Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.05.2007, Az. 1 StR 582/06

1. Strafsenat | REWIS RS 2007, 3739

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 582/06 vom 22. Mai 2007 in der Strafsache gegen wegen Mordes u.a. - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 22. Mai 2007, an der teilgenommen haben: [X.] am [X.] [X.] und [X.] am [X.] Dr. Wahl, [X.], [X.], [X.]in am [X.] Elf, [X.] als Vertreter der [X.]schaft, Rechtsanwältin und Rechtsanwältin als Verteidigerinnen, Rechtsanwalt als Vertreter der Nebenkläger [X.], [X.] und [X.] W. , Rechtsanwalt als Vertreter des Nebenklägers [X.] M. , die Nebenklägerin [X.]persönlich, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des [X.] vom 21. April 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Schwurgerichtskammer des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf des Mordes und des zweifachen Mordversuchs freigesprochen. Nach der Anklage lag ihm zur Last, am 7. Oktober 2004 die Sparkassenfiliale in [X.] ausgeraubt und dabei eine Sparkassenkundin erschossen und deren Ehemann sowie einen Sparkas-senangestellten lebensgefährlich verletzt zu haben. Von seiner Täterschaft konnte sich das [X.] nicht überzeugen. 1 Mit ihren Revisionen rügen die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Die Rechtsmittel, die vom Ge-neralbundesanwalt vertreten werden, haben mit der Sachrüge Erfolg, da die dem Freispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung Rechtsmängel aufweist. Auf die Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an. 2 - 4 - [X.] 1. Das [X.] hat festgestellt: 3 Am 7. Oktober 2004 versah in der Sparkassenfiliale [X.]der Bankkaufmann [X.]den Dienst. Während der von 12.00 Uhr bis 14.00 Uhr dauernden Mittagspause nahm [X.][X.] eine Verabredung in [X.]mit Kollegen anderer Filialen wahr. Zwischen 13.46 Uhr und spätestens 13.54 Uhr kehrte er in die Filiale [X.] zurück. Unter nicht näher geklärten Umständen wurde er dort vor 13.56 Uhr von einem un-maskierten und mit einer Pistole bewaffneten Mann gezwungen, im Kassen-raum den Banktresor zu öffnen und Geldscheine sowie Münzgeld im Werte von 33.514 • herauszugeben. Anschließend musste sich [X.] M. in dem benachbarten Beratungsraum hinknien und erhielt von dem Täter mit einem stumpfkantigen Gegenstand bis zu zwölf wuchtige Schläge auf den Kopf, die zu einem lebensgefährlichen Schädel-Hirn-Trauma mit einer handtellergroßen Trümmerfraktur des [X.] und zu [X.] im Bereich der Augenhöhlen sowie Kontasionen des Hirngewebes führten. 4 Um 13.55 Uhr betraten die Eheleute C.

die Sparkassenfiliale, um ein Bankgeschäft zu erledigen. Vom Kundenschalterraum aus hörten sie [X.], ohne jemand zu sehen. Mit den Worten "Schnell raus, hier stimmt was nicht" zog [X.] seine Ehefrau in den Windfang und wollte mit ihr die Bank verlassen. Noch bevor sie die Eingangstür erreicht hatten, kam [X.] aus dem Beratungsraum und drängte sie mit vorgehaltener Pistole zurück in den Kundenschalterraum. Er drückte den Zeugen [X.]bäuchlings über die Sitzfläche eines Stuhles, setzte die Pistole im [X.]en des Zeugen an und drückte ab. Das Projektil drang im linken [X.]enbereich ein und trat [X.] des linken Unterkiefers wieder aus. Nunmehr richtete der Täter die Waffe 5 - 5 - gegen [X.]und gab von vorn zwei Schüsse auf deren Kopf ab mit der Folge, dass [X.]innerhalb weniger Sekunden verstarb. Der Täter flüch-tete mit der Beute. Die Verletzungen des [X.] [X.]und des [X.]waren lebensgefährlich. Beide überlebten nach [X.], wobei [X.] [X.]bis zum 16. Oktober 2004 in ein künstliches Koma versetzt wurde. 2. Auf den Angeklagten fiel der Tatverdacht insbesondere aufgrund fol-gender Erkenntnisse: 6 a) Die beiden die Tat überlebenden Geschädigten [X.][X.]und [X.] haben den Angeklagten als Täter bezeichnet. 7 b) Der Angeklagte fuhr im Tatzeitraum mit seinem Kraftfahrzeug in der Nähe des [X.]. 8 c) Der Angeklagte befand sich in finanziellen Schwierigkeiten. Am Nachmittag des [X.] zahlte er bei der Volksbankfiliale [X.]10.000 • ein, darunter 14 Scheine im Wert von je 500 • - die [X.] enthielt 15 Scheine in diesem Wert. Am folgenden Tag zahlte seine Lebensgefährtin dort weitere 4.600 • ein. Bei Durchsuchungen seines Anwesens wurden ca. 20.000 • sichergestellt. 9 d) Im Kniekehlenbereich des Fahrersitzes des von dem Angeklagten be-nutzten Fahrzeugs wurde eine Blutantragung gesichert, deren molekulargeneti-sche Untersuchung ein [X.] ergab, welches mit einem Häufigkeits-wert von 1:10.130 mit den Merkmalen des Geschädigten M. übereinstimmt. 10 e) In einem alten Steinbruch von [X.]

