Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.05.2013, Az. I ZB 44/12

1. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5679

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Gegenstand

Urheberrechtsverletzung im Internet: Anspruch auf Mitteilung von Verkehrsdaten durch Provider


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 6. Zivilsenats des [X.] vom 11. April 2012 aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 28. Zivilkammer des [X.] vom 8. März 2012 abgeändert.

Der Beteiligten wird gestattet, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer Auskunft zu erteilen, denen die in der Anlage ASt 1 des Beschlusses der 28. Zivilkammer des [X.] vom 2. Februar 2012 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen Zeitpunkten zugewiesen waren.

Die Kosten der gerichtlichen Anordnung trägt die Antragstellerin.

Gegenstandswert: 3.000 €.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin ist ein Softwareunternehmen. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel "[X.] 2010".

2

Die Antragstellerin hat die [X.] beauftragt, [X.] im Blick auf das Computerspiel zu überwachen. Die [X.] verfügt über eine Software, mit der festgestellt werden kann, über welchen Internetanschluss eine bestimmte Datei zum Download angeboten wird. Die von der Antragstellerin vorgelegte Anlage ASt 1 enthält von der [X.] ermittelte IP-Adressen, die Nutzern zugewie- sen waren, die das Computerspiel "[X.] 2010" in der [X.] zwischen dem 26. Januar und dem 1. Februar 2012 über eine Online-Tauschbörse anderen Nutzern zum Herunterladen angeboten hatten. Die jeweiligen (dynamischen) IP-Adressen waren den Nutzern von der weiteren Beteiligten, der [X.], als Internet-Provider zugewiesen worden.

3

Die Antragstellerin hat gemäß § 101 Abs. 9 [X.] in Verbindung mit § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] beantragt, der weiteren Beteiligten zu gestatten,

ihr unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer Auskunft zu erteilen, denen die in der Anlage ASt 1 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen [X.]punkten zugewiesen waren.

4

Das [X.] hat den Antrag abgelehnt. Die Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag weiter.

5

II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die zum Erlass der begehrten Anordnung erforderliche Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß sei hinsichtlich des Computerspiels "[X.] 2010" nicht gegeben. Das gemäß § 101 Abs. 2 [X.] vorausgesetzte gewerbliche Ausmaß könne bei Rechtsverletzungen, die längere [X.] nach dem Erscheinen des Computerspiels erfolgten, nur unter besonderen Voraussetzungen bejaht werden. Diese Voraussetzungen lägen auch unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin angeführten Umstände wie beispielsweise der Downloadzahlen nicht vor.

6

III. Die gemäß § 101 Abs. 9 Satz 4 [X.], § 70 Abs. 1 FamFG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde der Antragstellerin ist begründet.

7

Der Antrag, es der Beteiligten zu gestatten, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG über den Namen und die Anschriften derjenigen Nutzer Auskunft zu erteilen, denen die in der Anlage ASt 1 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen [X.]punkten zugewiesen waren, kann mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung nicht abgelehnt werden.

8

Der [X.] hat - nachdem das Beschwerdegericht den angegriffenen Beschluss erlassen hat - entschieden, dass der in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung bestehende Anspruch aus § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] auf Auskunft gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte, nicht voraussetzt, dass die rechtsverletzenden Tätigkeiten das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht in gewerblichem Ausmaß verletzt haben ([X.], Beschluss vom 19. April 2012 - [X.]/11, [X.], 1026 Rn. 10 bis 30 = [X.], 1250 - Alles kann besser werden). Er hat ferner entschieden, dass auch die Begründetheit des Antrags nach § 101 Abs. 9 Satz 1 [X.] auf Gestattung der Verwendung von Verkehrsdaten zur Erteilung der Auskunft über den Namen und die Anschrift der Nutzer, denen zu bestimmten [X.]punkten bestimmte (dynamische) IP-Adressen zugewiesen waren, jedenfalls in den Fällen, in denen ein Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] wegen einer offensichtlichen Rechtsverletzung gegen eine Person besteht, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht hat, grundsätzlich kein besonderes und insbesondere kein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung voraussetzt ([X.], [X.], 1026 Rn. 40 bis 52 - Alles kann besser werden).

