Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.05.2006, Az. 1 StR 57/06

1. Strafsenat | REWIS RS 2006, 3642

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] vom 9. Mai 2006 in der Strafsache gegen [X.]St: ja Veröffentlichung: ja ____________________________ [X.] § 357, [X.] § 55 Abs. 2 § 357 [X.] ist nicht zu Gunsten eines früheren Mitangeklagten anwendbar, für den die Revision wegen § 55 Abs. 2 [X.] unzulässig war. [X.], Beschluss vom 9. Mai 2006 - 1 StR 57/06 - [X.]wegen Raubes hier: Vorlage gemäß § 121 Abs. 2 [X.] betreffend die frühere Mitangeklagte

G. - 2 - - 3 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 9. Mai 2006 beschlossen: § 357 [X.] ist nicht zu Gunsten eines früheren Mitangeklagten anwendbar, für den die Revision wegen § 55 Abs. 2 [X.] unzuläs-sig war. Gründe: [X.] 1. Das Amtsgericht - [X.] - [X.] hat den erwachsenen Angeklagten [X.]. und die zur Tatzeit heranwachsende Mitangeklagte [X.]am 7. April 2004 des - mittäterschaftlich begangenen - Raubes schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten [X.]. zu einer Frei-heitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, die Mitangeklagte [X.]zu einer [X.], deren Vollstreckung es zur Bewährung ausge-setzt hat. [X.]gen das [X.]eil haben beide Angeklagte unbeschränkt, die [X.] auf das Strafmaß beschränkt Berufung eingelegt. 1 Das Landgericht - 1. Große Strafkammer - [X.] hat am 2. März 2005 die Berufungen als unbegründet verworfen. Seinen [X.]eilsfeststel-lungen zufolge begab sich der Angeklagte [X.]. am frühen Morgen des 13. Mai 2003 zweimal in das Schlafzimmer des [X.]und äußerte - davon einmal mit erhobener Faust -, wenn dieser [X.] verlasse, schla-ge er ihn zusammen bzw. tot. Der [X.]schädigte blieb aus Angst in seinem 2 - 4 - Schlafzimmer. Sodann entwendeten der Angeklagte [X.]. und die Mitan-geklagte [X.], die das [X.]schehen wahrgenommen hatte, aus der Wohnung des [X.] Dekorationsgegenstände im Wert von etwa 1.600 •. Haupt-sächlich ging es beiden Angeklagten darum, den Zeugen S. zu ärgern oder ihm einen Denkzettel zu verpassen; sie zogen allerdings auch in Erwä-gung, die [X.]genstände zu [X.]ld zu machen. [X.]gen das [X.]eil des [X.] [X.] hat der Angeklagte [X.]. Revision eingelegt und zulässig die Sachrüge erhoben, wohingegen die [X.]eile in Bezug auf die Mitangeklagte [X.] in Rechtskraft erwachsen sind. 3 2. Der mit der Revision befasste 2. Strafsenat des [X.] beabsichtigt, das landgerichtliche [X.]eil mit den Feststellungen be-züglich beider Angeklagter aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. 4 Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Revision des Angeklagten [X.]. ein zumindest vorläufiger Erfolg nicht versagt werden könne, da die Feststellungen des landgerichtlichen [X.]eils nicht hinreichend die in § 249 Abs. 1 StGB vorausgesetzte finale Verknüpfung zwischen der Drohung und der Wegnahme tragen würden; aus ihnen gehe vielmehr nur die zeitliche [X.] hervor. Auch die [X.] beider Angeklag-ter werde nicht belegt. Nach den Feststellungen hätten diese zwar erwogen, die Dekorationsgegenstände zu [X.]ld zu machen; das Ergebnis der Erwägungen teile das [X.]eil jedoch nicht mit. 5 Da das [X.]eil an einem sachlich-rechtlichen Mangel leide, aufgrund des-sen die Revision des Angeklagten [X.]