Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.06.2014, Az. 4 StR 21/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 4894

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Gegenstand

Abrechnungsbetrug des Betreibers eines ambulanten Pflegedienstes gegenüber der Kranken- und Pflegekasse


Leitsatz

Zum Abrechnungsbetrug der Betreiberin eines ambulanten Pflegedienstes, deren Mitarbeiter nicht über die mit der Kranken- und Pflegekasse vertraglich vereinbarte Qualifikation verfügen.

Tenor

1. Der Angeklagten wird auf ihren Antrag nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 24. Juni 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die Kosten der Wiedereinsetzung hat die Angeklagte zu tragen.

2. Die Revision der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen Betrugs in 96 Fällen, davon in 91 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, unter Einbeziehung der durch das Urteil des [X.] vom 19. September 2012 verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, die auf die Verletzung materiellen und formellen Rechts gestützt ist.

A.

2

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils betrieb die Angeklagte, eine ausgebildete Krankenschwester, seit 2003 verschiedene Pflegedienste.

3

Herr      [X.]    befand sich seit dem Frühjahr 2007 infolge einer schweren Erkrankung im Wachkoma; es entwickelte sich ein apallisches Syndrom. Ihm wurden ein Tracheostoma, eine Magensonde und ein Dauerkatheter gelegt. Ab September 2007 wurde er zu Hause gepflegt. Zu ihrer Unterstützung stellte seine Ehefrau jeweils für einen [X.]raum von etwa drei Monaten wechselnde Hilfskräfte aus [X.] ein. Als sich der Gesundheitszustand ihres Ehemannes verschlechterte, entschloss sie sich, den Pflegedienst der Angeklagten zu beauftragen.

4

Die zuständige [X.], die [X.]    , genehmigte für die [X.] vom 10. August bis zum 2. Oktober 2008 eine 24-stündige häusliche Krankenpflege, wobei vier Stunden auf die Grundpflege (Pflegeversicherung) und 20 Stunden auf die häusliche Krankenpflege (Krankenversicherung) entfielen. Ab dem 3. Oktober 2008 wurden zwölf Stunden häusliche Krankenpflege und zwei Stunden Grundpflege bewilligt.

5

Der Pflegedienst der Angeklagten war Mitglied des [X.], der mit verschiedenen Krankenkassen einen Vertrag zur Durchführung der häuslichen Krankenpflege, der häuslichen Pflege und der Haushaltshilfe geschlossen hatte. Die [X.]    war nicht [X.] dieses Vertrages, ließ aber seinen Inhalt gegen sich gelten. Da der Vertrag aber keine detaillierte Regelung über die häusliche Krankenpflege enthielt, waren [X.] zwischen der [X.]    und den jeweiligen Pflegediensten erforderlich. Zwischen der [X.]    und der Angeklagten auf Seiten des [X.] wurde deshalb im September 2008 eine „Ergänzungsvereinbarung zum Vertrag über die Durchführung häuslicher Krankenpflege gemäß § 37 [X.] sowie der Pflegesachleistung nach § 36 [X.] für beatmungspflichtige Versicherte“ geschlossen, die unter anderem eine Vergütung für die „Behandlungspflege“ von 32 € pro Stunde bis zum 11. September 2008 und von 29 € pro Stunde seit dem 12. September 2008 vorsah.

6

Weiter heißt es in der Vereinbarung u.a.:

㤠1 РGegenstand der Zusatzvereinbarung:

(1) Diese Zusatzvereinbarung soll die Versorgung von [X.]    nach § 37 [X.] sowie mit Pflegesachleistungen nach § 36 [X.] sicherstellen, der einer besonders aufwändigen Behandlungspflege bedarf. Bei [X.]    handelt es sich um einen Wachkomapatienten, der über mehrere Stunden am Tag bis rund um die Uhr unter Krankenbeobachtung stehen muss.

