Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.10.2015, Az. III ZR 93/15

3. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 4241

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Gegenstand

Vertrag über die häusliche Intensiv- und Behandlungspflege eines schwerstbehinderten Kindes mit einem ambulanten Pflegedienst: Rückforderungs- und Schadensersatzansprüche eines privat versicherten Auftraggebers bzw. seiner privaten Krankenversicherung wegen der Erbringung von Pflegeleistungen durch Mitarbeiter ohne vertraglich vereinbarte Qualifikation


Leitsatz

Zum Vergütungsanspruch eines ambulanten Pflegedienstes, dessen Mitarbeiter nicht über die vertraglich vereinbarte Qualifikation verfügen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 11. März 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, die einen Pflegedienst betreibt, macht gegen die [X.] restliche Vergütungsansprüche aus einem Vertrag über ambulante Pflegeleistungen geltend.

2

Die [X.] ist die Mutter des am 2. Mai 2010 geborenen [X.]          , der auf Grund einer rechtsseitigen Zwerchfellhernie intensiver medizinischer Pflege bedarf. Die [X.] und [X.] sind bei der [X.]     Krankenversicherung [X.] privat versichert. Diese erkannte mit Schreiben vom 12. August 2010, 24. Februar 2011 und 15. Oktober 2012 die medizinische Notwendigkeit der häuslichen Intensiv- und Behandlungspflege bis zum 30. November 2012 auf der Grundlage eines Stundensatzes von 35 € an. Unter dem 16. August 2010 schlossen die Klägerin und die [X.] einen "Vertrag über ambulante pflegerische Leistungen" für [X.]   ab. Unter der Überschrift "Allgemeines" wird darin ausgeführt:

"Der Pflegedienst erbringt für den Kunden

- Leistungen der Krankenkassen nach [X.] (nur nach Verordnung)

- Leistungen nach Vereinbarung

Der Pflegedienst ist durch Versorgungsvertrag nach § 72 [X.] zugelassen und kann entsprechend mit den Pflegekassen abrechnen. Der Pflegedienst hat einen Vertrag nach § 132a Abs. 2 [X.] abgeschlossen und kann entsprechend mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen."

3

Hinsichtlich Leistungsumfang und Vergütungsregelung enthält der Vertrag unter Nummer 1. folgende Regelung:

"Sachleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung - soweit bewilligt - und der Pflegeversicherung oder anderer Sozialleistungsträger werden vom Pflegedienst unmittelbar mit diesen abgerechnet … Nicht bewilligte Leistungen der Krankenversicherung, die der Kunde auf der Grundlage einer ärztlichen Versorgung dennoch in Anspruch nimmt, hat er selbst zu bezahlen. Dabei wird die zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und dem Pflegedienst vertraglich vereinbarte Vergütung abgerechnet.

Das [X.] in der jeweils gültigen Fassung der Vereinbarungen mit den Pflegekassen, gesetzlichen Krankenkassen und den [X.] ist in der Anlage beigefügt und ebenfalls Bestandteil dieses Vertrages."

4

Auf ihrer Homepage warb die Klägerin mit folgender Aussage:

"Qualität schafft Vertrauen

Die Grundlage entsteht durch geeignetes Pflegepersonal.

Daher arbeiten bei der v.  G.     AG ausschließlich festangestellte examinierte [X.], welche kontinuierlich durch Fortbildungen weitergebildet werden."

5

In dem Zeitraum vom 16. August 2010 bis zum 8. November 2012 erbrachte die Klägerin Pflegeleistungen und rechnete diese mit dem vereinbarten Stundensatz monatlich gegenüber der [X.]n ab, die die Rechnungen bei der [X.]     Krankenversicherung [X.] einreichte. Mit Schreiben vom 1. November 2012 kündigte die [X.] den Pflegevertrag zum 8. November 2012 und beauftragte einen anderen Pflegedienst mit der Betreuung ihres Sohnes.

