Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.07.2013, Az. 4 StR 270/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 3756

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Gegenstand

Beweiswürdigung im Strafverfahren: Überprüfung des Ergebnisse der auf einer DNA-Untersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung; Einholung eines anthropologischen Identitätsgutachtens


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]     wird das Urteil des [X.] vom 16. Januar 2013 mit den Feststellungen aufgehoben

a) soweit der Angeklagte [X.]     wegen Raubes verurteilt wurde,

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weiter gehende Revision des Angeklagten [X.]     wird verworfen.

2. Die Revision des Angeklagten [X.]gegen das Urteil des [X.] vom 16. Januar 2013 wird verworfen.

Er hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]     wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Raubes und wegen versuchter räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, den Angeklagten [X.]hat es wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit "Bestimmen einer Person unter 18 Jahren zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln" zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt; im Übrigen hat es die Angeklagten freigesprochen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit der Sachrüge, der Angeklagte [X.]     zudem mit Verfahrensrügen. Das Rechtsmittel des Angeklagten [X.]     hat hinsichtlich der Verurteilung wegen Raubes Erfolg; dies führt zur Aufhebung auch der Gesamtstrafe. Im Übrigen ist es, wie die Revision des Angeklagten [X.]insgesamt, unbegründet.

2

1. Das Rechtsmittel des Angeklagten [X.]     hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit es sich gegen die Verurteilung wegen Raubes (Überfall vom 17. September 2010) richtet.

3

a) Das Tatgericht hat in den Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und ob die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den [X.] des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. [X.], Beschlüsse vom 19. August 1993 - 4 [X.], [X.]St 39, 291, 296 f.; vom 21. September 2004 - 3 [X.], [X.], 326). Dabei dürfen die Anforderungen, welche das Tatgericht an das Gutachten zu stellen hat, nicht mit den sachlichrechtlichen Anforderungen an den Inhalt der Urteilsgründe gleichgesetzt werden. Mögliche Fehlerquellen sind nur zu erörtern, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gibt (vgl. [X.], Beschluss vom 19. August 1993 - 4 [X.], aaO, 297 f.; zum Ganzen: [X.], Urteil vom 21. März 2013 - 3 [X.]/12).

4

In den Fällen einer [X.] reicht es für das Revisionsgericht zur Überprüfung, ob das Ergebnis einer auf einer [X.] beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung plausibel ist, im Regelfall aus, wenn das Tatgericht mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob diese unabhängig voneinander vererbbar sind (und mithin die Produktregel anwendbar ist), ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalkombination zu erwarten ist; sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ist zudem darzulegen, inwieweit dies bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. [X.], Urteil vom 21. März 2013 - 3 [X.]/12 mwN; zu ggf. geringeren Anforderungen bei einer Vielzahl weiterer gewichtiger Indizien [X.], Beschluss vom 23. Oktober 2012 - 1 [X.], [X.], 179, 180).

5

b) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen genügen die Darlegungen in dem landgerichtlichen Urteil nicht.

6

Denn die Strafkammer stützt die Überzeugung von der (Mit-)Täterschaft des Angeklagten [X.]     wesentlich auf das Ergebnis der Untersuchung von [X.] in einer Mischspur, die an dem bei der Tat von einem der Täter getragenen Einmal-Overall gesichert worden war. Hierzu teilt das [X.] (lediglich) mit, dass "beim Vergleich der in der [X.] erfassten Vergleichswerte … die Spur der Person A mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 53 Mrd. bei der in der [X.] lebenden Bevölkerung als Vergleichspopulation vom Angeklagten" stamme ([X.] 16).

7

c) Die Aufhebung der Verurteilung wegen Raubes hat die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge.

8

2. Im Übrigen hat das Rechtsmittel des Angeklagten [X.]     , wie auch die Revision des Angeklagten [X.]insgesamt, aus den vom [X.] in der Antragsschrift vom 20. Juni 2013 dargelegten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Ergänzend bemerkt der Senat zur Revision des Angeklagten [X.]     lediglich:

9

a) Hängt die Frage, ob der Tatrichter zur Prüfung der Täterschaft des Angeklagten ein anthropologisches Identitätsgutachten zu erholen hat, von der Qualität vorhandener Lichtbilder (hier: einer Überwachungskamera) ab, so hat er zunächst selbst zu beurteilen, ob die [X.] als Anknüpfungstatsachen für ein solches Gutachten geeignet sind ([X.], Urteil vom 15. Februar 2005 - 1 [X.] [Rn. 31], [X.], 458, 460). Hat er Zweifel, muss er im Wege des [X.] - etwa durch Befragung eines Sachverständigen - klären, ob die Qualität der Lichtbilder für eine sachverständige Beurteilung ausreicht. Dabei ist Maßstab nicht, ob der Sachverständige sichere oder eindeutige Schlüsse ziehen kann, vielmehr ist die Erholung des Gutachtens schon dann geboten, wenn seine Folgerungen die (Nicht-)Täterschaft des Angeklagten mehr oder weniger wahrscheinlich machen und das Gutachten hierdurch unter Berücksichtigung des sonstigen Beweisergebnisses Einfluss auf die Überzeugungsbildung des Gerichts erlangen kann (vgl. [X.], Urteil vom 1. Dezember 2011 - 3 [X.], [X.], 481, 482).

b) Zur Fassung des Schuldspruchs (hier der Kennzeichnung der Mittäterschaft im [X.] als "gemeinschaftlich") verweist der Senat auf die Kommentierung bei Meyer-Goßer, StPO, 56. Aufl., § 260 Rn. 24.

Sost-Scheible                          Roggenbuck                            Mutzbauer

                          Bender                                 [X.]

Meta

4 StR 270/13

31.07.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Siegen, 16. Januar 2013, Az: 21 KLs 23 Js 1069/11 - 5/12

§ 261 StPO, § 267 Abs 1 S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.07.2013, Az. 4 StR 270/13 (REWIS RS 2013, 3756)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3756

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