Bundessozialgericht, Urteil vom 03.09.2020, Az. B 14 AS 43/19 R

14. Senat | REWIS RS 2020, 2593

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Ersatzanspruch bei sozialwidrigem Verhalten - Taxifahrer - Verlust der Fahrerlaubnis und des Personenbeförderungsscheins wegen Drogenkonsums - Kündigung des Arbeitsverhältnisses


Leitsatz

Ein fahrlässiges arbeitsvertragswidriges Verhalten, das Anlass für die Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses gegeben und die vom Jobcenter zu einem Ersatzanspruch herangezogene Person in die Lage gebracht hat, Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nehmen zu müssen, ist sozialwidrig, wenn sie die Hilfebedürftigkeit als mögliche Folge ihres Verhaltens grob fahrlässig verkannt hat und das Verhalten einer vorsätzlichen Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit wertungsmäßig gleichsteht.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. Februar 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.] steht ein Ersatzanspruch bei sozialwidrigem Verhalten nach § 34 [X.]B II.

2

Der zuvor als Taxifahrer beschäftigte Kläger bezog von August 2014 bis Januar 2015 neben [X.] aufstockendes und teilweise wegen Sperrzeit gemindertes [X.], nachdem er bei einer Anhörung des [X.] wegen einer Fahrgastbeförderung im April 2014 unter [X.] seine Fahrerlaubnis zurückgegeben hatte und darauf sein Arbeitsverhältnis am [X.] fristlos gekündigt worden war. Deswegen machte das beklagte Jobcenter nach Anhörung einen Ersatzanspruch in Höhe von 3148,58 Euro beim Kläger geltend (Leistungsbescheid vom 9.7.2015; Widerspruchsbescheid vom 11.8.2015).

3

Das [X.] hat den Leistungsbescheid aufgehoben (Urteil vom 20.2.2017), das L[X.] hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 26.2.2019): Der Kläger habe die Voraussetzungen für die Gewährung von [X.]B II-Leistungen nicht schuldhaft herbeigeführt. Zwar habe er seine Erwerbsmöglichkeit gefährdet und sich damit sozialwidrig verhalten. Jedoch falle das Verhalten nicht unter den eng zu fassenden Ausnahmetatbestand des § 34 [X.]B II, weil es über einen durchschnittlichen Sanktionsfall nicht hinausgehe.

4

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 34 [X.]B II. Dem Ausnahmecharakter des § 34 [X.]B II trage bereits die Feststellung des sozialwidrigen Verhaltens Rechnung. Ob der Sanktionsfall überdurchschnittlich sei, sei nicht zu prüfen.

5

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.] vom 26. Februar 2019 und des [X.] vom 20. Februar 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Ob der geltend gemachte Ersatzanspruch besteht, vermag der [X.] auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] nicht abschließend zu entscheiden.

8

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Leistungsbescheid vom 9.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.8.2015, durch den der Beklagte den Kläger für den Zeitraum von August 2014 bis Januar 2015 zum Ersatz erbrachter Leistungen nach dem [X.] in Höhe von 3148,58 Euro herangezogen hat. Hiergegen wendet sich der Kläger zutreffend mit der (isolierten) Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG).

9

2. Rechtsgrundlage des Leistungsbescheids ist § 34 Abs 1 [X.], hier in der bis zum [X.] geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 13.5.2011 ([X.]); die Änderungen nach seinem Erlass durch das [X.] zur Änderung des [X.] - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.7.2016 ([X.] 1824) finden keine Anwendung (BSG vom [X.] - [X.] [X.]/16 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]4 f). Danach gilt: "Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet. Der Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung. Von der Geltendmachung des [X.] ist abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde."

