Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2010, Az. II ZR 84/09

II. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 8506

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS [X.]/09 vom 15. März 2010 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB § 139 Eine salvatorische [X.], mit welcher die dispositive Regelung des § 139 BGB wirksam abbedungen worden ist, schließt eine Gesamtnichtigkeit zwar nicht aus, führt aber zu einer Umkehrung der Vermutung des § 139 BGB in ihr Gegenteil. Die Nichtigkeit des gesamten Vertrages tritt nur dann ein, wenn die Aufrechterhaltung des Rechtsgeschäfts trotz der salvatorischen Klausel im Einzelfall durch den durch Vertragsauslegung zu ermittelnden Parteiwillen nicht mehr getragen wird. [X.], Beschluss vom 15. März 2010 - [X.]/09 - [X.] - 2 - Der II. Zivilsenat des [X.] hat am 15. März 2010 durch [X.] und [X.], [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Beschwerde des [X.] wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 19. Februar 2009 aufge-hoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an den 10. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Streitwert: 320.000,00 • Gründe: Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7, § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückver-weisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts. Das [X.] hat den Anspruch des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt. 1 1. Das Berufungsgericht hat die Feststellungsklage als unzulässig abge-wiesen, weil für die Feststellung des vom Kläger behaupteten stillen Gesell-schaftsverhältnisses das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsin-teresse fehle. Eine künftige Rechtsbeeinträchtigung des [X.] sei [X.] - 3 - schlossen, da der Gesellschaftsvertrag vom 23. Juni 1999 unstreitig nicht reali-siert worden sei und das [X.] Zahlungsansprüche bis Ende 2006 rechtskräftig abgewiesen habe. Diese Begründung steht im Widerspruch zu dem im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils dokumentierten streitigen Vor-trag des [X.] und lässt erkennen, dass das Berufungsgericht ungeachtet der Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil das Vorbringen des [X.] bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen hat. Der Kläger hat mit Blick auf die in § 3 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages enthaltene Verpflichtung zur Bera-tung der [X.] unter Beweisantritt vorgetragen, für den Geschäftsführer der [X.] regelmäßig Beratungsleistungen erbracht zu haben. Es habe [X.] Gespräche pro Quartal in den Geschäftsräumen des [X.] gegeben, bei welchen Fragen der Unternehmensentwicklung und Präsentation besprochen worden seien. Als Ergebnis der Zusammenarbeit seien gemeinsame [X.] erarbeitet und Angebote durch den Kläger an die [X.] ver-mittelt worden. In den Jahren 2003 und 2004 hätten zahlreiche Verhandlungen und Besprechungen stattgefunden, seine Mitwirkungspflichten im Rahmen des [X.] habe der Kläger wahrgenommen. Damit war die un-terbliebene Realisierung des [X.] entgegen den Ausfüh-rungen des Berufungsgerichts gerade nicht unstreitig. Auf diesem Gehörsverstoß beruht das angefochtene Urteil, weil nicht auszuschließen ist, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des über-gangenen Vorbringens des [X.] das Feststellungsinteresse bejaht hätte. Darauf, dass das Berufungsgericht zudem - wie der Kläger zu Recht rügt - in Art. 103 Abs. 1 GG verletzender Weise eine Überraschungsentscheidung [X.] hat (vgl. [X.] 107, 395, 410; [X.], [X.], 1850, 1852), indem es die Klage ohne den gebotenen Hinweis nach § 139 ZPO auf die für den Klä-ger nach dem Prozessverlauf nicht erkennbaren Bedenken gegen die [X.] - 4 - keit des [X.] abgewiesen hat, kommt es danach nicht mehr entscheidend an. 4 2. Der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist entscheidungserheblich. Denn die vom Berufungsgericht zur [X.] Begründung der Klageabwei-sung angeführten Erwägungen zur Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages vom 23. Juli 1999 halten rechtlicher Prüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand. a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Gesellschaftsvertrag vom 23. Juli 1999 sei als "bloßes gleichermaßen gesetzes- wie [X.]" nach § 117 Abs. 1, § 134, § 138 Abs. 1 BGB nichtig, ist in tat-sächlicher Hinsicht u.a. auf die Annahme gestützt, der Vertrag sei offensichtlich zu keiner [X.] in irgendeiner Form realisiert worden, und beruht daher ebenfalls auf dem bereits dargelegten Gehörsverstoß. Einen Sachverhalt, der es [X.] könnte, von einer Sittenwidrigkeit des Gesellschaftsvertrages auszugehen, hat das Berufungsgericht nicht ansatzweise festgestellt. Soweit es davon aus-geht, dass der Gesellschaftsvertrag vom 23. Juni 1999 im [X.] an die Vereinbarung zwischen dem Kläger und der P.

