Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.05.2013, Az. I ZB 25/12

1. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5789

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Gegenstand

Urheberrechtsverletzungen durch Teilnahme an Internet-Musiktauschbörsen: Antrag auf Auskunftserteilung seitens des Providers über den Namen und Anschrift von Internet-Nutzern aufgrund deren dynamischer IP-Adressen in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzungen


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 6. Zivilsenats des [X.] vom 6. Februar 2012 aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 18. Zivilkammer des [X.] vom 15. September 2011 abgeändert, soweit der Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen worden ist.

Der Beteiligten wird gestattet, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer Auskunft zu erteilen, denen die in der Anlage ASt 1 des Beschlusses der 18. Zivilkammer des [X.] vom 31. August 2011 aufgeführten IP-Adressen im Hinblick auf die Werke "[X.]" und "[X.]" (laufende Nummern 1 bis 61 und 148 bis 188, jeweils einschließlich) zu den jeweiligen Zeitpunkten zugewiesen waren.

Die Kosten der gerichtlichen Anordnung trägt die Antragstellerin.

Gegenstandswert: 6.000 €.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin ist ein Musikvertriebsunternehmen. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den Musikaufnahmen "[X.]" der Künstlerin [X.] und "[X.]" der Künstlerin [X.].

2

Die Antragstellerin hat die [X.] beauftragt, [X.] im Blick auf diese Aufnahmen zu überwachen. Die [X.] verfügt über eine Software, mit der festgestellt werden kann, über welchen Internetanschluss eine bestimmte Datei zum Download angeboten wird. Die von der Antragstellerin vorgelegte Anlage ASt 1 enthält von der [X.] ermittelte IP-Adressen, die Nutzern zugewiesen waren, die die Aufnahmen "[X.]" und "[X.]" in der [X.] zwischen dem 25. August und dem 29. August 2011 über eine Online-Tauschbörse anderen Nutzern zum Herunterladen angeboten hatten. Die jeweiligen (dynamischen) IP-Adressen waren den Nutzern von der weiteren Beteiligten, der [X.], als Internet-Provider zugewiesen worden.

3

Die Antragstellerin hat gemäß § 101 Abs. 9 [X.] in Verbindung mit § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] beantragt, der weiteren Beteiligten zu gestatten,

ihr unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer Auskunft zu erteilen, denen die in der Anlage ASt 1 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen [X.]punkten zugewiesen waren.

4

Das [X.] hat den Antrag - soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung - abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag - soweit dieser zurückgewiesen worden ist - weiter.

5

II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die zum Erlass der begehrten Anordnung erforderliche Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß sei hinsichtlich der Musikwerke "[X.]" der Künstlerin [X.] und "[X.]" der Künstlerin [X.] nicht gegeben. Das gemäß § 101 Abs. 2 [X.] vorausgesetzte gewerbliche Ausmaß könne bei Rechtsverletzungen, die später als sechs Monate nach Erscheinen des Titels erfolgten, nur unter besonderen Voraussetzungen bejaht werden. Diese Voraussetzungen lägen auch unter Berücksichtigung der angeführten Chartplatzierungen der genannten Musikwerke nicht vor.

6

III. Die gemäß § 101 Abs. 9 Satz 4 [X.], § 70 Abs. 1 FamFG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde der Antragstellerin ist begründet.

7

Der Antrag, es der Beteiligten zu gestatten, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG über den Namen und die Anschriften derjenigen Nutzer Auskunft zu erteilen, denen die in der Anlage ASt 1 hinsichtlich der Musikwerke "[X.]" der Künstlerin [X.] und "[X.]" der Künstlerin [X.] aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen [X.]punkten zugewiesen waren, kann mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung nicht abgelehnt werden.

8

Der [X.] hat - nachdem das Beschwerdegericht den angegriffenen Beschluss erlassen hat - entschieden, dass der in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung bestehende Anspruch aus § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] auf Auskunft gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte, nicht voraussetzt, dass die rechtsverletzenden Tätigkeiten das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht in gewerblichem Ausmaß verletzt haben ([X.], Beschluss vom 19. April 2012 - [X.]/11, [X.], 1026 Rn. 10 bis 30 = [X.], 1250 - Alles kann besser werden). Er hat ferner entschieden, dass auch die Begründetheit des Antrags nach § 101 Abs. 9 Satz 1 [X.] auf Gestattung der Verwendung von Verkehrsdaten zur Erteilung der Auskunft über den Namen und die Anschrift der Nutzer, denen zu bestimmten [X.]punkten bestimmte (dynamische) IP-Adressen zugewiesen waren, jedenfalls in den Fällen, in denen ein Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] wegen einer offensichtlichen Rechtsverletzung gegen eine Person besteht, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht hat, grundsätzlich kein besonderes und insbesondere kein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung voraussetzt ([X.], [X.], 1026 Rn. 40 bis 52 - Alles kann besser werden).

