Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.11.2008, Az. 1 StR 541/08

1. Strafsenat | REWIS RS 2008, 779

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] vom 18. November 2008 in der Strafsache gegen wegen Mordes u.a. hier: [X.] des Angeklagten gegen den Vorsitzenden [X.] am [X.] [X.], den [X.] am [X.] Dr. Wahl, den [X.] am [X.] [X.] und die [X.]in am [X.] Elf wegen Besorgnis der Befangenheit - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.]s hat am 18. November 2008 be-schlossen: Die Befangenheitsanträge des Angeklagten vom 29. September 2008 ge-gen - den Vorsitzenden [X.] am [X.] [X.], - den [X.] am [X.] Dr. Wahl, - den [X.] am [X.] [X.] und - die [X.]in am [X.] Elf werden als unbegründet verworfen. Gründe: Der [X.] hat über eine Revision des Angeklagten zu entscheiden. [X.] meint, die [X.] seien zu seinem Nachteil voreingenommen. Dies folge aus den Gründen einer ersten Revisionsentscheidung in dieser Sache, an der die abgelehnte [X.]in und die abgelehnten [X.] beteiligt waren. 1 I. Das [X.] sprach den Angeklagten mit [X.]eil vom 21. April 2006 vom Vorwurf des Mordes und des zweifachen Mordversuchs frei. Das landgerichtliche [X.]eil hob der 1. Strafsenat des [X.]s auf 2 - 3 - die Revision der St[X.]tsanwaltschaft mit [X.]eil vom 22. Mai 2007 mit den [X.] auf. Die Revision der St[X.]tsanwaltschaft hatte mit der Sachrüge wegen rechtsfehlerhafter Beweiswürdigung Erfolg. Der Strafsenat führte dazu in sei-nem [X.]eil vom 22. Mai 2007 ([X.]. 17 bis 33) aus: 3 —Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Prüfung nicht stand. 4 1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung 'lebensfremd' erschei-nen mag. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des [X.]s, sondern auf der Wahrschein-lichkeit eines Geschehensablaufs beruht. 5 Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann [X.], wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, z.B. hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des [X.], wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht er-örtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Verfahrenssätze verstößt oder wenn an die zur [X.] erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (st. Rspr., vgl. etwa [X.] NJW 2005, 1727; [X.] NStZ-RR 2003, 371; [X.]R StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, [X.]. m.w.N.). 6 2. Das [X.] hat umfänglich und detailliert eine Vielzahl den Angeklagten belastender Indizien sowie die ihn entlastenden Umstände aufgelistet und gewürdigt. Die Abwägungen werden gleichwohl den vor-stehenden Grundsätzen in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht. Die [X.] hat bei der Gesamtwürdigung wichtige belastende Indizien nicht hinreichend einbezogen, denen sie für sich gesehen keinen 'zwingenden' Beweiswert beigemessen hat (Buchst. a). Sie sieht erhebliche konkrete Verdachtsmomente aufgrund nicht tragfähiger Hypothesen und bloß denktheoretischer Möglichkeiten als entwertet an (Buchst. b). Einzelne belastende Beweisanzeichen hat sie überhaupt nicht erörtert (Buchst. c). 7 - 4 - Schließlich liegen Erörterungsmängel hinsichtlich entlastender Beweis-mittel vor (Buchst. d). a) [X.] hatte zu prüfen, ob die beiden die Tat überle-benden Opfer, [X.] und [X.] den Angeklagten überzeugungskräftig als Täter identifiziert haben. Sie kam - sachverständig beraten - [X.]eils zu dem Ergebnis, dass sie wegen verbleibender Zweifel nicht feststellen könne, die Zeugen hätten den Angeklagten 'sicher' als Täter erkannt. Sie hat damit zwei wesentliche Beweisanzeichen für die Täteridentifikation einzeln unter Zugrundelegung des [X.] als letztlich nicht über-zeugend erachtet. Der [X.], der eine Entscheidungs- und keine Beweisregel ist, darf jedoch nicht auf einzelne Indiztatsachen angewen-det werden, sondern kann erst bei der Gesamtbetrachtung zum Tragen kommen (vgl. [X.] NStZ 2001, 609 m.w.N.). Es ist deshalb zu besorgen, dass die Kammer nicht hinreichend bedacht hat, dass diese wichtigen Indizien, auch wenn sie sie - einzeln für sich betrachtet - nicht zum Nachweis der Täterschaft für ausreichend zu erachten vermochte, doch mit ihrem verbleibenden erheblichen Beweiswert in der Gesamtheit aller belastenden Indizien dem Gericht die entsprechende Überzeugung ver-mitteln könnten (st. Rspr., vgl. [X.]R StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 20 m.w.N.). Gerade angesichts der Häufung und gegenseitigen Durchdrin-gung der den Angeklagten belastenden Umstände erscheint es möglich, dass die Kammer bei einer sachgerechten Gesamtschau die Überzeu-gung von der Täterschaft gewonnen hätte. Der formelhafte Hinweis, nach einer 'Auseinandersetzung mit allen für den [X.] wesentlichen Umständen und Indizien' verblieben vernünftige Zweifel an der [X.], vermag die gebotene Gesamtwürdigung unter Gewichtung der einzelnen Beweise nicht zu ersetzen (vgl. [X.] NStZ 1998, 475). 8 b) Das [X.] lässt der molekulargenetisch untersuchten Blutspur aus dem Fahrzeug des Angeklagten insbesondere deshalb '[X.] Indizwirkung' zukommen, weil weder an den Kleidungsstücken des Angeklagten noch in seinem Fahrzeug weitere entsprechende Blut-spuren festgestellt wurden. Die Kammer stellt ihre Erwägung unter den Vorbehalt, dass die betroffenen Kleidungsstücke des Angeklagten gewa-schen oder beseitigt worden sein könnten. Entgegen ihrer Ankündigung ([X.]) ist sie auf diesen Vorbehalt aber nicht mehr eingegangen. Der [X.] kann daher aufgrund dieser Lücke der [X.]eilsfeststellungen nicht prüfen, ob diese von der [X.] selbst als wesentlich angesehene Möglichkeit mit [X.] Begründung ausgeschlossen wurde. Im Übrigen ändert die Tatsache, dass keine weiteren Blutspuren festgestellt 9 - 5 - wurden, grundsätzlich nichts an dem Beweiswert der tatsächlich gefun-denen Spur mit ihrem molekulargenetisch festgestellten Aussagewert. Weiterhin hat das [X.] den Beweiswert des nach der Tat in einem Steinbruch abgebrannten Feuers in Frage gestellt, weil aus zeitli-chen Gründen erhebliche Zweifel daran bestünden, dass es dem Ange-klagten möglich gewesen sein könnte, das Feuer zu entzünden. Die Kammer hat sich jedoch bei dieser eher nachrangigen Frage den Blick dafür verstellt, dass in dem Brandschutt tatsächlich sowohl Reste von Gegenständen des Angeklagten als auch Reste eines Jagdgummistiefels der Marke [X.] gefunden wurden. Nimmt man hinzu, dass der Angeklagte zweimal ein P[X.]r dieser wenig verbreiteten Stiefel erworben hatte, am [X.] trug und dass die am Tatort gefundenen [X.] von einem Stiefel der Marke [X.] stammen, wird auch hier deutlich, dass gerade in der Kombination dieser einzelnen Fak-ten ein besonderer Beweiswert liegt. Dem hat die Kammer nicht hinrei-chend Rechnung getragen, indem sie isoliert auf die Einzelindizien abge-stellt hat. Wenn die Kammer im Übrigen angesichts des Umstandes, dass die [X.] erst 13 Monate nach der Tat an der Brandstelle ge-funden wurden, die Gefahr einer Manipulation durch Dritte in Rechnung stellt, wird nicht erkennbar, warum es sich dabei um mehr als eine nur theoretische Erwägung handeln könnte, die keinen realen Anknüpfungs-punkt hat. Die Kammer stellt selbst fest ([X.]), dass der Stiefel verbrannt worden war, bevor die Öffentlichkeit über die Bedeutung von Stiefeln der Marke [X.] für das vorliegende Verfahren erfahren hatte. 10 c) Die Beweiswürdigung weist zudem Lücken auf. 11 Allerdings können und müssen die Gründe auch eines freispre-chenden [X.]eils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand aus-drücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der [X.]eiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab. Dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber nicht. Das Tatgericht hat vielmehr auf Freispruch erkannt, obwohl eine Fülle erheblicher [X.] vorlag. Bei solcher Sachlage muss es in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung alle wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (vgl. [X.] NStZ-RR 2002, 338 m.w.N.). Dem wird das angefochtene Ur-teil trotz der umfangreichen Beweiserwägungen nicht gerecht: 12 - 6 - Die Würdigung der [X.] erstreckt sich zum einen nicht auf den Umstand, dass der Angeklagte nach mehreren mit [X.] ausgesprochenen Mahnungen des Filialleiters der Volksbank selbst davon ausging, bis spätestens zu dem von ihm als 'Endtermin' an-gesehenen 7. Oktober 2004 - dem Tattag - eine größere Summe einzah-len zu müssen. 