. begründet sei, sei die [X.] nach § 357 [X.] auf die frühere Mitangeklagte [X.] zu erstrecken. Das [X.] ist der Auffassung, § 55 Abs. 2 [X.] hindere die Anwendung des § 357 [X.] nicht. Aus einer Abwägung der [X.] - 5 - cke des § 55 Abs. 2 [X.] einerseits und des § 357 [X.] andererseits folge, dass die [X.] auf den nach Jugendstrafrecht verurteilten früheren Mitangeklagten nach § 357 [X.] zu erstrecken sei. § 55 Abs. 2 [X.] verfolge das Ziel, das Jugendstrafverfahren der besseren erzieherischen Wirkung we-gen angemessen zu beschleunigen. § 357 [X.] bezwecke die Verhinderung das Rechtsgefühl verletzender Ungleichheiten. Das Ziel schneller [X.] müsse dabei hinter dem [X.]bot der Herstellung materieller [X.]rech-tigkeit, des obersten Ziels des Strafprozesses, zurücktreten. [X.]rade gegenüber Jugendlichen sei es aus erzieherischen Gründen wichtig, Entscheidungen zu verhindern, die deren Rechts- und [X.]rechtigkeitsgefühl erheblich verletzen könnten. Die Nichterstreckung der [X.] würde eine unverständliche und unbegründete Schlechterbehandlung der Jugendlichen bedeuten. Weder der Wortlaut des § 357 [X.] noch rechtsdogmatische Erwägungen würden ei-ner Erstreckung der [X.] entgegenstehen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ("erstreckt sich das [X.]eil ... auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben"), sei es ohne Bedeutung, weshalb der frühere Mitangeklagte keine Revision eingelegt habe. Daher könne die Nichterstreckung nur mit der Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung begründet werden. Entgegen dem - häufig aufgestellten - Postulat, aufgrund des Ausnahmecharakters von § 357 [X.] sei eine enge Auslegung geboten, werde die Vorschrift in der Rechtsprechung jedoch auch erweiternd oder sogar analog angewendet. An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das [X.] durch das [X.]eil des [X.] vom 5. März 1957 - [X.] (NJW 1957, 1450) gehindert. Darin wird [X.] die Auffassung vertreten, das Revisionsgericht könne § 357 [X.] nicht zu Gunsten eines Jugendlichen anwenden, der bereits Berufung eingelegt hatte (§ 55 Abs. 2 [X.]). Die Anwendung des § 357 [X.] sei nach seiner eindeuti-gen Fassung vielmehr auf die Angeklagten zu beschränken, denen die [X.] - 6 - keit der [X.] nach dem [X.]setz offen gestanden habe. Zudem rechtfertige die Ausnahmenatur der Vorschrift eher eine den Wortlaut ein-schränkende als eine ausdehnende Auslegung. Das [X.] hat deshalb die Sache mit Beschluss vom 12. Januar 2006 gemäß § 121 Abs. 2 [X.] dem [X.] zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt: 8 "Ist die [X.] in Fällen des § 357 [X.] auch dann auf den nicht revidierenden früheren Mitangeklagten zu erstrecken, wenn dessen Revi-sion wegen § 55 Abs. 2 [X.] unzulässig wäre?" 9 3. Der [X.]neralbundesanwalt hat sich der Rechtsauffassung des [X.] angeschlossen und beantragt zu beschließen: 10 "Die Aufhebung des [X.]eils gemäß § 357 [X.] ist auch dann auf den nicht revidierenden früheren Mitangeklagten zu erstrecken, wenn er gegen sein Berufungsurteil nach § 55 Abs. 2 [X.] keine Revision mehr einlegen darf." 11 I[X.] 1. Die Vorlegung ist gemäß § 121 Abs. 2 [X.] zulässig. Das [X.] kann nicht wie beabsichtigt entscheiden, ohne von der Rechtsansicht des [X.] abzuweichen. Die übrigen Voraussetzungen des § 357 [X.] liegen vor. Das [X.] hält in vertretbarer Weise (vgl. die Nachw. bei [X.] in [X.]