§ 2 – Besondere Anforderungen an die Qualifikation der Pflegekräfte und an die Leistungserbringung:

(1) Der Pflegedienst stellt sicher, dass er die … Vertragsleistungen nur von dazu fachlich qualifizierten und berufsrechtlich legitimierten Pflegekräften durchführen lässt. Dazu gehört, dass er genügend fachlich weitergebildete Fachgesundheits- und Krankenpfleger/-innen für Intensivpflege und Anästhesie bzw. genügend Krankenpfleger/-innen und Kinderkrankenpfleger/-innen für pädiatrische Intensivpflege beschäftigt. …

(3) Der Pflegedienst hat dafür zu sorgen, dass die Pflege auch bei Abwesenheit von Pflegekräften wegen Verhinderung, Krankheit oder Urlaub durch leistungsfähige, gleich qualifizierte Vertretungen gewährleistet ist.“

7

Der den [X.]    abschließende Leiter der Leistungsabteilung und die Angeklagte verstanden diese Vereinbarung übereinstimmend dahin, dass [X.]    ausschließlich durch Personal mit der angegebenen Zusatzqualifikation gepflegt werden oder zumindest das eingesetzte Personal engmaschig durch bei der Angeklagten beschäftigte Personen, die über diese Zusatzqualifikation verfügen, eingearbeitet, unterstützt und überwacht werden musste.

8

In der Folgezeit setzte die Angeklagte zu keinem [X.]punkt Personal ein, das über die in § 2 Abs. 1 Satz 2 der Zusatzvereinbarung beschriebene Qualifikation verfügte, sondern vielmehr examinierte Krankenschwestern, [X.], Altenpflegehelfer/-innen und Auszubildende zur Krankenschwester. Auch wurde das Personal nicht durch entsprechend qualifizierte Fachkräfte, die im Pflegedienst der Angeklagten auch nur kurzzeitig beschäftigt waren, eingearbeitet oder überwacht. Die Angeklagte selbst wies die eingesetzten Kräfte in die routinemäßig anfallenden Arbeiten ein und hielt sie an, sich im Übrigen an die anwesenden [X.] Frauen zu halten oder den Notarzt zu rufen. Die Pflege des [X.]    erfolgte auch nicht über 24 Stunden bzw. 14 Stunden täglich, sondern lediglich in dem [X.]raum, in dem die Ehefrau des Patienten ihrem Beruf nachging, nämlich zwischen ca. 8.00 Uhr und ca. 14.00 Uhr im Umfang von 5,5 bis 7,5 Stunden täglich.

9

Der Pflegezustand des [X.]    war während des gesamten Tatzeitraums gut; es konnte nicht festgestellt werden, dass Krisen oder Krankenhausaufenthalte während dieser [X.] durch eine unzureichende Pflege seitens des von der Angeklagten eingesetzten Personals verursacht wurden.

Die Vereinbarungen zwischen dem Pflegedienst und der [X.]    sahen ferner vor, dass den über Pflegeleistungen erstellten Rechnungen Leistungsnachweise beizufügen waren, die im Falle der Pflegeversicherungsleistungen / Grundleistungen die einzelnen erbrachten Leistungen und im Falle der [X.] / Behandlungspflege die zeitliche Dauer der Leistungen an den jeweiligen Tagen dokumentieren sollten.

Im [X.]raum zwischen dem 21. September 2008 und dem 15. August 2010 reichte die Angeklagte unter dem Namen verschiedener von ihr betriebener Pflegedienste an 96 Tagen insgesamt 123 Rechnungen samt Leistungsnachweisen bei der [X.]    ein, an 93 Tagen Rechnungen an die Krankenkasse – zum Teil zusammen mit Rechnungen an die Pflegeversicherung –, an drei Tagen lediglich Rechnungen an die Pflegeversicherung. Die Rechnungen über [X.] waren hinsichtlich der geleisteten Arbeitsstunden überhöht. Die Unterschriften unter den beigefügten Leistungsnachweisen waren in 91 Fällen gefälscht.

Die zuständigen Mitarbeiter der [X.]    gingen bei der Prüfung der Rechnungen davon aus, dass die Leistungen entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen und in dem abgerechneten Umfang erbracht worden waren. Hätten sie von der tatsächlichen Qualifikation und der tatsächlichen Art und Weise der Einarbeitung und Überwachung des eingesetzten Personals oder der Fälschung der Unterschriften auf den Leistungsnachweisen erfahren, hätten sie die Bezahlung der Rechnungen vollständig verweigert.