13 Darüber hinaus ist nicht erkennbar in die Beweiswürdigung [X.], dass die [X.] Scheine im Wert von je 500 • enthielt und der Angeklagte bei der Volksbank 14 Scheine in diesem Wert eingezahlt hat. Der Angeklagte will das eingezahlte Geld in nebenher durchgeführ-ten [X.] - Verkauf von [X.] und Ausschlachtungsar-beiten auf einer st[X.]tlichen Liegenschaft - verdient haben. Es erscheint nicht ohne weiteres plausibel, dass er aus diesen Geschäften weit über-wiegend allein 500-Euro-Scheine erlangt hat. 14 Nicht erörtert ist auch - gerade vor dem Hintergrund der von der [X.] erörterten These, ein Fremder hätte die Bank überfallen können -, dass es dem nicht maskierten Täter darum ging, die in der Bank anwesenden Personen zu töten, und er zu diesem Zweck sogar die Eheleute [X.] vom Eingangsbereich zurück in den Kundenraum drängte, um sie dort geradezu hinrichtungsartig zu töten. Dies legt den erörte-rungsbedürftigen Schluss sehr nahe, dass die Opfer den Täter gekannt haben und dieser von seiner Identifizierung ausgehen musste, wenn sie am Leben blieben. 15 d) Von der Zuverlässigkeit der Aussage des Alibizeugen B. - dem zentralen [X.] - hat sich das [X.] in einer für den [X.] nicht nachprüfbaren Weise vorschnell überzeugt. Daher hat es auch dessen Zeitangabe bei der Abwägung mit den übrigen Beweis-anzeichen rechtsfehlerhaft als bereits feststehend behandelt. 16 [X.]) Das [X.] hält die Angabe des [X.] für glaubhaft, er habe den Angeklagten mit seinem Fahrzeug um exakt 13.54 Uhr ge-sehen, als dieser - aus der L.gasse kommend - nach rechts [X.] abgebogen sei. Die Zeitangabe habe der Zeuge deshalb so [X.] machen können, weil er dabei von seinem Hofeingangsbereich aus auf die [X.] Kirchturmuhr gesehen habe, die er immer kontrolliere. Wäre diese Zeitangabe des Zeugen auf die Minute genau zuverlässig, dann wäre es - wie das [X.] ausgehend von dieser Prämisse zu Recht folgert - dem Angeklagten in der Tat zeitlich nicht möglich gewe-17 - 7 - sen, vor dem Eintreffen der Eheleute [X.] um 13.55 Uhr die Bank zu betre-ten und es wäre auch ausgeschlossen, dass der Angeklagte zu dem da-vor liegenden Zeitpunkt, als der Bankangestellte M. die Bank betrat, schon an der Bank gewesen sein konnte. [X.]) Von dem Blick auf die Kirchturmuhr hat der Zeuge in der Hauptverhandlung berichtet, jedoch ergibt sich aus dem [X.]eil nicht, wie er sich dazu bei seinen polizeilichen Vernehmungen geäußert hatte. Das [X.] bewertet die Aussageentstehung jedenfalls dahin, dass '[X.] gravierenden Widersprüche hinsichtlich seiner Angaben in der [X.] und bei seinen polizeilichen Vernehmungen' vorhanden [X.]. 18 Ob diese Bewertung zutrifft, kann der [X.] anhand der Ur-teilsausführungen (vgl. [X.] ff.) nicht überprüfen: Bei seiner ersten Befragung am 8. Oktober 2004 (dem Tag nach der Tat) hatte der Zeuge offenbar nur bekundet, er sei 'kurz vor zwei' losgefahren; dass er den Angeklagten zuvor gesehen habe, scheint er nicht erwähnt zu haben ('Ansonsten sei ihm im Bereich der Sparkasse nichts aufgefallen.'). Bei der zweiten Vernehmung, am Vormittag des 9. Oktober 2004, berichtete er davon, den Angeklagten 'fünf bis sechs Minuten vor 14.00 Uhr' gese-hen zu haben. Bei seiner dritten Vernehmung, am Nachmittag dieses Tages, präzisierte er den Zeitpunkt auf 13.54 Uhr. Unklar bleibt danach, ob, wann und wie der Zeuge bei diesen polizeilichen Vernehmungen sei-ne Erinnerung mit dem Blick auf die Kirchturmuhr begründet oder den Zeitpunkt, zu dem er den Angeklagten sah, gar anderweitig rekonstruiert hat (etwa allein durch den mitgeteilten Blick auf die Küchenuhr um 13.45 Uhr). 