Bundessozialgericht, Urteil vom 29.08.2019, Az. B 14 AS 50/18 R

14. Senat | REWIS RS 2019, 4054

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Ersatzanspruch wegen sozialwidrigen Verhaltens - Aufgabe eines Arbeitsverhältnisses im Ausland zwecks Einreise ins Bundesgebiet nach Anerkennung der deutschen Staatsangehörigkeit - Ausübung des Grundrechts auf Freizügigkeit - Zulässigkeit einer isolierten Feststellung zur Sozialwidrigkeit in einem Grundlagenbescheid


Leitsatz

1. Jobcenter sind ermächtigt, vor der Geltendmachung eines Ersatzanspruchs bei sozialwidrigem Verhalten eine isolierte Feststellung zur Sozialwidrigkeit zu treffen.

2. Die Aufgabe einer Beschäftigung im Ausland wegen des Umzugs eines deutschen Staatsangehörigen ins Bundesgebiet ohne vorherige Sicherung des Lebensunterhalts ist nicht sozialwidrig.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 8. November 2018 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist ein Ersatzanspruch nach § 34 [X.]B II wegen sozialwidrigen Verhaltens.

2

Die Kläger - ein Ehepaar - lebten mit ihren zwei Kindern zunächst in [X.]. Nach Feststellung der [X.] Staatsangehörigkeit der Klägerin und der Kinder kündigten die Eheleute ihre Arbeitsverhältnisse in [X.] und zog die Familie nach [X.]. Das beklagte Jobcenter bewilligte ihnen ab Oktober 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] Nach Anhörung machte es Ersatzansprüche wegen sozialwidrigen Verhaltens geltend, weil die Eheleute ihre Arbeitsplätze zum Zweck der Einreise nach [X.] gekündigt hätten; die Höhe der Ansprüche werde in einem gesonderten Bescheid mitgeteilt (Bescheide vom 27.1.2016 - im Folgenden: Grundlagenbescheide - sowie Widerspruchsbescheide vom 22.2.2016). Hierauf gestützt stellte der Beklagte für Oktober 2015 bis März 2017 zuletzt Ersatzansprüche gegenüber der Klägerin in Höhe von 10 637,39 Euro und gegenüber dem Kläger - einschließlich der Leistungen für die Kinder - in Höhe von 21 308,30 Euro fest ([X.] vom [X.]; Widerspruchsbescheide vom 14.9.2017); die Klagen hiergegen sind noch anhängig.

3

Das [X.] hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom [X.]). Das L[X.] hat das Urteil des [X.] und die Grundlagenbescheide aufgehoben (Urteil vom 8.11.2018): Das Verhalten der Kläger sei vom Grundrecht auf Freizügigkeit nach Art 11 Abs 1 GG gedeckt. Dies stehe jedenfalls als wichtiger Grund einem Ersatzanspruch entgegen.

4

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 34 [X.]B II. Die Kläger hätten die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem [X.]B II sozialwidrig herbeigeführt. Sie hätten sich von [X.] aus um neue Arbeitsstellen bemühen können.

5

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 8. November 2018 aufzuheben und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 27. April 2017 zurückzuweisen.

6

Die Kläger verteidigen die angegriffene Entscheidung und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zutreffend hat das [X.] entschieden, dass die Einreise der [X.]läger nach [X.] ohne vorherige Bemühung um den Lebensunterhalt deckende Erwerbsmöglichkeiten keine Ersatzansprüche nach § 34 [X.] begründet.

8

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den vorinstanzlichen Entscheidungen die Grundlagenbescheide vom [X.] in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.2.2016, durch die der Beklagte der Sache nach den Umzug der [X.]läger und ihrer [X.]inder nach [X.] als sozialwidrig qualifiziert hat (dazu unter 3. d). Hiergegen wenden sich die [X.]läger statthaft mit reinen Anfechtungsklagen (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG; vgl letztens BSG vom [X.] - [X.] [X.]/16 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]0). Nicht Gegenstand des Verfahrens sind hingegen die [X.] vom [X.] in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 14.9.2017, durch die der Beklagte gestützt auf die [X.] für Oktober 2015 bis März 2017 begründet hat; sie haben - wie hier bereits der Wortlaut hinreichend verdeutlicht - nach [X.] und -wirkung einen anderen Regelungsgegenstand (vgl dazu näher die Parallelentscheidung BSG vom [X.] [X.]/18 R - Rd[X.]1 bis 13).

