Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.05.2014, Az. 1 StR 722/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 5743

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Gegenstand

Freispruch aus tatsächlichen Gründen: Notwendige Urteilsfeststellungen


Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 7. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen „unerlaubter Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt ohne Pass in Tateinheit mit Urkundenfälschung" sowie wegen „vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Von dem weiteren Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen eines Springmessers gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die wirksam auf den Freispruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet.

2

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3

1. Dem Angeklagten ist mit der Anklage vorgeworfen worden, sich am 23. Juli 2011 gegen 14.00 Uhr gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten D.    in eine [X.] Parkanlage begeben zu haben, um sich dort in den Besitz von [X.] und Heroingemisch zu bringen. Die Betäubungsmittel seien zuvor von beiden gemeinschaftlich erworben und von den Vorbesitzern in der Parkanlage vergraben worden. Der Angeklagte habe um das Versteck gewusst und ein funktionsfähiges Springmesser mit einer Klingenlänge von sieben Zentimetern mit sich geführt. Es habe sich um 51,8 Gramm Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 1,7 Gramm [X.] und 303,2 Gramm [X.] mit einem Wirkstoffgehalt von 9 Gramm Kokainhydrochlorid gehandelt.

4

2. Das [X.] hat zur Begründung des Freispruchs ausgeführt, dass es den Angeklagten der Tat nicht mit der erforderlichen Sicherheit für überführt erachte. Hierzu stellt es die erhobenen Zeugenaussagen dar. So habe der gesondert Verfolgte D.    bekundet, der Angeklagte habe mit dem vergrabenen Päckchen nichts zu tun. Der Angeklagte habe gesagt, er müsse urinieren und sei ihm - dem Zeugen - bei der Suche nach den vergrabenen Betäubungsmitteln gefolgt. Sofern er, der Zeuge, früher etwas anderes gesagt habe, nämlich dass das gesamte Kokain dem Angeklagten gehört habe, sei dies gelogen gewesen. Sodann werden noch die Angaben von zwei Polizeibeamten mitgeteilt, die den Angeklagten und D.    in der Parkanlage beobachtet haben. Danach habe einer gegraben, während der andere daneben gestanden und geschaut habe, zuvor hätten beide mit den Füßen am Boden gescharrt. [X.] habe keiner von beiden. Diese Angaben begründeten zwar „gewisse Zweifel" an der Version des [X.], dennoch sei der Nachweis der Tat nicht zu führen.

II.

5

Das Urteil hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.

6

Es unterliegt der Aufhebung, weil es an einem durchgreifenden [X.] leidet. Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die das Tatgericht für erwiesen erachtet. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die zur Verurteilung notwendigen Feststellungen nicht getroffen werden konnten ([X.], Urteil vom 21. Oktober 2003 - 1 [X.], [X.]R StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 13 mwN; Urteil vom 17. März 2009 - 1 [X.], [X.], 512, 513; Urteil vom 3. März 2010 - 2 StR 427/09, [X.], 182). Nur hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht ([X.], Urteil vom 5. Februar 2013 - 1 [X.], NJW 2013, 1106; vom 27. Oktober 2011 - 5 [X.]; vom 17. Mai 1990 - 4 [X.], [X.]R StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4; vom 26. September 1989 - 1 [X.], [X.]R StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2). Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht.

7

Denn das [X.] stellt nicht dar, von welchem Geschehensablauf es sich aufgrund einer würdigenden Gesamtschau des dargestellten Beweisertrags überzeugt hat. Dass die Beweisaufnahme hierzu Erkenntnisse erbracht hat, belegen die sich auf eine Darstellung der Zeugenaussagen beschränkenden Urteilsausführungen.

8

Indem es das [X.] unterlässt, diese Erkenntnisse dahingehend zu würdigen, was sich in der Parkanlage zugetragen hat und wie sich der Angeklagte dort verhalten hat, ist dem Revisionsgericht keine Nachprüfung möglich, ob es in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zum Freispruch gelangt ist. Denn das genaue, über die Angaben im mitgeteilten [X.] hinausgehend präzisierte Verhalten des Angeklagten vor Ort wäre ein gewichtiges Beweisanzeichen für die Frage einer Tatbeteiligung.

9

Dass eine würdigende Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Angaben des D.    erforderlich gewesen wäre, wird durch das unaufgelöste Spannungsverhältnis zwischen dessen Angaben und den für glaubhaft erachteten Angaben der Polizeibeamten belegt. Auf dieser Grundlage hat das [X.] selbst erkannt, dass „Zweifel" an den entlastenden Angaben „begründet" sind. Dies lässt sich zum einen schon schwerlich mit der an anderer Stelle des Urteils gemachten Wertung, die Angaben des D.    seien glaubhaft, vereinbaren; zum anderen hätte es aber Anlass sein müssen, sich eine Überzeugung vom genauen Geschehensablauf im Park zu verschaffen, anstatt die Zeugenaussagen unaufgelöst nebeneinander stehen zu lassen. Bei dieser Würdigung wäre auch der Wechsel des Einlassungsverhaltens des D.    zu bewerten gewesen, der nach den Feststellungen ursprünglich den wegen [X.] verurteilten Angeklagten als Verantwortlichen für das Kokain benannt hat.

Raum                   Wahl                         [X.]

              Jäger                    Cirener

Meta

1 StR 722/13

08.05.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG München I, 7. August 2013, Az: 8 KLs 362 Js 187423/12

§ 267 Abs 5 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.05.2014, Az. 1 StR 722/13 (REWIS RS 2014, 5743)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5743

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