Bedarf nach § 23 Abs 1 als Darlehen erbracht wird. Diese Abgrenzung kann entgegen der Auffassung des LS[X.] nicht in Anlehnung an den früheren § 21 Abs 1a BSH[X.] erfolgen, weil zB eine Waschmaschine zur Erstausstattung einer Wohnung gehören kann (vgl BS[X.] vom 19.9.2008 - [X.] AS 64/07 R - [X.], 268 = [X.]-4200 § 23 [X.], Rd[X.] 18), aber auch ein Teil der Regelleistung ist. Die Ausführungen in der [X.]esetzesbegründung zu dem § 23 Abs 3 S[X.]B II entsprechenden § 32 Abs 1 S[X.]B XII: "Die Vorschrift regelt diejenigen bisherigen einmaligen Leistungen im Sinne des bisherigen § 21 Abs 1a des [X.], die nicht in den Regelsatz einbezogen werden." (BT-Drucks 15/1514 [X.]) können in Verbindung mit dem [X.]esetzestext nur in Bezug auf die spezifische Situation Erstausstattung einer Wohnung verstanden werden, womit es entscheidend auf den obigen Begriff des Wohnens ankommt.

Aus dem Adjektiv „menschenwürdig“ in Verbindung mit dem Begriff Wohnen kann nichts anderes hergeleitet werden, wie auch durch das Urteil des [X.] (BVerf[X.]) vom [X.] über das [X.]rundrecht auf [X.]ewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums bestätigt wird. Dieses [X.]rundrecht umfasst zwar nicht nur die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und [X.]esundheit, sondern auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilnahme am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben; sein Umfang hängt ua von den jeweiligen wirtschaftlichen und technischen [X.]egebenheiten ab und ist entsprechend der [X.] Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht zu bestimmen (BVerf[X.] vom [X.] - 1 BvL 1/09, 1 [X.], 1 [X.] - BVerf[X.]E 125, 175 ff, Rd[X.] 135, 138). Es unterscheidet aber zwischen diesen verschiedenen Bedürfnissen, wie zB der hier umstrittenen Erstausstattung für eine Wohnung bzw Unterkunft und anderen Bedürfnissen, wie der Teilnahme am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben.

Ausgehend von diesen Voraussetzungen besteht kein Anspruch auf ein Fernsehgerät im Rahmen der Erstausstattung einer Wohnung nach § 23 Abs 3 Satz 1 [X.]. Aus den entgegenstehenden Aussagen in Teilen der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (vgl neben dem hier angefochtenen Urteil: LS[X.] Berlin-Brandenburg vom [X.] - L 18 AS 2221/07 - Rd[X.] 19; Schleswig-Holsteinisches LS[X.] vom [X.] - L 9 [X.] 5/09; S[X.] Frankfurt am Main vom 28.5.2009 - [X.] AS 388/06 - und - [X.] AS 87/08 -) und der Literatur ([X.] in [X.]agel, S[X.]B II, S[X.]B III, § 23 Rd[X.] 64; [X.] in [X.]K-S[X.]B II, § 23 Rd[X.] 38.1; [X.], [X.]rundsicherung und Sozialhilfe, Loseblatt, [X.]; [X.] in [X.]/[X.], S[X.]B II, § 23 Rd[X.] 352; [X.] in Lehr- und Praxiskommentar S[X.]B II, 3. Aufl 2009, § 23 Rd[X.] 30; [X.] in [X.], S[X.]B II, § 23 Rd[X.] 32) folgt nichts anderes.

Denn eine Begründung, warum ein Fernsehgerät Teil der Erstausstattung einer Wohnung ist und dem Bedürfnis "Wohnen“ dient und nicht nur ein in über 90 % aller Wohnungen anzutreffender [X.]egenstand ist, der anderen Zwecken dient, wird weder in der genannten Rechtsprechung noch Literatur angeführt. Um Teil der Erstausstattung einer Wohnung zu sein, genügt es - entgegen dem LS[X.] - gerade nicht, dass es sich um einen "wohnraumbezogenen Ausstattungsgegenstand" handelt, der Beziehungen zu Umwelt, Informationsdeckung und Teilhabe am kulturellen Leben ermöglicht. Denn ein Fernsehgerät dient - selbst unter dem Aspekt der Üblichkeit in unteren Einkommensgruppen - nicht einem an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientierten "Wohnen“ iS des § 23 Abs 3 Satz 1 [X.], sondern der Befriedigung von Unterhaltungs- und Informationsbedürfnissen.

Die mangelnde Unterscheidung zwischen dem Bedarf an einer Erstausstattung für Wohnung nach § 23 Abs 3 Satz 1 [X.] und anderen existenziellen Bedürfnissen liegt auch den Überlegungen des LS[X.] zugrunde, wenn es die [X.]ewährung eines Fernsehgerätes mit der Verhinderung einer Ausgrenzung und der Vermeidung einer Bedarfsunterdeckung begründen will. Denn mit der Verneinung eines Anspruchs auf ein Fernsehgerät im Rahmen der Erstausstattung wird keine Aussage über einen Anspruch auf ein solches [X.]erät nach § 23 Abs 1 S[X.]B II als Darlehen getroffen.

Diese Entscheidung steht nicht im Widerspruch zum Urteil des 4. Senats des BS[X.] vom 19.2.2009, der im Rahmen eines Rechtsstreits über die Höhe der Kosten der Unterkunft und die Übernahme der Kosten für einen Breitbandkabelanschluss ausgeführt hat: "[X.] gehören heute zu den in allen [X.]esellschaftsschichten standardmäßig genutzten Informationsquellen. Rund 36 Millionen Haushalte haben zu [X.], was einer Ausstattung von 95 Prozent der Bevölkerung [X.] entspricht (vgl …). Die Einrichtung eines Zugangs hierzu ist üblicher Wohnstandard, dem sich der Mieter in den seltensten Fällen entziehen kann …" (BS[X.] vom 19.2.2009 - [X.] AS 48/08 R - BS[X.]E 102, 274 = [X.]-4200 § 22 [X.] 18, Rd[X.] 18). Die Kosten wurden nicht übernommen, weil Fernsehen ein Teil des Wohnens ist, sondern weil ohne Übernahme dieser Kosten ggf keine Wohnung zu finden ist und sie damit angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 S[X.]B II sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 S[X.][X.].

Meta

B 14 AS 75/10 R

24.02.2011

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Hildesheim, 22. Januar 2009, Az: S 13 AS 1789/07, Urteil

§ 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2 vom 20.07.2006, § 23 Abs 3 S 2 SGB 2 vom 20.07.2006, § 20 Abs 1 SGB 2, § 55 Abs 1 SGG, § 95 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 24.02.2011, Az. B 14 AS 75/10 R (REWIS RS 2011, 9145)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9145

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1 BvL 1/09

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