Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2005, Az. VIII ZR 349/04

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1273

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] [X.] ZR 349/04
vom 19. Oktober 2005 in dem Rechtsstreit

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 19. Oktober 2005 durch [X.] [X.] als Vorsitzenden und [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.]in [X.] beschlossen: Der Beschwerde der [X.] wird stattgegeben. Das Urteil des 14. Zivilsenats des [X.] vom 23. November 2004 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 483.195 • festgesetzt. Gründe: [X.] Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zuläs-sig (§§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 544 ZPO; § 26 Nr. 8 EGZPO). Sie ist auch [X.] und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil das [X.] bei seiner Entscheidung den Anspruch der [X.] auf [X.] Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat und deshalb die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfor-dert (st. Rspr., zuletzt Senatsbeschluss vom 5. April 2005 [X.] [X.] ZR 160/04, NJW 2005, 1950 unter I). 1 - 3 - In Fällen der Verletzung rechtlichen Gehörs kann das Revisionsgericht der Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss stattgeben und unter Aufhe-bung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zu-rückverweisen (§ 544 Abs. 7 ZPO). Von dieser Möglichkeit macht der Senat hier Gebrauch. I[X.] Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Geschäftsanteilskaufver-trag. Im Zusammenhang mit diesem Vertrag hatten die Parteien unter anderem vereinbart, dass der Kläger [X.] der Verkäufer [X.] zur Absicherung etwaiger [X.] der [X.] wegen Verletzung vertraglicher Garantien, Zusicherun-gen und sonstiger Haftungen an die Beklagte seine in zwei Bankdepots ver-buchten Wertpapiere verpfändet. Diese Wertpapiere ließ die Beklagte im Jahre 2001 verwerten, nachdem der Kläger die von der [X.] erhobenen Scha-densersatzforderungen wegen der steuerlichen Folgen der verdeckten Gewinn-ausschüttungen abgelehnt hatte. Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass der [X.] die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht zuste-hen; er verlangt von ihr im vorliegenden Rechtsstreit [X.] neben einem Abfin-dungsguthaben und einer Tantieme [X.] die Auszahlung des [X.] unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung. 1. Das [X.] hat die von den Parteien geltend gemachten Forde-rungen und Gegenforderungen im Einzelnen geprüft und sodann der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das [X.] hat die von der [X.] erhobenen Schadensersatzansprüche [X.] anders als das [X.] [X.] an sich bejaht, sie jedoch wegen Mitverschuldens der [X.] im Ergebnis als un[X.] angesehen und deshalb die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach der übereinstimmenden Darstellung 2 3 4 - 4 - der Parteivertreter in der Berufungsverhandlung hätten die steuerlichen Nachteile, die sich aus den verdeckten Gewinnausschüttungen des [X.] ergeben hätten, vermieden werden können, wenn die Beklagte diese Steuerfol-gen "nicht bei der (erworbenen) [X.], sondern bei sich selbst reali-siert" hätte, was ihr ohne weiteres möglich gewesen wäre. Dass eine derartige [X.] unschädliche [X.] Realisierung der steuerlichen Folgen jetzt nicht mehr möglich sei, beruhe lediglich auf der von der [X.] vorgenommenen Verschmel-zung der [X.] auf sie, die Beklagte. Für die Folgen ihrer eigenen wirt-schaftlichen Entscheidung habe die Beklagte jedoch selbst einzustehen, und sie könne diese nicht im Wege des Schadensersatzes auf den Kläger abwäl-zen. 2. Zu Recht rügt die Beklagte mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, dass das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung ihr Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör verletzt hat. a) Das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gebietet es, dass sich das Gericht mit allen wesentlichen Punkten des Vortrags einer Partei auseinandersetzt. Zwar muss nicht jede Erwägung in den [X.] ausdrücklich erörtert werden (§ 313 Abs. 3 ZPO). Aus dem Gesamtzusammen-hang der Gründe muss aber hervorgehen, dass das Gericht die wesentlichen Punkte berücksichtigt und in seine Überlegungen mit einbezogen hat ([X.] vom 5. April 2005 [X.] [X.] ZR 160/04, NJW 2005, 1950 = [X.] 2005, 1072 unter [X.]; vgl. auch [X.], NJW 1996, 3202 und NJW-RR 1995, 1033; [X.]/[X.], ZPO, 25. Aufl., [X.]. 6 b vor § 128). Dazu muss es seine Erwägungen nachvollziehbar und in einer verständlichen Weise darlegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Fall [X.] wie hier [X.] schwierige Rechtsfragen aufwirft, deren Beantwortung sich nicht mehr oder weniger von selbst ergibt. 5 6 - 5 - An einer solchen Darlegung fehlt es hier. Das Berufungsgericht hat sich in den Gründen des Urteils mit dem von der [X.] geltend gemachten Steuerschaden, insbesondere der sog. "Schattenwirkung", in keiner Weise aus-einandergesetzt. Eine solche Auseinandersetzung wäre nur entbehrlich gewe-sen, wenn sich dieser Komplex mit der im Berufungsurteil wiedergegebenen Erklärung der Parteivertreter über die "Realisierung der steuerlichen Folgen" erledigt hätte. