Bundessozialgericht, Urteil vom 29.08.2019, Az. B 14 AS 49/18 R

14. Senat | REWIS RS 2019, 4056

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Zulässigkeit einer isolierten Feststellung zur Sozialwidrigkeit iS des § 34 SGB 2 in einem Grundlagenbescheid - keine Einbeziehung des nachfolgenden Leistungsbescheides ins Klageverfahren - Grundsicherung für Arbeitsuchende - Ersatzanspruch wegen sozialwidrigen Verhaltens - Kündigung eines außerbetrieblichen Ausbildungsverhältnisses durch den Träger nach Fehlzeiten des Auszubildenden - Minderung des Arbeitslosengeld II wegen Pflichtverletzung)


Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. Oktober 2018 geändert.

Die Klage gegen den Bescheid vom 14. April 2016 wird als unzulässig abgewiesen.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger neun Zehntel der Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist ein Ersatzanspruch nach § 34 [X.]B II wegen sozialwidrigen Verhaltens.

2

Der Kläger nahm seit Oktober 2014 an einer außerbetrieblichen Berufsausbildung teil, die nach Fehlzeiten im Juni 2015 vom Ausbildungsträger fristlos gekündigt wurde. Das beklagte Jobcenter bewilligte ihm ab Juli 2015 [X.] II, minderte es unter Verweis auf die Fehlzeiten für drei Monate um 30 % wegen pflichtwidrigen Verhaltens (§ 31 Abs 2 [X.]) und machte sodann nach Anhörung Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten (§ 34 [X.]B II) geltend. Dazu stellte es zunächst fest, der Kläger habe die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses verschuldet und hierdurch seine Hilfebedürftigkeit herbeigeführt. Er sei daher "zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen" verpflichtet; Umfang und Höhe würden in einem gesonderten Bescheid mitgeteilt (Bescheid vom 5.1.2016 - im Folgenden: Grundlagenbescheid - sowie Widerspruchsbescheid vom [X.]). Anschließend setzte es für Juli bis Dezember 2015 einen Ersatzanspruch von 2968,51 Euro fest und kündigte eine Aufrechnung gegen laufende Leistungen ab August 2016 in Höhe von 121,20 Euro monatlich an (Leistungsbescheid vom 14.4.2016); das Widerspruchsverfahren hiergegen ruht.

3

Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 23.5.2017). Das L[X.] hat das Urteil des [X.] geändert und den Grundlagenbescheid sowie den (zwischenzeitlich bekannt gewordenen) Leistungsbescheid aufgehoben (Urteil vom 11.10.2018): Der Leistungsbescheid sei Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Eine Entscheidung nur dem Grunde nach sei gesetzlich nicht vorgesehen. Der Leistungsbescheid sei nicht hinreichend bestimmt und zudem materiell rechtswidrig. Ein sozialwidriges Verhalten liege nicht vor.

4

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Sachentscheidung über den Leistungsbescheid als verfahrensfehlerhaft und macht materiell eine Verletzung von § 34 [X.]B II geltend.

5

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 11. Oktober 2018 aufzuheben und die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 23. Mai 2017 zurückzuweisen.

6

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des Beklagten ist nur zum Teil begründet. Zutreffend beanstandet er zwar die Einbeziehung des Leistungsbescheids in das Berufungsverfahren als verfahrensfehlerhaft (§ 170 Abs 2 Satz 1 [X.]). Zu Recht ist er auch der Auffassung, dass § 34 [X.] zum Erlass von Grundlagenbescheiden ermächtigt. Jedoch liegen die Voraussetzungen dafür hier nicht vor (§ 170 Abs 1 Satz 2 [X.]).