6

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Zahlung der noch offenen Vergütung für die in dem Zeitraum von Juni bis November 2012 erbrachten Pflegeleistungen in Höhe von 40.445 € (nebst Zinsen) sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die [X.] hat aus eigenem und abgetretenem Recht der [X.]   Krankenversicherung [X.] mit angeblichen Schadensersatz- beziehungsweise Rückforderungsansprüchen (hilfsweise) die Aufrechnung erklärt und vorgetragen, die Pflegeleistungen seien entgegen der vertraglichen Vereinbarung nicht von in [X.] anerkannten Kinderkrankenschwestern beziehungsweise [X.] erbracht worden. In der Revisionsinstanz macht sie nur noch geltend, jedenfalls hätten die von der in [X.] ausgebildeten Kinderkrankenschwester S.      geleisteten 1.800,5 [X.] (insgesamt 63.017,50 €) nicht abgerechnet werden dürfen.

7

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.]n zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die [X.] die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

9

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die [X.] sei gemäß § 611 Abs. 1 BGB zur Zahlung der geltend gemachten Vergütung verpflichtet. Ihr stünden weder aus eigenem noch abgetretenem Recht Rückzahlungs- oder Schadensersatzansprüche zu, die sie der Klageforderung im Wege der Aufrechnung entgegenhalten könne. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Pflegevertrag vom 16. August 2010 dahin auszulegen sei, dass die Klägerin verpflichtet gewesen sei, die ihr obliegenden Leistungen durch besonders qualifiziertes Pflegepersonal oder sogar ausschließlich durch festangestellte examinierte Kinderkrankenpfleger und -pflegerinnen zu erbringen. Denn auch in diesem Fall könnte die [X.] die Vergütung für den durch geringer qualifiziertes Personal erbrachten Teil der Pflegeleistungen nicht zurückfordern. Die "streng formale Betrachtungsweise des Sozialrechts", wonach Leistungen, die von Personal erbracht würden, das nicht über die vereinbarte Qualifikation verfüge, nicht zu vergüten seien und eine gleichwohl geleistete Vergütung zurückgefordert werden könne, lasse sich nicht auf den zivilrechtlichen Vertrag zwischen einem ambulanten Pflegedienst und einer privat krankenversicherten Person übertragen. Fehle es - wie hier - an einer Vereinbarung, dass der Vergütungsanspruch bei Einsatz minderqualifizierten Personals entfalle, seien die Rechtsfolgen einer solchen Pflichtverletzung nach dem dispositiven Gesetzesrecht zu bestimmen (insbesondere nach §§ 611 ff i.V.m. § 280 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB). Danach begründe eine mangelhafte Leistung - anders als im Kauf- und Werkvertragsrecht - kein Recht zur Minderung der vereinbarten Vergütung. Ein Wegfall des Vergütungsanspruchs nach § 326 Abs. 1 BGB und ein auf Befreiung von der Vergütungspflicht oder auf Rückerstattung gerichteter Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB komme nur in Betracht, wenn die geleisteten Dienste unbrauchbar oder nutzlos seien und deshalb einer Nichtleistung gleichstünden. Dieser für die ärztliche Heilbehandlung entwickelte Maßstab gelte auch für Pflegedienste, die von nicht hinreichend qualifiziertem Personal geleistet würden. Im vorliegenden Fall scheitere ein Rückzahlungsanspruch deshalb bereits daran, dass die Pflegeleistungen von der [X.] zu keinem Zeitpunkt beanstandet worden seien und dem betreuten Kind kein Schaden entstanden sei. Vielmehr habe sich dessen Gesundheitszustand erheblich gebessert, so dass die erbrachten Pflegedienste weder als unbrauchbar noch als nutzlos qualifiziert werden könnten. Auf die Frage, ob die in [X.] ausgebildete Kinderkrankenschwester S.     als Pflegekraft habe eingesetzt werden dürfen, komme es daher nicht an. Ein deliktischer Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB scheide aus, weil die Klägerin über die Vergütungspflicht nicht getäuscht habe und der [X.] auch kein Vermögensschaden entstanden sei, zumal die private Krankenversicherung selbst bei Vorliegen des behaupteten Qualifikationsmangels des Pflegepersonals zur Erstattung der von der Klägerin abgerechneten Vergütung verpflichtet gewesen sei.

II.