Insgesamt erlangte die Angeklagte aus den an 96 Tagen eingereichten Rechnungen einen Betrag in Höhe von 247.154,51 € von der [X.]    , wobei 35.213,51 € auf die Pflegeversicherung und 211.941 € auf die Krankenversicherung entfielen.

[X.]

Der Angeklagten war gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie nach den Ausführungen ihres Verteidigers an der Fristversäumung kein Verschulden trifft (§ 44 StPO).

C.

Das Rechtsmittel der Angeklagten ist unbegründet.

I.

Die Verfahrensrüge greift aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 4. Februar 2014 nicht durch.

II.

Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge deckt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Hinsichtlich des Tatbestands der Urkundenfälschung bedarf dies keiner näheren Darlegung. Aber auch den Tatbestand des Betrugs hat das [X.] zu Recht als erfüllt angesehen.

1. Die Angeklagte täuschte die zuständigen Mitarbeiter der [X.]    durch die Einreichung der Rechnungen nebst Leistungsnachweisen konkludent über das Vorliegen der den Zahlungsanspruch begründenden Tatsachen. Soweit die Angeklagte Rechnungen mit überhöhter Stundenzahl eingereicht hat, liegt dies auf der Hand. Darüber hinaus gab die Angeklagte aber auch konkludent wahrheitswidrig vor, Pflegepersonal eingesetzt und beschäftigt zu haben, das die vertraglich vereinbarte Qualifikation aufwies. Im Einzelnen:

a) Zwar fordert das [X.] bezüglich der häuslichen Krankenpflege keine besondere Qualifikation der von den Leistungserbringern eingesetzten Personen. Die Krankenkassen sind jedoch berechtigt, den Abschluss eines Vertrages über die Leistung häuslicher Krankenpflege von einer bestimmten formalen Qualifikation des Pflegepersonals abhängig zu machen ([X.], 150, 154 ff.; [X.], 12, 17, 19). Wird eine solche Vereinbarung getroffen, bildet sie neben den gesetzlichen Bestimmungen die Grundlage der Leistungsbeziehung und soll sicherstellen, dass sich die Pflege nach den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Mai 2000 – [X.] KR 19/99 B, Rn. 5, juris; [X.]E 94, 213, 220 Rn. 26; [X.], Urteil vom 11. April 2008 – [X.], Rn. 32, juris). Eine solche Bestimmung haben die Vertragsparteien hier in § 2 der am 12. September 2008 unterzeichneten „Ergänzungsvereinbarung“ getroffen, und zwar ausdrücklich für die häusliche Krankenpflege nach § 37 [X.] und die Pflegesachleistung nach § 36 [X.]. Die Leistungserbringung gegenüber der Krankenversicherung und gegenüber der Pflegeversicherung richtete sich daher nach denselben Maßstäben.

b) Das [X.] ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass nach der getroffenen Vereinbarung jegliche pflegerische Versorgung des Patienten [X.]    durch besonders qualifiziertes Personal, nämlich durch Fachgesundheits- und Krankenpfleger/-innen und Kinderkrankenpfleger/-innen für pädiatrische Intensivpflege durchgeführt werden, zumindest aber das Personal durch derart ausgebildete Personen eingearbeitet, angeleitet, unterstützt und überwacht werden sollte. Die Bestimmung in § 2 Abs. 1 Satz 2 der Vereinbarung, dass der Pflegedienst genügend Fachgesundheits- und Krankenpfleger/-innen für Intensivpflege und Anästhesie bzw. Krankenpfleger/-innen und Kinderkrankenpfleger/-innen für pädiatrische Intensivpflege beschäftigen müsse, hat das [X.] – ebenso wie die Vertragsparteien - als Konkretisierung der Anforderungen im Satz 1 der Regelung verstanden. Danach waren die [X.]    verordneten Vertragsleistungen nur von dazu fachlich besonders qualifizierten Pflegekräften durchzuführen. Gegen diese Auslegung des Vertrags, die dem Tatrichter obliegt (vgl. [X.], Beschluss vom 20. September 2012 – 3 [X.], [X.], 123, 125; Urteil vom 13. Mai 2004 – 5 [X.], NJW 2004, 2248, 2250), ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.

c) Hiervon ausgehend hat das [X.] rechtsfehlerfrei auch insoweit in den Abrechnungen der Angeklagten eine Täuschung der Mitarbeiter der [X.]     erblickt; denn tatsächlich setzte die Angeklagte – obwohl sie dies in den eingereichten Rechnungen zumindest konkludent ([X.] hat – zur Pflege des [X.]    zu keinem [X.]punkt Mitarbeiter mit der vereinbarten Zusatzqualifikation ein und veranlasste auch keine Einweisung und Überwachung des vor Ort tätigen Personals durch solche Mitarbeiter. Auch hatte sie nur kurzzeitig Personal beschäftigt, das diese Qualifikation aufwies.

