Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2014, Az. 4 StR 21/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 4893

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 21/14

vom
16. Juni
2014

[X.]St:
nein
[X.]R:
ja
Nachschlagewerk:
ja
Veröffentlichung:
ja

-

StGB § 263 Abs. 1

Zum Abrechnungsbetrug der Betreiberin eines ambulanten [X.], de-ren Mitarbeiter nicht über die mit der Kranken-
und Pflegekasse vertraglich ver-einbarte Qualifikation verfügen.

[X.], Beschluss vom 16. Juni 2014

4 StR 21/14

LG Hagen

in der Strafsache
gegen

wegen Betrugs

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat auf
Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 16.
Juni 2014
gemäß §
46 Abs.
1, §
349 Abs.
2 StPO beschlossen:

1.
Der Angeklagten wird auf ihren Antrag nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 24.
Juni 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung hat die Angeklagte zu tra-gen.
2.
Die Revision der Angeklagten gegen das vorbezeichnete
Urteil wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat die
Angeklagte wegen Betrugs in 96
Fällen, davon in 91
Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, unter Einbeziehung der durch das Urteil des [X.] vom 19.
September 2012 verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, die auf die Verletzung materiellen und formel-len Rechts gestützt ist.
1
-
3
-
A.
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils betrieb die Ange-klagte, eine ausgebildete Krankenschwester, seit 2003 verschiedene Pflege-dienste.
Herr

O.

befand sich seit dem Frühjahr 2007 infolge einer
schweren Erkrankung im Wachkoma; es entwickelte sich ein apallisches Syn-drom. Ihm wurden ein Tracheostoma, eine Magensonde und ein Dauerkatheter gelegt. Ab September 2007 wurde er zu Hause gepflegt. Zu ihrer Unterstützung stellte seine Ehefrau jeweils für einen [X.]raum von etwa drei Monaten [X.] Hilfskräfte aus [X.] ein. Als sich der Gesundheitszustand ihres [X.] verschlechterte, entschloss sie sich, den Pflegedienst der Angeklagten zu beauftragen.
Die zuständige Kranken-
und Pflegekasse, die [X.]

, genehmigte für
die [X.] vom 10.
August bis zum 2.
Oktober 2008
eine 24stündige häusliche Krankenpflege, wobei vier Stunden auf die Grundpflege (Pflegeversicherung) und 20
Stunden auf die häusliche Krankenpflege (Krankenversicherung) entfie-len. Ab dem 3.
Oktober 2008 wurden zwölf Stunden häusliche Krankenpflege und zwei Stunden Grundpflege bewilligt.
Der Pflegedienst der Angeklagten war Mitglied des Landesverbandes

N.

e.V., der mit verschiedenen Krankenkas-
sen einen Vertrag zur Durchführung der häuslichen Krankenpflege, der häus-lichen Pflege und der Haushaltshilfe geschlossen hatte. Die [X.]

war nicht
[X.] dieses Vertrages, ließ aber seinen Inhalt gegen sich gelten. Da der [X.] aber keine detaillierte Regelung über die häusliche Krankenpflege enthielt, 2
3
4
5
-
4
-
waren [X.] zwischen der [X.]

und den jeweiligen
Pflegediensten erforderlich. Zwischen der [X.]

und der Angeklagten auf
Seiten des [X.] wurde deshalb n-zungsvereinbarung zum Vertrag über die Durchführung häuslicher [X.] gemäß §
37 SGB
V sowie der Pflegesachleistung nach §
36 SGB
XI für ü-

pro Stunde bis zum 11.
September 2008 und von 29

pro Stunde seit dem 12.
September 2008 vorsah.
Weiter heißt es in der Vereinbarung u.a.:

1

Gegenstand der Zusatzvereinbarung:
(1)
Diese Zusatzvereinbarung soll die Versorgung von Herrn

O.

nach §
37 SGB
V sowie mit Pflegesachleistungen nach §
36
SGB
XI sicherstellen, der einer besonders aufwändigen Behand-lungspflege bedarf. Bei Herrn O.

handelt es sich um einen
Wachkomapatienten, der über mehrere Stunden am Tag bis rund um
die Uhr unter Krankenbeobachtung stehen muss.
§
2

Besondere Anforderungen an die Qualifikation der Pflegekräfte und an die Leistungserbringung:
(1)
Der Pflegedienst stellt sicher, dass er die

von dazu fachlich qualifizierten und
berufsrechtlich legitimierten Pflegekräften durchführen lässt. Dazu gehört, dass er genügend fachlich weitergebildete Fachgesundheits-
und Krankenpfleger/-in-6
-
5
-
nen für Intensivpflege und Anästhesie bzw. genügend [X.] und Kinderkrankenpfleger/-innen für pädiatrische Inten-sivpflege beschäftigt.

