Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.03.2012, Az. 5 C 5/11

5. Senat | REWIS RS 2012, 8017

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Ausschluss der Einbürgerung; Überschreiten der Bagatellgrenze von 90 Tagessätzen Geldstrafe um ein Drittel


Leitsatz

Eine Strafverurteilung, welche die gesetzliche Unbeachtlichkeitsgrenze von Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten (§ 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StAG ) um ein Drittel überschreitet, übersteigt diese nicht "geringfügig" im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Einbürgerung in den [X.] Staatsverband.

2

Der 1977 in [X.] geborene Kläger ist [X.] Staatsangehöriger. Er reiste im Dezember 2000 in das [X.] ein und beantragte Asyl. Das [X.] stellte auf diesen Antrag im Februar 2001 [X.] fest. Der Kläger erhielt fortan Aufenthaltstitel, zuletzt im Dezember 2007 eine Niederlassungserlaubnis.

3

Das Amtsgericht verurteilte den Kläger Anfang 2004 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen.

4

Im Dezember 2007 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Auf dem Formblatt der Beklagten füllte er die Rubrik für Strafverurteilungen nicht aus, sondern kreuzte das Feld "keine Straftaten" an. Ferner gab er an, seit September 2006 als freier Journalist bei der D. tätig zu sein, wobei sein journalistischer Arbeitsbereich den Nahen Osten betreffe. Er habe eine repräsentative Funktion für das Ansehen der [X.] im Ausland.

5

Mit Bescheid vom 16. Juni 2008 lehnte die Beklagte den Einbürgerungsantrag des [X.] ab, weil seine Strafverurteilung die Unbedenklichkeitsgrenze von 90 Tagessätzen mehr als geringfügig übersteige.

6

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Einbürgerung mit Urteil vom 10. Februar 2010 abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 14. März 2011 die Entscheidung der Vorinstanz geändert und die Beklagte unter Aufhebung ihres [X.] verpflichtet, den Einbürgerungsantrag des [X.] unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Der Kläger habe weder einen Einbürgerungsanspruch aus § 10 Abs. 1 [X.] noch aus § 8 Abs. 1 [X.], weil er die Voraussetzung der Straffreiheit nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.] nicht erfülle und die Bagatellgrenze des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] (Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen) nicht einhalte. Er habe jedoch einen Anspruch auf Neubescheidung seines [X.] aus § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.], da die gegen ihn verhängte Geldstrafe von 120 Tagessätzen den Rahmen von 90 Tagessätzen nur geringfügig übersteige. Das Tatbestandsmerkmal "geringfügig" im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] sei so auszulegen, dass es bei einer Überschreitung der Bagatellgrenze um nicht mehr als 30 Tagessätze Geldstrafe oder einen Monat Freiheitsstrafe noch erfüllt sei. Andernfalls werde der Vorschrift kein ausreichendes praktisches Anwendungsspektrum insbesondere bei Freiheitsstrafen belassen. Denn eine oberhalb der Bagatellgrenze von drei Monaten liegende Verurteilung zu einer Einzelfreiheitsstrafe betrage in der Praxis fast immer mindestens vier Monate, weil die Strafgerichte nahezu ausschließlich nach Monaten bemessene Einzelstrafen verhängten. Wenn demnach eine Überschreitung um einen Monat Freiheitsstrafe geringfügig sei, müsse dies auch für eine Überschreitung um 30 Tagessätze gelten. Denn die Geringfügigkeitsgrenze müsse für Geld- und Freiheitsstrafen einheitlich festgelegt werden.

7

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.]. Bereits der Wortsinn des Merkmals "geringfügig" schließe es aus, dieses im Fall des Überschreitens der Bagatellgrenze um ein Drittel - wie hier - als erfüllt anzusehen. Was unter dem unbestimmten Rechtsbegriff geringfügig zu verstehen sei, sei nach dem Willen des Gesetzgebers der Präzisierung in einer Verwaltungsvorschrift, nämlich den [X.] des [X.], zu entnehmen. Deshalb sei eine Überschreitung nur geringfügig, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen die Bagatellgrenze um nicht mehr als 21 Tagessätze Geldstrafe bzw. drei Wochen Freiheitsstrafe übersteige.

