Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 20.09.2023, Az. VIII ZR 247/22

8. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 7629

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Gegenstand

Erstattung außergerichtlicher Kosten für Inkassodienstleister nach erfolgloser Einschaltung eines Mietvereins


Leitsatz

Beauftragt der Mieter einer Wohnung einen - auf die Einziehung von Ansprüchen gegen Vermieter wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über die Begrenzung der Miethöhe (§ 556d ff. BGB) spezialisierten - Inkassodienstleister mit der Geltendmachung solcher Ansprüche, kann die Erstattung der hierdurch entstandenen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nicht mit der Begründung versagt werden, dass der Vermieter auf eine Leistungsaufforderung des von dem Mieter zuvor eingeschalteten örtlichen Mietervereins keine Reaktion gezeigt hat.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Berlin - Zivilkammer 67 - vom 6. Oktober 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die über eine Registrierung gemäß § 10 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) für den Bereich der Inkassodienstleistungen verfügt, verlangt mit der Klage aus abgetretenem Recht der Mieter einer Wohnung der Beklagten die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.

2

Zwischen der Beklagten und den Mietern W.   und E.     (im Folgenden: Mieter) besteht seit dem 15. Dezember 2016 ein Mietvertrag über eine 48,20 m² große Wohnung, die gemäß der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015, in Kraft getreten am 1. Juni 2015, in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt. Vertraglich war eine Miete von monatlich 530,20 € (nettokalt) vereinbart. Vorprozessual war unstreitig, dass sich im Hinblick auf die vorbezeichnete Verordnung eine Überzahlung der Miete in Höhe von 138,33 € monatlich ergebe.

3

Die Mieter rügten mit Schreiben vom 9. Februar 2017 in Bezug auf die vermietete Wohnung einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB). Da die Beklagte nicht reagierte, wendeten sich die Mieter an den örtlichen Mieterverein. Dieser forderte die Beklagte mit Schreiben vom 10. April 2017 unter Fristsetzung auf zu bestätigen, dass die zulässige Nettokaltmiete monatlich 335,61 € betrage, sowie überzahlte Miete ab März 2017 zu erstatten.

4

Nachdem die Beklagte erneut keine Reaktion zeigte, rügte die Klägerin mit Schreiben vom 15. Juni 2017 gegenüber der Beklagten - unter Berufung auf eine Beauftragung und Bevollmächtigung durch die Mieter - gemäß § 556g Abs. 2 BGB aF einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) in Bezug auf die vermietete Wohnung. Die Klägerin verlangte mit diesem Schreiben - unter Fristsetzung bis zum 29. Juni 2017 - Auskunft unter anderem über die Höhe der durch den Vormieter gezahlten Miete, über vorangegangene Mieterhöhungen und über durchgeführte Modernisierungsmaßnahmen. Ferner begehrte sie die Rückerstattung der künftig über den zulässigen Höchstbetrag hinaus zu viel gezahlten Miete, die Herausgabe der anteiligen Mietkaution sowie die Abgabe einer Erklärung der Beklagten, dass die künftig fällig werdende Miete auf den zulässigen Höchstbetrag herabgesetzt werde.

5

Die Beklagte übersandte den Mietern mit Schreiben vom 7. Juli 2017 einen - noch zu unterzeichnenden - Nachtrag zum Mietvertrag, der eine Herabsetzung der Nettokaltmiete auf monatlich 391,87 € vorsah.

6

Mit Schreiben vom 15. September 2017 verlangte die Klägerin von der Beklagten die Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 794,92 €. Die Beklagte lehnte dies mit Anwaltsschreiben vom 6. Oktober 2017 ab und machte geltend, die Beauftragung der Klägerin sei nicht erforderlich gewesen.

7

Die auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 794,92 € nebst Zinsen gerichtete Klage hat in erster Instanz Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht - nachdem es zuvor darauf hingewiesen hatte, dass das Rechtsmittel voraussichtlich begründet sei - durch Protokollurteil unter Aufnahme der Entscheidungsgründe in das Sitzungsprotokoll das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Anhörungsrüge der Klägerin hat es zurückgewiesen (LG Berlin [Zivilkammer 67], NZM 2021, 37).

8

Auf die Verfassungsbeschwerde der Klägerin hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin mit Beschluss vom 13. Juni 2022 (205/20, juris) das vorgenannte Urteil des Berufungsgerichts wegen Verletzung der Klägerin in ihren durch die Verfassung von Berlin gewährleisteten Grundrechten auf effektiven Rechtsschutz und den gesetzlichen Richter aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

9

Das Berufungsgericht hat daraufhin erneut das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht nunmehr zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Der Klägerin stehe ein Anspruch gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1, §§ 249 ff., 398 BGB, § 4 Abs. 5 RDGEG aF auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nicht zu, weil diese aus der insoweit maßgeblichen ex ante-Sicht der Mieter zur Wahrnehmung ihrer Rechte nicht erforderlich und zweckmäßig gewesen seien.