19 [X.]) Bei der zentralen Bedeutung der Aussage des [X.] hätte die Aussageentstehung - offenbar von einer zunächst vagen zu einer schließlich ganz präzisen Zeitangabe - näherer Wieder-gabe und Erörterung bedurft. Es erscheint nämlich eher fern liegend, dass der zeitnah zur Tat vernommene Zeuge eine derart markante Be-sonderheit - wie den Kontrollblick auf die Kirchturmuhr - zunächst nicht erwähnt, obwohl es schon bei der ersten Befragung auf minutengenaue Zeitangaben angekommen war. Danach kommt ernsthaft in Betracht, dass der Zeuge, der sich darauf festgelegt hat, dass der Angeklagte nicht der Täter sein könne ([X.]), sich nicht konkret an die Uhrzeit erin-nert, sondern diesen Zeitpunkt lediglich rekonstruiert hat. 20 - 8 - Wegen dieses Erörterungsmangels besorgt der [X.], dass das [X.] die - möglicherweise nur scheinbar präzise - Zeitangabe des [X.] allein aufgrund dessen eigener Aussage, also vorschnell und damit rechtsfehlerhaft, als feststehenden zeitlichen Fixpunkt im [X.] angesehen hat. Die Frage, ob die Zeitangabe des [X.] zur Überzeugung des [X.]s zuverlässig war, durfte vielmehr erst im Rahmen der abschließenden Gesamtschau mit den übrigen Beweis-anzeichen beantwortet werden. Wäre dies geschehen, dann ist nicht auszuschließen, dass die Alibibekundung des [X.] als nicht hinrei-chend zuverlässig eingestuft worden wäre. In diesem Fall wäre es dem Angeklagten zeitlich doch möglich gewesen, die Tat zu [X.] 21 Der [X.] verwies die Sache an eine Schwurgerichtskammer des [X.] zurück. Dieses hat den Angeklagten nach erneuter [X.] am 10. April 2008 wegen Mordes in Tateinheit mit räuberischer [X.], mit zweifachem Mordversuch und mit zweifacher gefährlicher Kör-perverletzung zu lebenslanger Freiheitsstrafe unter der Feststellung besonde-rer Schuldschwere verurteilt. Hiergegen revidiert nunmehr der Angeklagte. 22 Darüber haben nach dem [X.], dem Geschäftsverteilungsplan des [X.] und dem internen Geschäftsverteilungsplan des 1. Strafsenats im Grundsatz dieselben [X.] zu befinden, die bereits die erste Revisionsent-scheidung getroffen haben, soweit nicht Hinderungsgründe, wie etwa Eintritt in den Ruhestand, Urlaub oder Krankheit, zum Entscheidungszeitpunkt entgegen-stehen. Nach dem Eintritt von [X.] am [X.] [X.], der ebenfalls am [X.]surteil vom 22. Mai 2007 mitwirkte, in den Ruhestand sind dies aus gegenwärtiger Sicht die verbleibenden vier mit der Sache vorbefassten [X.]smitglieder, gegen die sich die Befangenheitsanträge richten. Hinzu tritt dann ein weiteres [X.]smitglied. 23 II. - 9 - Zur Besorgnis der Befangenheit wird vorgetragen: 24 Als der Beschuldigte über die voraussichtliche Mitwirkung der vier vorbe-fassten [X.]smitglieder bei der Entscheidung über seine Revision erfahren habe, habe er dies mit der resignierenden Bemerkung quittiert, dass man deren Meinung dazu, ob er der Täter sei, doch bereits kenne. Dies wird von der [X.] dann mit der Bewertung der Beweiswürdigung des [X.]s im Hinblick auf die Aussage des [X.]
im [X.]eil des [X.]s vom 22. Mai 2007 begründet: 25 Die Verteidigung habe zwar versucht, dem Angeklagten zu erklären, weshalb er - unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten - zu Unrecht über den [X.] verärgert sei. Damit sei sie gescheitert. "Selbst wenn man es für zulässig hält, die Inhalte der" - im Rahmen von Verfahrensrügen dem [X.] zur Kenntnis gebrachten - "polizeilichen Vernehmungen zu verwerten, ist es der Verteidigung nicht möglich, dem Angeklagten zu erklären, weshalb der [X.] zum Befund kommen konnte, dass es bereits bei der ersten Befragung auf die minutenge-naue Zeitangabe (und den Blick auf die Kirchturmuhr) angekommen war (oben unter [X.]). Eine solche Bewertung stand dem [X.] - als Revisionsge-richt - nicht zu. Sie ist überdies falsch". Nach weiteren Ausführungen hierzu kommt die Verteidigung zu dem Schluss: "Daher ist es dem Angeklagten nicht abzuspre-chen, dass er der Ansicht ist, die von ihm abgelehnten [X.] seien ihm nicht mehr neutral entgegengetreten, sondern hätten sich bereits im ersten Revisi-onsverfahren festgelegt, dass der Zeuge B.