. § 121 [X.] Rdn. 43 f.) die tatrichterlichen Feststellungen im [X.]eil des [X.] für unzureichend. Feststellungen zur finalen Verknüpfung zwischen der qualifi-zierten Nötigungshandlung und der Wegnahme fehlen; dass die Feststellungen die Annahme der [X.] nicht tragen, ist ebenfalls - noch, wenn-gleich nicht allein - vertretbar. 12 - 7 - 2. Allerdings empfiehlt sich eine andere Fassung der [X.]. Denn die [X.] im Beschluss des [X.] be-trifft nach ihrem Wortlaut nur die [X.] zu Gunsten des früheren Mitangeklagten, nicht die bloße Schuldspruchberichtigung oder die Einstellung des Verfahrens nach § 206a [X.] durch das Revisionsgericht. Nicht nur bei einer Schuldspruchberichtigung, sondern auch bei einem Vorgehen nach § 206a [X.] bedarf es einer [X.] nicht, da das angefochtene [X.]eil in diesem Fall ipso iure gegenstandslos wird (vgl. [X.]R [X.] § 467 Abs. 3 Verfahrenshindernis 2; Senatsbeschluss vom 10. Juli 2001 - 1 [X.]/01 - Umdruck S. 2). Beide Entscheidungsmöglichkeiten des [X.] wer-den jedoch ebenfalls von § 357 [X.] erfasst (vgl. [X.]St 24, 208; [X.] NJW 1952, 274; 1973, 474, 475; [X.] in Löwe/[X.], [X.]. § 357 Rdn. 7, 8 m.w.N.); dabei kann die hier zu beurteilende Rechtsfrage für bloße Schuldspruchberichtigungen und Verfahrenseinstellungen nach § 206a [X.] nicht an[X.] beantwortet werden. 13 Der Senat präzisiert deshalb die [X.] wie folgt: 14 Ist § 357 [X.] zu Gunsten eines früheren Mitangeklagten anwendbar, für den die Revision wegen § 55 Abs. 2 [X.] unzulässig war? 15 II[X.] In der Rechtsprechung finden sich - soweit ersichtlich - keine weiteren Entscheidungen zu der [X.] (ausdrücklich offen gelassen von [X.] OLGSt [X.] § 357 Nr. 2 S. 5). Im Schrifttum stehen sich die Stimmen, welche eine Erstreckung der Revisionsentscheidung befürworten, und diejeni-gen, welche dies ablehnen, in etwa gleich stark gegenüber. Während insbeson-dere die Literatur zum Jugendstrafrecht § 357 [X.] für anwendbar hält (vgl. [X.]/Dölling, [X.] 11. Aufl. § 55 Rdn. 16; [X.]/Schoreit/[X.], [X.] 16 - 8 - 4. Aufl. § 55 Rdn. 49; [X.], [X.] 6. Aufl. § 55 Rdn. 41; ferner [X.] [X.] 1963, 539; [X.], Jugendliche, Heranwachsende und Erwachsene ge-meinsam vor dem Strafgericht Diss. 2005 [X.] ff.; [X.], Die Probleme des § 357 [X.] Diss. 1992 S. 96 ff.; [X.] in [X.], [X.] 41. Lfg. § 357 Rdn. 14; [X.], Die Voraussetzungen des § 357 [X.] Diss. 1971 S. 64 ff.; Temming in [X.], [X.] 3. Aufl. § 357 Rdn. 15), spricht sich die strafprozessrechtliche Litera-tur überwiegend dagegen aus (vgl. [X.] in Löwe/[X.], [X.]. § 357 Rdn. 11; [X.] in [X.]. § 357 Rdn. 12; [X.] in [X.] § 357 Rdn. 11; [X.], [X.] 48. Aufl. § 357 Rdn. 7; [X.] in SK-[X.] 46. Lfg. § 357 Rdn. 29; ferner Benninghoven, Revisionserstreckung auf Mitver-urteilte Diss. 2002 S. 27 f.; [X.] in [X.]dS für [X.], 427; Zopfs GA 1999, 482, 486). [X.] Der Senat beantwortet die [X.] wie aus dem [X.] ersichtlich. 17 1. Eine wortlautorientierte und historische Auslegung des § 357 [X.] spricht gegen seine Anwendbarkeit zu Gunsten eines früheren Mitangeklagten, für den die Revision gegen das angegriffene [X.]eil nicht statthaft war. 18 Als Rechtsfolge bestimmt § 357 [X.], dass das Revisionsgericht zu Gunsten früherer Mitangeklagter, "die nicht Revision eingelegt haben, so – zu erkennen" hat, "als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten". Der zweite Teil des zitierten [X.]setzestexts erfasst die hier in Rede stehende Fallkonstellation nicht. Wenn