9

IV. Danach ist der Beschluss des [X.] auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin aufzuheben. Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist (§ 101 Abs. 9 Satz 4 [X.], § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Auf die Beschwerde der Antragstellerin ist der Beschluss des [X.]s abzuändern. Dem Antrag, der Beteiligten zu gestatten, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer Auskunft zu erteilen, denen die in der Anlage ASt 1 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen [X.]punkten zugewiesen waren, ist stattzugeben.

1. Die Antragstellerin hat gegen die Beteiligte einen Anspruch aus § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] auf Auskunft über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer, denen die in der Anlage ASt 1 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen [X.]punkten zugewiesen waren.

a) Die Antragstellerin ist als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel "[X.] 2010" berechtigt, den Auskunftsanspruch geltend zu machen. Ihr steht auch das ausschließliche Recht zu, das Computerspiel öffentlich zugänglich zu machen (§ 19a [X.]).

b) Dieses ausschließliche Recht ist dadurch verletzt worden, dass Nutzer das Computerspiel "[X.] 2010" in der [X.] zwischen dem 26. Januar 2012 und dem 1. Februar 2012 über eine Online-Tauschbörse anderen Nutzern zum Herunterladen angeboten haben. Die Rechtsverletzung ist auch offensichtlich; sie ist so eindeutig, dass eine ungerechtfertigte Belastung der Beteiligten ausgeschlossen erscheint (vgl. BT-Drucks. 16/5048, [X.] 39).

c) Die Beteiligte hat als Internet-Provider den Nutzern die Internetanschlüsse zur Verfügung gestellt und die jeweiligen (dynamischen) IP-Adressen zugewiesen und damit in gewerblichem Ausmaß für die rechtsverletzenden Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht.

d) Die Inanspruchnahme der Beteiligten auf Auskunftserteilung ist auch nicht unverhältnismäßig (§ 101 Abs. 4 [X.]). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Antragstellerin als Auskunftsberechtigte kein oder nur ein äußerst geringes Interesse daran haben kann, die Rechtsverletzer genannt zu bekommen (vgl. [X.], [X.], 1026 Rn. 36 - Alles kann besser werden).

2. Die begehrte Auskunft über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer, denen die fraglichen IP-Adressen zu den besagten [X.]en zugewiesen waren, kann nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nr. 30 TKG) im Sinne des § 101 Abs. 9 Satz 1 [X.] erteilt werden (vgl. [X.], [X.], 1026 Rn. 37 bis 39 - Alles kann besser werden).

3. Die Begründetheit des Antrags nach § 101 Abs. 9 Satz 1 [X.] auf Gestattung der Verwendung von Verkehrsdaten zur Erteilung der Auskunft über den Namen und die Anschrift der Nutzer, denen zu bestimmten [X.]punkten bestimmte (dynamische) IP-Adressen zugewiesen waren, setzt jedenfalls in den Fällen, in denen - wie hier - ein Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] wegen einer offensichtlichen Rechtsverletzung gegen eine Person besteht, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht hat, grundsätzlich kein besonderes und insbesondere kein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung voraus (vgl. [X.], [X.], 1026 Rn. 40 bis 52 - Alles kann besser werden).

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 101 Abs. 9 Satz 5 [X.], die Festsetzung des [X.] auf § 30 Abs. 2 Satz 2 KostO.

Bornkamm                            Pokrant                             Büscher

                         Koch                              [X.]

Meta

I ZB 44/12

16.05.2013

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Köln, 11. April 2012, Az: 6 W 90/12, Beschluss

§ 19a UrhG, § 101 Abs 2 S 1 Nr 3 UrhG, § 101 Abs 9 UrhG, § 3 Nr 30 TKG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.05.2013, Az. I ZB 44/12 (REWIS RS 2013, 5679)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5679

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Referenzen
Wird zitiert von

I ZB 44/12

12 U 16/13

12 U 9/14

Zitiert

I ZB 80/11

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