Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2012, Az. IX ZB 62/12

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1055

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX [X.]/12

vom

22. November 2012

in dem Verfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

ZPO § 114 Satz 1, § 116 Satz 1 Nr. 1; [X.] § 207
[X.] steht der Gewährung von Prozesskostenhilfe zugunsten des Insolvenzverwalters für die Verfolgung einer Forderung des Schuldners dann nicht entgegen, wenn sie im Falle der Beitreibung des Klagebetrages abgewendet würde.
[X.], Beschluss vom 22. November 2012 -
IX [X.]/12 -
OLG München

[X.]

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], [X.], Prof. Dr. [X.], [X.] und die Richterin Möhring

am 22. November 2012
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 5.
Zivilsenats des [X.] vom 8.
Mai 2012 aufgehoben.

[X.] wird zur erneuten Entscheidung
-
auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens
-
an das Beschwerdegericht zu-rückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, Verwalter in dem über das Vermögen des

R.

eröffneten Insolvenzverfahren, beabsichtigt, den Antragsgegner in seiner [X.] als Verwalter in dem über das Vermögen des D.

H.

eröffneten Insolvenzverfahren klageweise gemäß §§
60, 61 [X.] auf Schadensersatz in Höhe
von 29.577,05

der Forderung bildet der Vorwurf, R.

habe durch die Ausführung von [X.] gegen H.

nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über 1
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-
dessen Vermögen wertlose Forderungen erworben, weil der Antragsgegner diesem die Fortführung seines Betriebes gestattet habe.

Der Antragsteller beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil er bei einer Masse von 7.502,47

Verwaltervergütung von 7.736,13

e sei, die Verfahrenskosten auf-zubringen. Die Vorinstanzen haben den Antrag abgelehnt. Mit der von dem Be-schwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.

II.

Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 ZPO statthafte und auch im Übri-gen zulässige
Rechtsbeschwerde
ist begründet.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dem Antragsteller könne [X.] nicht bewilligt werden, weil sich nach Verfahrenseröffnung er-geben habe, dass nicht nur Masseunzulänglichkeit, sondern [X.] vorliege. Auf der Grundlage der tatsächlichen Angaben des Antragstellers seien die Voraussetzungen des §
207 Abs.
1 [X.] erfüllt, weil die Insolvenzmasse nicht die Verfahrenskosten abdecke. Dabei sei ohne Bedeutung, dass
im Falle einer erfolgreichen Prozessführung die [X.] entfalle.

2. Diese Beurteilung hält im entscheidenden Punkt rechtlicher Prüfung nicht stand. Dem Insolvenzverwalter kann Prozesskostenhilfe zwecks Einzie-hung einer Forderung des Schuldners
gegen einen Dritten
nicht gemäß §
114 Satz
1 ZPO unter dem Gesichtspunkt einer mutwilligen Rechtsverfolgung ver-2
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5
-

4

-
sagt werden, wenn eine bestehende [X.] bei Stattgabe der be-absichtigten Klage beseitigt werden kann.

a) Die Klage eines Insolvenzverwalters ist nicht schon dann mutwillig im Sinne von §
114 Satz
1 ZPO, wenn er Masseunzulänglichkeit angezeigt hat ([X.], Beschluss vom 16.
Juli 2009 -
IX
ZB 221/08, [X.], 1673 Rn.
5). [X.] ist die Lage, wenn sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens her-ausstellt, dass die Insolvenzmasse nicht einmal mehr ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken ([X.], [X.]O
Rn.
6).

[X.]) In einem solchen Fall stellt das Insolvenzgericht das Verfahren ein, wenn nicht ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach §
4a [X.] gestundet werden (§
207 Abs.
1 [X.]). Der Verwalter hat nach Wegfall der Verpflichtung zur Verwertung von Massegegenständen (§
207 Abs.
3 Satz
2 [X.]) nur noch die vorhandene liquide Masse zu verteilen ([X.] [X.]O). Prozesskostenhilfe für ein Klage-
oder Rechtsmittelverfahren des Verwal-ters kommt bei dieser Sachlage nicht in Betracht. Fordert das Gesetz die als-baldige Einstellung des Insolvenzverfahrens (§
207 Abs.
1 [X.]), kann nicht ein Anspruch auf Finanzierung eines erst noch durchzuführenden Rechtsstreits bestehen ([X.], [X.]O
Rn. 8). Danach scheidet hier die Bewilligung von [X.] grundsätzlich aus, weil mit Rücksicht auf die vorhandene [X.] von 7.502,47