nämlich ein nach Jugendstrafrecht verurteilter früherer [X.] gleichfalls Revision eingelegt hätte, so hätte diese keinen Erfolg, da sie in jedem Fall - unabhängig von sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen - we-gen § 55 Abs. 2 [X.] als unzulässig zu verwerfen wäre (vgl. mit gleicher Argu-19 - 9 - mentation für den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde im Ordnungs-widrigkeitenverfahren BayObLG [X.]wArch 1999, 333, 334). Daher könnte § 357 [X.] überhaupt nur im Wege einer Analogie zu Gunsten solcher Nichtreviden-ten, für welche die Revision kraft [X.]setzes ausgeschlossen ist, zur Anwendung gelangen. Der Wortlaut des ersten Teils des zitierten [X.]setzestexts ("die nicht Re-vision eingelegt haben") scheint der Rechtskraftdurchbrechung in den Fällen einer wegen § 55 Abs. 2 [X.] unzulässigen Revision zunächst nicht ohne [X.] entgegenzustehen, da auch der in der Berufungsinstanz nach [X.] Verurteilte tatsächlich - wenngleich nicht zulässig - Revision einlegen kann. Die Formulierung ist allerdings anerkanntermaßen nicht präzise. So ist nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] die Vorschrift des § 357 [X.] - über ihren Wortlaut hinaus - auch zu Gunsten von früheren Mitangeklagten anzuwenden, die Revision eingelegt haben, wenn sie die Revi-sion später zurückgenommen haben (vgl. [X.] NJW 1958, 560; NJW 1996, 2663, 2665), ihre Revision auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt haben (vgl. [X.] NJW 1954, 441) oder sie nicht zulässig begründet haben (vgl. [X.]R [X.] § 338 Nr. 7 Entscheidungsgründe 2; [X.], [X.]. vom 23. September 1952 - 1 StR 398/52 - Umdruck S. 5 f.; Beschluss vom 30. März 1984 - 3 [X.] - Umdruck S. 4). Dass § 357 [X.] diese Mitangeklagten erfassen soll, unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln und wird in den zitierten Entscheidungen erst gar nicht näher begründet. Die gesetzliche Formulierung "die nicht Revision einge-legt haben" ist somit dahingehend auszulegen, dass die Rechtskraftdurchbre-chung für solche früheren Mitangeklagten gilt, welche von dem Rechtsmittel der Revision nicht wie der Revident erfolgreich [X.]brauch gemacht haben. 20 - 10 - Für eine derartige Auslegung sprechen nicht zuletzt die [X.]setzesmateri-alien. Dort heißt es, es sei als "schwere Schädigung der [X.]rechtigkeit" anzuse-hen, dass "die Strafe, welche durch die Entscheidung des [X.] als eine ungerechtfertigte bezeichnet worden ist", ungeachtet einer erfolgreich ein-gelegten Revision an früheren Mitangeklagten "vollstreckt werde, weil sie von dem Rechtsmittel der Revision nicht [X.]brauch gemacht haben" (Hahn, Materia-lien zur Strafprozessordnung 2. Aufl. 1886 S. 1606). Das Nichtgebrauchmachen von dem Rechtsmittel der Revision impliziert, dass für den jeweiligen [X.] ursprünglich die Möglichkeit zur erfolgreichen Einlegung bestand (vgl. [X.], Die Voraussetzungen des § 357 [X.] Diss. 1971 S. 63: fehlender "Rechtsmittelgebrauch" bei gegebener "Rechtsmittelbefugnis"). Das bedeutet, dass die Revision für ihn statthaft gewesen sein muss; umgekehrt muss die Anwendung des § 357 [X.] dann ausscheiden, wenn die Revision kraft [X.]set-zes ausgeschlossen ist (vgl. auch [X.] 1926 Nr. 1799; [X.] 1937, 769 ). 