Ersatzansprüche "bei sozialwidrigem Verhalten" (vgl die amtliche Überschrift des § 34 [X.] seit der Ergänzung durch das Gesetz zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] vom 24.3.2011, [X.] 453; nachfolgend [X.]/[X.]/[X.]) entstehen hiernach unbeschadet etwaiger Gründe für ein Absehen von ihrer Geltendmachung kraft Gesetzes, wenn jemand nach Vollendung des 18. Lebensjahres durch sozialwidriges Verhalten die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen an sich und ggf in Bedarfsgemeinschaft lebende weitere Personen vorsätzlich oder grob fahrlässig erstmals verursacht hat (vgl BSG vom [X.] - [X.] [X.]/16 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]0 ff; seit dem [X.] auch: "erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert"). Ob davon nach den Maßstäben zur Beurteilung eines zur Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses Anlass gebenden Verhaltens (dazu 3.) hier auszugehen ist, vermag der [X.] auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] nicht abschließend zu beurteilen (dazu 4.).

3. Ein fahrlässiges arbeitsvertragswidriges Verhalten, das Anlass für die Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses gegeben und die in Anspruch genommene Person in die Lage gebracht hat, Leistungen nach dem [X.] in Anspruch nehmen zu müssen, ist sozialwidrig, wenn sie die Hilfebedürftigkeit als mögliche Folge ihres Verhaltens grob fahrlässig verkannt hat und das Verhalten einer vorsätzlichen Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit [X.].

a) Ersatzansprüche nach § 34 [X.] wegen der Herbeiführung (seit dem [X.] auch: der Erhöhung, dem Aufrechterhalten oder nicht Verringern) von Hilfebedürftigkeit nach dem [X.] bestehen - mindestens seit Ergänzung der amtlichen Überschrift der Vorschrift durch [X.]/[X.]/[X.] - nur "bei sozialwidrigem Verhalten". Mit dieser Wendung (vgl ebenso BT-Drucks 17/3404 [X.]) ist Bezug genommen auf die Rechtsprechung des [X.] zu der bei der Einführung von [X.] und [X.] in unterschiedlicher Weise aufgegriffenen Regelung des § 92a [X.] (zu den Unterschieden und der Rechtsentwicklung vgl nur [X.] in jurisPK-[X.], 3. Aufl 2020, § 103 Rd[X.]4 ff, Stand [X.]), nach der die Ersatzpflicht wegen der Herbeiführung der Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe auf einen "engen deliktsähnlichen Ausnahmetatbestand" beschränkt war (stRspr; vgl zuletzt nur [X.] vom 10.4.2003 - 5 [X.] 4.02 - [X.]E 118, 109, 111 mwN); dem entspricht auch das Verständnis des BSG von § 34 [X.] (BSG vom 2.11.2012 - B 4 [X.]9/12 R - [X.], 135 = [X.] 4-4200 § 34 [X.], Rd[X.]7; BSG vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]8).

b) Der einen Ersatzanspruch nach § 34 [X.] tragende Vorwurf der [X.] ist darin begründet, dass der Betreffende - im Sinne eines objektiven Unwerturteils - in zu missbilligender Weise sich selbst oder seine unterhaltsberechtigten Angehörigen in die Lage gebracht hat, existenzsichernde Leistungen in Anspruch nehmen zu müssen (vgl zu § 92a [X.] nur [X.] vom 14.1.1982 - 5 [X.] 70.80 - [X.]E 64, 318, 321 und zuletzt [X.] vom 10.4.2003 - 5 [X.] 4.02 - [X.]E 118, 109, 111, jeweils mwN; zu § 34 [X.] BSG vom 2.11.2012 - B 4 [X.]9/12 R - [X.], 135 = [X.] 4-4200 § 34 [X.], Rd[X.]1 sowie BSG vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]2). Verwendet er etwa erzielte Einnahmen nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts und wird dadurch Hilfebedürftigkeit herbeigeführt, kann dies einen Ersatzanspruch nach § 34 [X.] auslösen, wenn ein anderes Ausgabeverhalten grundsicherungsrechtlich abverlangt war (BSG vom 29.11.2012 - [X.] [X.]3/12 R - [X.], 229 = [X.] 4-4200 § 11 [X.], Rd[X.]7 f; BSG vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]2). Vergleichbar hat das [X.] sozialwidriges Verhalten erwogen bei der Aufgabe eines bestehenden Krankenversicherungsschutzes ([X.] vom 23.9.1999 - 5 [X.] 22.99 - [X.]E 109, 331) oder bei der Schaffung einer Lage, die trotz vorangegangener Versagung zur Leistung von Sozialhilfe zwingt ([X.] vom 14.1.1982 - 5 [X.] 70.80 - [X.]E 64, 318). [X.] bei dieser Einordnung sind schließlich auch die im [X.] festgeschriebenen Wertmaßstäbe, in denen sich ausdrückt, welches Verhalten als dem Grundsatz der Eigenverantwortung vor Inanspruchnahme der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuwiderlaufend angesehen wird (BSG vom 2.11.2012 - B 4 [X.]9/12 R - [X.], 135 = [X.] 4-4200 § 34 [X.], Rd[X.]0; BSG vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]2).