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet an den oben wiedergege-benen, äußerst knappen Ausführungen des Berufungsgerichts zu dem von der [X.] in den Vorinstanzen umfangreich vorgetragenen Steuerschaden ins-besondere, sie seien nicht nachvollziehbar und ließen nicht erkennen, was das Berufungsgericht hier eigentlich meine; es leuchte nicht ein, weshalb sich eine [X.] durch ein Urteil des zuständigen [X.]s belegte [X.] steuerliche [X.] nicht auswirken solle, wenn die Beklagte diese Folgen bei sich selbst "realisiert" hätte. Diese Rüge trifft zu. Die höhere Steuerfestsetzung, die die Beklagte als Schaden geltend macht, beruhte nach ihrem Vortrag darauf, dass das Finanz-amt und das [X.] die vom Kläger in den Jahren 1992 bis 1994 ent-nommenen Tantiemen nicht anerkannt, sondern als verdeckte [X.] behandelt haben; davon geht auch das Berufungsgericht aus. Es ist nicht zu erkennen, wie die Beklagte die sich daraus ergebende steuerliche Belastung "ohne weiteres" dadurch hätte vermeiden können, dass sie sie nicht bei der [X.] als Steuerschuldnerin, sondern bei sich selbst "realisiert" hätte. Gänzlich unklar bleibt auch, was das Berufungsgericht mit dem Begriff der "Realisierung" der steuerlichen Belastung meint. Es kommt hinzu, dass sich die Beklagte auf weitere Steuernachteile in Gestalt der sog. steuerlichen 7 8 9 - 6 - "Schattenwirkung" berufen hat. Auch auf diese Frage geht das Berufungsurteil nicht einmal andeutungsweise ein. Angesichts dieser kaum verständlichen, jedenfalls nicht [X.] Darlegungen des Berufungsurteils ist davon auszugehen, dass das [X.] die Ausführungen, mit denen die Beklagte in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ihren Schadensersatzanspruch begründet hat, zumindest nicht in ihrem Kern zur Kenntnis genommen und mit der gebotenen Sorgfalt geprüft hat. Eine solche schwerwiegende Unterlassung verletzt den Anspruch der Prozesspartei auf rechtliches Gehör. b) Der Einwand des [X.], das Berufungsgericht habe sich bei seinen Erwägungen zur Vermeidbarkeit des [X.] auf die übereinstimmen-de Erklärung der Parteivertreter in der Berufungsverhandlung gestützt, und jene Erklärung werde von der [X.] des § 314 ZPO erfasst, ist unzu-treffend. Zwar gilt die [X.] des § 314 Satz 1 ZPO auch für derartige [X.], die sowohl tatsächliche als auch rechtliche Gesichtspunkte enthalten (vgl. Musielak/Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 314 [X.]. 2 und 3); aus dem Protokoll ergibt sich nichts, was den Beweis des Tatbestandes entkräften würde (§ 314 Satz 2 ZPO). Die Sätze des Berufungsurteils über die übereinstimmenden [X.] der Parteivertreter entfalten hier aber deshalb keine Beweiswirkung, weil ihr Inhalt nicht nachvollziehbar ist und der nötigen Substanz entbehrt. Der pauschale, in keiner Weise differenzierende Begriff der "steuerlichen Folgen" lässt nicht erkennen, was damit konkret gemeint ist und ob insbesondere die sog. "Schattenwirkung" umfasst sein soll. Vollends unklar bleibt die Bedeutung der Formulierung, der [X.] hätte es "ohne weiteres frei gestanden", die steuerlichen Folgen "ohne jegliche nachteilige Rechtsfolgen für die Parteien" bei sich selbst "zu realisieren". 10 11 - 7 - 3. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs; denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht anders entschieden hätte, wenn es Art, Umfang und mögliche Behandlung der steuerli-chen Nachteile, für die der Kläger nach Auffassung des Berufungsgerichts an sich einzustehen hat, mit der gebotenen Sorgfalt geprüft und mit den Parteien erörtert hätte. Angesichts der vom Berufungsgericht [X.] aus seiner Sicht folgerichtig [X.] bisher nicht geklärten Höhe eines etwaigen Schadensersatzanspruches der [X.] kommt eine nur teilweise Aufhebung des Berufungsurteils [X.] insbe-sondere etwa eine Beschränkung auf den vom Kläger herausverlangten Ver-wertungserlös [X.] nicht in Betracht. Dr. [X.] [X.] [X.]
[X.] [X.]

Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 08.02.2002 - 91 O 75/01 -

KG Berlin, Entscheidung vom 23.11.2004 - 14 U 58/02 -

12 13

Meta

VIII ZR 349/04

19.10.2005

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2005, Az. VIII ZR 349/04 (REWIS RS 2005, 1273)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1273

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI ZR 271/13 (Bundesgerichtshof)

Revisionsverfahren: Geltendmachung der Unrichtigkeit tatbestandlicher Feststellungen des Berufungsurteils; Anforderungen an das Bestreiten der nicht darlegungsbelasteten …


VIII ZR 160/04 (Bundesgerichtshof)


VIII ZR 340/06 (Bundesgerichtshof)


VIII ZR 61/04 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 176/12 (Bundesgerichtshof)

Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen Steuerberater nach altem Recht: Verjährungsbeginn für einen Kostenschaden durch Rückgängigmachung einer …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.