8

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Grundlagenbescheid vom 5.1.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] sowie - aufgrund der Sachentscheidung des [X.] - der Leistungsbescheid vom 14.4.2016, wodurch der Beklagte das zum Abbruch der außerbetrieblichen Berufsausbildung führende Verhalten als sozialwidrig qualifiziert (dazu unter 4. d) und für Juli bis Dezember 2015 deswegen einen Ersatzanspruch in Höhe von 2968,51 Euro festgesetzt hat. Hiergegen wendet sich der [X.]läger statthaft mit reinen Anfechtungsklagen (§ 54 Abs 1 Satz 1 [X.]; vgl letztens [X.] vom [X.] - [X.] [X.]/16 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]0).

9

2. Zu Unrecht hat das [X.] den Leistungsbescheid nach § 96 Abs 1 [X.] in seine Sachentscheidung einbezogen; das hat der Senat als Sachentscheidungshindernis von Amts wegen zu beachten.

a) Nach § 96 Abs 1 [X.] (idF des [X.]/ArbGGÄndG vom [X.], [X.]) wird ein neuer Verwaltungsakt nach [X.]lageerhebung (nur) Gegenstand des [X.]lageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Dies setzt voraus, dass der Regelungsgegenstand des weiteren Verwaltungsakts mit dem des früheren identisch ist (stRspr; vgl letztens etwa [X.] vom 14.3.2018 - B 12 [X.]R 12/17 R - [X.] 4-2400 § 7 [X.]4 Rd[X.]7). Dies ist nicht der Fall, wenn ein anderer Streitstoff oder veränderte Tatsachen umfasst sind ([X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 96 RdNr 4a).

b) So liegt es hier. Grundlagen- und Leistungsbescheid zielen nach der [X.] des Beklagten auf die Setzung jeweils unterschiedlicher Rechtsfolgen und betreffen deshalb verschiedene Regelungsgegenstände. Während der Grundlagenbescheid isoliert auf die verbindliche Qualifizierung des zur Auflösung des Ausbildungsverhältnisses führenden Verhaltens des [X.] als sozialwidrig gerichtet ist (dazu unten 4. d), sollen durch nachfolgend ergehende [X.] aufbauend darauf Ersatzpflichten für einzelne Zeitabschnitte begründet werden, ohne nochmals über die [X.] des zugrunde liegenden Verhaltens entscheiden zu müssen.

c) Nicht ausschlaggebend dafür ist, dass das Zusammenspiel mit dem Leistungsbescheid im Wortlaut des Grundlagenbescheids nur unzureichend zum Ausdruck kommt (anders insoweit bei der Parallelentscheidung [X.] vom 29.8.2018 - [X.] [X.]/18 R - RdNr 8). Über den Wortlaut hinaus kommt es für die Auslegung eines Verwaltungsakts auf seinen objektiven Sinngehalt an, also darauf, wie der Empfänger ihn bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls ua einschließlich früher zwischen den Beteiligten ergangener Verwaltungsakte objektiv verstehen konnte und musste (stRspr; vgl letztens nur [X.] vom 25.10.2017 - [X.] [X.]/17 R - [X.] 4-1300 § 45 [X.] Rd[X.]1 ff mwN). Das ist auch vom Revisionsgericht bei der Prüfung der Sachentscheidungsvoraussetzungen zu beachten (vgl nur [X.] vom 29.6.1995 - 11 [X.]/94 - [X.]E 76, 178, 180 = [X.] 3-4100 § 58 [X.]; zur Auslegung von Verwaltungsakten durch das [X.] im Übrigen vgl letztens nur [X.] vom 25.10.2017 - [X.] [X.]/17 R - [X.] 4-1300 § 45 [X.] Rd[X.]4 mwN).