21 2. In der Literatur für die Anwendbarkeit des § 357 [X.] vorgebrachte Argumente, die sich auf die Eigenart des [X.] nach § 55 Abs. 2 [X.] stützen, greifen nicht durch. Weder die Überlegung, auch für den nach Jugendstrafrecht erstinstanzlich verurteilten Mitangeklagten sei zunächst die ([X.] statthaft gewesen, noch diejenige, mit der Berufungseinle-gung habe er auf das Rechtsmittel der Revision gleichsam verzichtet, rechtfer-tigt eine Rechtskraftdurchbrechung in der hier in Rede stehenden [X.]. 22 Dem nach Jugendstrafrecht verurteilten Mitangeklagten stand zwar ur-sprünglich auch die Möglichkeit offen, gegen das erstinstanzliche [X.]eil [X.] einzulegen. Dass er, wenn er von dieser Möglichkeit [X.]brauch gemacht [X.], das günstigere Ergebnis auch selbst hätte erzielen können, also nur das fal-23 - 11 - sche Rechtsmittel gewählt habe (so [X.] [X.] 1963, 539, 540; [X.], Ju-gendliche, Heranwachsende und Erwachsene gemeinsam vor dem Strafgericht Diss. 2005 S.111; [X.], Die Probleme des § 357 [X.] Diss. 1992 S. 97; [X.] aaO 66), trifft jedoch nicht uneingeschränkt zu. Da die meisten auf die Sachrüge hin erfolgenden [X.]en durch das Revisionsgericht auf [X.] im angefochtenen [X.]eil etwa hinsichtlich der [X.] zur Tat oder hinsichtlich der Beweiswürdigung, nicht auf klassischen Sub-sumtionsfehlern beruhen, ist an Fälle zu denken, in denen das erstinstanzliche [X.]eil revisionsrechtlicher Überprüfung stand halten würde, während das Beru-fungsurteil an einem sachlich-rechtlichen Mangel leidet. Dass dies nicht nur ei-ne theoretische Erwägung ist, zeigt das dem Vorlagebeschluss zugrunde [X.] Verfahren. Hier tragen die Feststellungen im Berufungsurteil nach der maßgeblichen revisionsrechtlichen Beurteilung durch das [X.] die Annahme der [X.] nicht, während die [X.] im erstinstanzlichen [X.]eil die [X.] beider Angeklagter zwei-fellos ergeben. Für § 357 [X.] kann die zu fordernde Statthaftigkeit der [X.] daher nicht abstrakt, sondern nur konkret in Bezug auf das angefochtene [X.]eil beurteilt werden. Das zeigt sich auch daran, dass eine Rechtskraftdurch-brechung zu Gunsten des früheren Mitangeklagten von [X.] nicht in [X.] kommt, wenn dieser das erstinstanzliche [X.]eil rechtskräftig werden ließ und später das zunächst auf eine Berufung des revidierenden Angeklagten hin ergangene [X.]eil vom Revisionsgericht aufgehoben wird (vgl. [X.] 1926 Nr. 1799; [X.] in [X.]. § 357 Rdn. 11 m.w.N.). Das Argument, dass der nach Jugendstrafrecht verurteilte Mitangeklagte, der gegen das erstinstanzliche [X.]eil Berufung eingelegt habe, hiermit gleich-sam auf die Revision verzichtet habe und beim Erwachsenen nach allgemeiner Meinung (vgl. nur [X.] in Löwe/[X.], [X.]. § 357 Rdn. 10; [X.]/[X.], [X.] 48. Aufl. § 357 Rdn. 7) ein Rechtsmittelverzicht die [X.] - 12 - wendung des § 357 [X.] nicht hindere (so [X.] aaO 540; [X.] aaO 111; [X.] aaO 97), überzeugt ebenfalls nicht. Denn nach § 55 Abs. 2 [X.] ist der Ausschluss der Revision zwingende gesetzliche Folge der Berufungseinle-gung, die völlig unabhängig davon eintritt, ob der Angeklagte eine spätere Revi-sion wünscht oder nicht. Von einer konkludenten Verzichtserklärung oder gar einem Verzichtswillen des Angeklagten kann daher nicht die Rede sein. Auch wäre eine Verzichtserklärung vor Verkündung des Berufungsurteils ohnehin unwirksam (vgl. [X.]St 43, 195, 205; [X.]