Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.11.2013, Az. 2 StR 357/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 1403

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Gegenstand

Freie Beweiswürdigung im Strafurteil: Anforderungen an die Zurückweisung der Einlassung des Angeklagten als unrichtig


Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 27. Februar 2013, soweit es den Angeklagten [X.]     betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]vom Vorwurf der „Beteiligung“ an einem Betäubungsmittelgeschäft (Fall 2 der Urteilsgründe) freigesprochen. Den Mitangeklagten [X.]hat es wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (Fälle 1 und 2 der Urteilsgründe) und wegen Besitzes einer Schusswaffe und Munition (Fall 3) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die gegen den Freispruch des Angeklagten [X.]gerichtete und vom [X.] vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, ist begründet.

2

1. a) Nach den Feststellungen des [X.]s verkaufte der Mitangeklagte [X.]am 11. Juni 2012 100 Gramm Kokain an den gesondert Verfolgten [X.]     (Fall 1 der Urteilsgründe). Nach seiner Festnahme erklärte sich [X.]     bereit, ein weiteres, nunmehr polizeilich observiertes Kokaingeschäft mit [X.]einzufädeln. Beide trafen sich am 10. Juli 2012 erneut und [X.]übergab dem Scheinkäufer [X.]     zunächst eine Probe der Kokainzubereitung. Im Gegenzug erhielt er einen Betrag von 6.200 € für den Erwerb von wiederum 100 Gramm Kokain. [X.]     fuhr zur Wohnung des Angeklagten [X.]. Dort lagerten 99,85 Gramm Kokain, die er an sich nahm. Dem Angeklagten [X.]     übergab er einen Teilbetrag von 4.600 € aus der von [X.]      erhaltenen Geldsumme. Bei dem anschließenden Versuch der Übergabe des Kokains an [X.]     wurde [X.]     festgenommen (Fall 2 der Urteilsgründe).

3

b) Von einer Beteiligung des Angeklagten [X.]an dem Betäubungsmittelgeschäft am 10. Juli 2012 (Fall 2 der Urteilsgründe) hat sich das [X.] nicht überzeugen können und den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen:

4

Der Mitangeklagte [X.]     hatte sich dahin eingelassen, er habe sich am Vortag, dem 9. Juli 2012, 4.000 € von [X.]     geliehen, um das für [X.]     bestimmte Kokain beim Ankauf bezahlen zu können. Das eingekaufte Kokain habe er unbemerkt von [X.]     in dessen Wohnung auf der Terrasse versteckt. Am nächsten Tag, dem 10. Juli 2012, habe er es heimlich wieder an sich genommen und [X.]     die geliehene Summe von 4.000 € nebst 500 € Zinsen sowie weitere geschuldete 100 € zurückgegeben. Der Angeklagte [X.]     hatte erklärt, er sei sehr enttäuscht von seinem Freund [X.], weil dieser ohne sein Wissen in seiner Wohnung Rauschgift versteckt habe. Er habe [X.], wie schon bei früherer Gelegenheit, lediglich Geld geliehen, wenngleich er noch nie zuvor eine so hohe Zinszahlung erhalten habe. Den Betrag von 4.000 € habe er am 9. Juli 2012 bar bei sich gehabt. Er habe das Geld von seinem Vater für die Einrichtung seiner Wohnung erhalten.

5

Die Darstellung der Angeklagten hat das [X.] zwar als unglaubhaft, aber als nicht zu widerlegen erachtet. Es erscheine unrealistisch, dass der Angeklagte [X.]ohne Kenntnis des [X.]in dessen Wohnung Betäubungsmittel gelagert habe. Weitere Beweise hätten jedoch nicht ermittelt werden können. Zwar seien in der Wohnung des Angeklagten [X.]auch eine Feinwaage und Kaisernatron sichergestellt worden. Der Besitz solcher typischerweise von Drogenverkäufern genutzten Utensilien sei aber als einziges Indiz nicht ausreichend, um hier seine Beteiligung zu belegen. Der Angeklagte sei daher mangels anderweitiger Erkenntnismöglichkeiten freizusprechen.

6

c) Die dem Freispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das [X.] hat bereits einen falschen Maßstab zugrunde gelegt, da es davon ausgegangen ist, die Zurückweisung einer Einlassung erfordere, dass sie widerlegt werden kann. [X.] Angaben eines Angeklagten, für deren Richtigkeit es keine zureichenden Anhaltspunkte gibt und deren Wahrheitsgehalt fraglich ist, sind aber nicht ohne weiteres als unwiderlegt hinzunehmen und den Feststellungen zugrunde zu legen, nur weil es für das Gegenteil keine Beweise gibt. Der Tatrichter muss sich vielmehr aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung bilden ([X.], Urteil vom 6. März 1986 - 4 StR 48/86, [X.]St 34, 29, 34; Urteil vom 22. April 2005 - 2 [X.], [X.]St 50, 80, 85). Dies hat das [X.] verkannt und auch eine entsprechende Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Indizien versäumt. Das Gericht berücksichtigt insoweit als einziges für die Täterschaft des Angeklagten [X.]sprechendes Indiz, dass er sich im Besitz von typischerweise von Drogenverkäufern genutzten Utensilien befand. Die weiteren gewichtigen [X.], dass in seiner Wohnung 100 Gramm Kokain lagerten, dass der Mitangeklagte [X.]     das Kokain dort abholte und ihm gleichzeitig 4.600 € übergab, hat das [X.] hingegen versäumt zu würdigen.

7

d) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei rechtsfehlerfreier Würdigung der Beweise zu dem Ergebnis einer Beteiligung des Angeklagten [X.]     an dem Betäubungsmittelgeschäft im Fall 2 der Urteilsgründe gelangt wäre.

8

2. Der Senat weist darauf hin, dass - wie in der Antragschrift des [X.]s ausgeführt - das angefochtene Urteil nicht den Anforderungen entspricht, die nach ständiger Rechtsprechung des [X.] gemäß § 267 Abs. 5 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind.

9

Danach ist es - insbesondere bei mehreren Angeklagten - zunächst erforderlich, den individuellen Anklagevorwurf nach Zeit, Ort sowie konkreter Begehungsweise mitzuteilen, damit das Urteil aus sich heraus verständlich und dem Revisionsgericht eine umfassende Nachprüfung dahin ermöglicht wird, ob der Tatrichter das angeklagte Geschehen in tatsächlicher Hinsicht vollständig erfasst und unter [X.] in Betracht kommenden Gesichtspunkten rechtfehlerfrei auf eine Strafbarkeit untersucht hat ([X.], Urteil vom 26. April 1990 - 4 StR 24/90, [X.]St 37, 21, 22; Urteil vom 5. August 1997 - 5 [X.], [X.], 374).

Fischer                    Appl                      Eschelbach

                 Ott                      Zeng

Meta

2 StR 357/13

06.11.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankfurt, 27. Februar 2013, Az: 5/4 KLs 42/12 - Ss 149/13

§ 261 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.11.2013, Az. 2 StR 357/13 (REWIS RS 2013, 1403)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1403

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

2 StR 314/13

2 StR 314/13

2 StR 357/13

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