d) Maßgeblich für die Auslegung ist deshalb neben der Begründung des Leistungsbescheids auch das bei objektiver Betrachtungsweise intendierte Zusammenwirken von Grundlagen- und Leistungsbescheid. Das steht der Annahme entgegen, dass durch den Leistungsbescheid weitere verbindliche Feststellungen zur [X.] des streitbefangenen Verhaltens getroffen werden sollten. Dadurch würde der Grundlagenbescheid im Ergebnis sukzessive funktionslos, weil er bei diesem Verständnis durch jeden Leistungsbescheid für den jeweiligen Zeitraum teilweise ersetzt (§§ 86 oder 96 [X.]) und mithin schrittweise erledigt (§ 39 Abs 2 [X.]) werden würde. Unter Berücksichtigung dessen können die im Leistungsbescheid nochmals getroffenen Ausführungen zur [X.] des streitbefangenen Verhaltens nur als Begründungselement für die weiteren Feststellungen zur Ersatzpflicht des [X.] im Zeitraum von Juli bis Dezember 2015 angesehen werden, nicht aber als Ausweis einer erneut mit Rechtsbindungswillen getroffenen Entscheidung über das Merkmal der [X.].

e) Das ist nicht anders zu sehen, weil eine Feststellung zum Grund eines [X.] nach § 34 Abs 1 [X.] als unzulässige Elementenfeststellung ausgeschlossen ist und dem Leistungsbescheid deshalb eine erneuernde Feststellungswirkung derart zukommt, dass der Grundlagenbescheid durch ihn nach § 96 Abs 1 [X.] ersetzt wird (hierzu letztens [X.] vom 14.3.2018 - B 12 [X.]R 12/17 R - [X.] 4-2400 § 7 [X.]4 Rd[X.]5 mwN); so liegt es - anders als vom [X.] zugrunde gelegt - nicht (dazu sogleich 4.).

3. Rechtsgrundlage des Grundlagenbescheids ist § 34 Abs 1 [X.], hier in der bis zum [X.] geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 13.5.2011 ([X.]); die Änderungen nach seinem Erlass durch das [X.] zur Änderung des [X.] - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.7.2016 ([X.] 1824) finden keine Anwendung ([X.] vom [X.] - [X.] [X.]/16 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]4 f). Danach gilt: "Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet. Der Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur [X.]ranken-, Renten- und Pflegeversicherung. Von der Geltendmachung des [X.] ist abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde."

Diese Voraussetzungen für den Erlass des Grundlagenbescheids liegen hier nicht vor. Zwar war der Beklagte dazu grundsätzlich ermächtigt (dazu 4.). Jedoch stützen die von ihm zu ermittelnden Umstände den gesteigerten [X.] eines sozialwidrigen Verhaltens des [X.] als Voraussetzung für die Geltendmachung eines [X.] nach § 34 [X.] (dazu 5.) hier nicht (dazu 6.).

4. Jobcenter sind ermächtigt, vor der Geltendmachung eines [X.] bei sozialwidrigem Verhalten eine isolierte Feststellung zur [X.] des Verhaltens zu treffen.

a) Allerdings ist eine solche Möglichkeit im Wortlaut des § 34 [X.] nicht ausdrücklich vorgesehen. Das steht der Trennung von Grundlagen- und Leistungsbescheid indes nicht entgegen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass gestufte Verwaltungsentscheidungen auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zulässig sein können, wenn sich dies aus dem normativen [X.]ontext ergibt. So hat das [X.] ausgesprochen, dass auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung isoliert über die Umlagepflicht zur Produktiven Winterbauförderung entschieden ([X.] vom [X.] [X.] - [X.]E 61, 203, 205 = [X.] 4100 § 186a [X.] f), die Abgabepflicht zur [X.]ünstlersozialabgabe dem Grunde nach festgestellt (grundlegend [X.] vom 8.12.1988 - 12 R[X.] 1/86 - [X.]E 64, 221, 223 = [X.] 5425 § 24 [X.]), über die Übernahme von [X.]osten für eine Schulbegleitung je Schuljahr ([X.] vom 9.12.2016 - [X.] [X.] 8/15 R - [X.]E 122, 154 = [X.] 4-3500 § 53 [X.], Rd[X.]6) oder über die Tilgung von [X.] aus Darlehen nach dem [X.] durch Aufrechnung (vgl [X.] vom 28.11.2018 - [X.] [X.]1/17 R - [X.] 4-4200 § 42a [X.] Rd[X.]3, auch zur Veröffentlichung in [X.]E vorgesehen) befunden werden darf. Ist die Unterscheidung nicht implizit bereits im materiellen Recht angelegt (so zu § 24 [X.] [X.] vom 8.12.1988 aaO und ähnlich zu § 42a Abs 2 [X.] [X.] vom 28.11.2018 aaO), lässt sich die Rechtsprechung insbesondere davon leiten, ob eine isolierte Vorabentscheidung dem Bedürfnis von Leistungsberechtigten und Behörde gleichermaßen entspricht (vgl etwa [X.] vom 9.12.2016 aaO; verneinend dagegen [X.] vom 17.12.1997 - 11 [X.] - [X.] 3-4100 § 128 [X.] ) und die Vorfrage nicht ohne Weiteres anderweitig zu klären ist (vgl etwa [X.] vom [X.] - 3 [X.] 2.01 - [X.]E 114, 226, 227 ).