7.736,13

Massearmut eingetreten ist.

bb) Für diese an die Masselosigkeit anknüpfende Beurteilung ist es ent-gegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ohne Bedeutung, ob der Verwal-ter -
wie in der durch Beschluss vom 16.
Juli 2009 ([X.]O) entschiedenen Sache
-
einen Anspruch aus Insolvenzanfechtung oder aus einem anderen Rechtsgrund 6
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5

-
zu verfolgen sucht. [X.] bei [X.] die Bewilligung von [X.] für einen mit der Verfahrensaufhebung erlöschenden Anfech-tungsanspruch aus, hat dies erst recht zu gelten, wenn der Anspruch nach [X.] weiter geltend gemacht werden kann. In dieser Weise ver-hält es sich im Streitfall, weil die beabsichtigte Klage
einen Einzelschaden des Schuldners zum Gegenstand hat (vgl. [X.], Beschluss vom
10.
Juli 2008 -
IX
ZB 172/07, WM
2008, 1691 Rn.
13), den dieser nach Verfahrenseinstellung selbständig verfolgen kann. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu befürchten, dass die Durchsetzung einer begründeten Forderung durch die Versagung von Prozesskostenhilfe vereitelt wird.

b) Entgegen der Würdigung des [X.] kommt zugunsten des Antragstellers trotz der eingetretenen [X.] ausnahmsweise die Gewährung von Prozesskostenhilfe in Betracht, weil im Falle der Durchset-zung der mit der
beabsichtigten Klage verfolgten Forderung in Höhe von h-lage kann die beabsichtigte Klage nicht als mutwillig eingestuft werden.

[X.]) Wie sich bereits aus dem angeführten Senatsbeschluss vom 16.
Juli 2009 ergibt, ist Prozesskostenhilfe in Fällen der [X.] nur zu ver-sagen, wenn auch die Durchsetzung des mit der beabsichtigten Klage verfolg-ten Anspruchs nicht dazu geeignet wäre, die eingetretene [X.] zu beheben
([X.]O, Rn.
4, 10). Daraus folgt im Gegenschluss, dass [X.] zu bewilligen ist, sofern die [X.] infolge der [X.] des Rechtsstreits, für den Prozesskostenhilfe beantragt wird, beseitigt werden kann ([X.], 688
f;
OLG [X.] Z[X.] 2011, 1947; HmbKomm-[X.]/Kuleisa, 5.
Aufl., §
80 Rn.
50; FK-[X.]/[X.], 6.
Aufl., §
207 Rn.
37; HK-[X.][X.], 6.
Aufl., §
80 Rn.
50; HK-[X.]/[X.], [X.]O
9
10
-

6

-
§
207 Rn. 16; Jaeger/Windel, [X.], §
207 Rn. 103; Graf-Schlicker/[X.], [X.],
3.
Aufl., §
207 Rn.
4; [X.], [X.], 13.
Aufl., §
80 Rn.
117; Musielak/
[X.], ZPO, 9.
Aufl., §
116 Rn. 5; [X.], EWiR 2010, 473; [X.] Celle ZIP 2010, 1464). Diese rechtliche Würdigung ermöglicht, dass ein Insolvenzverfah-ren mangels einer Einstellungspflicht fortgesetzt werden kann, wenn die Aktiva der Masse vornehmlich durchsetzbare Forderungen gegen Dritte wie Gesell-schafter, Geschäftsführer und [X.] bilden. Müsste ein Insol-venzverfahren wegen [X.] trotz durchsetzbarer Forderungen eingestellt werden, wäre [X.] zu raten, selbst als berechtigt erkann-ten Forderungen in der Hoffnung auf eine Verfahrenseinstellung entgegenzutre-ten (vgl. [X.], [X.]O). Diese unerwünschte Folge wäre mit der [X.] des Insolvenzverfahrens unvereinbar. Der [X.] sind darum im Rah-men der Kostendeckungsprüfung nach §
207 Abs.
1 [X.] auch bestrittene [X.] zuzurechnen, wenn für ihre erfolgreiche gerichtliche Geltendmachung eine im Sinne von §
114 ZPO
hinreichende Erfolgsaussicht besteht (Münch-Komm-[X.]/Hefermehl, 2.
Aufl. § 207 Rn. 22; Hinderer in [X.]/[X.]/
[X.], [X.] zum Insolvenzrecht, 2.
Aufl., §
207 Rn.
5; in diesem Sinne [X.] in [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], 2012, §
207 Rn.
7; BK-[X.]/[X.], 2007, §
207 Rn.
10; [X.]/[X.], [X.]O, §
207 Rn.
2).

bb) Zudem sichert diese Bewertung unter dem Gesichtspunkt der Verfah-renskostendeckung einen Gleichlauf der Voraussetzungen für die Versagung der Eröffnung (§
26 Abs.
1 Satz 1
[X.]) und die Einstellung eines Insolvenzver-fahrens (§
207 Abs.
1 Satz 1 [X.]).