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

Die Begründetheit der geltend gemachten Vergütungsansprüche kann ohne nähere Feststellungen zur Qualifikation der Pflegekraft S.       nicht geprüft werden, da die [X.] zur Zahlung nur verpflichtet ist, wenn das vertraglich vereinbarte Anforderungsprofil einer "Kinderkrankenschwester mit staatlicher Anerkennung" erfüllt wurde.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin keinen Vergütungsanspruch, soweit die eingesetzten Pflegekräfte nicht über die in dem Pflegevertrag vorausgesetzte Qualifikation verfügten. Dies gilt unabhängig davon, ob die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wurden. Das Berufungsgericht durfte daher nicht offenlassen, ob die Klägerin nach dem Inhalt des [X.] die ihr obliegenden Leistungen durch besonders qualifiziertes Pflegepersonal ("festangestellte examinierte [X.]") erbringen musste.

a) In der gesetzlichen Krankenversicherung führt das Unterschreiten der nach dem Pflegevertrag vereinbarten Qualifikation nach den insoweit maßgeblichen Grundsätzen des Sozialrechts auch dann zum vollständigen Entfallen des Vergütungsanspruchs, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wurden (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Juni 2014 - 4 StR 21/14, NJW 2014, 3170 Rn. 28 ff; [X.], Urteil vom 18. Dezember 2009 - L 1 KR 89/06, juris Rn. 36, 44 ff., jeweils mwN; vgl. auch [X.], Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 [X.], NJW 2003, 1198, 1200 m. Anm. [X.]/[X.], [X.], 315, 316; Beschluss vom 28. September 1994 - 4 StR 280/94, [X.], 85 f). Dieser "streng formalen Betrachtungsweise" liegt die ständige Rechtsprechung des [X.] zum Vertragsarztrecht und zum Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung zugrunde, wonach Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, innerhalb dieses Systems zu gewährleisten haben, dass sich die Leistungserbringung nach den für diese Art der Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Das wird dadurch erreicht, dass dem Leistungserbringer für Leistungen, die unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt werden, auch dann keine Vergütung zusteht, wenn diese Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden und für den Versicherten geeignet und nützlich sind ([X.], 213 Rn. 26 m. umfangr. [X.]). Um eine den praktischen Erfordernissen entsprechende Qualitätskontrolle zu gewährleisten, können die Krankenkassen auf formalen Ausbildungs- und Weiterbildungsqualifikationen bestehen mit der Folge, dass die Abrechenbarkeit von Leistungen streng an die formale Qualifikation des Personals anknüpft ([X.], 12 Rn. 32 mwN), wobei die vertragliche Vereinbarung mit dem Leistungserbringer maßgeblich ist ([X.], Beschluss vom 16. Juni 2014 aaO Rn. 29 mwN). Dementsprechend scheidet ein Vergütungsanspruch aus, wenn Pflegeleistungen durch Personal erbracht werden, welches nicht über die vertraglich vorausgesetzte Qualifikation verfügt (vgl. [X.] aaO Rn. 36).

b) Ob diese Grundsätze - wie die Revision meint - generell auch auf [X.] mit privat Versicherten anzuwenden sind, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn der Pflegevertrag vom 16. August 2010 ist dahingehend zu verstehen, dass die Parteien die sozialrechtlichen [X.] durch Bezugnahme zur Grundlage ihrer privatrechtlichen Leistungsbeziehung gemacht haben und damit die "streng formale Betrachtungsweise" der gesetzlichen Krankenversicherung auch für die Abrechenbarkeit der erbrachten Pflegeleistungen maßgebend ist. Der [X.] kann die erforderliche Auslegung des [X.], die das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft unterlassen hat, selbst vornehmen, da der Sachverhalt hinreichend geklärt ist und weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind (vgl. z.B. [X.]surteil vom 8. Dezember 2011 - [X.], NVwZ 2012, 581 Rn. 17; [X.], Urteile vom 25. September 1975 - [X.], [X.]Z 65,107, 112 und vom 7. Juli 1999 - [X.], NJW 1999, 3037 f).