9

IV. Danach ist der Beschluss des [X.] auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin aufzuheben. Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist (§ 101 Abs. 9 Satz 4 [X.], § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Auf die Beschwerde der Antragstellerin ist der Beschluss des [X.]s abzuändern. Dem Antrag, der Beteiligten zu gestatten, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer Auskunft zu erteilen, denen die in der Anlage ASt 1 hinsichtlich der Musikwerke "[X.]" der Künstlerin [X.] und "[X.]" der Künstlerin [X.] aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen [X.]punkten zugewiesen waren, ist stattzugeben.

1. Die Antragstellerin hat gegen die Beteiligte einen Anspruch aus § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] auf Auskunft über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer, denen die in der Anlage ASt 1 aufgeführten IP-Adressen auch hinsichtlich der Musikwerke "[X.]" der Künstlerin [X.] und "[X.]" der Künstlerin [X.] zu den jeweiligen [X.]punkten zugewiesen waren.

a) Die Antragstellerin ist als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an den genannten Musikwerken berechtigt, den Auskunftsanspruch geltend zu machen. Ihr steht auch das ausschließliche Recht zu, die Musikwerke öffentlich zugänglich zu machen (§ 19a [X.]).

b) Dieses ausschließliche Recht ist dadurch verletzt worden, dass Nutzer die Musikwerke "[X.]" der Künstlerin [X.] und "[X.]" der Künstlerin [X.] in der [X.] zwischen dem 25. August 2011 und dem 29. August 2011 über eine Online-Tauschbörse anderen Nutzern zum Herunterladen angeboten haben. Die Rechtsverletzung ist auch offensichtlich; sie ist so eindeutig, dass eine ungerechtfertigte Belastung der Beteiligten ausgeschlossen erscheint (vgl. BT-Drucks. 16/5048, [X.] 39).

c) Die Beteiligte hat als Internet-Provider den Nutzern die Internetanschlüsse zur Verfügung gestellt und die jeweiligen (dynamischen) IP-Adressen zugewiesen und damit in gewerblichem Ausmaß für die rechtsverletzenden Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht.

d) Die Inanspruchnahme der Beteiligten auf Auskunftserteilung ist auch nicht unverhältnismäßig (§ 101 Abs. 4 [X.]). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Antragstellerin als Auskunftsberechtigte kein oder nur ein äußerst geringes Interesse daran haben kann, die Rechtsverletzer genannt zu bekommen (vgl. [X.], [X.], 1026 Rn. 36 - Alles kann besser werden).

2. Die begehrte Auskunft über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer, denen die fraglichen IP-Adressen zu den besagten [X.]en zugewiesen waren, kann nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nr. 30 TKG) im Sinne des § 101 Abs. 9 Satz 1 [X.] erteilt werden (vgl. [X.], [X.], 1026 Rn. 37 bis 39 - Alles kann besser werden).

3. Die Begründetheit des Antrags nach § 101 Abs. 9 Satz 1 [X.] auf Gestattung der Verwendung von Verkehrsdaten zur Erteilung der Auskunft über den Namen und die Anschrift der Nutzer, denen zu bestimmten [X.]punkten bestimmte (dynamische) IP-Adressen zugewiesen waren, setzt jedenfalls in den Fällen, in denen - wie hier - ein Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] wegen einer offensichtlichen Rechtsverletzung gegen eine Person besteht, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht hat, grundsätzlich kein besonderes und insbesondere kein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung voraus (vgl. [X.], [X.], 1026 Rn. 40 bis 52 - Alles kann besser werden).

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 101 Abs. 9 Satz 5 [X.], die Festsetzung des [X.] auf § 30 Abs. 2 Satz 2 KostO.

Bornkamm                       Pokrant                          Büscher

                      Koch                          Löffler

Meta

I ZB 25/12

16.05.2013

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Köln, 6. Februar 2012, Az: 6 W 21/12, Beschluss

§ 101 Abs 2 S 1 Nr 3 UrhG, § 101 Abs 9 S 1 UrhG, § 3 Nr 30 TKG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.05.2013, Az. I ZB 25/12 (REWIS RS 2013, 5789)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5789

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

I ZB 25/12

Zitiert

I ZB 80/11

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