Im Rahmen des §
26 Abs.
1 Satz 1 [X.] ist gemäß §
35 Abs.
1 [X.] ein erst nach Verfahrenseröffnung realisierbarer Neuerwerb (HK-[X.]/Kirchhof, [X.]O, §
26 Rn.
5) einschließlich möglicher anfechtungs-
und haftungsrechtlicher 11
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7

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Ansprüche (vgl. MünchKomm-[X.]/H[X.]rmeyer, [X.]O, §
26 Rn.
20) zu [X.]. Folgerichtig sind auch Forderungen als Vermögenswert einzustellen, die nur im [X.] und auf der Grundlage der Gewährung von [X.] (Jaeger/Schilken, [X.]O, §
26 Rn.
14) durchsetzbar sind (HK-[X.]/Kirch-hof, [X.]O, §
26 Rn.
7; [X.], [X.]O, §
26 Rn.
14). Danach ist ein Insolvenz-verfahren zu eröffnen, wenn die Verfahrenskosten erst im Laufe des Verfahrens durch
den
Einzug
der
dem Schuldner zustehenden
Forderungen bestritten wer-den können (Jaeger/Schilken, [X.]O, §
26 Rn.
29). Ebenso verhält es sich im Rahmen von §
207 Abs.
1 Satz
1 [X.]. Eine Einstellung wegen Massekosten-armut scheidet aus, wenn ein Neuerwerb (§
35 Abs.
1 [X.]) auf der Grundlage realisierbarer Forderungen absehbar ist (HK-[X.]/[X.], [X.]O, §
207 Rn.
16; HmbKomm-[X.]/Weitzmann, [X.]O, §
207 Rn.
8). Vor diesem Hinter-grund steht eine [X.] der Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht entgegen, wenn sie durch die beabsichtigte Klage abgewendet werden kann.

cc) Bei der Beurteilung, ob durch die beabsichtigte Klage die [X.] beseitigt werden kann, ist neben den ohnehin im Rahmen des §
114 ZPO zu prüfenden Erfolgsaussichten außerdem zu erwägen, ob
eine stattge-bende Entscheidung gegen den Beklagten wirtschaftlich durchgesetzt werden kann (vgl. [X.] 2012, 119, 120; [X.], [X.]O; [X.]/[X.], [X.], 5.
Aufl., §
207 Rn.
6; [X.], [X.]O). Falls die Leistungsfähigkeit des Beklag-ten mit Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage und die Höhe der Klageforde-rung nicht außer Zweifel steht, wird nach Maßgabe der voraussichtlichen Bei-treibbarkeit ein prozentualer Abschlag vorzunehmen sein. Diese Bewertung obliegt zuvörderst dem Tatrichter. Im Streitfall erscheint ein solcher Abschlag mit Rücksicht auf die Höhe der Forderung und die Stellung des Beklagten als Rechtsanwalt nicht naheliegend.
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-

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c) Ohne Erfolg beruft sich die Beschwerde darauf, im Streitfall seien zu-dem die Stundungsvoraussetzungen nach §
4a [X.] gegeben. Über einen ent-sprechenden Antrag ist bislang nicht entschieden worden. Das [X.] kann eine solche Kostenstundung nicht gewähren.

d) [X.] ist mangels Endentscheidungsreife gemäß §
577 Abs.
4 Satz 1 ZPO an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Dies gibt dem Be-schwerdegericht die Gelegenheit, die übrigen Voraussetzungen (§§
114, 116 Satz
1 Nr.
1 ZPO) für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu prüfen.

Kayser

Raebel

[X.]

[X.]
Möhring
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.02.2012 -
51 O 3108/11 -

OLG München, Entscheidung vom 08.05.2012 -
5 W 441/12 -

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15

Meta

IX ZB 62/12

22.11.2012

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2012, Az. IX ZB 62/12 (REWIS RS 2012, 1055)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1055

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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