2. Ausweislich der [X.] Feststellungen gingen die Mitarbeiter der [X.]    deshalb davon aus, dass die Angeklagte die Leistungen wie vereinbart erbracht habe und bezahlten die Rechnungen. Hätten sie von der fehlenden Qualifikation des Personals gewusst, hätten sie dies nicht getan.

3. Der [X.]    ist durch die irrtumsbedingte Bezahlung der Rechnungen ein Vermögensschaden entstanden.

Ein solcher tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des [X.] bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts des Vermögens des [X.] führt (Gesamtsaldierung, vgl. [X.], Urteil vom 27. Juni 2012 – 2 StR 79/12, [X.]R StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 77; Beschlüsse vom 25. Januar 2012 – 1 StR 45/11, [X.]St 57, 95 Rn. 75; vom 5. Juli 2011 – 3 [X.], jeweils mwN). Aus dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG folgt dabei, dass die gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht durch eine normative Auslegung des Merkmals des Vermögensnachteils bzw. -schadens überlagert werden darf (vgl. [X.], [X.], 626, 629; [X.], 907, 916 f.).

a) Nach diesem Maßstab liegt zunächst ein Vermögensschaden der [X.]     vor, soweit die Angeklagte in sämtlichen Abrechnungen gegenüber der Krankenkasse mehr Dienststunden angegeben hat als tatsächlich geleistet wurden (vgl. [X.], Urteil vom 1. Dezember 1989 – 4 [X.], [X.]St 36, 320, 321; Volk, NJW 2000, 3385, 3386; SSW-StGB/Satzger, 2. Aufl., § 263 Rn. 255).

b) Aber auch soweit durch die Mitarbeiter der Angeklagten die Pflegeleistungen tatsächlich erbracht wurden, tragen die Feststellungen die Annahme eines Vermögensschadens und damit die Verurteilung wegen Betrugs.

aa) Denn die [X.]    war im Tatzeitraum nicht zur Zahlung der in Rechnung gestellten Beträge verpflichtet, da die von der Angeklagten eingesetzten und beschäftigten Pflegekräfte nicht über die in der Vereinbarung zwischen der Angeklagten und der [X.]    vorausgesetzte Qualifikation verfügten.

Das Unterschreiten der nach dem Vertrag vereinbarten Qualifikation führt nach den insoweit maßgeblichen Grundsätzen des Sozialrechts auch dann zum vollständigen Entfallen des Vergütungsanspruchs, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wurden („streng formale Betrachtungsweise“, vgl. [X.], Urteil vom 5. Dezember 2002 – 3 [X.], [X.]R StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 62 m. [X.]. [X.]/[X.], [X.], 315, 316; Beschluss vom 28. September 1994 – 4 StR 280/94, [X.], 85 f.; [X.], Urteil vom 18. Dezember 2009 – [X.], Rn. 36, juris). Dies ergibt sich aus Folgendem:

Nach der Rechtsprechung des [X.] können die Krankenkassen auf formalen Ausbildungs- und Weiterbildungsqualifikationen bestehen, weil sonst eine den praktischen Erfordernissen entsprechende Qualitätskontrolle der Leistungserbringung nicht möglich ist ([X.], 12 Rn. 32 mwN). Die Abrechenbarkeit von Leistungen knüpft daher streng an die formale Qualifikation des Personals an, wobei die vertragliche Vereinbarung mit dem Leistungserbringer maßgeblich ist ([X.], Urteil vom 8. Februar 2008 – [X.] KR 40/07, juris; [X.], Beschluss vom 10. September 2003 – [X.] KR 392/03 ER). Dem Leistungserbringer steht daher für Leistungen, die er unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften oder vertragliche Vereinbarungen bewirkt, auch dann keine Vergütung zu, wenn diese Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht sind (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Mai 2000 – [X.] KR 19/99 B, Rn. 5, juris; [X.]E 94, 213, 220 Rn. 26; Urteil vom 8. September 2004 – [X.] KA 14/03 R, Rn. 23, juris, jeweils mwN). Auch Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung oder Geschäftsführung ohne Auftrag scheiden in diesen Fällen aus ([X.], Beschluss vom 17. Mai 2000 – [X.] KR 19/99 B, Rn. 5, juris). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Rechtsauffassung bestehen nicht. Die Regelungen im Sozialrecht dienen in erster Linie der Wirtschaftlichkeit und der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, welche einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang darstellen (vgl. [X.], NJW 2014, 2340, 2341 [X.]. 34).

