Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.12.2015, Az. 4 StR 423/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 1398

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Gegenstand

Absoluter Revisionsgrund im Strafverfahren: Beruhensprüfung bei geltend gemachter Verteidigungsbeschränkung; Ablehnung von Beweisanträgen des Angeklagten zur Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens sowie eines Glaubwürdigkeitsgutachten zu einer Zeugenbekundung


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] ([X.]) vom 21. Mai 2015 im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge und mehrere verfahrensrechtliche Beanstandungen gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat nur zum Strafausspruch Erfolg.

2

1. Zwar sind die Strafzumessungserwägungen der [X.] für sich materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Der Strafausspruch kann aber gleichwohl keinen Bestand haben, weil sich die Urteilsgründe nicht zum Vollstreckungsstand der Urteile des [X.] vom 2. Mai 2014 und vom 3. Juli 2014 verhalten. Da die verfahrensgegenständlichen Taten am 26. Februar 2014 begangen wurden, der Angeklagte am 24. Mai 2014 festgenommen wurde, er sich seit dem 25. Mai 2014 „ununterbrochen“ in Untersuchungshaft befindet ([X.]) und er bei nur unregelmäßigem Arbeitseinkommen hoch verschuldet ist ([X.] 4 bis 6), kann der [X.] nicht ausschließen, dass die in jenen Urteilen verhängten Geldstrafen im Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils noch nicht erledigt waren. Sollten sie erledigt sein und deshalb eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB ausscheiden, wäre – wie der [X.] in der Antragsschrift vom 14. September 2015 dargelegt hat – ein Härteausgleich möglich. Im Hinblick hierauf ist allerdings – über den Antrag des [X.]s hinaus – nicht nur der Ausspruch über die Gesamtstrafe, sondern der gesamte Strafausspruch aufzuheben und die Sache insoweit an das [X.] zurückzuverweisen.

3

2. Der Schuldspruch weist keinen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Ein solcher liegt im Hinblick auf die Besonderheiten des Falls auch nicht darin, dass das [X.] bezüglich der zum Nachteil von        S.     mit einem unbekannten Mittäter begangenen versuchten schweren räuberischen Erpressung den für die Prüfung eines strafbefreienden Rücktritts grundsätzlich erforderlichen (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 15. Mai 2014 – 3 StR 149/14, [X.], 8, 9 mwN) „Rücktrittshorizont“ des Angeklagten nicht festgestellt hat. Denn der [X.] kann angesichts der zum Abbruch der Tatausführung getroffenen Feststellungen (heftige Gegenwehr des Opfers und „Störung“ durch die Nachbarin) ausschließen, dass der Rücktritt freiwillig im Sinn des § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB erfolgt ist (vgl. auch [X.] 44 f.).

4

3. Auch die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Ergänzend zu den Ausführungen des [X.]s vom 24. September 2015 bemerkt der [X.]:

5

Den Beweisantrag auf Erholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens hat die [X.] auch hinsichtlich der am 28. Februar 2014 in der [X.]        gefertigten Lichtbilder rechtsfehlerfrei abge- lehnt (vgl. [X.], Urteil vom 1. Dezember 2011 – 3 StR 284/11, [X.], 345 unter anderem zum insofern zulässigen und gebotenen Freibeweis). Hinsichtlich des zur ([X.] der 200.000 € gestellten Beweisantrags (Zeugenvernehmung von Rechtsanwalt [X.]) fehlt es jedenfalls am [X.], da die [X.] – rechtsfehlerfrei – offen gelassen hat, ob es diesen Bargeldbetrag jemals gegeben hat ([X.] 12). Die Rüge zum Beweisantrag auf Erholung eines „Glaubwürdigkeitsgutachtens“ zu den „Bekundungen von        S.    “ ist schon deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil unter anderem der im Beweisantrag in Bezug genommene Bericht der „[X.]“ vom 4. März 2014 nicht vollständig mitgeteilt wurde; dies war schon deshalb unerlässlich, weil die [X.] festgestellt hat, dass der Zeuge (lediglich) vor 17 Jahren an einer Psychose litt ([X.] 33). Auch die Rüge zum Beweisantrag auf Erholung eines Sachverständigengutachtens zur [X.] des Pkw [X.] durch den Angeklagten ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), da der dort in Bezug genommene Spurensicherungsbericht nicht vollständig mitgeteilt wurde. Der Rüge der Ablehnung des [X.] (§ 338 Nr. 8 StPO) ist der Erfolg auch deshalb zu versagen, weil es für die Annahme, die Verteidigung sei in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden, nicht genügt, dass diese Beschränkung nur generell (abstrakt) geeignet ist, die gerichtliche Entscheidung zu beeinflussen. Vielmehr ist § 338 Nr. 8 StPO nur dann gegeben, wenn die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem [X.] und dem Urteil konkret besteht (vgl. [X.], Beschluss vom 2. Februar 2010 – 4 StR 599/09, [X.], 530, 531 mwN). Dies ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, zumal der Verteidiger den Ausführungen in dem Ablehnungsbeschluss, mit dem die späte Verbescheidung der Beweisanträge erläutert wird, nicht entgegengetreten ist und der [X.] – auch deshalb – keine Zweifel an der Richtigkeit der dortigen Darlegungen hat.

[X.]Roggenbuck                          Cierniak

                           Mutzbauer                                [X.]

Meta

4 StR 423/15

02.12.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankenthal, 21. Mai 2015, Az: 2 KLs 5110 Js 10023/14

§ 338 Nr 8 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.12.2015, Az. 4 StR 423/15 (REWIS RS 2015, 1398)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1398

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