b) Von einem solchen Bedürfnis ist der Beklagte hier zutreffend ausgegangen und hat sich deshalb zu Recht als befugt angesehen, vor Erlass des Leistungsbescheids vorab gesondert durch Grundlagenbescheid über die [X.] des dem [X.]läger vorgehaltenen Verhaltens zu entscheiden (im Ergebnis ebenso [X.] in [X.], [X.], § 34 Rd[X.]8, Stand September 2018; [X.] in LP[X.]-[X.], 6. Aufl 2017, § 34 Rd[X.]7; [X.] in Gagel, [X.]/[X.]I, § 34 [X.] RdNr 80, Stand März 2017; [X.] in jurisP[X.]-[X.], 4. Aufl 2015, § 34 Rd[X.]7.1, Stand 31.7.2017). Dafür spricht nicht nur das beiderseitige Interesse an einer zügigen [X.]lärung des Vorwurfs des sozialwidrigen Verhaltens und nicht zuletzt das Interesse, Betroffene durch die Warnfunktion eines solchen Bescheids frühzeitig auf die künftige Ersatzpflicht nach § 34 [X.] aufmerksam zu machen. Vor allem ist nur durch eine solche gleichsam "vor [X.] das Risiko zu vermeiden, dass bei zeitlich gestaffelten [X.]n in nachfolgenden gerichtlichen Verfahren unterschiedliche Spruchkörper zu jeweils unterschiedlichen Bewertungen des maßgebenden Verhaltens gelangen, wenn darüber in jedem Leistungsbescheid gesondert zu entscheiden wäre; das liegt ebenfalls nicht im Interesse der Beteiligten.

c) Zu einem solchen Vorgehen zwingt die Vorschrift auch nicht. [X.] regelt § 34 [X.] in Abs 3 mit der Wendung "der Erhebung der [X.]lage steht der Erlass eines [X.]s gleich" (Satz 2 Halbsatz 2) lediglich Teilaspekte der Durchsetzung von Ersatzansprüchen, nämlich die Ermächtigung zum Erlass von [X.]n und ihre fristhemmende Wirkung für die Erlöschensregelung des Satz 1. Weitere Vorgaben zum Verfahren lässt sie ansonsten nicht erkennen; insbesondere ist ihr - jedenfalls dem Wortlaut nach - bereits nicht zu entnehmen, ob anstelle eines Leistungsbescheids ebenso Leistungsklage erhoben werden könnte (zu dem Meinungsstreit nach geltendem Recht vgl nur [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 34 RdNr 93, Stand April 2016; [X.] in jurisP[X.]-[X.], 4. Aufl 2015, § 34 Rd[X.]7 mit [X.], Stand 31.7.2017; zur früheren Rechtslage nach § 92a Abs 3 [X.] vgl [X.] vom 5.5.1983 - 5 [X.] 112.81 - [X.]E 67, 163, 165: Leistungsbescheid ein Mittel, um Erlöschen zu verhindern). Damit ist das Verfahrensrecht des § 34 [X.] nahezu wortgleich der Vorläuferregelung des § 92a [X.] nachgebildet, der das [X.] keine ausschließende Wirkung für eine eigenständige Feststellung zum Grund des [X.] entnommen hatte ([X.] vom 5.5.1983 - 5 [X.] 112.81 - [X.]E 67, 163, 165 zu § 92a Abs 3 [X.]). Soweit der Gesetzgeber diesen [X.] nahezu unverändert fortgeführt hat, spricht das dafür, dass im Übrigen die allgemeinen Regeln gelten und die Jobcenter die geeignete Handlungsform zur Durchsetzung eines [X.] nach pflichtgemäßem Ermessen wählen (können) sollen; darunter auch - wie bis dahin anerkannt - die eigenständige Feststellung zu dessen Grund mit Bindungswirkung für die nachfolgende Geltendmachung.