c) Drücken danach grundsätzlich auch die Tatbestände des § 31 [X.] aus Sicht des [X.] nicht zu billigende Verhaltensweisen aus, deren Verletzung Ersatzansprüche nach § 34 [X.] begründen kann, so folgt daraus jedoch nicht, dass jede Verwirklichung eines nach § 31 [X.] sanktionsbewehrten Tatbestands zugleich einen Ersatzanspruch nach § 34 [X.] begründet. Wie der [X.] bereits entschieden hat, stehen die Vorschriften vielmehr - soweit ein Ersatzanspruch nach § 34 [X.] an Verhalten anknüpfen soll, das schon Anlass für eine Leistungsminderung nach den §§ 31 ff [X.] gegeben hat - in einem Stufenverhältnis, nach dem auf die Verwirklichung eines nach § 31 [X.] sanktionsbewehrten Tatbestands regelhaft mit einer Minderung nach den §§ 31a und 31b [X.] zu reagieren und (nur) in einem besonderen Ausnahmefall zusätzlich ein Ersatzanspruch nach § 34 [X.] geltend zu machen ist. Kennzeichen dessen ist, dass - deliktsähnlich - die in den Tatbeständen des § 31 [X.] ausgedrückten Verhaltenserwartungen in besonders hohem Maß verletzt worden sind (BSG vom 29.8.2019 - [X.] [X.]/18 R - Rd[X.]7 f mwN).

d) Das gilt auch für arbeitsvertragswidriges Verhalten, das Anlass für die Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses gegeben und damit den Minderungstatbestand von § 31 Abs 2 [X.] oder 4 [X.] iVm § 159 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.]I erfüllt hat. Anders war schon § 92a [X.] als enger deliktsähnlicher Ausnahmetatbestand (vgl zuletzt nur [X.] vom 10.4.2003 - 5 [X.] 4.02 - [X.]E 118, 109, 111 mwN) nicht zu verstehen. Umso mehr gilt das seit der Neufassung des § 43 [X.] durch das [X.]/[X.]/[X.], mit der die Realisierung von Ersatzansprüchen durch die Möglichkeit der Aufrechnung in Höhe von 30 % des jeweils maßgebenden Regelbedarfs grundsätzlich anteilig in den laufenden Leistungsbezug vorverlagert worden ist (§ 43 Abs 1 [X.], Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 [X.] idF des [X.]/[X.]/[X.]). Soweit damit im Gesetzgebungsverfahren "kein schutzwürdiges Interesse des Leistungsberechtigten" als berührt angesehen worden ist (BT-Drucks 17/3404 [X.]), kann das angesichts der schwerwiegenden Rechtsfolge mit dem Zugriff auf an sich zur Existenzsicherung benötigte Mittel - wird nicht wegen einer Härte von der Geltendmachung abgesehen (§ 34 Abs 1 Satz 2 [X.]) oder im Einzelfall auf die Aufrechnung im Ermessenswege verzichtet (vgl § 43 Abs 1 Halbsatz 1 [X.]) - grundsätzlich über die gesamte Dauer des pflichtwidrig verursachten (seit dem [X.] auch: pflichtwidrig erhöhten) Leistungsbezugs und der dafür geltenden verfassungsrechtlichen Maßgaben (vgl zu Leistungsminderungen bei der Verletzung von [X.] vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 - [X.] 152,68 Rd[X.]30 ff) nur auf ein Fehlverhalten gerichtet sein, das - wie das [X.] unter Verweis auf den nur "durchschnittlichen Sanktionsfall" der Sache nach angenommen hat - nicht für jeden sperrzeitbegründenden Pflichtenverstoß in einem Beschäftigungsverhältnis vorauszusetzen ist.

