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PDF anzeigen [X.] vom 9. Mai 2006 in der Strafsache gegen [X.]St: ja Veröffentlichung: ja ____________________________ [X.] § 357, [X.] § 55 Abs. 2 § 357 [X.] ist nicht zu Gunsten eines früheren Mitangeklagten anwendbar, für den die Revision wegen § 55 Abs. 2 [X.] unzulässig war. [X.], Beschluss vom 9. Mai 2006 - 1 StR 57/06 - [X.]wegen Raubes hier: Vorlage gemäß § 121 Abs. 2 [X.] betreffend die frühere Mitangeklagte
G. - 2 - - 3 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 9. Mai 2006 beschlossen: § 357 [X.] ist nicht zu Gunsten eines früheren Mitangeklagten anwendbar, für den die Revision wegen § 55 Abs. 2 [X.] unzuläs-sig war. Gründe: [X.] 1. Das Amtsgericht - [X.] - [X.] hat den erwachsenen Angeklagten [X.]. und die zur Tatzeit heranwachsende Mitangeklagte [X.]am 7. April 2004 des - mittäterschaftlich begangenen - Raubes schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten [X.]. zu einer Frei-heitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, die Mitangeklagte [X.]zu einer [X.], deren Vollstreckung es zur Bewährung ausge-setzt hat. [X.]gen das [X.]eil haben beide Angeklagte unbeschränkt, die [X.] auf das Strafmaß beschränkt Berufung eingelegt. 1 Das Landgericht - 1. Große Strafkammer - [X.] hat am 2. März 2005 die Berufungen als unbegründet verworfen. Seinen [X.]eilsfeststel-lungen zufolge begab sich der Angeklagte [X.]. am frühen Morgen des 13. Mai 2003 zweimal in das Schlafzimmer des [X.]und äußerte - davon einmal mit erhobener Faust -, wenn dieser [X.] verlasse, schla-ge er ihn zusammen bzw. tot. Der [X.]schädigte blieb aus Angst in seinem 2 - 4 - Schlafzimmer. Sodann entwendeten der Angeklagte [X.]. und die Mitan-geklagte [X.], die das [X.]schehen wahrgenommen hatte, aus der Wohnung des [X.] Dekorationsgegenstände im Wert von etwa 1.600 •. Haupt-sächlich ging es beiden Angeklagten darum, den Zeugen S. zu ärgern oder ihm einen Denkzettel zu verpassen; sie zogen allerdings auch in Erwä-gung, die [X.]genstände zu [X.]ld zu machen. [X.]gen das [X.]eil des [X.] [X.] hat der Angeklagte [X.]. Revision eingelegt und zulässig die Sachrüge erhoben, wohingegen die [X.]eile in Bezug auf die Mitangeklagte [X.] in Rechtskraft erwachsen sind. 3 2. Der mit der Revision befasste 2. Strafsenat des [X.] beabsichtigt, das landgerichtliche [X.]eil mit den Feststellungen be-züglich beider Angeklagter aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. 4 Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Revision des Angeklagten [X.]. ein zumindest vorläufiger Erfolg nicht versagt werden könne, da die Feststellungen des landgerichtlichen [X.]eils nicht hinreichend die in § 249 Abs. 1 StGB vorausgesetzte finale Verknüpfung zwischen der Drohung und der Wegnahme tragen würden; aus ihnen gehe vielmehr nur die zeitliche [X.] hervor. Auch die [X.] beider Angeklag-ter werde nicht belegt. Nach den Feststellungen hätten diese zwar erwogen, die Dekorationsgegenstände zu [X.]ld zu machen; das Ergebnis der Erwägungen teile das [X.]eil jedoch nicht mit. 5 Da das [X.]eil an einem sachlich-rechtlichen Mangel leide, aufgrund des-sen die Revision des Angeklagten [X.]