d) Allerdings ermächtigt das nicht dazu, vorab abschließend Ersatzpflichten dem Grunde nach zu begründen, wie der Beklagte meint und die Überschrift des Grundlagenbescheids verstanden werden könnte ("Bescheid über die Ersatzpflicht der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]"); das ist nach der tatbestandlichen Ausgestaltung des [X.] ausgeschlossen. Voraussetzung dem Grunde nach ist hiernach neben (1) dem sozialwidrigen Verhalten selbst (2) die Ursächlichkeit des Verhaltens für den Leistungsbezug, weil der Ersatzanspruch nur besteht, soweit durch das sozialwidrige Verhalten Hilfebedürftigkeit nach dem [X.] "herbeigeführt" (seit dem [X.] auch: "erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert") worden ist und überwiegende konkurrierende Ursachen für den Leistungsbezug nicht bestehen (vgl dazu nur [X.] in [X.], [X.], § 34 RdNr 44, Stand September 2018; [X.] in Eicher/[X.], [X.], 4. Aufl 2017, § 34 Rd[X.]6 jeweils mwN). Schließlich ist von der Geltendmachung eines [X.] abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde (§ 34 Abs 1 Satz 3 bzw seit [X.] Satz 6 [X.]).

Ob in jenem Sinne eine [X.]ausalbeziehung zwischen dem sozialwidrigen Verhalten einerseits und dem Leistungsbezug andererseits besteht, lässt sich nicht vorab einheitlich beurteilen, sondern nur zeitabschnittsweise mit Blick auf die für diesen Zeitraum jeweils konkreten Ursachen der Hilfebedürftigkeit und muss deshalb der Geltendmachung des [X.] vorbehalten bleiben. Tauglicher Gegenstand einer - "vor [X.] gezogenen" - Grundlagenentscheidung nach § 34 [X.] kann deshalb nur die Bewertung des jeweils im Streit stehenden Verhaltens mit dem Ziel sein, für nachfolgende Heranziehungsentscheidungen verbindlich dessen [X.] festzustellen.

e) Dass § 34 [X.] hiernach nur Raum lässt für eine isolierte Entscheidung - als feststellenden Verwaltungsakt - zur [X.] des für den Ersatzanspruch maßgeblichen Verhaltens, steht ihrer Zulässigkeit nicht entgegen. Ob ein Sozialleistungsträger ausnahmsweise ermächtigt ist, mit Bindungswirkung für den Adressaten eine Elementenfeststellung ausschließlich zu einem einzelnen Tatbestandsmerkmal zu treffen, ist durch Auslegung des jeweiligen Normzusammenhangs zu ermitteln (verneint etwa für die bloße Elementenfeststellung einer abhängigen Beschäftigung, grundlegend [X.] vom [X.] - B 12 R 11/07 R - [X.]E 103, 17 = [X.] 4-2400 § 7a [X.], Rd[X.]1 ff) und demgemäß - wie aufgezeigt (vgl oben b) - hier zu bejahen (vgl im Übrigen zur ausnahmsweisen Zulässigkeit einer Elementenfeststellungsklage bei umfänglicher Streiterledigung nur [X.] vom [X.] - [X.] [X.] 21/16 R - [X.] 4-3500 § 94 [X.] Rd[X.]7 mwN, sowie dazu, einem Anspruchsgrund zuzurechnende Fragen ausnahmsweise erst im Betragsverfahren zu klären BGHZ 108, 256, 259).