nicht zu seiner Entlastung heran-zuziehen sei". 26 - 10 - Ergänzend führt die Verteidigung mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2008 im Hinblick auf die Stellungnahmen des [X.] vom 23. Okto-ber 2008 u.a. noch aus: 27 "Hätten sich die abgelehnten [X.] im Rahmen der ersten Revisions-entscheidung darauf beschränkt eine eigene Beweiswürdigung vorzunehmen, so wäre das sicherlich 'lediglich' ein Rechtsfehler. Hätten die abgelehnten Rich-ter die Beweise zudem noch fehlerhaft gewürdigt, so könnte man auch insoweit noch daran denken, dass es 'nur' ein (tatsächlicher) Fehler ist. 28 Diese Fehler bilden aber nur den Auftakt. Die Komposition erreicht ihren Höhepunkt, wenn die abgelehnten [X.] dem Instanzgericht eine Beweiswür-digung ans Herz legen, der ein Denkfehler innewohnt. Ein Denkfehler, der nicht nur ein Fehler ist, sondern zeigt, welch Geistes Kind derjenige ist, der ihn for-muliert: [X.]musste bei seiner ersten Aussage den Angeklagten nur dann mit dem Bankraub in Verbindung bringen, wenn er gewusst hätte oder davon ausgegangen wäre, dass der Angeklagte der Täter ist oder sein soll. Das konnte der Zeuge [X.]zu diesem Zeitpunkt aber nicht wissen. Ihm zuzu-schreiben, dass er es aber hätte wissen oder vermuten müssen, kann nur, wer selbst davon ausgeht, dass der Angeklagte der Täter ist". 29 III. Die Befangenheitsanträge sind unbegründet. Es liegen keine Gründe vor, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden [X.]s am [X.] [X.], der [X.] am [X.] Dr. Wahl und 30 - 11 - [X.] sowie der [X.]in am [X.] Elf zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO). a) Eine den Verfahrensgegenstand berührende Vortätigkeit eines Rich-ters ist, soweit kein gesetzlicher Ausschließungsgrund vorliegt (vgl. § 22 Nr. 4, 5, § 23, § 148a Abs. 2 Satz 1 StPO), für sich allein nie ein Ablehnungsgrund (vgl. [X.], [X.]. vom 9. März 2000 - 4 StR 513/99; [X.] [1. Kammer des 2. [X.]s], [X.]. vom 29. März 2007 - 2 BvR 412/07; [X.] [Fünfte Sektion, Kammer], [X.]. vom 10. August 2006 - 75737/01 - [X.]). Auch "ein [X.], der bei einer vom Revisionsgericht aufgehobenen Ent-scheidung mitgewirkt hat, ist nach Zurückweisung der Sache [X.] von der Mitwirkung bei der neuen Entscheidung ausgeschlossen, noch rechtfertigt seine Mitwirkung bei der früheren Entscheidung für sich allein die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit" ([X.], [X.]. vom 9. September 1966 - 4 StR 261/66 [= [X.]St 21, 142]; vgl. auch [X.], [X.]eile [Kammer] vom 16. Juli 1971 - [X.] [X.] - Ser. A, [X.], [X.] und vom 26. September 1995 - 25/1994/472/553 - Diennet ./. Frankreich - Ser. A, [X.], [X.], [X.]). Denn ein verständiger Angeklagter wird von der [X.]) Erwägung ausgehen, dass ein [X.] sich auf Grund der ihm nach seiner Stellung, Erziehung und Ausbildung eigenen Haltung von Befangenheit frei hält und sich nicht durch dienstliche Vorentscheidungen bei künftigen Ent-scheidungen, namentlich dem [X.]eil, beeinflussen lässt (Siolek in [X.]/[X.], StPO 26. Aufl. § 24 [X.]. 40 m.w.N.). Ein Befangenheitsantrag, der ledig-lich damit begründet wird, der [X.] sei an einer Vorentscheidung zu Lasten des Angeklagten beteiligt gewesen, ist deshalb schon unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO ([X.], [X.]