wurde im weiteren Verlauf des [X.] ein Feuer entzündet, das eine starke schwarze Rauchsäule entfal-tete. Im Brandschutt dieser Feuerstelle wurden Adressaufkleber des Angeklag-11 - 6 - ten, diesem zuzuordnende Rundhölzer und - etwa 13 Monate nach diesem Brand - eine Kautschukmischung aus einem Produkt des [X.] Stiefel-herstellers [X.] sichergestellt. Der Angeklagte hatte zweimal ein paar Gummistiefel dieser Marke gekauft und trug am Tattag Stiefel. Zwei am Tatort gesicherte Schuhabdruckfragmente wurden von einem Gummistiefel der Marke [X.] verursacht. 3. Das [X.] hat sich gleichwohl von der Täterschaft des Ange-klagten nicht zu überzeugen vermocht. 12 Hinsichtlich des [X.]bestünden wegen der erheblichen Verlet-zungen im Gehirnbereich Bedenken an der Aussagetüchtigkeit. Der Zeuge [X.]

habe unmittelbar nach der Tat gegenüber verschiedenen Zeugen lediglich geäußert, der Täter habe dem Angeklagten ähnlich gesehen. Die finanzielle Situation des Angeklagten sei nicht ganz aussichtslos gewesen. Hinsichtlich der Blutspur im Fahrzeug des Angeklagten liege das Analyseergebnis im Bereich der unteren Nachweisgrenze; insbesondere sei nicht nachvollziehbar, dass an-gesichts des äußerst blutigen Geschehens in der Sparkasse in dem nichtgerei-nigten Fahrzeug des Angeklagten keine weiteren Blutspuren gefunden wurden. Es bestünden aus zeitlichen Gründen erhebliche Zweifel daran, dass es dem Angeklagten überhaupt möglich war, das Feuer in dem Steinbruch zu entzün-den. Darüber hinaus lasse sich nicht feststellen, dass die im Brandschutt ge-fundenen Gegenstände auch tatsächlich aus dem Brand des [X.] stam-men. 13 Im Übrigen bestünden ernsthafte Zweifel daran, dass es dem Angeklag-ten in zeitlicher Hinsicht möglich war, die Tat zu begehen. Die Kammer hält die Angabe des [X.]für glaubhaft, er habe den Angeklagten um genau 13.54 Uhr mit seinem Fahrzeug ca. 100 Meter von der Sparkasse entfernt in die 14 - 7 - [X.] einbiegen und [X.] fahren sehen. Da die Eheleute [X.] die Sparkasse um 13.55 Uhr betreten hätten, hätte um 13.54 Uhr - auch wenn die Tat zum Nachteil des [X.] in nicht mehr als eineinhalb Minuten begangen werden konnte - der Täter sich bereits in der Sparkasse befinden müssen. Schließlich gebe es Hinweise auf andere Täter. Die Zeugin [X.] gegen 12.30 Uhr, als [X.]die Sparkasse bereits verlassen [X.] und der Angeklagte sich noch zuhause befunden hätte, eine männliche Stimme aus dem Bankinneren gehört. Im Tatzeitraum habe vor der Sparkasse ein dunkelfarbenes Fahrzeug gestanden, das keinem der in der Hauptverhand-lung gehörten Zeugen zugeordnet werden konnte. 15 I[X.] Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Prüfung nicht stand. 16 1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffe-ne Feststellung "lebensfremd" erscheinen mag. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Richters, son-dern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht. 17 Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, z.B. hin-sichtlich des Umfangs und der Bedeutung des [X.], wenn sie lücken-haft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie [X.] - 8 - sprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Verfah-renssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (st. Rspr., vgl. etwa [X.] NJW 2005, 1727; [X.] NStZ-RR 2003, 371; [X.]R StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, [X.]. m.w.N.). 2. Das [X.] hat umfänglich und detailliert eine Vielzahl den Ange-klagten belastender Indizien sowie die ihn entlastenden Umstände aufgelistet und gewürdigt. Die Abwägungen werden gleichwohl den vorstehenden Grundsätzen in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht. Die [X.] hat bei der Gesamtwürdigung wichtige belastende Indizien nicht hinreichend einbezogen, denen sie für sich gesehen keinen "zwingenden" Beweiswert beigemessen hat (Buchst. a). Sie sieht erhebliche konkrete Verdachtsmomente aufgrund nicht tragfähiger Hypothesen und bloß denktheoretischer Möglichkeiten als entwertet an (Buchst. b). Einzelne belastende Beweisanzeichen hat sie überhaupt nicht erörtert (Buchst. c). Schließlich liegen Erörterungsmängel hinsichtlich entlas-tender Beweismittel vor (Buchst. d). 