5. Die Geltendmachung eines [X.] bei [X.] zusätzlich zu einer Leistungsminderung bei Pflichtverletzung ("Sanktion") wegen desselben Verhaltens erfordert regelmäßig einen gesteigerten [X.], der sich auf die ihm vom Jobcenter zugrunde gelegten Umstände stützen muss.

a) Ersatzansprüche nach § 34 [X.] wegen der Herbeiführung (seit dem [X.] auch: der Erhöhung, dem Aufrechterhalten oder nicht Verringern) von Hilfebedürftigkeit nach dem [X.] bestehen - mindestens seit Ergänzung der amtlichen Überschrift der Vorschrift durch das Gesetz zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] ([X.] 453) - nur "bei sozialwidrigem Verhalten". Mit dieser Wendung (vgl ebenso BT-Drucks 17/3404 [X.]) ist Bezug genommen auf die Rechtsprechung des [X.] zu der bei der Einführung von [X.] und [X.] in unterschiedlicher Weise aufgegriffenen Regelung des § 92a [X.] (zu den Unterschieden und der Rechtsentwicklung vgl nur [X.] in jurisP[X.]-[X.], 2. Aufl 2014, § 103 Rd[X.]4 ff, Stand 14.2.2017), nach der die Ersatzpflicht wegen der Herbeiführung der Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe auf einen "engen deliktsähnlichen Ausnahmetatbestand" beschränkt war (stRspr; vgl zuletzt nur [X.] vom 10.4.2003 - 5 [X.] 4.02 - [X.]E 118, 109, 111 mwN); dem entspricht auch das Verständnis des [X.] von § 34 [X.] ([X.] vom 2.11.2012 - B 4 [X.]9/12 R - [X.]E 112, 135 = [X.] 4-4200 § 34 [X.], Rd[X.]7; [X.] vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]8).

b) Der einen Ersatzanspruch nach § 34 [X.] tragende Vorwurf der [X.] ist darin begründet, dass der Betreffende - im Sinne eines objektiven Unwerturteils - in zu missbilligender Weise sich selbst oder seine unterhaltsberechtigten Angehörigen in die Lage gebracht hat, existenzsichernde Leistungen in Anspruch nehmen zu müssen (vgl zu § 92a [X.] nur [X.] vom 14.1.1982 - 5 [X.] 70.80 - [X.]E 64, 318, 321 und zuletzt [X.] vom 10.4.2003 - 5 [X.] 4.02 - [X.]E 118, 109, 111, jeweils mwN; zu § 34 [X.] [X.] vom 2.11.2012 - B 4 [X.]9/12 R - [X.]E 112, 135 = [X.] 4-4200 § 34 [X.], Rd[X.]1 sowie [X.] vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]2). Verwendet er etwa erzielte Einnahmen nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts und wird dadurch Hilfebedürftigkeit herbeigeführt, kann dies einen Ersatzanspruch nach § 34 [X.] auslösen, wenn ein anderes Ausgabeverhalten grundsicherungsrechtlich abverlangt war ([X.] vom 29.11.2012 - [X.] [X.]3/12 R - [X.]E 112, 229 = [X.] 4-4200 § 11 [X.]7, Rd[X.]7 f; [X.] vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]2). Vergleichbar hat das [X.] sozialwidriges Verhalten erwogen bei der Aufgabe eines bestehenden [X.]rankenversicherungsschutzes ([X.] vom 23.9.1999 - 5 [X.] 22.99 - [X.]E 109, 331) oder bei der Schaffung einer Lage, die trotz vorangegangener Versagung zur Leistung von Sozialhilfe zwingt ([X.] vom 14.1.1982 - 5 [X.] 70.80 - [X.]E 64, 318). [X.] bei dieser Einordnung sind schließlich auch die im [X.] festgeschriebenen Wertmaßstäbe, in denen sich ausdrückt, welches Verhalten als dem Grundsatz der Eigenverantwortung vor Inanspruchnahme der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuwiderlaufend angesehen wird ([X.] vom 2.11.2012 - B 4 [X.]9/12 R - [X.]E 112, 135 = [X.] 4-4200 § 34 [X.], Rd[X.]0; [X.] vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]2).