. vom 10. August 2005 - 5 [X.]/05 [= [X.]St 50, 216, 221]). 31 - 12 - Hat sich ein [X.] im früheren Verfahren sachlich verhalten, so [X.] auch [X.] oder Fehler bei der Anwendung des materiellen Rechts grundsätzlich nicht die Annahme seiner Voreingenommenheit gegen-über dem Angeklagten (vgl. [X.], [X.]. vom 18. Mai 1994 - 3 [X.]). 32 Eine andere Beurteilung ist dann geboten, wenn darüber hinaus die Un-parteilichkeit eines abgelehnten, mit der Sache vorbefassten [X.]s aufgrund von - das Gebot der Sachlichkeit verletzenden - Äußerungen, Maßnahmen oder Verhalten in Zweifel zu ziehen ist. Ebenso können in der Sache nicht gebotene abträgliche Werturteile über den Angeklagten oder sein Verhalten in den [X.] die Ablehnung in einem späteren Verfahren rechtfertigen ([X.], [X.]. vom 27. April 1972 - 4 StR 149/72 [= [X.]St 24, 336, 338]). Auch [X.], insbesondere objektiv willkürliche oder auf Missachtung grundlegender [X.] von Prozessbeteiligten beruhende Verstöße gegen das Verfah-rensrecht können aus der Sicht eines Angeklagten die Befangenheit eines Rich-ters begründen ([X.], [X.]. vom 4. Oktober 1984 - 4 [X.]). 33 Dabei ist die subjektive Sicht des Angeklagten nicht ausschlaggebend. Auf einen objektiven Maßstab kann nicht verzichtet werden, wie schon aus dem Begriff (das Misstrauen) "rechtfertigen" in § 24 Abs. 2 StPO folgt. Abzustellen ist auf die verständige, die vernünftige Würdigung aller Umstände (vgl. [X.], [X.]. vom 9. Februar 1951 - 3 StR 48/58 [= [X.]St 1, 34, 39]; [X.], [X.]. vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66 [= [X.]St 21, 334, 341]). Es kommt darauf an, dass die Befürchtung [der Befangenheit] objektiv gerechtfertigt ist ([X.] [Fünfte Sektion, Kammer] [X.]. vom 10. August 2006 - 75737/01 - [X.]). 34 - 13 - b) Von diesen Grundsätzen geht wohl auch die Verteidigung aus. Damit ist aber selbst aus deren Sicht die Ablehnung der [X.]smitglieder, die an der ersten Revisionsentscheidung mitwirkten, wegen Besorgnis der Befangenheit nicht gerechtfertigt, wenn sie - zutreffend - anmerkt, unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten sei der Angeklagte zu Unrecht über den [X.] verärgert. Dar-auf, dass dies dem Mandanten nicht zu vermitteln war, kommt es nicht an. 35 c) Darüber hinaus kann den inhaltlichen Ausführungen zu den Gründen des [X.]eils des [X.]s vom 22. Mai 2007 und deren Bewertungen seitens der Verteidigung nicht gefolgt werden. 36 Der [X.] befand ausweislich dieser [X.]eilsgründe weder direkt noch in-direkt, auch nicht andeutungsweise, über die Schuld oder Unschuld des Ange-klagten. Ebenso wenig gab der [X.] dem Tatgericht Hinweise, auch keine versteckten, dazu, ob oder in welchem Umfang die Angaben des [X.] vom Tatrichter letztlich als zuverlässig angesehen werden können. Der [X.] nahm weder eine eigene Beweiswürdigung vor, noch legte er dem neuen Tat-gericht eine bestimmte Beweiswürdigung "ans Herz". Der [X.] sah lediglich revisionsrechtliche Mängel in der Beweiswürdigung der [X.]