Dass die Abrechenbarkeit der erbrachten Pflegeleistungen hier nach den Grundsätzen des Sozialrechts zu beurteilen ist, ergibt sich aus Folgendem: Das gesamte Vertragswerk verweist hinsichtlich der Leistungserbringung und der Vergütungsregelung auf die Bestimmungen des [X.] ([X.]). Dabei wird hervorgehoben, dass die Klägerin mit den gesetzlichen Krankenkassen einen Vertrag nach § 132a Abs. 2 [X.] geschlossen habe und "entsprechend" abrechnen könne (die Vorschrift nennt als Regelungsgegenstände eines derartigen Vertrags "die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege sowie die Preise und deren Abrechnung"). Für Leistungen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung, die der Versicherte selbst zu bezahlen hatte, sollte die "zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und dem Pflegedienst vertraglich vereinbarte Vergütung abgerechnet" werden. Zugleich wird auf das mit den gesetzlichen Krankenkassen vereinbarte Entgeltverzeichnis als Vertragsbestandteil Bezug genommen. Nach alledem haben die Parteien hinsichtlich der Abrechnung der erbrachten Pflegeleistungen nicht zwischen gesetzlich und privat Versicherten differenzieren wollen. In beiden Fällen sollten dieselben Maßstäbe zur Anwendung kommen.

c) Die gebotene interessengerechte Auslegung des [X.] vom 16. August 2010 ergibt ferner unter Berücksichtigung des Vertragswortlauts und unter Einbeziehung der Begleitumstände des Vertragsschlusses, dass die Behandlungspflege des Kindes ausschließlich durch [X.] mit staatlicher Anerkennung durchzuführen war.

In dem privatrechtlichen Pflegevertrag wird auf § 37 [X.] sowie darauf Bezug genommen, dass die Klägerin einen Vertrag nach § 132a Abs. 2 [X.] abgeschlossen hat. Nach § 37 Abs. 1 bis 3 [X.] haben Versicherte unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegen ihre Krankenkassen, die von diesen "durch geeignete Pflegekräfte" (§ 37 Abs. 1 Satz 1 [X.]) zu erbringen ist. Zur Erfüllung des korrelierenden Sicherstellungsauftrags für häusliche Krankenpflege schließen die Krankenkassen - soweit sie nicht selbst geeignete Personen anstellen (§ 132a Abs. 2 Satz 10 [X.]) - Verträge mit den Leistungserbringern nach § 132a Abs. 2 Satz 1 [X.] ([X.], 150 f) und konkretisieren dabei die von dem Pflegepersonal zu erfüllenden Anforderungsmerkmale, wobei zur Durchführung umfassender Krankenpflege ("große Behandlungspflege") regelmäßig nur staatlich anerkannte Krankenpfleger oder -schwestern, Kinderkrankenpfleger oder -schwestern sowie Altenpfleger in Betracht kommen (vgl. [X.] aaO [X.], 156). Dementsprechend wird auch in dem von der [X.] vorgelegten "Rahmenvertrag nach § 132a [X.] über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege", der unter anderem zwischen dem Verband der [X.] und dem [X.] abgeschlossen wurde, in § 3 Abs. 2 bestimmt, dass in der Behandlungspflege (nur) "Krankenschwestern/-pfleger, [X.], [X.] jeweils mit staatlicher Anerkennung" als im Sinne von § 37 [X.] geeignete Pflegekräfte ("Pflegefachkräfte") anzusehen sind. Nach der Rechtsprechung des [X.] sind die Anforderungen eines Versorgungsvertrags für einen Pflegedienst, der sämtliche Bereiche der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Abs. 2 Satz 1, § 37 Abs. 1 bis 3 [X.], einschließlich aller Aufgaben der ("großen") Behandlungspflege, abdecken will, wegen der dabei häufig auftretenden gesundheitlichen Probleme der pflegebedürftigen Personen hoch anzusetzen ([X.]E aaO [X.]). Damit korrespondiert auch der Werbeauftritt der Klägerin (Homepage und Flyer), wonach sie ausschließlich mit festangestellten examinierten [X.]n arbeitet, welche kontinuierlich weitergebildet werden. Nimmt man zugleich in den Blick, dass im konkreten Fall ein Kleinkind mit einer angeborenen rechtsseitigen Zwerchfellhernie zu betreuen war, das intensiver, zeitaufwändiger Behandlungspflege bedurfte, kann nicht zweifelhaft sein, dass nach der Interessenlage der Parteien und dem Vertragszweck der Einsatz von staatlich anerkannten [X.]n als vertragliche Leistung geschuldet war.