c) Drücken danach grundsätzlich auch die Tatbestände des § 31 [X.] aus Sicht des [X.] nicht zu billigende Verhaltensweisen aus, deren Verletzung Ersatzansprüche nach § 34 [X.] begründen kann ([X.] vom 2.11.2012 - B 4 [X.]9/12 R - [X.]E 112, 135 = [X.] 4-4200 § 34 [X.], Rd[X.]0; [X.] vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]2), so folgt daraus jedoch nicht, dass jede Verwirklichung eines nach § 31 [X.] sanktionsbewehrten Tatbestands zugleich einen Ersatzanspruch nach § 34 [X.] begründet. Soll dasselbe Verhalten neben den Minderungsfolgen der §§ 31a und 31b [X.] zusätzlich eine Ersatzpflicht nach § 34 [X.] auslösen, setzt das mit Blick auf die uU erheblich schwerer wiegenden Folgen der Inanspruchnahme nach § 34 [X.] nach der Regelungssystematik regelmäßig vielmehr einen grundsätzlich gesteigerten [X.] voraus, der den unterschiedlichen Belastungswirkungen der §§ 31 ff [X.] auf der einen und des § 34 [X.] auf der anderen Seite gerecht wird; ansonsten bedürfte es der Minderungsregelung der §§ 31 ff [X.] und ihrer differenzierten Rechtsfolgen nicht.

Wie der Senat bereits entschieden hat, knüpfen die Regelungen der §§ 31 ff und des § 34 [X.] an jeweils unterschiedliche Voraussetzungen an und schließen es deshalb nicht aus, dass dasselbe Verhalten eine Leistungsminderung bei Pflichtverletzung ("Sanktion") und einen Ersatzanspruch bei sozialwidrigem Verhalten auslöst ([X.] vom [X.] - [X.] [X.]/16 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]8). Nach dem in der Rechtsprechung des [X.] zu § 92a [X.] entwickelten und vom Gesetzgeber des [X.] mit der Bezeichnung "Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten" aufgegriffenen Verständnis des § 34 [X.] als engem, deliktsähnlichem Ausnahmetatbestand (vgl zuletzt nur [X.] vom 10.4.2003 - 5 [X.] 4.02 - [X.]E 118, 109, 111 mwN; daran anschließend [X.] vom 2.11.2012 - B 4 [X.]9/12 R - [X.]E 112, 135 = [X.] 4-4200 § 34 [X.], Rd[X.]7; [X.] vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 34 [X.] Rd[X.]8) stehen die Vorschriften aber - soweit ein Ersatzanspruch nach § 34 [X.] an Verhalten anknüpfen soll, das schon Anlass für eine Leistungsminderung nach den §§ 31 ff [X.] gegeben hat - in einem Stufenverhältnis, nach dem auf die Verwirklichung eines nach § 31 [X.] sanktionsbewehrten Tatbestands regelhaft mit einer Minderung nach den §§ 31a und 31b [X.] zu reagieren und (nur) in einem besonderen Ausnahmefall zusätzlich ein Ersatzanspruch nach § 34 [X.] geltend zu machen ist. [X.]ennzeichen dessen ist, dass - deliktsähnlich - die in den Tatbeständen des § 31 [X.] ausgedrückten Verhaltenserwartungen in besonders hohem Maß verletzt worden sind.