. begründet sei, sei die [X.] nach § 357 [X.] auf die frühere Mitangeklagte [X.] zu erstrecken. Das [X.] ist der Auffassung, § 55 Abs. 2 [X.] hindere die Anwendung des § 357 [X.] nicht. Aus einer Abwägung der [X.] - 5 - cke des § 55 Abs. 2 [X.] einerseits und des § 357 [X.] andererseits folge, dass die [X.] auf den nach Jugendstrafrecht verurteilten früheren Mitangeklagten nach § 357 [X.] zu erstrecken sei. § 55 Abs. 2 [X.] verfolge das Ziel, das Jugendstrafverfahren der besseren erzieherischen Wirkung we-gen angemessen zu beschleunigen. § 357 [X.] bezwecke die Verhinderung das Rechtsgefühl verletzender Ungleichheiten. Das Ziel schneller [X.] müsse dabei hinter dem [X.]bot der Herstellung materieller [X.]rech-tigkeit, des obersten Ziels des Strafprozesses, zurücktreten. [X.]rade gegenüber Jugendlichen sei es aus erzieherischen Gründen wichtig, Entscheidungen zu verhindern, die deren Rechts- und [X.]rechtigkeitsgefühl erheblich verletzen könnten. Die Nichterstreckung der [X.] würde eine unverständliche und unbegründete Schlechterbehandlung der Jugendlichen bedeuten. Weder der Wortlaut des § 357 [X.] noch rechtsdogmatische Erwägungen würden ei-ner Erstreckung der [X.] entgegenstehen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ("erstreckt sich das [X.]eil ... auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben"), sei es ohne Bedeutung, weshalb der frühere Mitangeklagte keine Revision eingelegt habe. Daher könne die Nichterstreckung nur mit der Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung begründet werden. Entgegen dem - häufig aufgestellten - Postulat, aufgrund des Ausnahmecharakters von § 357 [X.] sei eine enge Auslegung geboten, werde die Vorschrift in der Rechtsprechung jedoch auch erweiternd oder sogar analog angewendet. An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das [X.] durch das [X.]eil des [X.] vom 5. März 1957 - [X.] (NJW 1957, 1450) gehindert. Darin wird [X.] die Auffassung vertreten, das Revisionsgericht könne § 357 [X.] nicht zu Gunsten eines Jugendlichen anwenden, der bereits Berufung eingelegt hatte (§ 55 Abs. 2 [X.]). Die Anwendung des § 357 [X.] sei nach seiner eindeuti-gen Fassung vielmehr auf die Angeklagten zu beschränken, denen die [X.] - 6 - keit der [X.] nach dem [X.]setz offen gestanden habe. Zudem rechtfertige die Ausnahmenatur der Vorschrift eher eine den Wortlaut ein-schränkende als eine ausdehnende Auslegung. Das [X.] hat deshalb die Sache mit Beschluss vom 12. Januar 2006 gemäß § 121 Abs. 2 [X.] dem [X.] zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt: 8 "Ist die [X.] in Fällen des § 357 [X.] auch dann auf den nicht revidierenden früheren Mitangeklagten zu erstrecken, wenn dessen Revi-sion wegen § 55 Abs. 2 [X.] unzulässig wäre?" 9 3. Der [X.]neralbundesanwalt hat sich der Rechtsauffassung des [X.] angeschlossen und beantragt zu beschließen: 10 "Die Aufhebung des [X.]eils gemäß § 357 [X.] ist auch dann auf den nicht revidierenden früheren Mitangeklagten zu erstrecken, wenn er gegen sein Berufungsurteil nach § 55 Abs. 2 [X.] keine Revision mehr einlegen darf." 11 I[X.] 1. Die Vorlegung ist gemäß § 121 Abs. 2 [X.] zulässig. Das [X.] kann nicht wie beabsichtigt entscheiden, ohne von der Rechtsansicht des [X.] abzuweichen. Die übrigen Voraussetzungen des § 357 [X.] liegen vor. Das [X.] hält in vertretbarer Weise (vgl. die Nachw. bei [X.] in [X.]. § 121 [X.] Rdn. 43 f.) die tatrichterlichen Feststellungen im [X.]eil des [X.] für unzureichend. Feststellungen zur finalen Verknüpfung zwischen der qualifi-zierten Nötigungshandlung und der Wegnahme fehlen; dass die Feststellungen die Annahme der [X.] nicht tragen, ist ebenfalls - noch, wenn-gleich nicht allein - vertretbar. 