Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2012, Az. 2 StR 592/11

2. Strafsenat | REWIS RS 2012, 7625

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 592/11
alt: 2 StR 347/09

vom

28.
März 2012
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 28.
März 2012, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],

[X.] am Bundesgerichtshof
Dr.
[X.],
Dr.
Berger,
Dr.
Eschelbach,
[X.]in am Bundesgerichtshof
Dr.
[X.],

[X.] am [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.]s Trier vom 24. August 2011 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen not-wendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Der Angeklagte war durch Urteil
des [X.]s Trier vom 19.
März 2009 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 20 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden. Auf die Revision der St[X.]tsanwaltschaft hat der Senat das Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, weil die [X.] der Siche-rungsverwahrung rechtlicher Überprüfung nicht standgehalten hatte (Urteil vom 4.
November 2009 -
2 StR 347/09, [X.], 77). Die Revision des Ange-klagten gegen das vorbezeichnete Urteil hat der Senat mit Beschluss vom [X.] als unbegründet verworfen. Mit nunmehr angefochtenem Urteil hat das [X.] auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren erkannt
und die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
Nach den insoweit bindenden
Feststellungen zum Schuldspruch im Urteil des [X.]s vom 19.
März 2009
nahm der Angeklagte zwischen Juni 2007 und Mai 2008 in 20 Fällen sexuelle Handlungen an dem damals 12 bzw. 1
2
-
4
-
13
Jahre alten [X.] seiner ehemaligen Lebensgefährtin
vor, wobei er in allen Fällen u.a. den Analverkehr vollzog. Diese Taten beging der Angeklagte, der mit Urteil vom 20.
Juli 2005 (8007 [X.]/03.Ls) durch das
Amtsgericht Trier bereits wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden
war, innerhalb laufender Bewährungszeit.

Die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte [X.] des Angeklagten ist nicht begründet.
1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und damit unzulässig (§
344 Abs.
2 S.
2 StPO).
2. Die Überprüfung aufgrund der Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten
ergeben.
a) Das [X.] hat zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklag-ten hinreichende eigene Feststellungen getroffen und diese dem Straf-
und Maßregelausspruch rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt. Zwar hat es in den [X.] ausgeführt, dass "infolge der auf den Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen beschränkten Teilaufhebung (...) die [X.] und zur Sache in Rechtskraft erwachsen"
seien (UA S.
3) und im [X.] daran die insoweit aufgehobenen [X.] zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten aus dem Urteil vom 19.
März
2009 wörtlich und in An-
und Abführungszeichen gesetzt übernom-men.
Diese
für sich genommen rechtsfehlerhaften Ausführungen nötigen aber entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts
nicht zur (erneuten) Aufhe-bung des Urteils.

3
4
5
6
-
5
-
Nach Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen durch das Revisionsgericht ist der neu zur Entscheidung [X.] gehalten, eigene Feststellungen zu den persönlichen Verhältnis-sen des Angeklagten zu treffen und diese
im Urteil mitzuteilen
(vgl. [X.], [X.]
vom 4.
Dezember 2003 -
4 [X.], [X.], 211; Senat, [X.] vom 28.
März 2007 -
2 StR 62/07, NJW 2007, 1540, 1541; vgl. auch
[X.], [X.], S.
35, 42).
Hat der Angeklagte in dem neuen [X.] dieselben Angaben gemacht, wie sie in dem früheren, jedoch insoweit aufgehobenen Urteil enthalten sind, kann zwar auf die aufgehobenen [X.] aus dem
früheren Urteil
nicht Bezug genommen werden; sie können jedoch -
auch im Wortlaut
-
in das neue Urteil übernommen werden, sofern kein Zweifel daran verbleibt, dass es sich um neue, eigenständig getroffene [X.] handelt ([X.], Beschluss vom 16.
Februar 2000 -
3 StR 24/00, [X.]R StPO §
267 Abs.
1 S.
1 Bezugnahme 3; Beschlüsse
vom 14.
Oktober 2008 -
4
StR 167/08, [X.], 148, 149
sowie 4
StR 172/08, [X.], 91, 92;
Meyer-Goßner StPO 54.
Aufl. §
354 Rn.
46).
Diesen
Anforderungen
hat das [X.]
entsprochen, indem es im Rahmen der Beweiswürdigung dar-gelegt
hat, dass zum Lebensweg des Angeklagten "die Beweisaufnahme keine weitergehenden Feststellungen erbracht", der Angeklagte "die in dem [X.] Urteil zu seiner Person getroffenen Feststellungen ausdrücklich als zutreffend bezeichnet und diese vor der Kammer im Einzelnen wiederholt"
habe und keine Veranlassung bestanden habe, die
Angaben in Zweifel zu ziehen (UA S.
7). Diese Ausführungen belegen, dass sich das
[X.] -
anders als in den Ausführungen auf UA S.
3 zum Ausdruck gebracht
-
nicht an die vom Senat aufgehobenen Feststellungen aus dem Urteil vom 19.
März 2009 gebunden gesehen
und zutreffend eigenständig inhaltsgleiche
Feststellungen getroffen hat.