Das Berufungsgericht halte - auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin - daran fest, dass der hier in Rede stehende dritte Versuch der vorgerichtlichen Geltendmachung der mietpreisrechtlichen Ansprüche gegen die Schadensminderungspflicht der Mieter verstoße (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB).

Auch unter Zugrundelegung der Maßstäbe des Bundesgerichtshofs sei die Beauftragung der Klägerin mit der erneuten außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung im Rahmen der gebotenen Einzelfallprüfung keine zweckentsprechende Maßnahme der Rechtsverfolgung. Zwar könne bei sukzessiver Einschaltung verschiedener Rechtsdienstleister die Beauftragung eines weiteren Rechtsdienstleisters mit der erneuten außergerichtlichen Geltendmachung einer Forderung im Anschluss an ihre Geltendmachung durch einen - selbst entsprechend spezialisierten - anderen Rechtsdienstleister als eine zweckentsprechende Maßnahme der Rechtsverfolgung anzusehen sein, wenn der Schuldner auf die zunächst von einem Rechtsdienstleister ausgesprochene Zahlungsaufforderung nicht geantwortet habe. Aufgrund der konkreten Umstände des gegebenen Einzelfalls sei die Beauftragung der Klägerin aus der ex ante-Sicht der Mieter jedoch nicht mehr erforderlich und zweckmäßig gewesen.

Entscheidend sei insoweit, dass die Mieter vor der Zuhilfenahme der Klägerin bereits den auf die Vertretung von Mieterinteressen spezialisierten und sachkundigen Mieterverein (erfolglos) eingeschaltet hätten. Nachdem die Beklagte weder auf die von den Mietern selbst erhobene Rüge des Verstoßes gegen die "Mietpreisbremse" noch auf deren anschließende Geltendmachung durch den Mieterverein reagiert habe, hätten die Mieter nicht (mehr) von der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der Beauftragung der Klägerin ausgehen dürfen. Dies finde seine Grundlage darin, dass die zweite vergebliche Geltendmachung des Verstoßes gegen die Vorschriften über die "Mietpreisbremse" durch den von den Mietern eingeschalteten sachkundigen Mieterverein erfolgt sei. Da selbst dessen qualifizierte Unterstützung die Beklagte zu einer Antwort nicht veranlasst habe, hätten die Mieter nicht damit rechnen können, die nachfolgende Beauftragung eines Inkassodienstleisters (ebenso wie die eines Rechtsanwalts) zur dritten Geltendmachung ihrer Rechte aus der "Mietpreisbremse" ermögliche ihnen die Durchsetzung ihrer Ansprüche.

Dem Mieterverein sei besondere Sachkunde und aufgrund seiner Marktstellung besondere Durchsetzungsmacht zuzuschreiben. Es erschließe sich nicht, inwiefern die Mieter - ungeachtet des vergeblichen eigenen sowie des ebenso erfolglosen Tätigwerdens des Mietervereins, der in der Sache qualifiziert, als rechtskundig anerkannt, problemerfahren und routiniert sei - hätten annehmen können, mit der vorprozessualen Beauftragung der Klägerin ihr Rechtsschutzziel zu erreichen, ohne einen Rechtsstreit anstrengen zu müssen.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten gemäß § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1, § 398 BGB, § 4 Abs. 5 RDGEG aF nicht versagt werden.

1. Revisionsrechtlich ist - mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts - zugunsten der Klägerin zu unterstellen, dass die beklagte Vermieterin ihre aus § 556d Abs. 1 BGB folgende Pflicht, von ihren Mietern nur die höchstzulässige Miete zu verlangen, schuldhaft verletzt und den Mietern deshalb Anlass dazu gegeben hat, Ansprüche aus § 556g Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 BGB geltend zu machen.

2. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten ist nicht deswegen gemindert oder - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft gemeint hat - sogar entfallen, weil die Einschaltung der Klägerin nicht erforderlich im Sinne von § 249 BGB gewesen wäre oder die Mieter gegen ihre Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB verstoßen hätten.

a) Die Erstattungsfähigkeit der durch die vorgerichtliche Einschaltung der Klägerin entstandenen Rechtsverfolgungskosten kann - anders als das Berufungsgericht in seinem Hinweisbeschluss unter Bezugnahme auf den Beschluss der Kammer vom 26. Juli 2018 (67 S 157/18, NJW 2018, 2901 Rn. 23; dieser aufgehoben durch BVerfG, NZM 2021, 803) noch angedeutet hat - nicht mit der Begründung verneint werden, dass die Mieter durch die Verwendung des kostenfreien "Mietpreisrechners" der Klägerin hinreichende Anhaltspunkte für die Ermittlung der preisrechtlich zulässigen Miete hätten erlangen und die Beklagte damit hätten konfrontieren können. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist ein Mieter nicht gehalten, nach Nutzung des von der Klägerin angebotenen "Mietpreisrechners" auf deren Beauftragung zu verzichten und selbst an den Vermieter heranzutreten. Vielmehr darf der Mieter sich auch dann vorgerichtlich grundsätzlich der Hilfe eines Rechtsdienstleisters bedienen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Mai 2020 - VIII ZR 384/18, WuM 2020, 650 Rn. 10, und VIII ZR 58/19, juris Rn. 12).

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht einem Anspruch der Klägerin auf Erstattung der geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten auch nicht entgegen, dass die Mieter zuvor vergeblich den örtlichen Mieterverein eingeschaltet hatten. Die Zuhilfenahme der Klägerin war aus der Sicht der Mieter zur Wahrung ihrer Rechte erforderlich und zweckmäßig, weil die Beklagte auch auf die Aufforderung des Mietervereins nicht reagiert hatte.

aa) Zwar hat ein Schädiger nicht schlechthin alle durch ein Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten des Geschädigten zu erstatten. Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Schädiger diejenigen Kosten der Rechtsverfolgung zu ersetzen hat, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Maßgeblich ist die ex ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person. Dabei sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es kommt darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt (vgl. BGH, Urteile vom 7. Dezember 2022 - VIII ZR 81/21, NJW 2023, 1368 Rn. 22; vom 24. Februar 2022 - VII ZR 320/21, NJW-RR 2022, 707 Rn. 18; vom 1. September 2020 - X ZR 97/19, NJW-RR 2020, 1507 Rn. 36; vom 17. September 2015 - IX ZR 280/14, NJW 2015, 3793 Rn. 8).

Ob die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der ergriffenen Maßnahme gegeben ist, entzieht sich dabei einer generalisierenden Betrachtung; dies ist vielmehr vom Tatrichter aufgrund einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen (Senatsbeschluss vom 31. Januar 2012 - VIII ZR 277/11, NZM 2012, 607 Rn. 4 mwN). Der deshalb nur eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung hält die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht stand, weil sie den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen zur Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nicht Rechnung trägt (so auch bereits Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 13. Juni 2022 - 205/20, juris Rn. 17).

bb) Insoweit ist hinsichtlich der Beauftragung von Rechtsanwälten anerkannt, dass allein die Tatsache einer ausbleibenden Reaktion des Schuldners auf Zahlungsaufforderungen des Gläubigers nicht dazu führt, dass außergerichtliche Beitreibungsbemühungen als nicht erfolgversprechend anzusehen sind und insbesondere in Fällen, in denen - wie auch hier - der Grund für die Nichtzahlung im Dunkeln bleibt, die Zuhilfenahme eines Rechtsanwalts zweckmäßig ist (vgl. BGH, Urteile vom 24. Februar 2022 - VII ZR 320/21, NJW-RR 2022, 707 Rn. 22; vom 17. September 2015 - IX ZR 280/14, NJW 2015, 3793 Rn. 11). Ist der Schuldner hingegen etwa bekanntermaßen zahlungsunwillig und erscheint der Versuch einer außergerichtlichen Forderungsdurchsetzung auch nicht aus sonstigen Gründen erfolgversprechend, sind die dadurch verursachten Kosten nicht zweckmäßig (BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 - XI ZR 148/11, juris Rn. 35; Beschluss vom 25. April 2022 - VIa ZR 524/21, juris Rn. 8). Die Grundsätze gelten - wie der Senat bereits entschieden hat (Senatsurteil vom 7. Dezember 2022 - VIII ZR 81/21, NJW 2023, 1368 Rn. 26) - auch bei der hier gegebenen Einschaltung eines Inkassodienstleisters (vgl. auch BVerfG, NJW 2023, 2712 Rn. 22).

cc) Nach dieser Maßgabe durften im gegebenen Fall die Mieter aufgrund des unterbliebenen Bestreitens ihrer Forderungen aus ex ante-Sicht davon ausgehen, dass sie die Beklagte mittels der Tätigkeit der Klägerin zur Erfüllung ihrer Forderungen bewegen könnten.

