Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 08.12.2015, Az. 3 AZR 475/14

3. Senat | REWIS RS 2015, 1082

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Gegenstand

Betriebsrentenanpassung - Anpassungsprüfungsstichtag


Leitsatz

1. Der gesetzlich vorgeschriebene Drei-Jahres-Rhythmus des § 16 Abs 1 BetrAVG zwingt nicht zu starren, individuellen Prüfungsterminen. Die Bündelung aller in einem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine zu einem einheitlichen Jahrestermin ist zulässig. In der Folgezeit muss der Drei-Jahres-Zeitraum allerdings eingehalten sein. Zudem darf sich durch den gemeinsamen Anpassungsstichtag die erste Anpassung um nicht mehr als sechs Monate verzögern.

2. Der Anpassungsprüfungsstichtag steht nicht zur Disposition des Versorgungsempfängers. Eine Abweichung ist auch nicht mit Zustimmung des Versorgungsberechtigten möglich (§ 17 Abs 3 BetrAVG).

3. Die Prüfung und Ablehnung der Anpassung der Betriebsrente des Arbeitnehmers durch den Rechtsvorgänger des Arbeitgebers führt auch nach § 242 BGB nicht zu einer Verschiebung des von Gesetzes wegen vorgegebenen Anpassungsprüfungsstichtags. Das Gebot von Treu und Glauben dient nicht dazu, eine Abweichung von der gesetzlichen Systematik zu ermöglichen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 26. Februar 2014 - 6 [X.] 901/13 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anpassung der Betriebsrente der Klägerin zum 1. Januar 2010.

2

Die Klägerin war bis Januar 2003 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt. Seit dem 1. Februar 2003 bezieht sie eine Betriebsrente iHv. monatlich 616,61 [X.].

3

Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin sind seit Ende 2006 nicht mehr werbend am Markt tätig. Der Gesellschaftszweck der Beklagten besteht in der Abwicklung ihrer Versorgungsverbindlichkeiten. [X.] erzielte die Beklagte einen Jahresüberschuss, den sie aufgrund eines seit dem 1. Oktober 2000 bestehenden [X.] an die [X.] abführte. In den Jahren 2010 bis 2012 erlitt die Beklagte Verluste, die jeweils durch die [X.] ausgeglichen wurden.

4

Die Beklagte führt - wie ihre Rechtsvorgängerin - die in ihrem Unternehmen anfallenden Anpassungsprüfungen nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] zum 1. Januar eines Jahres gebündelt durch. Mit Schreiben vom 13. November 2007 teilte die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Klägerin mit, dass eine Anpassung ihrer Betriebsrente zum 1. Januar 2007 aus wirtschaftlichen Gründen unterbleiben müsse.

5

Mit ihrer Klage hat die Klägerin eine Anpassung ihrer Betriebsrente zum 1. Januar 2010 an den seit Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust begehrt, den sie mit 11,83 % beziffert. Die Klägerin hat geltend gemacht, die wirtschaftliche Lage der Beklagten stünde einer Betriebsrentenanpassung nicht entgegen. Jedenfalls sei die Beklagte zu einer Anpassung der Betriebsrente aufgrund eines Berechnungsdurchgriffs auf die - günstige - wirtschaftliche Lage der [X.] verpflichtet, weil mit dieser ein Beherrschungsvertrag bestehe.

6

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, die monatlichen Leistungen an sie aus der Versorgungsregelung der Beklagten ab dem 1. Januar 2010 um 72,94 [X.] brutto zu erhöhen,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.625,03 [X.] brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Januar 2013 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Zwar hat das [X.] gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. Dennoch erweist sich seine Entscheidung, auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen, im Ergebnis als richtig. Denn die Klage ist unbegründet.

I. Das Urteil des [X.]s ist insoweit rechtsfehlerhaft und wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu korrigieren, als es über zwei von der Klägerin nicht geltend gemachte prozessuale Ansprüche entschieden hat.

1. Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Der [X.] ist nicht nur verletzt, wenn einer Partei etwas zugesprochen wird, ohne dass sie dies beantragt hat, sondern auch, wenn ihr ein Anspruch aberkannt wird, den sie nicht zur Entscheidung gestellt hat (vgl. etwa [X.] 15. April 2015 - 4 [X.] - Rn. 21 mwN).