9

2. Rechtsgrundlage des Grundlagenbescheids ist § 34 Abs 1 [X.], hier in der bis zum [X.] geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 13.5.2011 ([X.]); die Änderungen nach seinem Erlass durch das [X.] zur Änderung des [X.] - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.7.2016 ([X.] 1824) finden keine Anwendung (BSG vom [X.] - [X.] [X.]/16 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]4 f). Danach gilt: "Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet. Der Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur [X.]ranken-, Renten- und Pflegeversicherung. Von der Geltendmachung des [X.] ist abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde."

Diese Voraussetzungen für den Erlass der Grundlagenbescheide liegen hier nicht vor. Zwar war der Beklagte dazu grundsätzlich ermächtigt (dazu 3.). Jedoch liegt ein sozialwidriges Verhalten iS von § 34 [X.] nicht vor (dazu 4.).

3. Jobcenter sind ermächtigt, vor der Geltendmachung eines [X.] bei sozialwidrigem Verhalten eine isolierte Feststellung zur [X.] des Verhaltens zu treffen.

a) Allerdings ist eine solche Möglichkeit im Wortlaut des § 34 [X.] nicht ausdrücklich vorgesehen. Das steht der Trennung von Grundlagen- und [X.]n indes nicht entgegen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass gestufte Verwaltungsentscheidungen auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zulässig sein können, wenn sich dies aus dem normativen [X.]ontext ergibt. So hat das BSG ausgesprochen, dass auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung isoliert über die Umlagepflicht zur Produktiven Winterbauförderung entschieden (BSG vom [X.] [X.] - [X.], 203, 205 = [X.] 4100 § 186a [X.] f), die Abgabepflicht zur [X.]ünstlersozialabgabe dem Grunde nach festgestellt (grundlegend BSG vom 8.12.1988 - 12 R[X.] 1/86 - [X.], 221, 223 = [X.] 5425 § 24 [X.]), über die Übernahme von [X.]osten für eine Schulbegleitung je Schuljahr (BSG vom 9.12.2016 - [X.] [X.] 8/15 R - [X.], 154 = [X.] 4-3500 § 53 [X.], Rd[X.]6) oder über die Tilgung von [X.] aus Darlehen nach dem [X.] durch Aufrechnung (vgl BSG vom 28.11.2018 - [X.] [X.]1/17 R - [X.] 4-4200 § 42a [X.] Rd[X.]3, auch zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) befunden werden darf. Ist die Unterscheidung nicht implizit bereits im materiellen Recht angelegt (so zu § 24 [X.] BSG vom 8.12.1988 aaO und ähnlich zu § 42a Abs 2 [X.] BSG vom 28.11.2018 aaO), lässt sich die Rechtsprechung insbesondere davon leiten, ob eine isolierte Vorabentscheidung dem Bedürfnis von Leistungsberechtigten und Behörde gleichermaßen entspricht (vgl etwa BSG vom 9.12.2016 aaO; verneinend dagegen BSG vom 17.12.1997 - 11 [X.] - [X.] 3-4100 § 128 [X.] ) und die Vorfrage nicht ohne Weiteres anderweitig zu klären ist (vgl etwa [X.] vom [X.] - 3 [X.] 2.01 - [X.]E 114, 226, 227 ).

b) Von einem solchen Bedürfnis ist der Beklagte hier zutreffend ausgegangen und hat sich deshalb zu Recht als befugt angesehen, vor Erlass der [X.] vorab gesondert durch Grundlagenbescheide über die [X.] des den [X.]lägern vorgehaltenen Verhaltens zu entscheiden (im Ergebnis ebenso [X.] in [X.], [X.], § 34 Rd[X.]8, Stand September 2018; [X.] in LP[X.]-[X.], 6. Aufl 2017, § 34 Rd[X.]7; [X.] in Gagel, [X.]/[X.]I, § 34 [X.] RdNr 80, Stand März 2017; [X.] in jurisP[X.]-[X.], 4. Aufl 2015, § 34 Rd[X.]7.1, Stand 31.7.2017). Dafür spricht nicht nur das beiderseitige Interesse an einer zügigen [X.]lärung des Vorwurfs des sozialwidrigen Verhaltens und nicht zuletzt das Interesse, Betroffene durch die Warnfunktion eines solchen Bescheids frühzeitig auf die künftige Ersatzpflicht nach § 34 [X.] aufmerksam zu machen. Vor allem ist nur durch eine solche gleichsam "vor [X.] das Risiko zu vermeiden, dass bei zeitlich gestaffelten [X.]n in nachfolgenden gerichtlichen Verfahren unterschiedliche Spruchkörper zu jeweils unterschiedlichen Bewertungen des maßgebenden Verhaltens gelangen, wenn darüber in jedem Leistungsbescheid gesondert zu entscheiden wäre; das liegt ebenfalls nicht im Interesse der Beteiligten.