7
-
6
-
b) Auch im Übrigen ist die Strafzumessung rechtlich nicht zu beanstan-den. Insbesondere begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Land-gericht im Hinblick auf die konkreten Tatumstände und das Bewährungsversa-gen des Angeklagten eine Milderung des
Strafrahmens nach §
176a Abs.
4 StGB
abgelehnt hat.
c) Die
Maßregelanordnung ist ebenfalls frei von [X.].
[X.]) Die formellen Voraussetzungen des §
66 Abs.
2 StGB in der bis zum 31.
Dezember 2010 geltenden Fassung sind, wie der Senat bereits in seinem
Urteil vom 4. November
2009 festgestellt hat,
erfüllt.
Das Gesetz zur Neuord-nung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22.
Dezember 2010 ([X.]) enthält keine dem Angeklagten günstige
Änderung.

bb) Das [X.] hat
-
sachverständig beraten
-
mit tragfähiger Be-gründung festgestellt, dass der Angeklagte, bei dem eine homophile Alterspä-dophilie vorliegt,
infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allge-meinheit gefährlich ist. Entgegen den Ausführungen der Revision steht dieser Annahme
nicht entgegen, dass sich die [X.] wie schon die früher abge-urteilten Taten gegen ein aus dem [X.] Umfeld des [X.] stammendes Opfer richteten
(vgl. hierzu bereits die Ausführungen im Senatsurteil vom 4.
November 2009, [X.], 77 mwN). Das [X.] hat zudem
aus-drücklich in den Blick genommen, dass nach dem Urteil des
Bundesverfas-sungsgerichts vom 4.
Mai 2011 (NJW 2011, 1931 ff.) die hier maßgeblichen Bestimmungen über die
Sicherungsverwahrung verfassungswidrig sind und diese bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber -
längstens bis 31.
Mai 2013
-
nur nach Maßgabe der Gründe jener Entscheidung
weiter anwendbar bleiben. Danach unterliegt die Anordnung der Maßregel einer "strikten Verhält-8
9
10
11
-
7
-
nismäßigkeitsprüfung". Gemessen daran ist
die Verhältnismäßigkeit in der [X.] nur gewahrt, wenn eine Gefahr schwerer Gewalt-
oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen [X.] ist
(vgl. Senat, Urteil vom 7.
Juli 2011 -
2 [X.], [X.], 32; Ur-teil vom 19.
Oktober 2011 -
2 [X.], [X.], 213, 214; Beschluss vom 20.
Oktober 2011 -
2 [X.]). Rechtlich zutreffend hat das [X.]
Ta-ten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, deren
Begehung durch den Angeklagten auch künftig zu erwarten ist,
im konkreten Fall als
solcherma-ßen
"schwere
Sexualstraftaten"
im Sinne der Weitergeltungsanordnung des [X.] eingeordnet
(vgl. Senat, Beschluss vom 26.
Oktober 2011 -
2 StR 328/11, [X.], 212, 213, Rn.
6; [X.], Beschlüsse vom 2.
August 2011 -
3 [X.], [X.]R StGB §
66 Strikte Verhältnismäßig-keit
1, vom 11.
August 2011 -
3 [X.]11
und vom 26.
Oktober 2011 -
5 [X.], [X.], 9).

Das [X.] hat sich sowohl im Rahmen der Verhältnismäßigkeits-prüfung
als auch bei der ihm
obliegenden Ermessensentscheidung
erschöpfend
mit der Frage auseinandergesetzt, ob andere geeignete Maßnahmen gegeben sind, um der vom Angeklagten ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit zu begegnen oder diese zumindest erheblich abzuschwächen. Dies hat es
mit tragfähiger Begründung verneint. Entgegen dem [X.] musste sich das [X.] dabei nicht ausdrücklich mit dem Umstand befassen, dass der Angeklagte erstmals zu einer
längeren Freiheitsstrafe verurteilt worden ist und bislang "praktisch nicht"
therapiert wurde.
Die Wirkungen eines erstmals erlebten längeren Strafvollzugs und von in diesem Rahmen (möglicherweise) wahrgenommenen Therapieangeboten
können zwar im Einzelfall wesentliche gegen die Anordnung der Maßregel sprechende Gesichtspunkte darstellen (vgl. [X.], Beschluss
vom 9.
Dezember 2010 -
5 [X.], [X.], 276).
Ein Absehen von der Anordnung trotz bestehender hangbedingter Gefährlichkeit 12
-
8
-
kommt in Ausübung des
in §
66 Abs.
2 StGB eingeräumten Ermessens
aber nur dann in Betracht, wenn bereits zum Zeitpunkt des Urteilserlasses die
Erwar-tung begründet ist, der Täter werde hierdurch eine Haltungsänderung erfahren, sodass für das Ende des Strafvollzugs eine günstige
Prognose gestellt werden kann. Zum Zeitpunkt des Urteilserlasses noch ungewisse positive Veränderun-gen und lediglich
mögliche Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug können indes nicht genügen. Vielmehr bedarf es
-
worauf der Senat bereits in seinem
Urteil vom 4.
November
2009 hingewiesen hat (vgl. [X.], 77, 78)
-
zumindest konkreter
Anhaltspunkte
für
einen Behandlungserfolg (vgl. auch [X.], Urteile
vom 5.
Februar 1985 -
1 StR 833/84, NStZ
1985, 261; vom 19.
Juli 2005 -
4 [X.], [X.], 337, 338 und vom 3.
Februar 2011 -
3
StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172
sowie
Rissing-van S[X.]n/[X.] in LK 12.
Aufl. §
66 Rn.
233). Solche
sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Das Verhal-ten des Angeklagten im Strafvollzug und zukünftig möglicherweise eintretende Haltungsänderungen werden demnach
im Rahmen der
obligatorischen Prüfung nach §
67c Abs.
1 StGB zu berücksichtigen sein (vgl. [X.], Urteile
vom 4.
Februar 2004 -
1 StR
474/03, [X.], 202, 203, und
vom 19.
Juli 2005 -
4 [X.],
[X.], 337;
Fischer StGB 59.
Aufl. §
66 Rn.
36).

[X.]

[X.]

Berger

Eschelbach

[X.]

Meta

2 StR 592/11

28.03.2012

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2012, Az. 2 StR 592/11 (REWIS RS 2012, 7625)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7625

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