d) Diese Bewertung muss sich grundsätzlich auf die Feststellungen stützen, die das Jobcenter der Feststellung des [X.] zugrunde gelegt hat. Ob ein Verhalten als sozialwidrig anzusehen ist oder nicht, ist regelmäßig nur unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls zu bewerten (vgl etwa [X.] vom 24.6.1976 - V [X.] 41.74 - [X.]E 51, 61, 65 ). Diese Umstände vollständig zu ermitteln, ist nach § 40 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 20 [X.] Aufgabe des [X.] im Verwaltungsverfahren. Fehlt es daran, sind die notwendigen Ermittlungen ungeachtet des Untersuchungsgrundsatzes auch im gerichtlichen Verfahren (§ 103 [X.]) in der in solchen Streitigkeiten gegebenen Prozesslage der reinen Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 [X.]) nur in Grenzen nachholbar (vgl im Einzelnen [X.] vom 25.6.2015 - [X.] [X.]0/14 R - [X.] 4-4200 § 60 [X.] Rd[X.]3 mwN).

6. Hiernach tragen die Feststellungen den streitbefangenen Grundlagenbescheid nicht. Im [X.] beschränken sie sich darauf, der [X.]läger habe sich durch seine Fehlzeiten vertragswidrig verhalten und damit dem Grunde nach Anlass zu einer Sperrzeit nach dem [X.]I gegeben. Abgesehen davon, dass für das öffentlich geförderte Berufsausbildungsverhältnis, in dem er sich befand, besondere Regelungen gelten, kann dem nicht entnommen werden, inwieweit damit im Sinne eines deliktsähnlichen Verständnisses von § 34 [X.] zugleich von einem sozialwidrigen Verhalten auszugehen ist. Das hätte nähere Ermittlungen bereits im Verwaltungsverfahren zu dem Vorwurf erfordert, dass der [X.]läger es auf eine Beendigung des Ausbildungsverhältnisses angelegt hat. Zudem wären dabei auch die Gründe einzubeziehen gewesen, die Anlass für seine Vermittlung in eine mit öffentlichen Mitteln geförderte außerbetriebliche Ausbildung gegeben haben.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 [X.] und berücksichtigt den - prozessualen - Teilerfolg des Beklagten im Revisionsverfahren.

Meta

B 14 AS 49/18 R

29.08.2019

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Gelsenkirchen, 23. Mai 2017, Az: S 44 AS 1057/16, Urteil

§ 96 Abs 1 SGG, § 34 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 13.05.2011, § 34 Abs 1 S 3 SGB 2 vom 13.05.2011, § 34 Abs 3 S 2 Halbs 2 SGB 2 vom 13.05.2011, § 31 Abs 2 Nr 4 SGB 2

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.08.2019, Az. B 14 AS 49/18 R (REWIS RS 2019, 4056)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 4056

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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B 14 AS 50/18 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Ersatzanspruch wegen sozialwidrigen Verhaltens - Aufgabe eines Arbeitsverhältnisses im Ausland zwecks …


B 14 AS 43/19 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Ersatzanspruch bei sozialwidrigem Verhalten - Taxifahrer - Verlust der Fahrerlaubnis und …


B 14 AS 55/12 R (Bundessozialgericht)

(Grundsicherung für Arbeitsuchende - Ersatzanspruchs nach § 34 SGB 2 aF - Befugnis zum Erlass …


B 8 SO 2/19 R (Bundessozialgericht)

(Sozialgerichtliches Verfahren - notwendige Beiladung des Sozialhilfeempfängers bei Geltendmachung von Kostenersatz nach § 103 SGB …


B 4 AS 66/20 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Ersatzanspruch wegen rechtswidrig erbrachter Leistungen - gesetzlicher Betreuer - Kausalzusammenhang - …


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