(3)
Der Pflegedienst hat dafür zu sorgen, dass die Pflege auch bei Ab-wesenheit von Pflegekräften wegen Verhinderung, Krankheit oder Urlaub durch leistungsfähige, gleich qualifizierte Vertretungen ge-wä

Der den [X.] der [X.]

abschließende Leiter der Leis-
tungsabteilung und die Angeklagte verstanden diese Vereinbarung überein-stimmend dahin, dass Herr O.

ausschließlich durch Personal mit der ange-
gebenen Zusatzqualifikation gepflegt werden oder zumindest das eingesetzte Personal engmaschig durch bei der Angeklagten beschäftigte Personen, die über diese Zusatzqualifikation verfügen, eingearbeitet, unterstützt und über-wacht werden musste.
In der Folgezeit setzte die Angeklagte zu keinem [X.]punkt Personal ein, das über die in §
2 Abs.
1 Satz
2 der Zusatzvereinbarung beschriebene Qualifi-kation verfügte, sondern vielmehr examinierte Krankenschwestern, Altenpfle-ger/-innen, Altenpflegehelfer/-innen und Auszubildende zur Krankenschwester. Auch wurde das Personal nicht durch entsprechend qualifizierte Fachkräfte, die im Pflegedienst der Angeklagten auch nur kurzzeitig beschäftigt waren, einge-arbeitet oder überwacht. Die Angeklagte selbst wies die eingesetzten Kräfte in die routinemäßig anfallenden Arbeiten ein und hielt sie an, sich im Übrigen an die anwesenden [X.] Frauen zu halten oder den Notarzt zu rufen. Die Pflege des Herrn O.

erfolgte auch nicht über 24
Stunden bzw. 14
Stunden
täglich, sondern lediglich in dem [X.]raum, in dem die Ehefrau des Patienten 7
8
-
6
-
ihrem Beruf nachging, nämlich zwischen ca. 8.00
Uhr und ca. 14.00
Uhr im [X.] von 5,5 bis 7,5
Stunden täglich.
Der Pflegezustand des Herrn O.

war während des gesamten Tatzeit-
raums gut; es konnte nicht festgestellt werden, dass Krisen oder [X.] während dieser [X.] durch eine unzureichende Pflege seitens des von der Angeklagten eingesetzten Personals verursacht wurden.
Die Vereinbarungen zwischen dem Pflegedienst und der [X.]

sa-
hen ferner vor, dass den über Pflegeleistungen erstellten Rechnungen Leis-tungsnachweise beizufügen waren, die im Falle der Pflegeversicherungsleis-tungen / Grundleistungen die einzelnen erbrachten Leistungen und im Falle der [X.] / Behandlungspflege die zeitliche Dauer der Leistungen an den jeweiligen Tagen dokumentieren sollten.
Im [X.]raum zwischen dem 21.
September 2008 und dem 15.
August 2010 reichte die Angeklagte unter dem Namen verschiedener von ihr betriebe-ner
Pflegedienste an 96
Tagen insgesamt 123
Rechnungen samt [X.] bei der [X.]

ein, an 93
Tagen Rechnungen an die Kranken-
kasse

zum Teil zusammen mit Rechnungen an die Pflegeversicherung

,
an drei Tagen lediglich Rechnungen an die Pflegeversicherung. Die [X.] über [X.] waren hinsichtlich der geleisteten Arbeitsstunden überhöht. Die Unterschriften unter den beigefügten [X.] waren in 91
Fällen gefälscht.
Die zuständigen Mitarbeiter der [X.]

gingen bei der Prüfung der
Rechnungen davon aus, dass die Leistungen entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen und in dem abgerechneten Umfang erbracht worden waren. 9
10
11
12
-
7
-
Hätten sie von der tatsächlichen Qualifikation und der tatsächlichen Art und Weise der Einarbeitung und Überwachung des eingesetzten Personals oder der Fälschung der Unterschriften auf den Leistungsnachweisen erfahren, hätten sie die Bezahlung der Rechnungen vollständig verweigert.
Insgesamt erlangte die Angeklagte aus den an 96
Tagen eingereichten Rechnungen einen
Betrag in Höhe von 247.154,51

on der [X.]