Hatten die Angeklagte und die Pflegedienste mithin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf die geltend gemachten Leistungen, so ist der [X.]    mit den Zahlungen wirtschaftlich – nicht lediglich normativ – ein entsprechender Schaden entstanden.

bb) Darüber hinaus stellte die Arbeitsleistung als solche keine Gegenleistung für die Zahlungen der [X.] dar. Aufgrund der verletzten vertraglichen Vorgabe war unter den hier gegebenen besonderen Umständen die Qualität der Leistung so gemindert, dass ihr wirtschaftlicher Wert gegen Null ging (vgl. [X.], Beschluss vom 2. Juli 2014 – 5 [X.], Rn. 13; [X.], [X.], 417, 422; Schönke-Schröder/[X.], StGB, 29. Aufl., § 263 Rn. 112b; [X.], [X.] und Schadensbestimmung, 2009, [X.]; Volk, NJW 2000, 3385, 3387 f.; [X.]/Bülte, [X.] 2012, 81, 84; Dann, [X.], 2001, 2003; [X.]/[X.], [X.] 2011, 212, 215; zum Abrechnungsbetrug bei Kassenärzten vgl. auch [X.], [X.] 2012, 334, 39; [X.], [X.], 533, 536 f.; [X.], [X.], 1037, 1041; Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 4. Aufl., § 14, Rn. 14/33; [X.], [X.] 2001, 124, 127, 130). Denn eine hinreichende Versorgung konnte bei dem tracheotomierten Patienten [X.]    unter Berücksichtigung möglicher Notfallsituationen, die eine Beatmung notwendig machen konnten, entsprechend der Auffassung der [X.]    nur erfolgen, wenn die eingesetzten Mitarbeiter über eine Zusatzausbildung zum Fachgesundheitspfleger oder Krankenpfleger bzw. Kinderkrankenpfleger für pädiatrische Intensivpflege verfügten. Dies sollte durch die vertraglichen Vereinbarungen mit der Angeklagten über die Zusatzqualifikation sichergestellt werden, was dieser auch bekannt war. Die eingesetzten Mitarbeiter der Angeklagten erhielten jedoch nicht einmal nähere Instruktionen darüber, welche Komplikationen bei [X.]    eintreten könnten und welche Maßnahmen bei einem Notfall, z.[X.] während der Wartezeit auf den Notarzt zu ergreifen wären. Sie wurden lediglich darauf verwiesen, sich an die vor Ort tätigen, nicht ausgebildeten [X.] Hilfskräfte, die allerdings kaum [X.] sprachen, zu wenden oder gegebenenfalls den Notarzt zu rufen. Vor diesem Hintergrund stellten die tatsächlich erbrachten Leistungen der Pflegedienste der Angeklagten nicht nur eine Schlechtleistung dar, sondern stehen einer Nichterbringung der vertraglich geschuldeten Leistung gleich. Die von der Angeklagten erbrachten Leistungen waren daher auch unabhängig von dem Entfallen eines sozialversicherungsrechtlichen Vergütungsanspruchs bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise für die [X.]    wertlos.