. Diese sei schon deshalb lückenhaft, da sie wesentliche Indizien zum Nachteil des Ange-klagten außer Betracht gelassen habe. Unter Verkennung des Grundsatzes "in dubio pro reo" habe das [X.] diesen schon auf einzelne belastende [X.] angewendet, statt dies erst am Schluss einer Gesamtbetrachtung in Er-wägung zu ziehen. In der Konsequenz fehle es an einer Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte. [X.] habe deshalb vorschnell allein auf die - den Angeklagten entlastende - Angabe des [X.] zum genauen Zeitpunkt seiner Beobachtung des vorbeifah-renden Angeklagten abgestellt, die eine Täterschaft des Angeklagten [X.] - 14 - schließt. Dabei fehle es - eine weitere Lücke in der Beweiswürdigung - hinsicht-lich dieser Angaben an einer - revisionsrechtlicher Überprüfung zugänglichen - Darstellung der Aussageentwicklung während des Verfahrens - "offenbar von einer zunächst vagen zu einer schließlich ganz präzisen Zeitangabe" -, die [X.] in die Gesamtwürdigung hätte einbezogen werden müssen. Diese Er-wägungen des [X.]s sind weder fehlerhaft, beinhalten insbesondere keinen "Denkfehler", noch ist dem [X.] ein Irrtum unterlaufen und schon gar nicht hat der [X.] eine "Komposition" gefertigt. Vielmehr irrt der Antragsteller, wenn er meint, den Gründen des [X.]s-urteils entnehmen zu können, der [X.] habe festgeschrieben, die Zeitangabe des [X.] in der Hauptverhandlung vor dem [X.] sei unzuverlässig. Zwar führte der [X.] aus, es erscheine fern liegend, dass der kurz nach der Tat vernommene Zeuge eine derart markante Besonderheit - wie den Kontrollblick auf die Kirchturmuhr - zunächst nicht erwähnt, obwohl es schon bei der ersten Befragung auf minutengenaue Zeitangaben angekommen sei, und es komme deshalb ernsthaft in Betracht, dass der Zeuge, da er sich nach den Feststellungen im [X.]eil des [X.]s Heilbronn darauf festgelegt habe, dass der Angeklagte nicht der Täter sein könne, sich nicht konkret an die Uhrzeit erinnert, sondern diesen Zeitpunkt lediglich rekonstruiert habe. Damit hat der [X.] aber nicht "festgelegt, dass der Zeuge [X.]nicht zu seiner [des Angeklagten] Entlastung heranzuziehen sei". Der [X.] hatte lediglich zu [X.], ob das [X.]eil des [X.]s Heilbronn - ausgehend von den darin getrof-fenen Feststellungen - auf der fehlerhaften Beweiswürdigung beruht (§ 337 Abs. 1 StPO), d.h. ob das [X.] bei Vermeidung der Rechts-fehler möglicherweise eine andere Entscheidung getroffen hätte. Und das komme - so der [X.] - "ernsthaft in Betracht". Mehr beinhaltet diese Passage 38 - 15 - nicht. Sie steht insbesondere einer unbefangenen Prüfung bei der neuerlichen [X.]eilsfindung nicht entgegen. d) Die Befangenheitsanträge sind nach allem unbegründet. 39 [X.] Graf Jäger Schäfer Sander

Meta

1 StR 541/08

18.11.2008

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.11.2008, Az. 1 StR 541/08 (REWIS RS 2008, 779)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 779

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 582/06 (Bundesgerichtshof)


4 StR 443/07 (Bundesgerichtshof)


3 StR 400/11 (Bundesgerichtshof)

Richterablehnung im Strafverfahren: Abtrennung des wegen bandenmäßigen Betäubungsmittelhandels geführten Verfahrens gegen einen geständigen Mitangeklagten; Vermischung …


3 StR 400/11 (Bundesgerichtshof)


3 StR 225/01 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 BvR 782/07

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.