, wobei
35.213,51

Pflegeversicherung und 211.941

e-rung entfielen.
[X.]
Der Angeklagten war gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie nach den Ausführungen ihres Verteidigers an der Fristversäumung kein [X.] trifft (§
44 StPO).
C.
Das Rechtsmittel der Angeklagten ist unbegründet.
I.
Die Verfahrensrüge greift aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 4.
Februar 2014 nicht durch.
13
14
15
16
-
8
-
II.
Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge deckt keinen durchgrei-fenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Die rechtsfehlerfrei ge-troffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Hinsichtlich des Tatbestands der Urkundenfälschung bedarf dies keiner näheren Darlegung. Aber auch den Tatbestand des Betrugs hat das [X.] zu Recht als erfüllt angesehen.
1.
Die Angeklagte täuschte die zuständigen Mitarbeiter der [X.]

durch die Einreichung der Rechnungen nebst Leistungsnachweisen konkludent über das Vorliegen der den Zahlungsanspruch begründenden Tatsachen. So-weit die Angeklagte Rechnungen mit überhöhter Stundenzahl eingereicht hat, liegt dies auf der Hand. Darüber hinaus gab die Angeklagte aber auch konklu-dent wahrheitswidrig vor, Pflegepersonal eingesetzt und beschäftigt zu haben, das die vertraglich vereinbarte Qualifikation aufwies. Im Einzelnen:
a)
Zwar fordert das SGB
V bezüglich der häuslichen Krankenpflege keine besondere Qualifikation der von den Leistungserbringern eingesetzten Per-sonen. Die Krankenkassen sind jedoch berechtigt, den Abschluss eines [X.]es über die Leistung häuslicher Krankenpflege von einer bestimmten forma-len Qualifikation des Pflegepersonals abhängig zu machen ([X.], 150, 154
ff.; [X.], 12, 17, 19). Wird eine solche Vereinbarung getroffen, bildet sie neben den gesetzlichen Bestimmungen die Grundlage der [X.] und soll sicherstellen, dass sich die Pflege nach den gesetzlichen und ver-traglichen Bestimmungen vollzieht (vgl. [X.], Beschluss vom 17.
Mai 2000

B
3
KR
19/99
B, Rn.
5, juris; [X.]E 94, 213, 220 Rn.
26; [X.], Urteil vom 11.
April 2008

L
1
KR
78/07, Rn.
32, juris). Eine sol-che Bestimmung haben die Vertragsparteien hier in §
2 der am 12.
September 17
18
19
-
9
-

k-lich für die häusliche Krankenpflege nach §
37 SGB
V und die [X.] nach §
36 SGB
XI. Die Leistungserbringung gegenüber der Krankenver-sicherung und gegenüber der Pflegeversicherung richtete sich daher nach den-selben Maßstäben.
b)
Das [X.] ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass nach der getroffenen Vereinbarung jegliche pflegerische Versorgung des Patienten O.

durch besonders qualifiziertes Personal, nämlich durch Fachgesund-
heits-
und Krankenpfleger/-innen und Kinderkrankenpfleger/-innen für pädiatri-sche Intensivpflege durchgeführt werden, zumindest aber das Personal durch derart ausgebildete Personen eingearbeitet, angeleitet, unterstützt und über-wacht werden sollte. Die Bestimmung in §
2 Abs.
1 Satz
2 der Vereinbarung, dass der Pflegedienst genügend Fachgesundheits-
und Krankenpfleger/-innen für Intensivpflege und Anästhesie bzw. Krankenpfleger/-innen und Kinder-krankenpfleger/-innen für pädiatrische Intensivpflege beschäftigen müsse,
hat das [X.]

ebenso wie die Vertragsparteien
-
als Konkretisierung der Anforderungen im Satz
1 der Regelung verstanden. Danach waren die Herrn O.

verordneten Vertragsleistungen nur von dazu fachlich besonders quali-
fizierten Pflegekräften durchzuführen. Gegen diese Auslegung des Vertrags,
die dem Tatrichter obliegt
(vgl. [X.], Beschluss vom 20.
September 2012

3
StR
314/12, [X.], 123, 125; Urteil vom 13. Mai 2004

5
StR
73/03, NJW 2004, 2248, 2250), ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
c)
Hiervon ausgehend hat das [X.] rechtsfehlerfrei auch insoweit in den Abrechnungen der Angeklagten eine Täuschung der Mitarbeiter der [X.]