GmbH vom 19. Januar 1996 darauf abgezielt habe, Gläubiger der [X.] in rechtlich zu missbilligender Weise zu schädigen, handelt es sich um eine reine Vermutung des Berufungsgerichts, welche in dem Sachvortrag der Parteien keine Stütze findet und übergeht, dass es sich um zwei verschiedene Gesellschaftsverträge handelt. 5 b) Eine Schenkung setzt nach § 516 Abs. 1 BGB die Einigung der [X.] voraus, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Unentgeltlich ist eine Zuwendung nur, wenn sie nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts von keiner auch von oder an einen [X.] zu erbringenden Gegenleistung abhängig ist, wobei die Leistung nicht geldwerter oder vermögensrechtlicher Art zu sein 6 - 5 - braucht ([X.], Urt. v. 28. Mai 2009 - [X.], [X.], 2737; v. 17. Januar 1990 - [X.], [X.], 856, 858; [X.]/[X.], 5. Aufl. § 516 Rdn. 24 f.). Mit der danach für die Annahme einer Schenkung maßgeblichen Frage, ob die Beteiligung des [X.] als stiller Gesellschafter an der [X.] von den Parteien subjektiv als unentgeltliche Zuwendung gewollt war, setzt sich das Berufungsgericht nicht auseinander. Gegen die Unentgelt-lichkeit spricht, worauf die Beschwerde zutreffend hinweist, bereits die in § 3 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages vereinbarte Verpflichtung des [X.] zur Beratung der [X.]. c) Die aus § 125 Satz 1 BGB i.V.m. § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG resultie-rende Nichtigkeit der in § 2 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages vom 23. Juni 1999 getroffenen Verabredung zur Abtretung eines Geschäftsanteils an der [X.] führt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht zur Ge-samtnichtigkeit des Vertrages. 7 Die in § 16 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages vereinbarte salvatorische [X.], mit welcher die dispositive Regelung des § 139 BGB wirk-sam abbedungen worden ist, schließt eine Gesamtnichtigkeit zwar nicht aus, führt aber zu einer Umkehrung der Vermutung des § 139 BGB in ihr Gegenteil ([X.], Urt. v. 6. April 2005 - [X.], [X.], 1291, 1293; v. 11. Oktober 1995 - [X.], [X.], 22, 24). Die Nichtigkeit des [X.] tritt nur dann ein, wenn die Aufrechterhaltung des [X.] trotz der salvatorischen Klausel im Einzelfall durch den durch Vertragsausle-gung zu ermittelnden Parteiwillen nicht mehr getragen wird. Dies kommt insbe-sondere in Betracht, wenn nicht nur eine Nebenabrede, sondern eine wesentli-che Vertragsbestimmung unwirksam ist und durch die Teilnichtigkeit der [X.] verändert würde ([X.], Urt. v. 11. Oktober 1995 aaO). 8 - 6 - 9 Einen der Aufrechterhaltung des [X.] entgegenstehenden Parteiwillen hat das Berufungsgericht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Vertragsauslegung begegnet vielmehr durch-greifenden revisionsrechtlich relevanten Bedenken, weil das Berufungsgericht einerseits den Wortlaut von § 2 Abs. 1 des Vertrages unzutreffend erfasst - "unwiderruflich" ist nicht die Befristung in § 2 Abs. 1 sondern die Vereinbarung zur Abtretung des Geschäftsanteils in § 2 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages - und es andererseits den dem Wortlaut der Vereinbarung zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen nicht erschöpfend gewürdigt hat. Dem Zusammenspiel der in § 2 Abs. 1, § 2 Abs. 2 Satz 2 und § 12 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages enthaltenen Vertragsbestimmungen lässt sich entnehmen, dass die stille Ge-sellschaft nach den Vorstellungen der Parteien nur dann vor dem 31. Dezember 2010 aufgelöst werden sollte, wenn die für die [X.] nach dem 31. Dezember 1999 vorgesehene Übertragung des Geschäftsanteils an der [X.] auf den Kläger dinglich wirksam geworden ist. Bis zur Erlangung der Stellung eines Ge-sellschafters der GmbH sollte es - von der erst Ende 2010 relevant werdenden Kündigungsmöglichkeit abgesehen - bei der Beteiligung des [X.] als stiller Gesellschafter an der [X.] verbleiben. Die Kündigungsbestimmung in § 12 Abs. 1 des Vertrages zeigt zudem, dass die Parteien keineswegs mit einem zeitnahen Vollzug der [X.] rechneten. Angesichts der [X.] von der gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung auf eine längerfristige Betei-ligung des [X.] abzielenden Intention der Parteien sowie der ausdrücklich vereinbarten salvatorischen [X.] spricht nichts dafür, dass die Gültigkeit des [X.] ohne die nichtige auf die Übertra-gung des GmbH-Anteils gerichtete Vertragsklausel dem Parteiwillen wider-sprach. - 7 - 10 3. Für das wieder eröffnete Berufungsverfahren weist der Senat darauf hin, dass ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Beste-hens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO dann gegeben ist, wenn dem Recht oder der Rechtslage des [X.] eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn das erstrebte Urteil [X.] ist, diese Gefahr zu beseitigen. Bei einer behauptenden Feststellungs-klage liegt eine solche Gefährdung in der Regel schon darin, dass der [X.] das Recht des [X.] ernstlich bestreitet ([X.], Urt. v. 7. Februar 1986 - [X.], [X.], 690; [X.]/[X.], ZPO 28. Aufl. § 256 Rdn. 7). Die Vielgestaltigkeit der sich möglicherweise aus dem behaupteten Gesellschafts-verhältnis ergebenden Rechtsfolgen schließt es entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung aus, den Kläger auf die Erhebung von [X.] zu verweisen. - 8 -
11 In der Sache wird das Berufungsgericht die in der Berufungsbegründung erhobenen Einwände gegen das Zustandekommen eines wirksamen stillen Ge-sellschaftsverhältnisses erneut zu prüfen und die hierfür gegebenenfalls erfor-derlichen Feststellungen zu treffen haben. [X.]Ri[X.] [X.] [X.] kann wegen Urlaubs

nicht unterschreiben

[X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 14.04.2008 - 4 O 1243/06 - [X.], Entscheidung vom 19.02.2009 - 4 U 64/08 -

Meta

II ZR 84/09

15.03.2010

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2010, Az. II ZR 84/09 (REWIS RS 2010, 8506)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8506

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