19 a) Die [X.] hatte zu prüfen, ob die beiden die Tat überlebenden Opfer, H. [X.] und [X.] [X.]den Angeklagten überzeugungs-kräftig als Täter identifiziert haben. Sie kam - sachverständig beraten - [X.]eils zu dem Ergebnis, dass sie wegen verbleibender Zweifel nicht feststellen könne, die Zeugen hätten den Angeklagten "sicher" als Täter erkannt. Sie hat damit zwei wesentliche Beweisanzeichen für die Täteridentifikation einzeln unter Zugrundelegung des [X.] als letztlich nicht überzeugend erachtet. Der [X.], der eine Entscheidungs- und keine Beweisregel ist, darf [X.] nicht auf einzelne Indiztatsachen angewendet werden, sondern kann erst bei der Gesamtbetrachtung zum Tragen kommen (vgl. [X.] NStZ 2001, 609 m.w.N.). Es ist deshalb zu besorgen, dass die Kammer nicht hinreichend [X.] - 9 - dacht hat, dass diese wichtigen Indizien, auch wenn sie sie - einzeln für sich betrachtet - nicht zum Nachweis der Täterschaft für ausreichend zu erachten vermochte, doch mit ihrem verbleibenden erheblichen Beweiswert in der [X.] aller belastenden Indizien dem Gericht die entsprechende Überzeu-gung vermitteln könnten (st. Rspr., vgl. [X.]R StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 20 m.w.N.). Gerade angesichts der Häufung und gegenseitigen Durchdringung der den Angeklagten belastenden Umstände erscheint es möglich, dass die Kammer bei einer sachgerechten Gesamtschau die Überzeugung von der [X.] gewonnen hätte. Der formelhafte Hinweis, nach einer "Auseinander-setzung mit allen für den [X.] wesentlichen Umständen und Indizien" verblieben vernünftige Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten, vermag die gebotene Gesamtwürdigung unter Gewichtung der einzelnen Beweise nicht zu ersetzen (vgl. [X.] NStZ 1998, 475). b) Das [X.] lässt der molekulargenetisch untersuchten Blutspur aus dem Fahrzeug des Angeklagten insbesondere deshalb "allenfalls Indizwir-kung" zukommen, weil weder an den Kleidungsstücken des Angeklagten noch in seinem Fahrzeug weitere entsprechende Blutspuren festgestellt wurden. Die Kammer stellt ihre Erwägung unter den Vorbehalt, dass die betroffenen Klei-dungsstücke des Angeklagten gewaschen oder beseitigt worden sein könnten. Entgegen ihrer Ankündigung ([X.]) ist sie auf diesen Vorbehalt aber nicht mehr eingegangen. Der [X.] kann daher aufgrund dieser Lücke der [X.] nicht prüfen, ob diese von der [X.] selbst als wesentlich angesehene Möglichkeit mit [X.] Begründung ausgeschlossen wurde. Im Übrigen ändert die Tatsache, dass keine weiteren Blutspuren [X.] wurden, grundsätzlich nichts an dem Beweiswert der tatsächlich gefunde-nen Spur mit ihrem molekulargenetisch festgestellten Aussagewert. 21 - 10 - Weiterhin hat das [X.] den Beweiswert des nach der Tat in einem Steinbruch abgebrannten Feuers in Frage gestellt, weil aus zeitlichen Gründen erhebliche Zweifel daran bestünden, dass es dem Angeklagten möglich gewe-sen sein könnte, das Feuer zu entzünden. Die Kammer hat sich jedoch bei die-ser eher nachrangigen Frage den Blick dafür verstellt, dass in dem Brandschutt tatsächlich sowohl Reste von Gegenständen des Angeklagten als auch Reste eines Jagdgummistiefels der Marke [X.] gefunden wurden. Nimmt man hinzu, dass der Angeklagte zweimal ein Paar dieser wenig verbreiteten Stiefel erworben hatte, am [X.] trug und dass die am Tatort gefundenen Abdruckfragmente von einem Stiefel der Marke [X.] stammen, wird auch hier deutlich, dass gerade in der Kombination dieser einzelnen Fakten ein besonderer Beweiswert liegt. Dem hat die Kammer