8

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil. Der Vertreter des [X.] beim [X.] schließt sich der Rechtsansicht der Beklagten an.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der [X.]eklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil des [X.] steht mit [X.]undesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) nicht in Einklang. Weil der [X.] mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden kann, ist die Sache an das [X.]erufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Das [X.]erufungsgericht hat zwar zutreffend ausgeführt, dass dem Kläger kein Anspruch auf Einbürgerung aus § 10 Abs. 1 [X.] zusteht, weil er die Einbürgerungsvoraussetzung der Straffreiheit nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.] nicht erfüllt und seine Verurteilung zu 120 Tagessätzen Geldstrafe nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] unbeachtlich ist. Es hat jedoch zu Unrecht angenommen, dass der Kläger einen Anspruch auf Neubescheidung seines [X.] nach § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] besitzt, weil die Überschreitung des Rahmens um 30 Tagessätze noch geringfügig im Sinne dieser Vorschrift sei (1.). Ob dem Kläger ein Anspruch auf eine Ermessensentscheidung der [X.]eklagten nach § 8 Abs. 2 [X.] zusteht, kann auf der Grundlage der vom [X.]erufungsgericht festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilt werden, so dass die Sache der Zurückverweisung bedarf (2.).

1. Die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung der [X.]eklagten nach § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist im Einzelfall zu entscheiden, ob eine Verurteilung außer [X.]etracht bleiben kann, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen nach den Sätzen 1 und 2 übersteigt. Diese Tatbestandsvoraussetzung ist entgegen der Ansicht des [X.] hier nicht erfüllt.

a) [X.]ei dem Merkmal geringfügig handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Soweit sich die Verwaltungspraxis - auch der [X.]eklagten - auf die [X.] zum Staatsangehörigkeitsgesetz (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 5. Februar 2009 <[X.]G[X.]l I S. 158> Stand: 17. April 2009 - VAH-[X.] -) stützt, nach deren Ziffer 12a.1.3 eine geringfügige Überschreitung vorliegt, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen die [X.]agatellgrenze um nicht mehr als 21 Tagessätze bzw. drei Wochen Freiheitsstrafe übersteigt, ist dies für die Gerichte nicht bindend. Daran vermag auch der Hinweis in der [X.]egründung des Gesetzentwurfs der [X.]undesregierung vom 23. April 2007 ([X.]TDrucks 16/5065 [X.]) zur neu gefassten Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.], dass der unbestimmte Rechtsbegriff geringfügig durch Verwaltungsvorschriften präzisiert werde, nichts zu ändern. Zwar ist damit nicht ausgeschlossen, dass die in Ziffer 12a.1.3 VAH-[X.] genannte Zahl von 21 Tagessätzen (bzw. 3 Wochen Freiheitsstrafe) eine gesetzeskonforme [X.]estimmung dieses Rechtsbegriffs enthält. Ob dies zutrifft, bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil jedenfalls die hier in Rede stehende Überschreitung des gesetzlichen Rahmens bei Geldstrafen um 30 Tagessätze nicht mehr geringfügig ist.

b) Eine Strafverurteilung, welche die gesetzliche [X.] von Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten (§ 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 [X.]) um ein Drittel überschreitet, übersteigt diese nicht "geringfügig" im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.]. Das ergibt sich aus einer Gesamtschau von Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck dieser Gesetzesbestimmung.

aa) [X.]ereits der Wortlaut des § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] weist deutlich in die Richtung, dass eine Verurteilung zu 120 Tagessätzen nicht vernachlässigt werden darf. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird das Wort geringfügig in seinem [X.]edeutungsgehalt mit den Worten unbedeutend, unwesentlich, nicht ins Gewicht fallend und belanglos umschrieben; dementsprechend wird das Substantiv Geringfügigkeit mit Unbedeutendheit, [X.]elanglosigkeit, Kleinigkeit und unwesentliche Sache gleichgesetzt ([X.], [X.], 6. Aufl. 2006, [X.]; Wahrig, [X.], 9. Aufl. 2011, [X.]). Daran gemessen spricht ganz [X.] dagegen, dass die Überschreitung eines vorgegebenen Rahmens um ein Drittel noch als geringfügig angesehen werden kann. 30 Tagessätze Geldstrafe (mehr) erweisen sich im Verhältnis zu dem [X.]ezugsrahmen von 90 Tagessätzen nicht als eine Kleinigkeit, als unbedeutend oder als unwesentlich.

Diese [X.]ewertung entspricht der [X.]edeutung, die dem [X.]egriff "geringfügig" in Vorschriften beigemessen wird, in denen das Wort - wie in § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] - auf eine quantitativ bestimmte oder bestimmbare Größe bezogen ist. So wird etwa für die Frage, ob eine Zuvielforderung kostenrechtlich noch verhältnismäßig "geringfügig" im Sinne von § 92 Abs. 2 ZPO ist, allgemein davon ausgegangen, dass die Grenze der Geringfügigkeit bei 10 % der [X.]ezugsgröße verläuft (s. [X.], in: [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl. 2011, § 92 Rn. 8; [X.], in: [X.], ZPO, 3. Aufl. 2011, § 92 Rn. 8; vgl. auch [X.], Entscheidung vom 20. November 2000 - [X.]. 14-VI-00 - juris Rn. 6, 14 m.w.N.; vgl. ferner die weiteren Nachweise und [X.]eispiele im Urteil des erstinstanzlich entscheidenden [X.] vom 10. Februar 2010 - 10 K 4788/08 - juris Rn. 32 f.).