2. Das [X.] hat angenommen, die wirtschaftliche Lage der Beklagten stehe einer Anpassung der Betriebsrente der Klägerin an den seit dem Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust zum 1. Januar 2009 und zum 1. Januar 2012 entgegen. Daher stehe der Klägerin weder ein Anspruch auf die begehrte Erhöhung ihrer Betriebsrente ab dem 1. Januar 2010 noch ein Anspruch auf Zahlung rückständiger Betriebsrente zu. Damit hat das [X.] gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen.

a) Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist lediglich die Anpassung der Betriebsrente der Klägerin zum 1. Januar 2010. Die Klägerin hat mit ihrer Klage stets und ausschließlich eine Anpassung ihrer Betriebsrente zu diesem [X.] geltend gemacht. Zu keinem [X.]punkt hat sie sich in den Vorinstanzen darauf berufen, die Beklagte habe bereits zum 1. Januar 2009 oder zumindest zum 1. Januar 2012 ihre Betriebsrente anpassen müssen. Entgegen der Ansicht des [X.]s konnte das Klagebegehren der Klägerin daher nicht dahin verstanden werden, dass sie eine Anpassung ihrer Betriebsrente sowohl zum 1. Januar 2009 als auch zum 1. Januar 2012 verlangt hat und die sich hieraus möglicherweise folgenden Anpassungsforderungen für die [X.] ab Januar 2010 begehrt.

b) Das [X.] hat damit über zwei prozessuale Ansprüche entschieden, die von der Klägerin nicht zur Entscheidung gestellt worden waren. Nach der gesetzlichen Systematik ist die Anpassungsprüfung und -entscheidung stichtagsbezogen vorzunehmen. Ob sie billigem Ermessen entspricht, ist bezogen auf die zum Stichtag vorliegenden Daten und die zu diesem [X.]punkt mögliche Prognose zu beurteilen. Eine zu einem früheren oder zu einem späteren Stichtag bestehende Anpassungspflicht ergibt sich deshalb aus einem anderen Lebenssachverhalt, der nicht Gegenstand einer auf einen anderen Stichtag gestützten Anpassungsforderung und ihrer gerichtlichen Geltendmachung ist (vgl. [X.] 11. November 2014 - 3 [X.] - Rn. 17).

3. Das Urteil ist daher - ohne dass es eines förmlichen Entscheidungsausspruchs bedurfte - zu berichtigen, um eine sonst eintretende Rechtskraft auszuschließen (vgl. [X.] 15. April 2015 - 4 [X.] - Rn. 23 mwN).

II. Die Revision bleibt dennoch im Ergebnis erfolglos. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Anpassung ihrer Betriebsrente zum 1. Januar 2010. Die Beklagte war nach § 16 Abs. 1 [X.] nicht verpflichtet, zum 1. Januar 2010 zu prüfen, ob eine Anpassung der Betriebsrente der Klägerin an den Kaufkraftverlust zu erfolgen hatte.

1. Nach § 16 Abs. 1 [X.] ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Das bedeutet, dass er in zeitlichen Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen Leistungsbeginn die Anpassungsprüfung vorzunehmen hat. Diese wäre - ausgehend vom Rentenbeginn der Klägerin am 1. Februar 2003 - am 1. Februar 2006 und am 1. Februar 2009 vorzunehmen gewesen.

2. Allerdings haben die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin alle anfallenden Prüfungstermine zum 1. Januar eines Jahres gebündelt und die Anpassung der Betriebsrente der Klägerin erstmalig zum 1. Januar 2007 geprüft. Zwar würde sich daraus für die Klägerin der 1. Januar 2010 als weiterer Prüfungstermin ergeben. Jedoch hat die erste Anpassungsprüfung zum 1. Januar 2007 zu spät stattgefunden. Dies verstößt gegen § 16 Abs. 1 [X.]. Aufgrund der Bündelung aller Anpassungsprüfungen im Unternehmen zum 1. Januar eines Jahres hätte die Anpassung der Betriebsrente der Klägerin nicht erst zum 1. Januar 2007, sondern bereits zum 1. Januar 2006 und davon ausgehend wieder zum 1. Januar 2009 geprüft werden müssen.