c) Zu einem solchen Vorgehen zwingt die Vorschrift auch nicht. [X.] regelt § 34 [X.] in Abs 3 mit der Wendung "der Erhebung der [X.]lage steht der Erlass eines [X.]s gleich" (Satz 2 Halbsatz 2) lediglich Teilaspekte der Durchsetzung von Ersatzansprüchen, nämlich die Ermächtigung zum Erlass von [X.]n und ihre fristhemmende Wirkung für die Erlöschensregelung des Satz 1. Weitere Vorgaben zum Verfahren lässt sie ansonsten nicht erkennen; insbesondere ist ihr - jedenfalls dem Wortlaut nach - bereits nicht zu entnehmen, ob anstelle eines Leistungsbescheids ebenso Leistungsklage erhoben werden könnte (zu dem Meinungsstreit nach geltendem Recht vgl nur [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 34 RdNr 93, Stand April 2016; [X.] in jurisP[X.]-[X.], 4. Aufl 2015, § 34 Rd[X.]7 mit [X.], Stand 31.7.2017; zur früheren Rechtslage nach § 92a Abs 3 [X.] vgl [X.] vom 5.5.1983 - 5 [X.] 112.81 - [X.]E 67, 163, 165: Leistungsbescheid ein Mittel, um Erlöschen zu verhindern). Damit ist das Verfahrensrecht des § 34 [X.] nahezu wortgleich der Vorläuferregelung des § 92a [X.] nachgebildet, der das [X.] keine ausschließende Wirkung für eine eigenständige Feststellung zum Grund des [X.] entnommen hatte ([X.] vom 5.5.1983 - 5 [X.] 112.81 - [X.]E 67, 163, 165 zu § 92a Abs 3 [X.]). Soweit der Gesetzgeber diesen [X.] nahezu unverändert fortgeführt hat, spricht das dafür, dass im Übrigen die allgemeinen Regeln gelten und die Jobcenter die geeignete Handlungsform zur Durchsetzung eines [X.] nach pflichtgemäßem Ermessen wählen (können) sollen; darunter auch - wie bis dahin anerkannt - die eigenständige Feststellung zu dessen Grund mit Bindungswirkung für die nachfolgende Geltendmachung.

d) Allerdings ermächtigt das nicht dazu, vorab abschließend Ersatzpflichten dem Grunde nach zu begründen, wie der Beklagte meint und die Überschrift der Grundlagenbescheide verstanden werden könnte ("Bescheid über die Ersatzpflicht der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]"); das ist nach der tatbestandlichen Ausgestaltung des [X.] ausgeschlossen. Voraussetzung dem Grunde nach ist hiernach neben (1) dem sozialwidrigen Verhalten selbst (2) die Ursächlichkeit des Verhaltens für den Leistungsbezug, weil der Ersatzanspruch nur besteht, soweit durch das sozialwidrige Verhalten Hilfebedürftigkeit nach dem [X.] "herbeigeführt" (seit dem [X.] auch: "erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert") worden ist und überwiegende konkurrierende Ursachen für den Leistungsbezug nicht bestehen (vgl dazu nur [X.] in [X.], [X.], § 34 RdNr 44, Stand September 2018; [X.] in Eicher/[X.], [X.], 4. Aufl 2017, § 34 Rd[X.]6 jeweils mwN). Schließlich ist von der Geltendmachung eines [X.] abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde (§ 34 Abs 1 Satz 3 bzw seit [X.] Satz 6 [X.]).

Ob in jenem Sinne eine [X.]ausalbeziehung zwischen dem sozialwidrigen Verhalten einerseits und dem Leistungsbezug andererseits besteht, lässt sich nicht vorab einheitlich beurteilen, sondern nur zeitabschnittsweise mit Blick auf die für diesen Zeitraum jeweils konkreten Ursachen der Hilfebedürftigkeit und muss deshalb der Geltendmachung des [X.] vorbehalten bleiben; zutreffend ist deshalb die Formulierung des Beklagten, die Ersatzpflicht entfalle für Zeiten, in denen "die [X.]ausalitätskette" zwischen sozialwidrigem Verhalten und Leistungsbezug "unterbrochen" sei (vgl die Widerspruchsbescheide vom 14.9.2017). Tauglicher Gegenstand einer - "vor [X.] gezogenen" - Grundlagenentscheidung nach § 34 [X.] kann deshalb nur die Bewertung des jeweils im Streit stehenden Verhaltens mit dem Ziel sein, für nachfolgende Heranziehungsentscheidungen verbindlich dessen [X.] festzustellen.

