Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.2004, Az. BLw 14/04

Senat für Landwirtschaftssachen | REWIS RS 2004, 870

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[X.][X.]/04
vom 5. November 2004 in der [X.]

betreffend einen Abfindungsanspruch nach dem [X.]
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

ZPO § 309

§ 309 ZPO gilt nicht für eine Entscheidung durch [X.]uß, die nach mündlicher Verhandlung ergeht.

[X.], [X.]. v. 5. November 2004 - [X.] - [X.]

AG [X.]

- 2 - Der [X.], Senat für [X.]n, hat am 5. November 2004 durch den Vizepräsidenten des [X.]es Dr. [X.] und die [X.] Prof. Dr. Krüger und [X.] sowie die ehrenamtlichen [X.] [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der [X.] des [X.] vom 19. Januar 2004 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den [X.]uß des Amtsgerichts [X.] vom 6. Juli 2000 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß auch der im Verfahren der sofortigen Be-schwerde gestellte [X.] abgewiesen wird.

Die Kosten des Beschwerde- und des [X.] trägt der Antragsteller, der der Antragsgegnerin auch die in diesen Instanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten zu er-statten hat.

Der Gegenstandswert für das [X.] 9.880,32 •.

- 3 - Gründe:
[X.]

[X.] trat 1967 in die LPG "L.

F. G. ein, in die er einen Inventarbeitrag sowie eine landwirtschaftliche Nutzfläche einbrachte. Die LPG wurde nach [X.] mit einer weiteren Genos-senschaft durch [X.]uß vom 10. Dezember 1991 in die Rechtsform einer [X.] umgewandelt. In diesem Zusammenhang schied der Vater des Antragstellers aus der Genossenschaft aus. Die [X.] wandelte sich im Jahre 2003 in die Antragsgegnerin um.

Die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin unterbreitete den anläßlich der Umwandlung ausgeschiedenen [X.] im Jahre 1992 [X.] auf der Grundlage der [X.] zum 31. August 1991. Danach ließ das Eigenkapital nur eine Auszahlung von 50,57 % der [X.] zu. Die Eltern des Antragstellers unterzeichneten am 20. Oktober 1992 eine entsprechende Barabfindungsvereinbarung, und zwar über einen Abfindungsbetrag von 2.207,50 DM. Diesen Betrag erhielten sie per Überweisung vom 25. März 1993.

[X.] starb 1994 und wurde von seiner Ehefrau beerbt. Diese trat etwaige [X.] aus der [X.] am 8. August 1998 an den Antragsteller ab.

Dieser hält die Abfindungsvereinbarung für unwirksam. Er hat zunächst einen Anspruch auf bare Zuzahlung in Höhe von 27.727,70 DM nebst Zinsen - 4 - geltend gemacht, den das Landwirtschaftsgericht abgewiesen hat. Im Be-schwerdeverfahren hat er den Anspruch in erster Linie auf § 44 Abs. 1 LwAnpG gestützt. Das [X.] hat u.a. über die Höhe des abfindungsrelevan-ten Eigenkapitals eine Beweisaufnahme durchgeführt und nach mündlicher Verhandlung dem Antrag in Höhe von 19.324,24 DM (= 9.880,32 •) nebst Zin-sen stattgegeben. An diesem am 19. Januar 2004 ergangenen [X.]uß hat u.a. [X.] am [X.]mitgewirkt, dessen Abordnung an das [X.] am 31. Dezember 2003 endete.

Mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde erstrebt die Antragsgegne-rin die Wiederherstellung der Entscheidung des [X.].

I[X.]
Der angefochtene [X.]uß unterliegt schon deswegen der Aufhebung, weil die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des [X.] durchgreift (§ 27 [X.], § 547 Nr. 1 ZPO). [X.] am [X.] war nicht berufen, an dem am 19. Januar 2004 ergangenen [X.]uß des [X.] mitzuwirken, da er zu diesem Zeitpunkt dem erkennenden Gericht nicht mehr angehörte. Letzteres ergibt sich aus dem Vermerk des [X.], der die Unterschrift des ausgeschiedenen [X.]s ersetzt hat. Daß [X.] am [X.] an der letzten mündlichen Verhandlung am 11. Dezember 2003 teilgenommen hat, ändert daran nichts. Dies wäre nur bei einem auf mündliche Verhandlung ergehenden Urteil von Bedeutung, da an dem Urteil diejenigen [X.] mitwirken - und nur diese mitwirken dürfen (§ 309 ZPO) -, die an der letzten mündlichen Verhandlung teilgenommen haben. Für - 5 - eine Entscheidung durch [X.]uß gilt dies nicht. An einem [X.]uß können nur diejenigen [X.] mitwirken, die zum Zeitpunkt des Erlasses, hier also am 19. Januar 2004, dazu [X.] berufen waren (vgl. KG NJW-RR 1994, 278; a.[X.]/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 309 Rdn. 7).