(1) Der Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten steht dabei nicht entgegen, dass die Mieter mit Schreiben vom 9. Februar 2017 zunächst selbst den Versuch unternommen hatten, Ansprüche gegen die Beklagte im Zusammenhang mit den Regelungen über die "Mietpreisbremse" durchzusetzen. Der Senat hat bereits entschieden, dass es dem Mieter - schon wegen der Komplexität der Materie - unbenommen ist, sich zur Durchsetzung seiner Rechte aus der "Mietpreisbremse" eines Inkassodienstleisters, wie der Klägerin, zu bedienen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Mai 2020 - VIII ZR 384/18, WuM 2020, 650 Rn. 10, und VIII ZR 58/19, juris Rn. 12). Dies stellt auch das Berufungsgericht nicht in Frage.

(2) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, die Ersatzfähigkeit der von der Klägerin geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten sei zu verneinen, weil die Mieter sich vor deren Einschaltung bereits der Hilfe des Mietervereins bedient hatten.

(a) Das Berufungsgericht hat den Mieterverein als qualifiziert, besonders sachkundig, problemerfahren und routiniert beurteilt; ferner hat es ihm eine "besondere Durchsetzungsmacht" zugeschrieben. Diese Gesichtspunkte hat es als ausschlaggebend für seine klageabweisende Entscheidung angesehen. Es darf dem Mieter indes nicht zum Nachteil gereichen, dass er sich qualifizierter Unterstützung bedient hat, zumal der Mieterverein nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten nicht von der Beklagten verlangt hat. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, muss der Gläubiger ungeachtet der Spezialisierung eines zunächst beauftragten Rechtsdienstleisters bei unterbliebener Reaktion des Schuldners nicht davon ausgehen, dass die außergerichtliche Tätigkeit eines Rechtsanwalts von vornherein aussichtslos war (vgl. BGH, Urteil vom 12. September 2017 - X ZR 102/16, NJW 2018, 1251 Rn. 34 [zur Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der erneuten außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung, nachdem die Schuldnerin auf eine von einem spezialisierten Rechtsdienstleister ausgesprochene Zahlungsaufforderung nicht reagiert hatte]). Dies gilt in gleicher Weise jedenfalls dann, wenn der Mieter - wie hier - einen seinerseits spezialisierten Inkassodienstleister mit der erneuten außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung beauftragt, nachdem er zuvor vergeblich den örtlichen Mieterverein eingeschaltet hatte.

(b) Das vorgenannte Urteil des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zwar gesehen, es hat sich jedoch - wie die Revision zu Recht rügt - in seinen weiteren Ausführungen dazu in Widerspruch gesetzt. Dies hat bereits der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin in seinem Beschluss vom 13. Juni 2022 (205/20, juris Rn. 16) beanstandet. Das Unterbleiben einer Reaktion auf die Aufforderung des Mietervereins vom 10. April 2017 lässt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gerade nicht den Schluss zu, dass die sich daran anschließende außergerichtliche Tätigkeit der Klägerin als nicht erfolgversprechend anzusehen gewesen wäre. Da die Beklagte auf das Schreiben des Mietervereins weder die Erfüllung der Forderungen der Mieter (ernsthaft und endgültig) verweigert hat noch Anhaltspunkte dafür ersichtlich waren, dass sie - aus der ex ante-Sicht der Mieter - zu den verlangten Leistungen nicht in der Lage gewesen wäre, ist ein Fall, in welchem die außergerichtlichen Leistungsaufforderungen durch den Rechtsdienstleister als nicht erfolgversprechend und daher als von vornherein nicht zweckmäßig anzusehen sein könnten, nicht gegeben.

III.

Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht zur Endentscheidung reife Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit dieses die erforderlichen Feststellungen zu den weiteren Anspruchsvoraussetzungen treffen kann.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Dr. Bünger     

      

Kosziol     

      

Wiegand

      

Dr. Reichelt     

      

Messing     

      

Meta

VIII ZR 247/22

20.09.2023

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Berlin, 6. Oktober 2022, Az: 67 S 266/19

§ 241 Abs 1 BGB, § 249 Abs 1 BGB, § 254 Abs 2 S 1 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 311 Abs 2 Nr 1 BGB, § 556d Abs 1 BGB, §§ 556dff BGB, § 4 Abs 5 RDGEG vom 12.12.2007

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 20.09.2023, Az. VIII ZR 247/22 (REWIS RS 2023, 7629)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7629

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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