Die klare Tendenz der Wortlautauslegung, dass eine Überschreitung um ein Drittel nicht mehr geringfügig ist, wird durch die Anwendung weiterer Auslegungskriterien bestätigt.

bb) Dies gilt zunächst für die Auslegung am Maßstab der Gesetzessystematik. § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] steht in einem engen Kontext mit § 12a Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] sowie mit § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.]. Die zuletzt genannte Vorschrift statuiert den Grundsatz, dass Ausländer, die wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt worden sind, keinen Anspruch auf Einbürgerung haben. Eine Ausnahme macht das Gesetz in § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 [X.], indem es die sog. [X.]agatellgrenzen konkretisiert und anordnet, dass Verurteilungen von bis zu 90 Tagessätzen Geldstrafe oder 3 Monaten Freiheitsstrafe bei der Einbürgerung außer [X.] bleiben. Werden diese Grenzen nicht eingehalten, so lässt § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] eine weitere Ausnahme zu, indem die Vorschrift noch eine Einzelfallprüfung ermöglicht; dies jedoch nur unter der einschränkenden Voraussetzung, dass die Überschreitung des Rahmens geringfügig ist. Diese systematische Stellung des § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] als (weitere) Ausnahme spricht dagegen, den [X.]edeutungsgehalt des Wortes geringfügig entgegen dem [X.]efund der grammatikalischen Auslegung weit zu fassen.

Die Gesetzessystematik streitet ferner dagegen, das Merkmal der Geringfügigkeit einer auf den Einzelfall bezogenen wertenden [X.]etrachtung zu unterziehen (vgl. aber [X.], in: [X.], Stand: November 2010, § 12a Rn. 42; [X.], in: [X.]/[X.]/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 12a [X.] Rn. 9). Zum einen liefe dies darauf hinaus, bereits bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Geringfügigkeit eine Interessenabwägung vorzunehmen, wie sie erst für die Ermessensentscheidung geboten ist. Hierdurch würde die oben beschriebene Normstruktur des § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] durchbrochen. Zum anderen bezieht sich die Vorschrift mit ihrer Verweisung auf den Rahmen der Sätze 1 und 2 gerade auf die dort vorgegebenen Quantitäten (nämlich die in § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 [X.] genannten 90 Tagessätze Geldstrafe bzw. 3 Monate Freiheitsstrafe). Diese [X.]ezugnahme spricht dafür, auch den [X.]egriff geringfügig in quantitativer Weise zu bestimmen. Der bei einer solchen [X.]etrachtungsweise nahe liegende Schluss, dass jedenfalls eine Überschreitung der [X.]ezugsgröße um ein Drittel nicht mehr geringfügig ist, trägt überdies auch dem im Staatsangehörigkeitsrecht bedeutsamen [X.]edürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit Rechnung (vgl. dazu Urteil vom 19. Oktober 2011 - [X.]VerwG 5 [X.] 28.10 - DV[X.]l 2012, 106 Rn. 20).

cc) Die [X.] bestätigt diese Auslegung. § 12a [X.] hat seine hier anwendbare und seit dem 28. August 2007 geltende Fassung durch das [X.] erhalten (Art. 5 Nr. 10 des [X.] - [X.]). Mit diesem Gesetz ist die Regelung in dreifacher Hinsicht verschärft worden. Zunächst sind die Grenzwerte für [X.] in § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 [X.] deutlich herabgesetzt worden. Nach der bis August 2007 geltenden Fassung des Gesetzes blieben noch Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen und zu Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten außer [X.]etracht. Des Weiteren ist eine Verschärfung gegenüber der alten Rechtslage herbeigeführt worden, indem der Gesetzgeber im neu gefassten § 12a Abs. 1 Satz 2 [X.] die Zusammenrechnung von [X.] vorgesehen hat, und zwar auch dann, wenn das Strafgericht keine Gesamtstrafe gebildet hat. Eine dritte und hier ebenfalls bedeutsame Verschärfung ist im Hinblick auf das [X.] bei Verurteilungen zu einer höheren als der in [X.]ezug genommenen Strafe eingetreten. Während nach der früheren Regelung (§ 12a Abs. 1 Satz 2 [X.] a.F.) bei allen Überschreitungen eine Ermessensentscheidung zu treffen war, ob die Straftat im Einzelfall außer [X.]etracht bleiben konnte, ordnet der Gesetzgeber nach dem nunmehr geltenden § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] nur noch dann eine Ermessensentscheidung über das Absehen von einer Verurteilung an, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen den genannten Rahmen geringfügig überschreitet. Diese vom Gesetzgeber bewusst angestrebten Verschärfungen würden in ihrer Wirkung umso stärker relativiert werden, je weiter das Merkmal geringfügig ausgelegt wird. Deshalb gebietet es die in der Verschärfung zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Intention, die Anzahl der Fälle, in denen trotz Überschreitung der [X.] noch eine Ermessensentscheidung über die Nichtberücksichtigung der Verurteilung nach § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] zu treffen ist, auf ein solches Maß zu beschränken, wie es der Wortlaut nahe legt.