e) Maßgebend dafür ist nicht das Maß der Pflichtverletzung im Beschäftigungsverhältnis, sondern im Verhältnis zur Allgemeinheit, die als Solidargemeinschaft die Mittel der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufzubringen hat (vgl schon [X.] vom 23.9.1999 - 5 [X.] 22.99 - [X.]E 109, 331, 333; BSG vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]2). Mit Blick hierauf hat der erkennende [X.] demzufolge im [X.] an den 4. [X.] des BSG und dessen Rückgriff auf die Rechtsprechung des [X.] zu § 92a [X.] ein Verhalten als sozialwidrig angesehen, das (1) in seiner Handlungstendenz auf die Einschränkung bzw den Wegfall der Erwerbsfähigkeit oder der Erwerbsmöglichkeit oder (2) die Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit bzw der Leistungserbringung gerichtet war bzw hiermit in "innerem Zusammenhang" stand oder bei dem [X.]) ein spezifischer Bezug zu anderen nach den Wertungen des [X.] zu [X.] bestand (BSG vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]0 unter Verweis auf BSG vom 2.11.2012 - B 4 [X.]9/12 R - [X.], 135 = [X.] 4-4200 § 34 [X.], Rd[X.]6 und 22).

Knüpfen diese Umschreibungen primär an das im "Herbeiführen" insbesondere angelegte Verständnis des zielgerichteten und damit vorsätzlichen Bewirkens von Hilfebedürftigkeit an (durch gezieltes Handeln bewirken, dass etwas geschieht, dass es zu etwas kommt; vgl [X.], [X.], 10. Aufl 2002, 467; [X.]. Das große Wörterbuch der [X.], 3. Aufl 1999, [X.], 1748; [X.]. Das [X.], 4. Aufl 2010, 485; vgl dazu BSG vom [X.] - [X.] [X.]/16 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]8 mwN), so lassen sie sich auf das grob fahrlässige Herbeiführen von Hilfebedürftigkeit zwar nicht unmittelbar übertragen. Das ändert indes nichts an dem in der hergebrachten Auffassung angelegten und in der nunmehr geltenden Ausgestaltung umso mehr gebotenen Verständnis von § 34 [X.] als einem eng zu fassenden Ausnahmetatbestand. Dem entspricht zum einen, dass sich - im Sinne eines Wissenselements - vorsätzlich oder grob fahrlässig iS von § 34 Abs 1 Satz 1 [X.] nur verhält, wer sich der [X.] seines Verhaltens bewusst oder grob fahrlässig nicht bewusst ist (vgl [X.] vom 10.4.2003 - 5 [X.] 4.02 - [X.]E 118, 109, 111 mwN). Hinzutreten muss - weil der Vorwurf des sozialwidrigen Verhaltens jedenfalls nicht primär aus dem Maß der [X.] (wie hier dem Taxiunternehmer) gegenüber abzuleiten, sondern vorrangig aus Sicht der in Anspruch genommenen Allgemeinheit zu treffen ist - auf der [X.], dass das zur Inanspruchnahme von Grundsicherungsleistungen führende Verhalten - hier der Verstoß gegen das Gebot der Trennung eines [X.]annabiskonsums vom Führen von Kraftfahrzeugen (vgl dazu letztens [X.] vom [X.] - 3 [X.] 9.18 - [X.] 442.10 § 3 StVG [X.]1) - in vergleichbarer Weise zu missbilligen ist wie ein solches, das auf die Inanspruchnahme von Grundsicherungsleistungen ausdrücklich angelegt ist, das grob fahrlässige Verhalten der vorsätzlichen Herbeiführung also [X.]. Das ist nach den - vom Jobcenter bereits im Verwaltungsverfahren vollständig zu ermittelnden (BSG vom 29.8.2019 - [X.] [X.]/18 R - Rd[X.]8) - Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl nur [X.] vom [X.] 41.74 - [X.]E 51, 61, 65; BSG vom 2.11.2012 - B 4 [X.]9/12 R - [X.], 135 = [X.] 4-4200 § 34 [X.], Rd[X.]1).