/[X.] aaO § 302 Rdn. 14). Schließlich hat das [X.] in anderem Zusammenhang ent-schieden, dass eine Rechtsfolge, die gesetzlich für den Fall des Verzichts auf ein statthaftes Rechtsmittel vorgesehen ist, nicht auf den Fall einer nach § 55 Abs. 2 [X.] unzulässigen Revision übertragbar ist (vgl. [X.] NJW 2004, 209, 210). 3. Die Rechtsnatur des § 357 [X.] als einer rechtskraftdurchbrechenden Ausnahmeregelung spricht für eine enge Auslegung der Vorschrift und damit gegen seine Anwendbarkeit auf die hier in Rede stehende Fallkonstellation. Seine Rechtsnatur verbietet zwar nicht von [X.] jede erweiternde Ausle-gung oder Analogie, legt es aber nahe, hiervon nur zurückhaltend [X.]brauch zu machen (vgl. [X.]St 20, 77, 80 f.; 37, 361, 364; [X.]R [X.] § 357 Erstre-ckung 6, 9; [X.], Beschluss vom 29. November 1995 - 5 [X.] - Umdruck S. 7; [X.] in [X.] für [X.] S. 665, 668; Benninghoven, Revisions-erstreckung auf Mitverurteilte Diss. 2002 S. 21). Dies gilt unabhängig davon, dass die Rechtsprechung eine enge Auslegung der Vorschrift nicht durchge-hend vornimmt (so [X.]/[X.] NStZ 2004, 9, 10 f.), wenn im Einzelfall sachliche Gründe zu einer erweiternden oder gar analogen Anwendung drän-gen. Zumeist lehnt sie eine sinngemäße Anwendung der Vorschrift jedoch ab (vgl. die zahlreichen Beispiele bei [X.] aaO Rdn. 4, 15 und [X.] aaO Rdn. 5 f., 11, 23 jew. m.w.N.). 25 - 13 - 4. [X.]gen die analoge Anwendbarkeit des § 357 [X.] zu Gunsten eines früheren Mitangeklagten, für den die Revision wegen § 55 Abs. 2 [X.] unzuläs-sig war, sprechen des Weiteren teleologische Erwägungen. 26 § 55 Abs. 2 [X.] dient der Verfahrensbeschleunigung, um die erzieheri-sche Wirkung der jugendstrafrechtlichen Sanktion zu gewährleisten (vgl. [X.]. I/3264 S. 46; [X.]/Schoreit/[X.], [X.] 4. Aufl. § 55 Rdn. 41). Zu diesem Zweck hat der [X.]setzgeber ein erhöhtes Risiko von fehlerhaften Verurteilungen in Kauf nehmen müssen. Dass sich dieses Risiko auch tatsäch-lich verwirklichen kann, ist dabei zwingende Folge des [X.]. Wenn vorgebracht wird, eine jugendstrafrechtliche Sanktion könne keine erzie-herische Wirkung haben, falls das [X.]eil gegen den erwachsenen Mitangeklag-ten in der Revisionsinstanz aufgehoben worden ist (so [X.] aaO 540; [X.] aaO 109; [X.] aaO 97; [X.] aaO 65 f.), greift die Argumentation zu kurz. Denn der Jugendliche, der auf seine Berufung hin einzeln unschuldig verurteilt wurde, wird die erzieherische Wirkung der Sanktion ebenso wenig akzeptieren. Die partielle Schlechterstellung des nach Jugendstrafrecht Verurteilten folgt vielmehr unmittelbar aus § 55 Abs. 2 [X.]. Dass die Regelungen des [X.], die den Jugendlichen verglichen mit dem Erwachsenen überwiegend begünstigen, ihn in Teilbereichen ebenso belasten können, versteht sich von selbst. So kommt etwa auch die Anwendung des § 357 [X.] dann von [X.] nicht in Betracht, wenn der erwachsene Angeklagte mit einer Verfahrensrüge die [X.] der Öffentlichkeit nach § 169 [X.], § 48 Abs. 3 [X.] rügt - womit der jugendliche Mitangeklagte selbst im Fall einer von ihm zulässig eingelegten Re-vision keinen Erfolg haben kann (vgl. [X.]St 10, 119, 120 f.; [X.] NStZ 2004, 294; NJW 2006, 1220) - und ausschließlich diese Rüge zur Aufhebung des Ur-teils und sogar zum Freispruch des erwachsenen Angeklagten in der erneuten tatrichterlichen Hauptverhandlung führt. 