Der dahin gehende gesetzgeberische Wille kommt auch in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck. In der amtlichen [X.]egründung des Gesetzentwurfs der [X.]undesregierung ([X.]TDrucks 16/5065 S. 229 f.) heißt es zur Änderung des Satzes 1 von § 12a Abs. 1 [X.], dass die bisherigen Grenzen für [X.], die nicht einbürgerungshinderlich sind, als zu hoch angesehen werden und deshalb um die Hälfte gesenkt werden sollen. Dies entspreche auch einer Anregung der Innenministerkonferenz vom Mai 2006. Der damit in [X.]ezug genommene [X.]eschluss Nr. 7 der 180. Sitzung der [X.] und -senatoren der Länder stellte fest, dass die bisherigen [X.]agatellgrenzen, innerhalb derer Straftaten die Einbürgerung nicht hindern, unverhältnismäßig hoch seien. Um die Rechtstreue des Einbürgerungsbewerbers sicherzustellen, solle "in der Regel künftig bereits eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen die Einbürgerung ausschließen". Wenn sich der Gesetzgeber durch diese [X.]ezugnahme die Forderung der Innenministerkonferenz zu eigen gemacht hat, dass "in der Regel" bereits eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen die Einbürgerung ausschließen soll, darf die im Gesetz vorgesehene Ausnahmeregelung des § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] (Einzelfallprüfung bei geringfügiger Überschreitung) nicht entgegen dem Ergebnis der [X.] weit verstanden werden.

dd) Auch der Sinn und Zweck der Regelung steht einem weiten Verständnis entgegen.

Mit dem grundsätzlichen Erfordernis der Straffreiheit in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.] will der Gesetzgeber zum einen demjenigen Einbürgerungsbewerber keinen Anspruch auf Einbürgerung einräumen, der ein Rechtsgut verletzt hat, das die [X.] als der Staat, in den er eingebürgert werden will, für so wesentlich hält, dass dessen Verletzung mit Strafe bewehrt ist. Zum anderen stellt der Gesetzgeber damit klar, dass es nicht Aufgabe der Einbürgerungsbehörde ist, selbst festzustellen, ob der Ausländer eine Straftat begangen hat. Erforderlich aber auch hinreichend ist, dass der Verstoß gegen ein Strafgesetz in einer strafgerichtlichen Entscheidung festgestellt worden ist (Urteil vom 29. März 2007 - [X.]VerwG 5 [X.] 33.05 - [X.]VerwGE 128, 271 Rn. 18). Mit der Regelung in § 12a Abs. 1 Satz 1 [X.] über die Unbeachtlichkeit sog. [X.] wird dabei im Interesse der Rechtssicherheit eine klare Grenze vorgegeben, welche Straftaten bei der Entscheidung über die Einbürgerung unbeachtlich sind und welche nicht. Dies erleichtert zugleich den Verwaltungsvollzug, zumal die Einbürgerungsbehörden und im Streitfall die Verwaltungsgerichte grundsätzlich von der Richtigkeit der (rechtskräftigen) Verurteilung und des Strafmaßes ausgehen dürfen (vgl. [X.]eschluss vom 16. Juli 2010 - [X.]VerwG 5 [X.] 2.10 - juris Rn. 18).

Der Zweck des § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] besteht vor diesem Hintergrund darin, in "Grenzfällen" eine (weitere) Ausnahme durch die Möglichkeit einer Einzelfallprüfung zuzulassen. Diese individuelle Prüfung soll aber - wie sich insbesondere aus der bewussten Verschärfung der Vorschrift durch die Einfügung des Merkmals der Geringfügigkeit ergibt - nur bei unbedeutenden bzw. marginalen Abweichungen von der [X.] stattfinden. Dieser Zwecksetzung entspricht das schon durch den allgemeinen Wortsinn nahe gelegte Auslegungsergebnis, dass eine Überschreitung der [X.]ezugsgröße um 30 Tagessätze - also um ein Drittel - nicht mehr geringfügig ist.

c) Das im Wege der grammatikalischen, systematischen, genetischen und teleologischen Auslegung gewonnene Ergebnis wird durch die [X.]egründung des [X.]erufungsgerichts nicht in Frage gestellt. Seinem hiergegen vorgebrachten Argument, dass der Vorschrift wegen der Praxis der Strafgerichte, [X.] nahezu ausschließlich in monatlicher Stufung zu verhängen, kein genügendes praktisches Anwendungsspektrum belassen werde ([X.]), vermag der [X.] nicht zu folgen.