II[X.]
Der [X.]uß hält aber auch in der Sache einer Rechtsprüfung nicht stand.

a) Die Annahme des [X.], die Abfindungsvereinbarung sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam (§ 138 Abs. 1 BGB), wird von den getroffenen Feststellungen nicht getragen. Bei der Frage, ob eine Abfindungsvereinbarung aus Anlaß des Ausscheidens eines Mitglieds aus [X.] sittenwidrig ist, kommt es nicht auf die Grundsätze an, die für die Sittenwidrigkeit gegenseitiger Verträge gelten (Gedanke des besonders groben Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung). Vielmehr ist entscheidend, ob der in der Abfindungsvereinba-rung liegende Verzicht des Mitglieds auf Ansprüche erheblich über das hinaus-geht, was die Genossenschaft nach der Vereinbarung zu zahlen bereit ist, und ob sich der Verzicht bei einer Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck als ein in seinem Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren-des Geschäft darstellt (Senat, [X.]. v. 16. Juni 2000, [X.], [X.], 1762). Das ist hier zu verneinen.
- 6 - Das Beschwerdegericht sieht den [X.] darin, daß das abfin-dungsrelevante Eigenkapital in der für die Bemessung der gesetzlichen [X.] nach dem [X.] maßgeblichen Schlußbi-lanz der LPG unter Verstoß gegen [X.] des D-Markbilanzgesetzes und des Handelsgesetzbuchs in erheblichem Umfang zu niedrig ausgewiesen war und so das Mitglied über die Höhe des gesetzlichen Anspruchs und über die Bedeutung und den Umfang eines Verzichts auf [X.] falsch informiert wurde. Selbst wenn man einen Verstoß gegen [X.] unterstellt, so führt das allein nicht zur Annahme der Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB.

Zweifelhaft ist schon, ob der bloße Umstand, daß das Eigenkapital un-richtig ermittelt wird, die darauf beruhende Abfindungsvereinbarung als objektiv sittenwidrig erscheinen läßt. Nicht jeder Fehler, der bei der Aufstellung einer Bilanz gemacht wird, verleiht der [X.] nach ihrem [X.], also nach Inhalt, Beweggrund und Zweck, das Gepräge der Sittenwid-rigkeit. Wie dies im vorliegenden Fall zu beurteilen ist, bedarf jedoch keiner Entscheidung. Jedenfalls fehlt es nach den getroffenen Feststellungen an den subjektiven Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB. Das Beschwerdegericht hat sich nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht die Überzeugung davon verschaffen können, daß die für die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin handelnden Personen bewußt ein zu niedriges Eigenkapi-tal in die [X.] aufgenommen haben. Es fehlt daher an einer der Antragsgegnerin zurechenbaren Kenntnis des Umstandes, in dem das Be-schwerdegericht den objektiven [X.] erblickt.
- 7 - Allerdings genügt es in subjektiver Hinsicht, wenn derjenige, dem objek-tiv ein [X.] zur Last fällt, sich der Kenntnis bewußt oder grob fahrläs-sig verschließt ([X.] 146, 298, 301 m.w.N.). Doch hat das Beschwerdegericht auch dies nicht festgestellt. Die Umstände lassen eine solche Feststellung auch nicht zu. Soweit in der Begründung des [X.] anklingt, ein "massiver Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung" mache weitere Feststellungen zur subjektiven Seite des [X.] entbehrlich, kann dem nicht gefolgt werden. Ein massiver Verstoß gegen [X.] läßt ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht den Schluß darauf zu, daß sich die Verantwortlichen der Erkenntnis des [X.] verschlossen haben. Unkenntnis und Unerfahrenheit stellen andere denkbare Erklärungen für Fehler bei der Aufstellung von Bilanzen dar.