27 - 14 - Darüber hinaus verkennt die Argumentation, der nach Jugendstrafrecht Verurteilte werde die Sanktion im Fall der [X.] zu Gunsten eines erwachsenen Mitangeklagten nicht akzeptieren, dass § 357 [X.] der Idee der materiellen [X.]rechtigkeit dient, weniger dem Interesse des Nichtrevidenten (vgl. [X.]St 12, 335, 341; 24, 208, 210; [X.] aaO Rdn. 1). Dieser kann so-gar ein nachvollziehbares Interesse am Bestand des [X.]eils haben (vgl. [X.]St 20, 77, 80), etwa wenn die Zurückverweisung der Sache dazu führt, dass sich ein geständiger und zu einer Bewährungsstrafe verurteilter früherer Mitangeklagter nochmals durch eine langwierige, für ihn kostspielige [X.] quälen muss, ohne Aussicht auf eine wesentlich mildere Strafe zu haben (vgl. [X.] aaO 667). Unter diesem [X.]sichtspunkt kann eine Argu-mentation nicht überzeugen, die die analoge Anwendbarkeit des § 357 [X.] mit der subjektiven Sicht des Nichtrevidenten begründet. 28 In den meisten Fällen der Rechtskraftdurchbrechung nach § 357 [X.] wird die [X.] ohnehin nicht zum Freispruch des nach Jugendstraf-recht verurteilten früheren Mitangeklagten führen. Der [X.] wand-te zum Beispiel von 1994 bis 1997 § 357 [X.] in 55 Fällen an, wobei der Nichtrevident lediglich in einem Fall zugleich freigesprochen wurde und in sechs weiteren Fällen ein Freispruch nach Zurückverweisung zumindest möglich war; in allen anderen Fällen kam ein Freispruch nicht in Betracht (so die Auswertung von [X.] in [X.] für Roxin S. 1345, 1352 ff.). Vor diesem Hintergrund ist das Risiko zu gewichten, dass ein nach Jugendstrafrecht verurteilter früherer Mitangeklagter infolge der [X.] zu seinen Gunsten aus dem als beson[X.] behandlungs- und erziehungsorientiert geltenden Jugendstrafvollzug gerissen wird, um später nach erneuter - gegebenenfalls langwieriger - [X.] die Jugendstrafe wieder anzutreten. Derartige Szenarien sind schwerlich mit dem Zweck des § 55 Abs. 2 [X.], der Verfahrensbescheunigung aus erzieherischen Gründen, in Einklang zu bringen. Daran ändert auch nichts, 29 - 15 - wenn dem Nichtrevidenten, wie es der 5. Strafsenat nahe legt (vgl. [X.] NJW 2005, 374, 376), im Fall der Zurückverweisung der Sache de lege [X.] ein Wi-[X.]pruchsrecht gegen die Anwendung des § 357 [X.] eingeräumt würde, ab-gesehen davon, dass die praktische Durchführung im Einzelfall, etwa wenn sich ein ausländischer Nichtrevident schon längst wieder in seinem Heimatland be-findet, erhebliche Schwierigkeiten bereiten dürfte (vgl. [X.]/[X.], [X.] 48. Aufl. § 357 Rdn. 16; [X.]. in [X.] für Roxin S. 1345, 1355). 5. Schließlich wird der jugendliche oder heranwachsende Mitangeklagte durch die hier vorgenommene Auslegung des § 357 [X.] nicht schlechter ge-stellt, als er stünde, wenn er allein angeklagt worden wäre. Wenn nämlich der nach Jugendstrafrecht Verurteilte gegen das erstinstanzliche [X.]eil sofort 30 - 16 - Sprungrevision einlegt, wird diese bei einer Berufung des anderen ([X.]) Mitangeklagten zwar gem. § 335 Abs. 3 [X.] ebenfalls als Berufung be-handelt. Dann ist ihm aber nicht der Weg in die Revisionsinstanz abgeschnitten (vgl. BayObLG NStZ-RR 2001, 49; [X.]/Schoreit/[X.] aaO Rdn. 48). Herr Ri[X.] Dr. Wahl befindet sich in [X.]und ist deshalb an der Unterschrift verhindert. Nack Nack Kolz Elf [X.]

Meta

1 StR 57/06

09.05.2006

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.05.2006, Az. 1 StR 57/06 (REWIS RS 2006, 3642)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3642

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen
Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.