erblickt;
denn tatsächlich setzte die Angeklagte

obwohl sie dies in den
eingereichten Rechnungen zumindest konkludent (mit-)erklärt hat

zur Pflege 20
21
-
10
-
des Herrn O.

zu keinem [X.]punkt Mitarbeiter mit der vereinbarten Zu-
satzqualifikation ein und veranlasste auch keine Einweisung und Überwachung des vor Ort tätigen Personals durch solche Mitarbeiter. Auch hatte sie nur kurz-zeitig Personal beschäftigt, das diese Qualifikation aufwies.
2.
Ausweislich der [X.] Feststellungen gingen die Mitarbei-ter der [X.]

deshalb davon aus, dass die Angeklagte die Leistungen wie
vereinbart erbracht habe und bezahlten die Rechnungen. Hätten sie von der fehlenden Qualifikation des Personals gewusst, hätten sie dies nicht getan.
3.
Der [X.]

ist durch die irrtumsbedingte Bezahlung der Rechnun-
gen ein Vermögensschaden entstanden.
Ein solcher tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des [X.] bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts des Vermögens des [X.] führt (Gesamtsaldierung, vgl. [X.], Urteil vom 27.
Juni 2012

2
StR
79/12, [X.]R StGB §
263 Abs.
1 Vermögensschaden
77; Beschlüsse vom 25.
Januar 2012

1
StR
45/11, [X.]St 57, 95 Rn.
75; vom 5.
Juli 2011

3
StR
444/10,
jeweils mwN). Aus dem Bestimmtheitsgebot des Art.
103 Abs.
2 GG folgt dabei, dass die gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht durch eine [X.] bzw. -schadens überla-gert werden darf (vgl. [X.], [X.], 626, 629; [X.], 907, 916
f.).
a)
Nach diesem Maßstab liegt zunächst ein Vermögensschaden der [X.]

vor, soweit die Angeklagte in sämtlichen Abrechnungen gegenüber der
Krankenkasse mehr Dienststunden angegeben hat als tatsächlich geleistet wurden (vgl. [X.], Urteil vom 1.
Dezember 1989

4
StR
419/89, [X.]St 36, 22
23
24
25
-
11
-
320, 321; Volk, NJW 2000, 3385, 3386; SSW-StGB/Satzger, 2.
Aufl., §
263 Rn.
255).
b)
Aber auch soweit durch die Mitarbeiter der Angeklagten die Pflegeleis-tungen tatsächlich erbracht wurden, tragen die Feststellungen die Annahme eines Vermögensschadens und damit die Verurteilung wegen Betrugs.
aa)
Denn die [X.]

war im Tatzeitraum nicht zur Zahlung der in
Rechnung gestellten Beträge verpflichtet, da die von der Angeklagten einge-setzten und beschäftigten Pflegekräfte nicht über die in der Vereinbarung zwi-schen der Angeklagten und der [X.]

vorausgesetzte Qualifikation verfüg-
ten.
Das Unterschreiten der nach dem Vertrag vereinbarten Qualifikation
führt nach den insoweit maßgeblichen Grundsätzen des Sozialrechts auch
dann zum vollständigen Entfallen des Vergütungsanspruchs, wenn die Leistun-h-tungs

Dezember 2002

3
StR
161/02, [X.]R StGB §
263 Abs.
1 Vermögensschaden
62
m. [X.]. [X.]/[X.], [X.],
315, 316; Beschluss vom 28.
September 1994

4
StR
280/94, [X.], 85
f.; [X.], Urteil vom 18.
Dezember 2009

L
1
KR
89/06, Rn.
36, juris). Dies ergibt sich aus Folgendem:
Nach der Rechtsprechung des [X.] können die Kran-kenkassen auf formalen Ausbildungs-
und Weiterbildungsqualifikationen be-stehen, weil sonst eine den praktischen Erfordernissen entsprechende Quali-tätskontrolle der Leistungserbringung nicht möglich ist ([X.], 12 Rn.
32 mwN). Die Abrechenbarkeit von Leistungen knüpft daher streng an die formale 26
27
28
29
-
12
-
Qualifikation des Personals an, wobei die vertragliche Vereinbarung mit dem Leistungserbringer maßgeblich ist ([X.], Urteil vom 8.
Februar 2008