Dabei geht der [X.] für die revisionsgerichtliche Prüfung von der tatsächlichen Feststellung des [X.]erufungsgerichts aus, dass die Strafgerichte in der Praxis "nahezu ausschließlich" nach Monaten bemessene (Einzel-)Freiheitsstrafen verhängen. Es bedarf insoweit keiner abschließenden Entscheidung, ob diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend ist, weil es sich um eine Tatsachenfeststellung im Sinne von § 137 Abs. 2 VwGO handelt, die von der [X.]eklagten nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden ist. Auch wenn es sich - wofür [X.] spricht - bei den Erhebungen zur Strafzumessungspraxis der Strafgerichte um generelle, der allgemeinen Auslegung der materiellrechtlichen Rechtsnorm (hier des § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.]) dienende Tatsachen (sog. legal facts) handelt, die von § 137 Abs. 2 VwGO nicht erfasst werden und vom Revisionsgericht im Zweifel selbst aufgeklärt werden dürften (vgl. Urteil vom 6. November 2002 - [X.]VerwG 6 [X.] 8.02 - [X.] 402.5 [X.] Nr. 89 S. 24 f.; [X.]eschluss vom 2. Februar 2011 - [X.]VerwG 6 [X.] 37.10 - juris Rn. 11), kann sie der [X.] hier zugrunde legen. Denn die Feststellung des [X.]erufungsgerichts über die Strafzumessungspraxis der Strafgerichte bei Freiheitsstrafen steht weder zwischen den [X.]eteiligten im Streit noch ergeben sich sonst aufklärungsbedürftige Zweifel an ihrem Wahrheitsgehalt.

aa) Im Hinblick auf die hier in Rede stehende Regelung über Geldstrafen liegt die Gefahr eines praktischen Leerlaufens des § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] aber auch dann nicht vor, wenn eine Überschreitung um 30 Tagessätze nicht mehr als geringfügig angesehen wird. Das [X.]erufungsgericht hat nämlich nicht festgestellt, dass die Strafgerichte Geldstrafen nur in Stufen von 30 Tagessätzen verhängen. Hierfür gibt es auch sonst keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr kann es - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert und zwischen den [X.]eteiligten unstreitig - als offenkundig angesehen werden, dass in der Strafpraxis auch Abstufungen in geringeren Schritten (etwa von 10 Tagessätzen) häufig sind (vgl. [X.], Urteile vom 18. Mai 2011 - [X.] 10.01673 - juris Rn. 27 und vom 16. März 2011 - [X.] 10.02233 - juris Rn. 25). Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass die Geldstrafe mindestens 5 Tagessätze beträgt (§ 40 Abs. 1 Satz 2 StG[X.]).

bb) Ebenso wenig besteht die Gefahr, dass bei Zugrundelegung der Auslegung des [X.]s die Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] insgesamt leerläuft. Das [X.]erufungsgericht hat nämlich auch nicht festgestellt, dass für das Merkmal der Geringfügigkeit im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] (insgesamt) kein praktischer Anwendungsbereich vorhanden sei. Neben den Anwendungsfällen im Hinblick auf Geldstrafen verbleibt ein solcher, wie auch das [X.]erufungsgericht ([X.]) einräumt, sowohl im Hinblick auf die [X.]ildung von Gesamtstrafen als auch auf diejenigen Fälle, in denen mehrere Geldstrafen oder Freiheitsstrafen und Geldstrafen gemäß § 12a Abs. 1 Satz 2 [X.] zusammenzurechnen sind.

cc) Dem Oberverwaltungsgericht ist auch nicht deshalb zu folgen, weil bei isolierter [X.]etrachtung der Verurteilungen zu Freiheitsstrafe dem § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] insoweit nur dann ein ins Gewicht fallender praktischer Anwendungsbereich verbleibt, wenn die Geringfügigkeitsgrenze auf vier Monate festgesetzt wird. Zweifelhaft ist bereits, ob dem Hinweis auf die Strafzumessungspraxis der Strafgerichte bei Freiheitsstrafen überhaupt durchgreifende [X.]edeutung für die Auslegung des § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] zukommen kann. Es begegnet nicht unerheblichen [X.]edenken, die [X.]estimmung des Inhalts von § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] maßgeblich an der Verfahrensweise der Strafgerichte auszurichten, die von Gesetzes wegen nicht gehalten sind, (kürzere) Freiheitsstrafen allein in [X.] zu verhängen. § 39 StG[X.] sieht nämlich eine [X.]emessung der Freiheitsstrafe unter einem Jahr nach vollen Wochen und Monaten vor, weshalb in der Rechtspraxis auch Stufungen in Wochen vorgekommen und für zulässig erachtet worden sind (vgl. [X.]ayObLG, Urteil vom 10. Juni 1976 - [X.] - NJW 1976, 1951 f.; KG [X.]erlin, [X.]eschluss vom 15. November 2005 - (3) 1 [X.] - juris Rn. 3).

