Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.03.2017, Az. V ZB 119/16

V. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 14344

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:090317BVZB119.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]

vom

9. März 2017

in der Zurückweisungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 70 Abs. 4; [X.] § 15 Abs. 6 Satz 2
Sieht die Behörde den Transitaufenthalt eines Ausländers nach Abschluss des
Asylverfahrens und vor Ablauf der in § 15 Abs. 6 Satz 2 [X.] normierten 30-Tagesfrist als Freiheitsentziehung an und hält sie deshalb für die weitere Aufrechterhaltung des Aufenthalts eine richterliche Entscheidung für [X.], handelt es sich bei dem bis zur richterlichen Entscheidung andauernden Aufenthalt um eine bloß vorläufige behördliche Maßnahme; diese ist einer Überprüfung im Rahmen einer Rechtsbeschwerde entzogen.
[X.], Beschluss vom 9. März 2017 -
V [X.] -
LG [X.] am Main

AG [X.] am Main

-
2
-

Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 9. März 2017
durch die
Vorsitzende [X.]in Dr.
Stresemann,
die [X.]innen Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und Weinland, den [X.] Dr.
Göbel und die [X.]in Haberkamp
beschlossen:
Die
Rechtsbeschwerde
gegen den Beschluss der 29.
Zivilkammer des [X.]s [X.] am Main vom 29.
Juli 2016 wird als unzulässig verworfen.
Die außergerichtlichen Kosten des [X.] trägt der Betroffene;
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000

Gründe:
I.
Der Betroffene ist kamerunischer St[X.]tsangehöriger. Er traf am 29.
März
2016 aus [X.] kommend am [X.] [X.] am Main ein. Er stellte einen Asylantrag und wurde daraufhin zur Durchführung eines [X.] Verfahrens nach §
18a [X.] in einer Asylbewerberunterkunft im Transitbereich des [X.]s untergebracht. Das [X.] lehnte den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab; die [X.] verweigerte dem Betroffenen die Einreise. Seine Anträge auf vorläu-figen Rechtsschutz lehnte das Verwaltungsgericht [X.] am Main mit Be-schluss vom 16.
April 2016 ab. Diese Entscheidung wurde der beteiligten [X.]
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hörde am 18.
April
2016 bekannt gemacht. Am 19.
April 2016 ordnete das Amtsgericht auf Antrag der beteiligten Behörde vom selben Tag den weiteren Aufenthalt des Betroffenen am [X.] [X.] am Main bis einschließlich 21. Juni 2016 an.
Der Betroffene hat beantragt festzustellen, dass seine Unterbringung am [X.] in der [X.] vom 16.
April 2016 bis zum 19.
April 2016 rechtswidrig war. Diesen Antrag hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Das [X.] hat unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung des Betroffenen in der [X.] vom 17.
April 2016 bis zum Er-lass des [X.] vom 19.
April 2016 festgestellt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte der Betroffene die Feststellung erreichen, dass die Freiheitsentziehung bereits ab dem 16.
April 2016 rechtswidrig war. Die [X.] beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
II.
Das Beschwerdegericht meint, dass die Unterbringung des Betroffenen auf dem Gelände des [X.]s ab dem 16.
April 2016 bis zum Erlass des [X.] am 19.
April 2016 eine Freiheitsentziehung sei. Die Kammer schließe sich insoweit der Entscheidung des Oberlandesgerichts [X.] am Main vom 3.
März 2016 (20
W 9/15) an, wonach die Unterbringung des Be-troffenen im Transitbereich des [X.]s zumindest nach rechtskräftigem
Abschluss des Asylverfahrens gemäß §
18a [X.] eine Freiheitsentzie-hung darstelle, die einer richterlichen Anordnung bedürfe. Rechtswidrig sei die Unterbringung des Betroffenen wegen der fehlenden richterlichen Anordnung gemäß Art.
104 Abs.
2 GG aber nicht schon ab dem 16. April 2016, sondern erst ab dem 17. April 2016 bis zum Erlass des [X.] am 19. April 2016. Am 16. April 2016
sei das Asylverfahren aufgrund des Beschlusses des
Verwaltungsgerichts [X.] am Main abgeschlossen gewesen. Ab diesem 2
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[X.]punkt sei für die weitere Ingewahrsamnahme des Betroffenen eine richterli-che Anordnung erforderlich gewesen, wobei es genügt hätte, wenn diese
am Folgetag
erlassen worden wäre. Dies wäre
unter Berücksichtigung des [X.]en [X.]aufwandes zur Anfertigung eines behördlichen Haftantrages "unver-züglich" im Sinne des Art.
104 Abs.
2 GG gewesen.
III.
Das Rechtsmittel ist nicht statthaft.