Bei offensichtlichen Verstößen mag dies anders sein. Einen offensichtli-chen Verstoß gegen [X.] bei der Ermittlung des abfin-dungsrelevanten Eigenkapitals hat das Beschwerdegericht hingegen nicht fest-gestellt. Er liegt - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht geltend macht - auch nicht vor. Dagegen steht schon, daß alle Jahresabschlüsse der LPG von einem Wirtschaftsprüfer geprüft und nicht beanstandet worden sind. Daß diese Testa-te nach Auffassung des [X.] falsch waren, ändert nichts daran, daß sie jedenfalls nicht offensichtlich falsch waren, daß sich zumindest etwaige Fehler nicht aufdrängen mußten, so daß sich die Verantwortlichen der LPG der Kenntnis bewußt oder grob fahrlässig verschlossen hätten. Dies belegt auch das Ergebnis der Beweisaufnahme. Das Beschwerdegericht führt selbst an, daß der Sachverständige [X.]zunächst von der Richtigkeit der Rückstellungen ausgegangen ist. Gerade in diesen Rückstellungen sieht das Beschwerdege-richt indes den "massiven Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer - 8 - Buchführung". Selbst wenn dies stimmen sollte, offensichtlich war der Verstoß angesichts des Beweisergebnisses gerade nicht. Auch das Beschwerdegericht nimmt dies nicht an.

b) Auch die Hilfsbegründung des [X.], der Antragsteller könne nach den Grundsätzen des Fehlens der Geschäftsgrundlage eine Neu-berechnung der Abfindung auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen verlangen, hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

Das Beschwerdegericht nimmt an, die Personifizierungsquote gemäß dem in der [X.] angesetzten Eigenkapitalanteil der Rechtsvor-gängerin der Antragsgegnerin sei Geschäftsgrundlage der Abfindungsverein-barung gewesen ([X.]). Ob das richtig ist, kann dahinstehen. Denn an dieser Grundlage hat sich nichts geändert. Die angebotene und von den Eltern des Antragstellers angenommene Abfindung bemißt sich nach diesem [X.] (vgl. dazu Senat, [X.]. v. 23. Oktober 1998, [X.], [X.] 1999, 56, 57). Was die Anwendung der Regeln über das Fehlen der Geschäftsgrundlage möglicherweise rechtfertigen könnte - und was dem Beschwerdegericht vermut-lich vorgeschwebt hat -, wäre die Feststellung, daß Geschäftsgrundlage der Vereinbarung ein Angebot auf der Basis des abfindungsrelevanten [X.] gewesen ist. Dies hat das Beschwerdegericht aber gerade nicht [X.], vielmehr gemeint, der von der Mitgliederversammlung gefaßte [X.]uß, der auf der [X.] und der daraus ermittelten [X.] beruhte, sei Grundlage der angebotenen Abfindungen, und damit auch der getroffenen Vereinbarungen gewesen (so wie im Fall des [X.] vom 23. Oktober 1998, aaO). Dies mag nicht fernliegen, rechtfertigt aber - 9 - - wie dargelegt - nicht die Anwendung der Rechtsgrundsätze vom Fehlen der Geschäftsgrundlage.

Daß das rechtlich maßgebliche Eigenkapital Geschäftsgrundlage der Abfindungsvereinbarung gewesen ist, hat das Beschwerdegericht im übrigen zu Recht nicht angenommen. Solches liegt schon deswegen fern, weil dann der ersichtlich mit der Vereinbarung verfolgte Zweck nicht erreicht werden könnte. Mit der Erfüllung der dem Angebot entsprechenden Zahlungsverpflichtung soll-ten alle Forderungen des ausscheidenden Mitglieds abgegolten sein. Damit verträgt sich nicht die Vorstellung, daß die Vertragsparteien letztlich doch nicht das [X.], sondern einen möglicherweise davon abweichenden "wah-ren Wert" der Genossenschaft als Grundlage ihrer Abfindungsvereinbarung ansahen. Denn dann führte jede Abweichung - soweit die [X.] überschritten ist - zu einer Nachabfindung, und die Abgeltungsklausel liefe leer.

[X.]
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 [X.].

[X.]

Krüger
Lem-ke

Meta

BLw 14/04

05.11.2004

Bundesgerichtshof Senat für Landwirtschaftssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.2004, Az. BLw 14/04 (REWIS RS 2004, 870)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 870

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