e) Dass § 34 [X.] hiernach nur Raum lässt für eine isolierte Entscheidung - als feststellenden Verwaltungsakt - zur [X.] des für den Ersatzanspruch maßgeblichen Verhaltens, steht ihrer Zulässigkeit nicht entgegen. Ob ein Sozialleistungsträger ausnahmsweise ermächtigt ist, mit Bindungswirkung für den Adressaten eine Elementenfeststellung ausschließlich zu einem einzelnen Tatbestandsmerkmal zu treffen, ist durch Auslegung des jeweiligen Normzusammenhangs zu ermitteln (verneint etwa für die bloße Elementenfeststellung einer abhängigen Beschäftigung, grundlegend BSG vom [X.] - B 12 R 11/07 R - [X.] 103, 17 = [X.] 4-2400 § 7a [X.], Rd[X.]1 ff) und demgemäß - wie aufgezeigt (vgl oben b) - hier zu bejahen (vgl im Übrigen zur ausnahmsweisen Zulässigkeit einer Elementenfeststellungsklage bei umfänglicher Streiterledigung nur BSG vom [X.] - [X.] [X.] 21/16 R - [X.] 4-3500 § 94 [X.] Rd[X.]7 mwN, sowie dazu, einem Anspruchsgrund zuzurechnende Fragen ausnahmsweise erst im Betragsverfahren zu klären BGHZ 108, 256, 259).

4. Die Aufgabe einer Beschäftigung im Ausland wegen des Umzugs eines [X.] Staatsangehörigen ins [X.] ohne vorherige Sicherung des Lebensunterhalts ist nicht sozialwidrig iS von § 34 [X.].

a) Ersatzansprüche nach § 34 [X.] wegen der Herbeiführung (seit dem [X.] auch: der Erhöhung, dem Aufrechterhalten oder nicht Verringern) von Hilfebedürftigkeit nach dem [X.] bestehen - mindestens seit Ergänzung der amtlichen Überschrift der Vorschrift durch das Gesetz zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] ([X.] 453) - nur "bei sozialwidrigem Verhalten". Mit dieser Wendung (vgl ebenso BT-Drucks 17/3404 [X.]) ist Bezug genommen auf die Rechtsprechung des [X.] zu der bei der Einführung von [X.] und [X.] in unterschiedlicher Weise aufgegriffenen Regelung des § 92a [X.] (zu den Unterschieden und der Rechtsentwicklung vgl nur [X.] in jurisP[X.]-[X.], 2. Aufl 2014, § 103 Rd[X.]4 ff, Stand 14.2.2017), nach der die Ersatzpflicht wegen der Herbeiführung der Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe auf einen "engen deliktsähnlichen Ausnahmetatbestand" beschränkt war (stRspr; vgl zuletzt nur [X.] vom 10.4.2003 - 5 [X.] 4.02 - [X.]E 118, 109, 111 mwN); dem entspricht auch das Verständnis des BSG von § 34 [X.] (BSG vom 2.11.2012 - B 4 [X.]9/12 R - [X.] 112, 135 = [X.] 4-4200 § 34 [X.], Rd[X.]7; BSG vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]8).

b) Der einen Ersatzanspruch nach § 34 [X.] tragende Vorwurf der [X.] ist darin begründet, dass der Betreffende - im Sinne eines objektiven Unwerturteils - in zu missbilligender Weise sich selbst oder seine unterhaltsberechtigten Angehörigen in die Lage gebracht hat, existenzsichernde Leistungen in Anspruch nehmen zu müssen (vgl zu § 92a [X.] nur [X.] vom 14.1.1982 - 5 [X.] 70.80 - [X.]E 64, 318, 321 und zuletzt [X.] vom 10.4.2003 - 5 [X.] 4.02 - [X.]E 118, 109, 111, jeweils mwN; zu § 34 [X.] BSG vom 2.11.2012 - B 4 [X.]9/12 R - [X.] 112, 135 = [X.] 4-4200 § 34 [X.], Rd[X.]1 sowie BSG vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]2). Verwendet er etwa erzielte Einnahmen nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts und wird dadurch Hilfebedürftigkeit herbeigeführt, kann dies einen Ersatzanspruch nach § 34 [X.] auslösen, wenn ein anderes Ausgabeverhalten grundsicherungsrechtlich abverlangt war (BSG vom 29.11.2012 - [X.] [X.]3/12 R - [X.] 112, 229 = [X.] 4-4200 § 11 [X.]7, Rd[X.]7 f; BSG vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]2). Vergleichbar hat das [X.] sozialwidriges Verhalten erwogen bei der Aufgabe eines bestehenden [X.]rankenversicherungsschutzes ([X.] vom 23.9.1999 - 5 [X.] 22.99 - [X.]E 109, 331) oder bei der Schaffung einer Lage, die trotz vorangegangener Versagung zur Leistung von Sozialhilfe zwingt ([X.] vom 14.1.1982 - 5 [X.] 70.80 - [X.]E 64, 318). [X.] bei dieser Einordnung sind schließlich auch die im [X.] festgeschriebenen Wertmaßstäbe, in denen sich ausdrückt, welches Verhalten als dem Grundsatz der Eigenverantwortung vor Inanspruchnahme der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuwiderlaufend angesehen wird (BSG vom 2.11.2012 - B 4 [X.]9/12 R - [X.] 112, 135 = [X.] 4-4200 § 34 [X.], Rd[X.]0; BSG vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]2).