1. Gemäß § 70 Abs. 4 FamFG ist die Rechtsbeschwerde ausgeschlos-sen in Verfahren, in denen über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung befunden worden ist. Hierzu gehören nach [X.] Rechtsprechung des Senats auch Entscheidungen über vorläufige Haftanordnungen, die von einem [X.] nach § 427 FamFG i.V.m. § 62
[X.] angeordnet worden sind (Senat, Beschluss vom 3. Februar 2011

V
ZB
128/10, juris Rn. 6; vgl. auch Beschluss vom 11. November 2010

V
ZB
123/10, juris Rn. 3 f.).
Entschieden hat der Senat zudem (Beschluss vom 12. Mai 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 361 Rn. 5; Beschluss vom 23.
Mai
2011 -
V [X.] 29/10, juris), dass nichts anderes gilt für die der richterli-chen Beschlussfassung vorgelagerte Möglichkeit der Behörde, einen Ausländer unter strengen Voraussetzungen für einen kurzen [X.]raum vorläufig in [X.] zu nehmen, um diesen unverzüglich dem [X.] vorzuführen (§ 428 FamFG i.V.m. § 62 Abs. 4 [X.] bzw. jetzt: § 62 Abs. 5 [X.]).
Hinter-grund hierfür ist die Vorschrift des § 428 Abs. 2 FamFG. Auch über die Anfech-tung behördlich angeordneter Freiheitsentziehungen im Sinne
von § 428 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist nach den Vorschriften dieses Buches" zu entscheiden. [X.] wird deutlich, dass der gerichtliche Rechtsschutz gegen solche Maßnah-men den Regelungen folgen soll, die für die Anfechtung gerichtlich angeordne-4
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ter Freiheitsentziehungen gelten. Hierzu zählt § 70 Abs. 4 FamFG
(Senat,
Beschluss vom 12. Mai 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 361 Rn. 5).
2. Der Rechtsbeschwerdeführer wendet sich gegen eine
lediglich vorläu-fige Maßnahme einer Behörde [X.]. § 428 Abs. 1 und 2 FamFG, die gemäß §
70 Abs. 4 FamFG einer Überprüfung durch eine
Rechtsbeschwerde nicht zu-gänglich ist.
a) Nach der neueren Rechtsprechung des Oberlandesgerichts [X.] ([X.] 2016, 192) handelt es sich bei der Unterbringung eines Betroffenen h-a-fen ungeachtet der gesetzlichen Regelung des § 15 Abs. 6 Satz 2 [X.] um eine dem [X.]vorbehalt gemäß Art. 104 Abs. 2 GG unterliegende Freiheits-entziehung. Dieser Rechtsprechung hat sich das Beschwerdegericht ange-schlossen und deshalb den Aufenthalt des Betroffenen im
Transitbereich des [X.]s ab dem 16. April 2016 als Freiheitsentziehung
bewertet.

b) Ob diese rechtliche Bewertung rechtlich zutreffend ist, bedarf keiner Entscheidung.
[X.]) Ob es sich bei einem Transitaufenthalt um eine bloß vorläufige Maß-nahme [X.]. § 428 Abs. 1 FamFG handelt, richtet sich nämlich nach der Rechtsauffassung der Behörde. Sieht die Behörde den Transitaufenthalt eines Ausländers nach Abschluss des Asylverfahrens und vor Ablauf der in § 15 Abs.
6 Satz 2 [X.] normierten 30-Tagesfrist als Freiheitsentziehung an und hält sie deshalb für die weitere Aufrechterhaltung des Aufenthalts eine rich-terliche Entscheidung für erforderlich, handelt es sich bei dem bis zur richterli-chen Entscheidung andauernden Aufenthalt um eine bloß vorläufige behördli-6
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che Maßnahme; diese
ist einer Überprüfung im Rahmen einer Rechtsbe-schwerde entzogen.
bb) So
liegt der Fall hier. Die
beteiligte Behörde hat unter ausdrücklicher Zitierung der Entscheidung des Oberlandesgerichts [X.] nach Abschluss des Asylverfahrens durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts [X.] am Main vom 16. April 2016 Anlass zur Einholung einer richterlichen Anordnung gesehen und -
nach Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts [X.] am Main an sie -
einen entsprechenden Antrag gestellt.
3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht bindet den Senat nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Mai 2011 -
V [X.] 29/10, juris). Sie vermag ein gesetzlich nicht vorgesehenes Rechtsmittel nicht zu eröff-nen, sondern besteht nur innerhalb des für die jeweilige Verfahrensart vorgese-henen Instanzenzuges. Dieser ist hier mit der Beschwerdeentscheidung [X.] (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Mai 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 361 Rn. 6, siehe auch [X.], Beschluss vom 27. Februar 2003 -
I [X.], [X.]Z 154, 102). Den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an einen wir-kungsvollen Rechtsschutz zu stellen sind, ist genügt, weil der von der vorläufi-gen Anordnung Betroffene die Maßnahme in zwei Instanzen zur richterlichen Überprüfung stellen kann
(vgl. Senat, Beschluss vom 12. Mai 2011

V
ZB
135/10, [X.] 2011, 361 Rn. 5).
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IV.
Der Senat hat die Nichterhebung der Gerichtskosten nach § 21 Abs. 1 Satz 1
GNotKG
angeordnet, weil die Einlegung des nicht statthaften Rechtsmit-tels durch die unrichtige Rechtsmittelbelehrung
des Beschwerdegerichts veran-lasst worden ist. Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 84 FamFG.
Stresemann Schmidt-Räntsch Weinland

Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
AG [X.] am Main, Entscheidung vom 09.05.2016 -
934 [X.] B -

LG [X.] am Main, Entscheidung vom 29.07.2016 -
2-29 T 118/16 -

12

Meta

V ZB 119/16

09.03.2017

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.03.2017, Az. V ZB 119/16 (REWIS RS 2017, 14344)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14344

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZB 119/16

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