Selbst wenn man unter Zurückstellung dieser [X.]edenken dem Ansatz des [X.]erufungsgerichts folgt, greift seine Argumentation nicht durch. Aus seiner Feststellung zum praktischen Anwendungsbereich des § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] im Hinblick auf (Einzel-)Freiheitsstrafen folgt nicht, dass etwa aus teleologischen Gründen eine Auslegung geboten ist, welche eine Überschreitung des [X.]ezugsrahmens um ein Drittel (also um einen Monat Freiheitsstrafe) noch als geringfügig im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] ansieht. Soweit aus der genannten Feststellung zu schließen ist, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift bei (Einzel-)Freiheitsstrafen numerisch deutlich kleiner ist als bei Geldstrafen, steht dies mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift gerade in Einklang.

Denn die Freiheitsstrafe ist, auch wenn ihre Vollstreckung zur [X.]ewährung ausgesetzt wird, gegenüber der Geldstrafe kein geringeres Übel ([X.]GH, Urteil vom 17. Januar 1989 - 1 StR 730/88 - [X.] 1989, 425 f.), sondern regelmäßig die schwerere Strafe (vgl. [X.]GH, [X.]eschluss vom 8. Oktober 1997 - 2 [X.] - wistra 1998, 58; [X.], in: [X.] Kommentar zum StG[X.], 12. Aufl. 2007, Vor § 38 Rn. 39 m.w.N.). Sie darf gerade bei kurzen Freiheitsstrafen nur unter besonderen Voraussetzungen angeordnet werden. Diese Wertung kommt insbesondere in § 47 Abs. 1 StG[X.] zum Ausdruck, wonach das Gericht eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur verhängen darf, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des [X.] liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Der zurückhaltende Gebrauch von der Freiheitsstrafe, die grundsätzlich nur als ultima ratio verhängt werden soll, ergibt sich im Verhältnis zur Geldstrafe als Folge des Grundsatzes, das zugefügte Übel möglichst gering zu halten ([X.], in: [X.] Kommentar zum StG[X.], § 47 Rn. 2). Wenn aber die Freiheitsstrafe im Verhältnis zur Geldstrafe regelmäßig die schwerere Strafe ist, darf sie wegen der oben erörterten Zwecksetzung des § 12a Abs. 1 [X.] im Hinblick auf die Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze nach Satz 3 nicht großzügiger behandelt werden als die Geldstrafe. Vielmehr ist die [X.] für (Einzel-)Freiheitsstrafen - auch wenn es insoweit rechtstatsächlich nur wenige praktische Anwendungsfälle geben mag - erst recht anzuwenden.

Diesem Ergebnis lässt sich - anders als das [X.]erufungsgericht meint - nicht entgegenhalten, dass im Falle der Zusammenrechnung von Straftaten nach der Umrechnungsvorschrift des § 12a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 [X.] einem Tagessatz Geldstrafe ein Tag Freiheitsstrafe entspricht. Diese Regel findet ihre Vorbilder in den [X.]ungen des Strafgesetzbuchs (vgl. etwa § 54 Abs. 3, § 51 Abs. 4 Satz 1, § 47 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2, § 43 Satz 2 StG[X.]). Dieser Umrechnungsfaktor liegt auch der Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 [X.] zugrunde, weil die [X.]agatellgrenzen für Freiheits- und Geldstrafen im Verhältnis zueinander dem Umrechnungsmaßstab entsprechen (90 Tagessätze = 3 Monate Freiheitsstrafe). Aus diesem systematischen Zusammenhang lässt sich zwar folgern, dass eine abstrakte Festlegung, wann eine Überschreitung bei Freiheitsstrafen einerseits und bei Geldstrafen andererseits noch geringfügig ist, der [X.] entsprechen sollte. Dem wird jedoch gerade auch dadurch Rechnung getragen, dass eine Überschreitung des jeweiligen Rahmens um ein Drittel entsprechend dieser Regel sowohl für die Geldstrafe als auch für die Freiheitsstrafe als nicht mehr geringfügig anzusehen ist.