nicht hinreichend Rechnung getragen, indem sie isoliert auf die Einzelindizien abgestellt hat. Wenn die Kammer im Übrigen angesichts des Umstandes, dass die [X.] erst 13 Monate nach der Tat an der Brandstelle gefunden wurden, die Gefahr einer Manipulation durch Dritte in Rechnung stellt, wird nicht erkennbar, warum es sich dabei um mehr als eine nur theoretische Erwägung handeln könnte, die keinen realen Anknüpfungspunkt hat. Die Kammer stellt selbst fest ([X.]), dass der Stiefel verbrannt worden war, bevor die Öffentlichkeit über die Bedeu-tung von Stiefeln der Marke [X.] für das vorliegende Verfahren erfah-ren hatte. 22 c) Die Beweiswürdigung weist zudem Lücken auf. 23 Allerdings können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdi-gen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der [X.]eiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab. Dieser kann so beschaf-fen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände [X.] - 11 - rigt. Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber nicht. Das Tatgericht hat vielmehr auf Freispruch erkannt, obwohl eine Fülle erheblicher [X.] vorlag. Bei solcher Sachlage muss es in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung alle wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Um-stände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (vgl. [X.] NStZ-RR 2002, 338 m.w.N.). Dem wird das angefochtene Urteil trotz der umfangreichen Beweiserwägungen nicht gerecht: Die Würdigung der [X.] erstreckt sich zum einen nicht auf den Umstand, dass der Angeklagte nach mehreren mit Nachdruck ausgespro-chenen Mahnungen des Filialleiters der Volksbank selbst davon ausging, bis spätestens zu dem von ihm als "Endtermin" angesehenen 7. Oktober 2004 - dem Tattag - eine größere Summe einzahlen zu müssen. 25 Darüber hinaus ist nicht erkennbar in die Beweiswürdigung einbezogen, dass die [X.] 15 Scheine im Wert von je 500 • enthielt und der Angeklagte bei der Volksbank 14 Scheine in diesem Wert eingezahlt hat. Der Angeklagte will das eingezahlte Geld in nebenher durchgeführten [X.] - Verkauf von Wild und Ausschlachtungsarbeiten auf einer staatlichen [X.] - verdient haben. Es erscheint nicht ohne weiteres plausibel, dass er aus diesen Geschäften weit überwiegend allein 500-Euro-Scheine erlangt hat. 26 Nicht erörtert ist auch - gerade vor dem Hintergrund der von der [X.] erörterten These, ein Fremder hätte die Bank überfallen können -, dass es dem nicht maskierten Täter darum ging, die in der Bank anwesenden [X.] zu töten, und er zu diesem Zweck sogar die Eheleute [X.] vom Eingangs-bereich zurück in den Kundenraum drängte, um sie dort geradezu hinrichtungs-artig zu töten. Dies legt den erörterungsbedürftigen Schluss sehr nahe, dass die 27 - 12 - Opfer den Täter gekannt haben und dieser von seiner Identifizierung ausgehen musste, wenn sie am Leben blieben. d) Von der Zuverlässigkeit der Aussage des [X.]- dem zentralen [X.] - hat sich das [X.] in einer für den [X.] nicht nachprüfbaren Weise vorschnell überzeugt. Daher hat es auch des-sen Zeitangabe bei der Abwägung mit den übrigen Beweisanzeichen rechtsfeh-lerhaft als bereits feststehend behandelt. 28 aa) Das [X.] hält die Angabe des [X.]für glaubhaft, er habe den Angeklagten mit seinem Fahrzeug um exakt 13.54 Uhr gesehen, als dieser - aus der [X.] kommend - nach rechts stadtauswärts abgebogen sei. Die Zeitangabe habe der Zeuge deshalb so präzise machen können, weil er dabei von seinem Hofeingangsbereich aus auf die [X.] Kirchturmuhr gesehen habe, die er immer kontrolliere. Wäre diese Zeitangabe des Zeugen auf die Minute genau zuverlässig, dann wäre es - wie das [X.] ausge-hend von dieser Prämisse zu Recht folgert - dem Angeklagten in der Tat zeitlich nicht möglich gewesen, vor dem Eintreffen der Eheleute [X.] um 13.55 Uhr die Bank zu betreten und es wäre auch ausgeschlossen, dass der Angeklagte zu dem davor liegenden Zeitpunkt, als der Bankangestellte [X.]die Bank betrat, schon an der Bank gewesen sein konnte. 