Schon aus diesem Grund steht der Annahme eines Vermögensschadens auch das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG, das eine Ersetzung der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise durch eine normative Auslegung des Merkmals des Vermögensnachteils bzw. -schadens verbietet (vgl. [X.], [X.], 626, 629; [X.], 907, 916 f.), nicht entgegen.

cc) Der Annahme eines vollständigen Vermögensverlustes steht auch nicht entgegen, dass die [X.]    die dem Versicherten [X.]    geschuldeten Leistungen im Nachhinein nicht mehr erbringen muss. Dabei kann dahinstehen, ob der Anspruch des Versicherten [X.]    auf häusliche Krankenpflege nach § 37 [X.] durch das Tätigwerden der Angeklagten erloschen ist (vgl. [X.], [X.] 2006, 176, 177; [X.], [X.], 533, 535; [X.], wistra 1998, 329, 331 f.; [X.]/[X.], [X.] 2007, 14; Saliger, ZIS 2011, 902, 917; [X.], [X.], 1037, 1041). Insoweit fehlt es jedenfalls bereits an der erforderlichen Unmittelbarkeit des herbeigeführten [X.]. Denn eine Befreiung von der Leistungspflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer stellt keine Gegenleistung für die gezahlte Pflegevergütung dar. Sie würde vielmehr aus einer anderen Leistungsbeziehung als derjenigen zwischen der [X.]    und der Angeklagten herrühren (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Januar 2012 – 1 StR 45/11, [X.]St 57, 95, 117; MüKoStGB/[X.], 2. Aufl., § 263 Rn. 582; [X.], [X.], 232, 233; [X.]/[X.], [X.], 315, 316).

Aus demselben Grund entfällt der Vermögensschaden auch nicht dadurch, dass die Krankenkasse keinen anderen Pflegedienst mit der Pflege des [X.]    beauftragen musste und deshalb Aufwendungen erspart hat ([X.], Beschluss vom 25. Januar 2012 – 1 StR 45/11, aaO, 118 f.; Urteil vom 4. September 2012 – 1 [X.], [X.]St 57, 312 Rn. 52; Urteil vom 5. Dezember 2002 – 3 [X.], [X.], 313, 315 mit zust. [X.]. [X.]/[X.], [X.], 315, 316; Beschluss vom 28. September 1994 – 4 StR 280/94, [X.], 85, 86 mit zust. [X.]. [X.], [X.], 232, 233; SSW-StGB/Satzger, 2. Aufl., § 263 Rn. 256; [X.], StGB, 61. Aufl., § 263 Rn. 155; aA [X.]/[X.], [X.] 2011, 212, 216; Wasserburg, [X.], 353, 357).

III.

Auch der Strafausspruch begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Da sich die erbrachten Leistungen des [X.] der Angeklagten aus den vorgenannten Gründen nicht schadensmindernd auswirkten, hat das [X.] zu Recht einen Vermögensschaden der [X.]    in voller Höhe der bezahlten Rechnungen angenommen. Ob bei der Strafzumessung in Fällen zu Unrecht abgerechneter pflegerischer Leistungen der Umstand tatsächlich erbrachter Leistungen und hierzu entstandener Aufwendungen strafmildernd berücksichtigt werden muss (so für vertragsärztliche Abrechnungen [X.], Urteil vom 5. Dezember 2002 – 3 [X.], NJW 2003, 1198, 1200; Beschluss vom 28. September 1994 – 4 StR 280/94, [X.], 85 f.; offen gelassen für den Bereich privatärztlicher Liquidation in [X.], Beschluss vom 25. Januar 2012 – 1 StR 45/11, [X.], 1377, 1385 Rn. 109), kann letztlich offen bleiben. Das [X.] hat bei der [X.] und bei der Strafzumessung ausdrücklich berücksichtigt, dass „es sich bei dem entstandenen Vermögensschaden um einen formalen Schaden handelt und die geschädigte Versicherung die ausgezahlten Beträge in Höhe von insgesamt 247.154,51 € auch bei ordnungsgemäßer Leistung hätte zahlen müssen und nicht an einen anderen Dienst [X.], also noch einmal zahlen muss“. Dass dies hinsichtlich der nicht erbrachten Arbeitsstunden nicht zutrifft, beschwert die Angeklagte nicht.

[X.][X.]

                      Mutzbauer                           [X.]

Meta

4 StR 21/14

16.06.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hagen (Westfalen), 24. Juni 2013, Az: 46 KLs 38/12 - 300 Js 1873/10

§ 263 Abs 1 StGB, § 36 SGB 5, § 37 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.06.2014, Az. 4 StR 21/14 (REWIS RS 2014, 4894)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4894

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