12 - 7 - 2. Allerdings empfiehlt sich eine andere Fassung der [X.]. Denn die [X.] im Beschluss des [X.] be-trifft nach ihrem Wortlaut nur die [X.] zu Gunsten des früheren Mitangeklagten, nicht die bloße Schuldspruchberichtigung oder die Einstellung des Verfahrens nach § 206a [X.] durch das Revisionsgericht. Nicht nur bei einer Schuldspruchberichtigung, sondern auch bei einem Vorgehen nach § 206a [X.] bedarf es einer [X.] nicht, da das angefochtene [X.]eil in diesem Fall ipso iure gegenstandslos wird (vgl. [X.]R [X.] § 467 Abs. 3 Verfahrenshindernis 2; Senatsbeschluss vom 10. Juli 2001 - 1 [X.]/01 - Umdruck S. 2). Beide Entscheidungsmöglichkeiten des [X.] wer-den jedoch ebenfalls von § 357 [X.] erfasst (vgl. [X.]St 24, 208; [X.] NJW 1952, 274; 1973, 474, 475; [X.] in Löwe/[X.], [X.]. § 357 Rdn. 7, 8 m.w.N.); dabei kann die hier zu beurteilende Rechtsfrage für bloße Schuldspruchberichtigungen und Verfahrenseinstellungen nach § 206a [X.] nicht an[X.] beantwortet werden. 13 Der Senat präzisiert deshalb die [X.] wie folgt: 14 Ist § 357 [X.] zu Gunsten eines früheren Mitangeklagten anwendbar, für den die Revision wegen § 55 Abs. 2 [X.] unzulässig war? 15 II[X.] In der Rechtsprechung finden sich - soweit ersichtlich - keine weiteren Entscheidungen zu der [X.] (ausdrücklich offen gelassen von [X.] OLGSt [X.] § 357 Nr. 2 S. 5). Im Schrifttum stehen sich die Stimmen, welche eine Erstreckung der Revisionsentscheidung befürworten, und diejeni-gen, welche dies ablehnen, in etwa gleich stark gegenüber. Während insbeson-dere die Literatur zum Jugendstrafrecht § 357 [X.] für anwendbar hält (vgl. [X.]/Dölling, [X.] 11. Aufl. § 55 Rdn. 16; [X.]/Schoreit/[X.], [X.] 16 - 8 - 4. Aufl. § 55 Rdn. 49; [X.], [X.] 6. Aufl. § 55 Rdn. 41; ferner [X.] [X.] 1963, 539; [X.], Jugendliche, Heranwachsende und Erwachsene ge-meinsam vor dem Strafgericht Diss. 2005 [X.] ff.; [X.], Die Probleme des § 357 [X.] Diss. 1992 S. 96 ff.; [X.] in [X.], [X.] 41. Lfg. § 357 Rdn. 14; [X.], Die Voraussetzungen des § 357 [X.] Diss. 1971 S. 64 ff.; Temming in [X.], [X.] 3. Aufl. § 357 Rdn. 15), spricht sich die strafprozessrechtliche Litera-tur überwiegend dagegen aus (vgl. [X.] in Löwe/[X.], [X.]. § 357 Rdn. 11; [X.] in [X.]. § 357 Rdn. 12; [X.] in [X.] § 357 Rdn. 11; [X.], [X.] 48. Aufl. § 357 Rdn. 7; [X.] in SK-[X.] 46. Lfg. § 357 Rdn. 29; ferner Benninghoven, Revisionserstreckung auf Mitver-urteilte Diss. 2002 S. 27 f.; [X.] in [X.]dS für [X.], 427; Zopfs GA 1999, 482, 486). [X.] Der Senat beantwortet die [X.] wie aus dem [X.] ersichtlich. 17 1. Eine wortlautorientierte und historische Auslegung des § 357 [X.] spricht gegen seine Anwendbarkeit zu Gunsten eines früheren Mitangeklagten, für den die Revision gegen das angegriffene [X.]eil nicht statthaft war. 18 Als Rechtsfolge bestimmt § 357 [X.], dass das Revisionsgericht zu Gunsten früherer Mitangeklagter, "die nicht Revision eingelegt haben, so – zu erkennen" hat, "als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten". Der zweite Teil des zitierten [X.]setzestexts erfasst die hier in Rede stehende Fallkonstellation nicht. Wenn nämlich ein nach Jugendstrafrecht verurteilter früherer [X.] gleichfalls Revision eingelegt hätte, so hätte diese keinen Erfolg, da sie in jedem Fall - unabhängig von sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen - we-gen § 55 Abs. 2 [X.] als unzulässig zu verwerfen wäre (vgl. mit gleicher Argu-19 - 9 - mentation für den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde im Ordnungs-widrigkeitenverfahren BayObLG [X.]wArch 1999, 333, 334). Daher könnte § 357 [X.] überhaupt nur im Wege einer Analogie zu Gunsten solcher Nichtreviden-ten, für welche die Revision kraft [X.]setzes ausgeschlossen ist, zur Anwendung gelangen. Der Wortlaut des ersten Teils des zitierten [X.]setzestexts ("die nicht Re-vision eingelegt haben") scheint der Rechtskraftdurchbrechung in den Fällen einer wegen § 55 Abs. 2 [X.] unzulässigen Revision zunächst nicht ohne [X.] entgegenzustehen, da auch der in der Berufungsinstanz nach [X.] Verurteilte tatsächlich - wenngleich nicht zulässig - Revision einlegen kann. Die Formulierung ist allerdings anerkanntermaßen nicht präzise. So ist nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] die Vorschrift des § 357 [X.] - über ihren Wortlaut hinaus - auch zu Gunsten von früheren Mitangeklagten anzuwenden, die Revision eingelegt haben, wenn sie die Revi-sion später zurückgenommen haben (vgl. [X.] NJW 1958, 560; NJW 1996, 2663, 2665), ihre Revision auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt haben (vgl. [X.] NJW 1954, 441) oder sie nicht zulässig begründet haben (vgl. [X.]R [X.] § 338 Nr. 7 Entscheidungsgründe 2; [X.], [X.]. vom 23. September 1952 - 1 StR 398/52 - Umdruck S. 5 f.; Beschluss vom 30. März 1984 - 3 [X.] - Umdruck S. 4). Dass § 357 [X.] diese Mitangeklagten erfassen soll, unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln und wird in den zitierten Entscheidungen erst gar nicht näher begründet. Die gesetzliche Formulierung "die nicht Revision einge-legt haben" ist somit dahingehend auszulegen, dass die Rechtskraftdurchbre-chung für solche früheren Mitangeklagten gilt, welche von dem Rechtsmittel der Revision nicht wie der Revident erfolgreich [X.]brauch gemacht haben. 20 - 10 - Für eine derartige Auslegung sprechen nicht zuletzt die [X.]setzesmateri-alien. Dort heißt es, es sei als "schwere Schädigung der [X.]rechtigkeit" anzuse-hen, dass "die Strafe, welche durch die Entscheidung des [X.] als eine ungerechtfertigte bezeichnet worden ist", ungeachtet einer erfolgreich ein-gelegten Revision an früheren Mitangeklagten "vollstreckt werde, weil sie von dem Rechtsmittel der Revision nicht [X.]brauch gemacht haben" (Hahn, Materia-lien zur Strafprozessordnung 2. Aufl. 1886 S. 1606). Das Nichtgebrauchmachen von dem Rechtsmittel der Revision impliziert, dass für den jeweiligen [X.] ursprünglich die Möglichkeit zur erfolgreichen Einlegung bestand (vgl. [X.], Die Voraussetzungen des § 357 [X.] Diss. 1971 S. 63: fehlender "Rechtsmittelgebrauch" bei gegebener "Rechtsmittelbefugnis"). Das bedeutet, dass die Revision für ihn statthaft gewesen sein muss; umgekehrt muss die Anwendung des § 357 [X.] dann ausscheiden, wenn die Revision kraft [X.]set-zes ausgeschlossen ist (vgl. auch [X.] 1926 Nr. 1799; [X.] 1937, 769
Meta
09.05.2006
Bundesgerichtshof 1. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.05.2006, Az. 1 StR 57/06 (REWIS RS 2006, 3642)
Papierfundstellen: REWIS RS 2006, 3642
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
3 Ss 447/09 (Oberlandesgericht Hamm)
1 StR 70/06 (Bundesgerichtshof)
5 StR 55/09 (Bundesgerichtshof)
4 StR 605/19 (Bundesgerichtshof)
Beschränkung des Prüfungsumfangs des Revisionsgerichts in Jugendstrafverfahren
4 StR 513/99 (Bundesgerichtshof)
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