Diese [X.]egrenzung führt schließlich auch nicht zu vom Gesetz nicht gewollten Härtefällen. In zeitlicher Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass einem Einbürgerungsbewerber die im [X.]undeszentralregister erfassten Straftaten nur solange entgegengehalten werden dürfen, wie die Tilgungsfristen noch laufen und das Verwertungsverbot des § 51 [X.]ZRG nicht eingreift (vgl. Urteil vom 20. März 2012 - [X.]VerwG 5 [X.] 1.11 - [X.] ff., zur [X.] vorgesehen). Überdies können im Rahmen einer Entscheidung über die Ermessenseinbürgerung (§ 8 Abs. 1 [X.]) - auch wenn Verurteilungen vorliegen, die den Rahmen mehr als geringfügig übersteigen - etwaige [X.]esonderheiten des Einzelfalles nach § 8 Abs. 2 [X.] (im Falle eines "öffentlichen Interesses" an der Einbürgerung oder "zur Vermeidung einer besonderen Härte") berücksichtigt werden.

d) Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen hatte die [X.]eklagte hier keine Ermessensentscheidung nach § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] zu treffen, weil die Tatbestandsvoraussetzung des geringfügigen Übersteigens im Fall des [X.] wegen seiner Verurteilung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen nicht erfüllt ist.

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist weiterhin die Prüfung der Ermessenseinbürgerung nach § 8 [X.] (a). Der [X.] kann jedoch hierüber auf der Grundlage der vom [X.]erufungsgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht selbst abschließend entscheiden (b).

a) Ein Einbürgerungsbegehren ist grundsätzlich hinsichtlich aller in [X.]etracht kommender Einbürgerungsgrundlagen zu prüfen (Urteile vom 17. März 2004 - [X.]VerwG 1 [X.] 5.03 - NVwZ 2004, 997; vom 20. April 2004 - [X.]VerwG 1 [X.] 16.03 - [X.]VerwGE 120, 305 <308> und vom 20. Oktober 2005 - [X.]VerwG 5 [X.] 8.05 - [X.]VerwGE 124, 268 <276>). Etwas anderes kann zwar ausnahmsweise gelten, wenn der Einbürgerungsbewerber seinen Antrag auf die Prüfung der Anspruchsnorm des § 10 [X.] begrenzt. Für eine solche [X.]egrenzung des [X.]egehrens, die eine Prüfung der Ermessenseinbürgerung nach § 8 [X.] ausnimmt, bedürfte es jedoch eindeutiger Hinweise (vgl. Urteil vom 20. März 2012 - [X.]VerwG 5 [X.] 1.11 - [X.] f., zur [X.] vorgesehen). Daran fehlt es hier. Der Kläger hat seinen Antrag, wovon - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - auch die [X.]eteiligten übereinstimmend ausgehen, weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren in dieser Weise beschränkt.

b) Ob eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 [X.] in [X.]etracht kommt, lässt sich mangels genügender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilen.

Das [X.]erufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Voraussetzungen einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 [X.] insofern nicht vorliegen, als der Kläger die Einbürgerungsvoraussetzung der Straffreiheit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 [X.] [X.]. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.] nicht erfüllt. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass - wie das [X.]erufungsgericht ([X.]) ebenfalls zutreffend ausführt - die Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] in ihrer seit August 2007 geltenden Fassung ausweislich ihres klaren Wortlauts nicht mehr nur bei der [X.] nach § 10 Abs. 1 [X.], sondern auch bei der Ermesseneinbürgerung nach § 8 Abs. 1 [X.] Anwendung findet (so zutreffend [X.], [X.]eschluss vom 10. Juni 2010 - 1 A 88/10 - juris Rn. 6 ff.; [X.], in: [X.], Stand: Oktober 2009, § 8 Rn. 93; [X.], in: [X.], Stand: November 2010, § 12a Rn. 13.3). Denn die Verurteilung des [X.] zu 120 Tagessätzen Geldstrafe ist - wie bereits dargelegt - nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] unbeachtlich.

Das [X.]erufungsgericht hat hingegen nicht geprüft, ob die [X.]eklagte verpflichtet war, eine Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 2 [X.] zu treffen. Nach dieser Vorschrift kann im Einzelfall aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte von der Voraussetzung der Straffreiheit in § 8 Abs. 1 Nr. 2 [X.] abgesehen werden. § 8 Abs. 2 [X.] ist auch dann noch anwendbar, wenn - wie hier - die Grenze der [X.] mehr als geringfügig im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] überschritten worden ist (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 10. Juni 2010 a.a.[X.] Rn. 10 ff.; [X.], [X.] 2007, 457 <465>).