S
7
KR
40/07, juris; [X.], Beschluss vom 10.
September
2003

S
16
KR
392/03
ER). Dem Leistungserbringer steht daher für Leistungen, die er unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften oder vertragliche Vereinba-rungen bewirkt, auch dann keine Vergütung zu, wenn diese Leistungen im
Übrigen ordnungsgemäß erbracht sind (vgl. [X.], Beschluss vom 17.
Mai 2000

B
3
KR
19/99
B, Rn.
5, juris; [X.]E 94, 213, 220 Rn.
26; Urteil vom 8.
September 2004

B
6
KA
14/03
R,
Rn.
23, juris, jeweils mwN). Auch
Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung oder Geschäftsführung ohne Auftrag scheiden in diesen Fällen aus ([X.], Beschluss vom 17.
Mai 2000

B
3
KR
19/99
B,
Rn.
5, juris). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Rechtsauffassung bestehen nicht. Die Regelungen im Sozialrecht dienen in erster Linie der Wirtschaftlichkeit und der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Kranken-
und Pflegeversicherung, welche einen überragend wichtigen Ge-meinwohlbelang darstellen
(vgl. [X.], NJW 2014, 2340, 2341 Tz.
34).
Hatten die Angeklagte und die Pflegedienste mithin unter keinem rechtli-chen Gesichtspunkt einen Anspruch auf die geltend gemachten Leistungen, so ist der [X.]

mit den Zahlungen wirtschaftlich

nicht lediglich normativ

ein entsprechender Schaden entstanden.
bb)
Darüber hinaus stellte die Arbeitsleistung als solche keine Gegenleis-tung für die Zahlungen der Kranken-
und Pflegekasse dar. Aufgrund der [X.] vertraglichen Vorgabe war unter den hier gegebenen besonderen Um-ständen die Qualität der Leistung so gemindert, dass ihr wirtschaftlicher Wert gegen Null ging
(vgl. [X.], Beschluss vom 2.
Juli 2014

5
StR
182/14,
Rn.
13; [X.], [X.], 417, 422; Schönke-Schröder/[X.], StGB, 29.
Aufl., 30
31
-
13
-
§
263 Rn.
112b; [X.], [X.], 2009, S.
147; Volk, NJW 2000, 3385, 3387
f.; [X.]/Bülte, [X.] 2012, 81, 84; Dann, [X.], 2001, 2003; [X.]/[X.], [X.] 2011, 212, 215; zum Abrechnungsbetrug
bei Kassenärzten vgl. auch [X.], [X.] 2012, 334, 39; [X.], [X.], 533, 536
f.; [X.], [X.], 1037, 1041; Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 4.
Aufl., §
14,
Rn.
14/33; [X.], [X.] 2001, 124, 127, 130). Denn eine hinreichende Versorgung konnte bei dem tracheostomierten Patienten O.

unter Berücksichtigung möglicher
Notfallsituationen, die eine Beatmung notwendig machen konnten, entspre-chend der Auffassung der [X.]

nur erfolgen, wenn die eingesetzten Mitar-
beiter über eine
Zusatzausbildung zum Fachgesundheitspfleger oder [X.]r bzw. Kinderkrankenpfleger für pädiatrische Intensivpflege verfügten. Dies sollte durch die vertraglichen Vereinbarungen mit der Angeklagten über die Zusatzqualifikation sichergestellt werden,
was dieser auch bekannt war. Die eingesetzten Mitarbeiter der Angeklagten erhielten jedoch nicht einmal nähere Instruktionen darüber, welche Komplikationen bei Herrn O.

eintreten könn-
ten und welche Maßnahmen bei einem Notfall, z.[X.] während der Wartezeit auf den Notarzt zu ergreifen wären. Sie wurden lediglich darauf verwiesen, sich an die vor Ort tätigen, nicht ausgebildeten [X.]
Hilfskräfte, die allerdings kaum [X.] sprachen, zu wenden oder gegebenenfalls den Notarzt zu rufen. Vor diesem
Hintergrund stellten die tatsächlich erbrachten Leistungen der Pfle-gedienste der Angeklagten nicht nur eine Schlechtleistung dar, sondern stehen einer
Nichterbringung der vertraglich geschuldeten Leistung gleich. Die von der Angeklagten erbrachten Leistungen waren daher auch unabhängig von dem Entfallen eines sozialversicherungsrechtlichen Vergütungsanspruchs bei wirt-schaftlicher Betrachtungsweise für die [X.]

wertlos.