4. Ob die zum Entzug der Fahrerlaubnis führende und damit Anlass für die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses als Taxifahrer gebende Personenbeförderung durch den Kläger unter [X.] hiernach als sozialwidrig anzusehen ist, vermag der [X.] auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] nicht abschließend zu beurteilen.

a) Gegen den Kläger spricht insoweit, dass die Verletzung des fahrerlaubnisrechtlichen Trennungsgebots angesichts der festgestellten [X.] im Hinblick auf die Anforderungen an ihn aus den Verhaltenspflichten im Rahmen der Personenbeförderung erheblich ist (dazu [X.] vom [X.] - 3 [X.] 9.18 - [X.] 442.10 § 3 StVG [X.]1; zu den Werten [X.] vom 23.10.2014 - 3 [X.] 3.13 - [X.] 442.10 § 3 StVG [X.]6 Rd[X.]7 ff ). Hingegen bieten die Feststellungen des [X.] keinen Anhalt für die Annahme, dass dieses Verhalten - die Beförderung von Personen unter Missachtung des fahrerlaubnisrechtlichen Trennungsgebots - mittelbar auf die Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses angelegt war oder eine solche Folge von dem Kläger im Sinne einer Gleichgültigkeit dem Verlust der Fahrerlaubnis und der nachfolgenden Angewiesenheit auf aufstockendes [X.] gegenüber auch nur billigend in Kauf genommen worden wäre.

b) [X.] iS von § 34 Abs 1 Satz 1 [X.] war der Verstoß gegen das Trennungsgebot hiernach (vgl Rd[X.]7) deshalb nur, wenn sich der Kläger grob fahrlässig der Einsicht verschlossen hat, dass sein Verhalten zum Entzug seiner Fahrerlaubnis führen und er deshalb seinen Arbeitsplatz als Taxifahrer verlieren und hilfebedürftig nach dem [X.] werden könnte und dies weiter der vorsätzlichen Herbeiführung (seit dem [X.] auch: der Erhöhung, dem Aufrechterhalten oder nicht Verringern) von Hilfebedürftigkeit nach dem [X.] [X.].

c) Ob der Vorwurf der [X.] - wie das [X.] angenommen hat - hiernach unbegründet ist, kann der [X.] auf der Grundlage von dessen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Zwar war das [X.] danach überzeugt, dem Kläger habe nicht unmittelbar vor Augen stehen müssen, dass sein Verhalten unweigerlich zum Bezug von Grundsicherungsleistungen führen wird. Nach dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen ist jedoch offen, ob damit eine Feststellung (nur) zur groben Fahrlässigkeit getroffen oder eine Gesamtbewertung des Verhaltens des [X.] vorgenommen worden ist. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das [X.] daher zu klären und festzustellen haben, welche Vorstellungen der Kläger zu den Folgen seines [X.]annabiskonsums für die fragliche Fahrgastbeförderung hatte, und ggf zu beurteilen haben, ob das Verhalten - sollte es als grob fahrlässig iS von § 34 Abs 1 Satz 1 [X.] anzusehen sein - unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls der vorsätzlichen Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit nach dem [X.] [X.] und deshalb als sozialwidrig zu qualifizieren ist.

Das [X.] wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 14 AS 43/19 R

03.09.2020

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Lüneburg, 20. Februar 2017, Az: S 40 AS 871/15, Urteil

§ 34 Abs 1 S 1 SGB 2, § 31 Abs 2 Nr 3 SGB 2, § 159 Abs 1 S 1 SGB 3, § 159 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 3

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 03.09.2020, Az. B 14 AS 43/19 R (REWIS RS 2020, 2593)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2593

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