Zwar lässt sich auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen eine "besondere Härte" im Sinne von § 8 Abs. 2 [X.] nicht annehmen. Denn eine solche Härte muss durch atypische Umstände des Einzelfalles bedingt sein und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (so zutreffend etwa [X.], Urteil vom 12. Oktober 2011 - 1 A 246/11 - juris Rn. 79; OVG [X.]erlin-[X.]randenburg, [X.]eschluss vom 11. Juni 2009 - 5 M 30.08 - juris Rn. 2 m.w.N.). Für solche Umstände, deren Vorbringen der Mitwirkungsobliegenheit des Einbürgerungsbewerbers unterfällt, gibt es nach den bisherigen Feststellungen keinen Anhalt.

Der [X.] kann aber jedenfalls deshalb nicht abschließend in der Sache entscheiden, weil es an der nötigen Tatsachengrundlage für die [X.]eurteilung fehlt, ob ein öffentliches Interesse im Sinne von § 8 Abs. 2 [X.] besteht. Das [X.]erufungsgericht ([X.]) hat lediglich auf den Vortrag des [X.] im Verwaltungsverfahren [X.]ezug genommen, dass sein journalistischer Arbeitsplatz bei der D. den Nahen Osten betreffe und er eine repräsentative Funktion für das Ansehen der [X.] im Ausland erfülle. Es hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob und inwieweit dieser Vortrag zutrifft, und es hat nicht geprüft, wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne von § 8 Abs. 2 [X.] zu bewerten sind. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Sollte das [X.]erufungsgericht im [X.] an die nachzuholende Prüfung zu der Einschätzung gelangen, dass der Kläger die Tatbestandsvoraussetzung des § 8 Abs. 2 [X.] erfüllt und dementsprechend eine Ermessensentscheidung nach dieser Vorschrift zu treffen war, wird es im Rahmen der Kontrolle dieser Entscheidung zum einen zu berücksichtigen haben, dass die [X.]eklagte im Zeitpunkt der Stellung des [X.] im Dezember 2007 wie auch ihrer Entscheidung hierüber (am 16. Juni 2008) für die Ermessenseinbürgerung nach § 8 [X.] noch nicht zuständig war (vgl. § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Zuständigkeit in [X.] vom 5. Oktober 2004 - GV[X.]l I S. 612), sondern diese Zuständigkeit erst ab 1. Juli 2008 erlangt hat (vgl. § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Zuständigkeit in [X.] vom 3. Juni 2008 - GV[X.]l [X.]). Insoweit weist der [X.] darauf hin, dass es § 114 Satz 2 VwGO in Fällen, in denen es für die Prüfung der Rechtmäßigkeit auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommt, nicht ausschließt, dass die [X.]ehörde eine Ermessensentscheidung erstmals im gerichtlichen Verfahren trifft und zur gerichtlichen Überprüfung stellt, wenn sich aufgrund neuer Umstände die Notwendigkeit einer Ermessensausübung erst nach Klageerhebung ergibt (Urteil vom 13. Dezember 2011 - [X.]VerwG 1 [X.] 14.10 - juris Rn. 8). Zum anderen wird das [X.]erufungsgericht - worauf es im Zusammenhang mit § 12a Abs. 1 Satz 3 [X.] bereits eingegangen ist ([X.]) - im Fall einer etwaigen Kontrolle der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 2 [X.] zu berücksichtigen haben, dass die [X.]ehörde auch im Rahmen dieser Entscheidung als gewichtigen Gesichtspunkt zu Lasten des [X.] in Ansatz bringen darf, dass er die Strafverurteilung in seinem Einbürgerungsantrag verschwiegen hat.

Meta

5 C 5/11

20.03.2012

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 14. März 2011, Az: 19 A 644/10, Urteil

§ 8 Abs 1 RuStAG, § 8 Abs 2 RuStAG, § 10 Abs 1 S 1 Nr 5 RuStAG, § 12a Abs 1 S 1 Nr 2 RuStAG, § 12a Abs 1 S 1 Nr 3 RuStAG, § 12a Abs 1 S 3 RuStAG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.03.2012, Az. 5 C 5/11 (REWIS RS 2012, 8017)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8017

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

M 25 K 15.4688 (VG München)

Der Einbürgerung entgegenstehende Verurteilungen


M 25 K 18.5262 (VG München)

Versagung einer Einbürgerungszusicherung


10 C 4/14 (Bundesverwaltungsgericht)

Keine Einbürgerung trotz "Entmakelung" der Jugendstrafe; Wirkung der Beseitigungsanordnung des Strafmakels; zur Berücksichtigung einer Jugendstrafe …


M 25 K 15.4690 (VG München)

Einbürgerung eines heimatlosen Ausländers


1 StR 177/16 (Bundesgerichtshof)

Strafbarer Verstoß gegen das Staatsangehörigkeitsgesetz: Falsche Angaben zu Vorstrafen unterhalb der Bagatellgrenze im Einbürgerungsverfahren


Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 177/16

1 StR 177/16

M 25 K 18.5262

M 25 K 18.4045

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.