-
14
-
Schon aus diesem Grund steht der Annahme eines Vermögensschadens auch das Bestimmtheitsgebot des Art.
103 Abs.
2 GG, das eine Ersetzung der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise durch eine normative Auslegung des Merkmals des Vermögensnachteils bzw. -schadens verbietet (vgl. [X.], [X.], 626, 629; [X.], 907, 916
f.),
nicht entgegen.
cc)
Der Annahme eines vollständigen Vermögensverlustes steht auch nicht entgegen,
dass die [X.]

die dem Versicherten O.

geschuldeten
Leistungen im Nachhinein nicht mehr erbringen muss. Dabei kann dahinstehen, ob der Anspruch des Versicherten O.

auf häusliche Krankenpflege nach
§
37 SGB
V durch das Tätigwerden der Angeklagten erloschen ist (vgl. [X.], [X.] 2006, 176, 177; [X.], [X.], 533, 535;
Gaidzik, [X.], 329, 331
f.; [X.]/[X.], [X.] 2007, 14; Saliger, ZIS 2011, 902, 917; [X.], [X.], 1037, 1041). Insoweit fehlt es jedenfalls bereits an der erforderlichen Unmittelbarkeit des herbeigeführten [X.]. Denn eine Befreiung von der Leistungspflicht gegenüber dem Versicherungs-nehmer stellt keine Gegenleistung für die gezahlte Pflegevergütung dar. Sie würde vielmehr aus
einer anderen Leistungsbeziehung als derjenigen zwischen der [X.]

und der Angeklagten herrühren (vgl. [X.], Beschluss vom
25.
Januar 2012

1
StR
45/11, [X.]St 57, 95, 117; MüKoStGB/[X.], 2.
Aufl., §
263 Rn.
582; [X.], [X.], 232, 233; [X.]/[X.], [X.], 315, 316).
Aus demselben Grund entfällt der Vermögensschaden auch nicht dadurch, dass die Krankenkasse keinen anderen Pflegedienst mit der Pflege des Herrn O.

beauftragen musste und deshalb Aufwendungen erspart hat
([X.], Beschluss vom 25.
Januar 2012

1
StR
45/11, aaO, 118
f.; Urteil vom 4.
September 2012

1
StR
534/11, [X.]St 57, 312
Rn.
52; Urteil vom 32
33
34
-
15
-
5.
Dezember 2002

3
StR
161/02, [X.], 313, 315 mit zust. [X.].
[X.]/[X.], [X.], 315, 316; Beschluss vom 28.
September 1994

4
StR
280/94, [X.], 85, 86 mit zust. [X.]. [X.], [X.], 232, 233; SSW-StGB/Satzger, 2.
Aufl., §
263 Rn.
256; [X.], StGB, 61.
Aufl., §
263 Rn.
155; aA [X.]/[X.], [X.] 2011, 212, 216; Wasserburg, [X.], 353, 357).
III.
Auch der Strafausspruch begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Da sich die erbrachten Leistungen des [X.] der
Angeklagten aus den vorgenannten Gründen nicht schadensmindernd auswirkten, hat das [X.] zu Recht einen Vermögensschaden der [X.]

in voller Höhe
der bezahlten Rechnungen angenommen.
Ob bei der Strafzumessung in Fällen zu Unrecht abgerechneter pflegerischer Leistungen der Umstand tatsächlich erbrachter Leistungen und hierzu entstandener Aufwendungen strafmildernd berücksichtigt werden muss (so für vertragsärztliche Abrechnungen [X.], Urteil vom 5.
Dezember 2002

3
StR
161/02, NJW 2003, 1198, 1200; Beschluss vom 28.
September 1994

4
StR
280/94, [X.], 85
f.; offen gelassen für den Bereich privatärztlicher Liquidation in [X.], Beschluss vom 25.
Januar 2012

1
StR
45/11, [X.], 1377,
1385 Rn.
109), kann letztlich offen bleiben. Das [X.] hat bei der [X.] und bei der Strafzumessung aus-a-den um einen formalen Schaden handelt und die geschädigte Versicherung die ausgezahlten Beträge in Höhe von insgesamt 247.154,51

s-gemäßer Leistung hätte zahlen müssen und nicht an einen anderen Dienst 35
36
-
16
-

erbrachten Arbeitsstunden nicht zutrifft, beschwert die Angeklagte nicht.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke

Mutzbauer
Quentin

Meta

4 StR 21/14

16.06.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2014, Az. 4 StR 21/14 (REWIS RS 2014, 4893)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4893

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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