Vor diesem Hintergrund kommt es für die Berechtigung der geltend gemachten Pflegevergütung entscheidend darauf an, ob die in [X.] ausgebildete und im Wesentlichen mit der Pflege des Kindes betraute Kinderkrankenschwester S.       hinreichend qualifiziert war. Dazu fehlen bislang tragfähige Feststellungen. Das Berufungsgericht hat es vielmehr dahinstehen lassen, ob das als Anlage [X.] in Übersetzung vorgelegte Diplom der Medizinischen Fachschule in H.      vom 20. Mai 2002 mit der Fachrichtung "Kinderkrankenschwester" in [X.] anerkannt werden kann beziehungsweise [X.]nach § 19 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 5 Satz 1 des Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege zur Ausübung des Berufs einer Kinderkrankenpflegerin berechtigt ist. [X.] können die von ihr erbrachten Pflegeleistungen nicht abgerechnet werden. Eine bereits bezahlte Vergütung könnte nach § 326 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 BGB beziehungsweise § 280 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 i.V.m. § 283 Satz 1 BGB zurückgefordert werden (vgl. [X.]surteil vom 23. Februar 2006 - [X.], [X.], 1276 Rn. 18), da wegen unzureichender Qualifikation der Pflegekraft nach gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmungen nicht abrechnungsfähige Pflegeleistungen keinen wirtschaftlichen Wert verkörpern (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 25. Januar 2012 - 1 StR 45/11, [X.]St 57, 95 Rn. 81, 86) und die Dienste auch nicht nachgeholt werden können. Bei bewusst wahrheitswidriger Täuschung darüber, Pflegepersonal eingesetzt und beschäftigt zu haben, das die vertraglich vereinbarte Qualifikation aufwies, kommt auch ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB in Betracht (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Juni 2014 - 4 StR 21/14, NJW 2014, 3170 Rn. 17 ff).

2. Soweit die Revision geltend macht, die von [X.]erbrachten Pflegeleistungen seien schon deshalb nicht zu vergüten, weil sie auch qualitativ unbrauchbar gewesen seien und das betreute Kind sich während der zweijährigen Laufzeit des [X.] befunden habe, vermag sie hingegen damit nicht durchzudringen.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die von der Revision nicht angegriffen werden, beanstandete die [X.] die erbrachten Pflegedienste während der Vertragslaufzeit nicht. Auch in dem [X.] vom 1. November 2012 stellte sie die Qualität der Pflegeleistungen nicht in Frage. Die [X.] bekräftigte vielmehr, die noch offenen Rechnungsposten schnellstmöglich auszugleichen. Während der [X.] verbesserte sich der Gesundheitszustand des Kindes erheblich, ohne dass es infolge unzureichender Qualifikation der Pflegekräfte zu krisenhaften Entwicklungen gekommen ist. Auf der Grundlage dieser Feststellungen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die tatsächlich erbrachten Pflegeleistungen in ihrer Qualität so gemindert waren, dass sie - unabhängig von der (möglicherweise) fehlenden Abrechenbarkeit wegen der (etwaig) mangelnden Qualifikation der Frau S.     - bei wirtschaftlicher Betrachtung für die [X.] wertlos und daher einer Nichtleistung gleichzustellen waren mit der Folge, dass die [X.] die vereinbarte Vergütung nach §§ 614, 320, 326 Abs. 1 BGB nicht bezahlen musste (vgl. [X.]surteil vom 23. Februar 2006 aaO; [X.], Beschluss vom 16. Juni 2014 aaO Rn. 31 mwN). Eine bloße Schlechtleistung würde nicht zur Kürzung des Vergütungsanspruchs führen, da dem Dienstvertragsrecht eine Minderung der vertraglichen Vergütung fremd ist ([X.]surteil vom 7. März 2002 - [X.], [X.], 1571, 1572; [X.], Urteil vom 15. Juli 2004 - [X.], NJW 2004, 2817 jeweils mwN).

III.

Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Das [X.] hat nunmehr die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu der umstrittenen Qualifikation der Pflegekraft S.       zu treffen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob die erbrachten Pflegeleistungen nach den vertraglichen Bestimmungen abrechnungsfähig waren.

[X.]

                   Reiter                          [X.]

Meta

III ZR 93/15

08.10.2015

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Karlsruhe, 11. März 2015, Az: 7 U 85/14

§ 280 Abs 1 BGB, § 326 Abs 1 BGB, § 611 Abs 1 BGB, § 37 Abs 1 S 1 SGB 5, § 132a Abs 2 SGB 5, § 72 SGB 11

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.10.2015, Az. III ZR 93/15 (REWIS RS 2015, 4241)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4241

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