a) Der gesetzlich vorgeschriebene Drei-Jahres-Rhythmus zwingt nicht zu starren, individuellen Prüfungsterminen; die Bündelung aller in einem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine zu einem einheitlichen Jahrestermin ist zulässig (vgl. [X.] 11. Oktober 2011 - 3 [X.] - Rn. 18 mwN, [X.]E 139, 252). Sie vermeidet unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand und beeinträchtigt die Interessen der Betriebsrentner nur geringfügig. Für diese verzögert sich allenfalls die erste Anpassungsprüfung. Die den Versorgungsempfängern daraus entstehenden Nachteile werden regelmäßig dadurch abgemildert, dass ein entsprechend angewachsener höherer Teuerungsausgleich zu berücksichtigen ist. In der Folgezeit muss der Drei-Jahres-[X.]raum allerdings eingehalten sein. Zudem darf sich durch den gemeinsamen [X.] die erste Anpassung um nicht mehr als sechs Monate verzögern (vgl. etwa [X.] 11. November 2014 - 3 [X.] - Rn. 13 mwN).

Durch den höchstens um sechs Monate verzögerten [X.]punkt der erstmaligen Anpassungsprüfung soll verhindert werden, dass dem Versorgungsempfänger wesentliche Nachteile entstehen. Die erstmalige Anpassungsprüfung wird nur um wenige Monate verschoben und typischerweise wird dabei ein höherer Kaufkraftverlust zugunsten des [X.] bereits ausgeglichen. Ließe man noch weitere Verzögerungen zu, so führte dies dazu, dass sich die durch die Bündelung eintretenden Vorteile für die Versorgungsempfänger zu Nachteilen verkehren, etwa weil sich möglicherweise die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners ungünstig verändert hat. Ausgangspunkt der Betrachtung muss die gesetzliche Regelung des § 16 Abs. 1 [X.] bleiben und danach hat die Anpassungsprüfung alle drei Jahre zu erfolgen ([X.] 11. November 2014 - 3 [X.] - Rn. 13).

b) Der [X.] steht nicht zur Disposition des [X.]. Bereits die vom Senat zugelassene Bündelung der Prüfungstermine weicht vom gesetzlich grundsätzlich vorgesehenen Rhythmus ab. In Anwendung des Gesetzes wird dieser Rhythmus abgeändert und mit dem im Gesetz vorgesehenen dreijährigen Prüfungsturnus an nahe am jeweiligen Rentenbeginn liegende Daten angeknüpft. Diese Möglichkeit über das bisherige Maß hinaus auszudehnen, ist nicht geboten und könnte für die Versorgungsempfänger zu den geschilderten Nachteilen führen ([X.] 11. November 2014 - 3 [X.] - Rn. 14). Eine Abweichung ist deshalb auch nicht mit Zustimmung des Versorgungsberechtigten möglich (§ 17 Abs. 3 [X.]).

c) Auch § 242 BGB gebietet vorliegend kein anderes Ergebnis. Zwar hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten zum 1. Januar 2007 die Anpassung der Betriebsrente der Klägerin geprüft und abgelehnt. Dies führt jedoch nicht zu einer Verschiebung des von Gesetzes wegen vorgegebenen [X.]s. Das Gebot von Treu und Glauben dient nicht dazu, eine Abweichung von der gesetzlichen Systematik zu ermöglichen. Die Klägerin konnte ohne Weiteres ihr Verlangen bezogen auf den richtigen [X.] stellen.

3. Die Klage war daher von Anfang an unschlüssig. Zum 1. Januar 2010 konnte die Klägerin eine Anpassung ihrer Betriebsrente nach § 16 Abs. 1 [X.] nicht verlangen. Da die Klage nicht schlüssig war, ist es unerheblich, dass die Beklagte sich in den Vorinstanzen nicht darauf berufen hat, der 1. Januar 2010 sei der falsche [X.], bzw. diesen in unzutreffender Weise selbst als richtigen [X.] angesehen hat.

III. Da das Revisionsgericht nach § 561 ZPO die Revision zurückzuweisen hat, wenn - wie vorliegend - die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung ergibt, sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig darstellt, ist eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] zur Ermöglichung einer Klageänderung nicht geboten.

        

    Zwanziger    

        

    Spinner    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    Blömeke    

        

    H. Trunsch    

                 

Meta

3 AZR 475/14

08.12.2015

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Frankfurt, 28. Mai 2013, Az: 18 Ca 9217/12, Urteil

§ 16 Abs 1 BetrAVG, § 16 Abs 2 BetrAVG, § 17 Abs 3 BetrAVG, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 08.12.2015, Az. 3 AZR 475/14 (REWIS RS 2015, 1082)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1082

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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