29 [X.]) Von dem Blick auf die Kirchturmuhr hat der Zeuge in der [X.] berichtet, jedoch ergibt sich aus dem Urteil nicht, wie er sich dazu bei seinen polizeilichen Vernehmungen geäußert hatte. Das [X.] bewertet die Aussageentstehung jedenfalls dahin, dass "keine gravierenden [X.] hinsichtlich seiner Angaben in der Hauptverhandlung und bei seinen poli-zeilichen Vernehmungen" vorhanden seien. 30 - 13 - Ob diese Bewertung zutrifft, kann der [X.] anhand der Urteilsausfüh-rungen (vgl. [X.] ff.) nicht überprüfen: Bei seiner ersten Befragung am 8. Oktober 2004 (dem Tag nach der Tat) hatte der Zeuge offenbar nur bekun-det, er sei "kurz vor zwei" losgefahren; dass er den Angeklagten zuvor gesehen habe, scheint er nicht erwähnt zu haben ("Ansonsten sei ihm im Bereich der Sparkasse nichts aufgefallen."). Bei der zweiten Vernehmung, am Vormittag des 9. Oktober 2004, berichtete er davon, den Angeklagten "fünf bis sechs Mi-nuten vor 14.00 Uhr" gesehen zu haben. Bei seiner dritten Vernehmung, am Nachmittag dieses Tages, präzisierte er den Zeitpunkt auf 13.54 Uhr. Unklar bleibt danach, ob, wann und wie der Zeuge bei diesen polizeilichen Verneh-mungen seine Erinnerung mit dem Blick auf die Kirchturmuhr begründet oder den Zeitpunkt, zu dem er den Angeklagten sah, gar anderweitig rekonstruiert hat (etwa allein durch den mitgeteilten Blick auf die Küchenuhr um 13.45 Uhr). 31 cc) Bei der zentralen Bedeutung der Aussage des [X.]hätte die Aussageentstehung - offenbar von einer zunächst vagen zu [X.] schließlich ganz präzisen Zeitangabe - näherer Wiedergabe und Erörterung bedurft. Es erscheint nämlich eher fern liegend, dass der zeitnah zur Tat ver-nommene Zeuge eine derart markante Besonderheit - wie den Kontrollblick auf die Kirchturmuhr - zunächst nicht erwähnt, obwohl es schon bei der ersten Be-fragung auf minutengenaue Zeitangaben angekommen war. Danach kommt ernsthaft in Betracht, dass der Zeuge, der sich darauf festgelegt hat, dass der Angeklagte nicht der Täter sein könne ([X.]), sich nicht konkret an die Uhrzeit erinnert, sondern diesen Zeitpunkt lediglich rekonstruiert hat. 32 Wegen dieses Erörterungsmangels besorgt der [X.], dass das [X.] die - möglicherweise nur scheinbar präzise - Zeitangabe des [X.]allein aufgrund dessen eigener Aussage, also vorschnell und damit rechtsfeh-lerhaft, als feststehenden zeitlichen Fixpunkt im [X.] angesehen 33 - 14 - hat. Die Frage, ob die Zeitangabe des [X.]zur Überzeugung des [X.]s zuverlässig war, durfte vielmehr erst im Rahmen der [X.] mit den übrigen Beweisanzeichen beantwortet werden. Wäre dies geschehen, dann ist nicht auszuschließen, dass die Alibibekundung des [X.]als nicht hinreichend zuverlässig eingestuft worden wäre. In [X.] wäre es dem Angeklagten zeitlich doch möglich gewesen, die Tat zu begehen. II[X.] Da diese sachlich-rechtlichen Mängel bereits zur Aufhebung führen, kommt es auf die übrigen Beanstandungen der Staatsanwaltschaft und der [X.] nicht an. 34 IV. Mit der Aufhebung des Urteils entfällt der an den Freispruch anknüpfen-de Ausspruch über die Entschädigung des Angeklagten für erlittene Strafverfol-gungsmaßnahmen, sodass die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegenstandslos ist. 35 - 15 - V. Die Sache muss somit neu verhandelt und entschieden werden. Der [X.] verweist sie gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 ([X.].) StPO an ein anderes Land-gericht zurück. 36 [X.] Wahl Boetticher Kolz Elf

Meta

1 StR 582/06

22.05.2007

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.05.2007, Az. 1 StR 582/06 (REWIS RS 2007, 3739)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3739

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