c) Diese Wertmaßstäbe verletzt nicht, wer sich als erwerbsfähiger [X.] Staatsangehöriger im [X.] seinen gewöhnlichen Aufenthalt nimmt und eine im Ausland ausgeübte Beschäftigung aufgibt, ohne sich zuvor um eine Existenzgrundlage im [X.] bemüht zu haben; eine solche Obliegenheit ist dem Grundsatz der Eigenverantwortung - wie vom [X.] zutreffend ausgeführt - nicht zu entnehmen.

Verziehen [X.] Staatsangehörige aus dem Ausland ins [X.], steht das unter dem Schutz ihres Grundrechts auf Freizügigkeit aus Art 11 Abs 1 GG, das auch das Recht umfasst, zur Wohnsitznahme nach [X.] einzureisen (vgl nur [X.] vom 7.5.1953 - 1 BvL 104/52 - [X.]E 2, 266, 273; letztens [X.] vom 17.3.2004 - 1 BvR 1266/00 - [X.]E 110, 177, 190 f). Demgemäß stellen auch mittelbar wirkende staatliche Zuzugsregularien eine nur auf gesetzlicher Grundlage nach Maßgabe von Art 11 Abs 2 GG zulässige Beeinträchtigung des Schutzbereichs von Art 11 Abs 1 GG dar, wenn sie nach Zielsetzung und Wirkung einem normativen und direkten Eingriff in den Schutzbereich des Art 11 Abs 1 GG gleichkommen (vgl [X.] vom 17.3.2004 aaO [X.] ). So liegt es hier, wenn nach der Gewährung von Leistungen nach dem [X.] unter Verweis auf die Aufgabe einer im Ausland ausgeübten Beschäftigung Ersatzansprüche nach § 34 [X.] geltend gemacht werden; das bewirkt zwar kein unmittelbares Hindernis für den Zuzug nach [X.], zielt aber mittelbar darauf, im Ausland lebende, erwerbsfähige [X.] Staatsangehörige davon abzuhalten, ohne ausreichende Existenzgrundlage Wohnsitz im [X.] zu nehmen. Zu einer solchen Zuzugssteuerung ermächtigt das [X.] nicht.

d) Schon im Ansatz nicht sozialwidrig iS von § 34 [X.] verhalten hat sich danach die [X.]lägerin, die mit ihren [X.]indern als [X.] Staatsangehörige in das [X.] eingereist ist und damit unter dem Schutz des Grundrechts auf Freizügigkeit aus Art 11 Abs 1 GG stand.

e) Vergleichbar liegt es beim Ehemann der [X.]lägerin, dessen Zuzug nach [X.] mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen [X.]indern ungeachtet der unionsrechtlichen [X.] grundrechtlich durch Art 6 Abs 1 GG gedeckt ist und dem deshalb ebenfalls kein Verstoß gegen den Grundsatz der Eigenverantwortung vorgehalten werden kann.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Meta

B 14 AS 50/18 R

29.08.2019

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Gelsenkirchen, 27. April 2017, Az: S 40 AS 644/16, Urteil

§ 34 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 13.05.2011, § 34 Abs 1 S 3 SGB 2 vom 13.05.2011, § 34 Abs 3 S 2 Halbs 2 SGB 2 vom 13.05.2011, Art 11 Abs 1 GG, Art 11 Abs 2 GG, Art 6 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.08.2019, Az. B 14 AS 50/18 R (REWIS RS 2019, 4054)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 4054

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Geltendmachung eines Ersatzanspruchs dem Grunde nach


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1 BvR 1266/00

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