Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28.09.2023, Az. 8 B 15/23

8. Senat | REWIS RS 2023, 9638

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Gegenstand

Verhältnismäßigkeit des Verbundverbots bei Spielhallen


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 21. Dezember 2022 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer glückspielrechtlichen Erlaubnis für den Betrieb einer bereits bestehenden Spielhalle. Die Beklagte lehnte dies ab, weil die Klägerin in benachbarten Räumen aufgrund einer bis 2036 befristeten Erlaubnis eine weitere Spielhalle betreibt. Eine Befreiung vom Verbot einer Verbundspielhalle komme nicht in Betracht. Das Verwaltungsgericht hat die auf Erteilung der Genehmigung gerichtete Klage abgewiesen; das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

2

Die allein auf den [X.] der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

3

Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt voraus, dass die Rechtssache eine Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern diese Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten steht und dies zu einer Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus führen wird. Der Rechtsmittelführer hat darzulegen, dass diese Voraussetzungen vorliegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Dem wird die Beschwerde nicht gerecht.

4

1. Die Frage,

ob die Abstandsgebote gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 i. V. m. § 11 Abs. 2 Satz 2 [X.] [X.] und das [X.] gemäß § 25 Abs. 2 GlüStV 2021 aufgrund des neu eingeführten, zentralen, bundesweiten und spielformübergreifenden [X.] "[X.]" gemäß § 8 GlüStV 2021 noch geeignet, erforderlich und angemessen und diese beschränkenden Regelungen unionsrechtswidrig sind,

und,

ob die [X.] empirisch nachweisbar sind,

wäre, soweit sie Abstandsgebote zum Gegenstand hat, im angestrebten Revisionsverfahren nicht zu klären, weil das angegriffene Urteil sich nicht auf diese Regelungen stützt. Überdies ist die Frage nach der empirischen Nachweisbarkeit eine Tatsachen- und keine revisible Rechtsfrage.

5

Die verbleibende Frage nach der Verhältnismäßigkeit des [X.]s und dessen Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht ist nicht klärungsbedürftig, weil sie ohne Weiteres anhand der üblichen Auslegungsregeln unter Berücksichtigung der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu beantworten ist. In der Rechtsprechung sind die Vorgaben, die sich für örtliche Beschränkungen der Zulässigkeit von Spielhallen aus den Grundrechten auf Berufsfreiheit aus [X.]t. 12 Abs. 1 GG und auf Gleichbehandlung aus [X.]t. 3 Abs. 1 GG ergeben, bereits geklärt ([X.], Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u. a. - [X.]E 145, 20 Rn. 119 ff.; [X.], Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 [X.] 6.15 - [X.]E 157, 126 Rn. 34 ff.). Das Grundgesetz enthält danach kein Gebot konsequenter Glücksspielregulierung. Aus ihm lässt sich weder ein Konsistenzgebot jenseits des aus ordnungsrechtlichen Gründen beim Staat monopolisierten Glücksspielangebots noch ein sektorübergreifendes Gebot der Kohärenz glücksspielrechtlicher Regelungen ableiten ([X.], Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 [X.] 6.15 - [X.]E 157, 126 Rn. 51). Unterschiedliche Regelungen verschiedener Glücksspielformen sind zulässig, sofern der Gesetzgeber eine angemessene Suchtprävention nicht außer [X.] lässt ([X.], Beschluss vom 1. August 2022 - 8 B 15.22 - juris Rn. 6).

6

Ebenso geklärt sind die hier einschlägigen Vorgaben des Unionsrechts für die Glücksspielregulierung (vgl. [X.], Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u. a. - [X.]E 145 Rn. 124; [X.], Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 [X.] 6.15 - [X.]E 157, 126 Rn. 83 ff.; [X.], Urteil vom 26. Oktober 2017 - 8 [X.] 18.16 - [X.]E 160 Rn. 38 ff.). Dabei kann offen bleiben, ob und inwieweit das unionsrechtliche Kohärenzgebot außerhalb des Monopolsektors anwendbar ist. Es verlangt allenfalls, glücksspielrechtliche Regelungen zur Suchtprävention und zum Spielerschutz nicht durch eine gegenläufige Regulierung anderer Glücksspielbereiche mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial in einer Weise zu konterkarieren, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt ([X.], Beschluss vom 1. August 2022 - 8 B 15.22 - juris Rn. 6). Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn die zuständigen Behörden eine Politik verfolgen, die zur Teilnahme an Glücksspielen, die dem staatlichen Monopol unterliegen, anregt (vgl. zuletzt [X.], Beschluss vom 18. Mai 2021 - [X.]-920/19, [X.] - Rn. 32).

7

Die inhaltlich gegenüber der früheren Fassung des Glücksspielstaatsvertrags unveränderte Regelung des § 25 Abs. 2 GlüStV 2021 ist nach diesem Maßstab auch weiterhin mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar. Die Einführung des zentralen und spielformübergreifenden [X.] (§ 8 i. V. m. § 23 GlüStV 2021) ändert nichts an der Geeignetheit und Erforderlichkeit der [X.]sregelungen. Die Sperren greifen gemäß § 8a GlüStV 2021 nur bei Personen, die dies beantragen oder bei denen die Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen aufgrund der Wahrnehmung ihres Personals oder aufgrund von Meldungen Dritter wissen oder aufgrund sonstiger tatsächlicher Anhaltspunkte annehmen müssen, dass sie spielsuchtgefährdet oder überschuldet sind, ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen oder Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen oder Vermögen stehen. Die vom Glücksspielstaatsvertrag bezweckte erhebliche Reduktion der Verfügbarkeit von Spielgelegenheiten des gewerblichen Spiels gerade auch zum Schutz von bisher nicht gefährdeten Personen wird durch die [X.] weder bezweckt noch erreicht. Die Einführung des [X.] macht deshalb die [X.]sregelung nicht etwa überflüssig, sondern ergänzt diese um einen spielerzentrierten Schutzansatz. Die durch diese Kumulation herbeigeführte Beschränkung der betroffenen Grundrechte ist angesichts des überragend wichtigen Gemeinwohlziels der Suchtprävention und -bekämpfung angemessen.

8

Das Beschwerdevorbringen zur fehlenden empirischen Nachweisbarkeit des Abkühlungseffekts von [X.]sregelungen und die Behauptung der Klägerin, durch die Einführung des [X.] werde dieser Abkühlungseffekt ebenso erreicht, gehen von Tatsachenfeststellungen aus, die das Oberverwaltungsgericht nicht getroffen hat, ohne dass insoweit Verfahrensrügen erhoben worden wären. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung geklärt, dass diese Annahme des Gesetzgebers innerhalb seines Einschätzungs- und Prognosespielraums liegt ([X.], Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u. a. - [X.]E 145, 20 Rn. 137).

9

Schließlich begründet auch der Verweis der Beschwerde auf neuere Veröffentlichungen in der Literatur, die die Vereinbarkeit der Regelungen zu [X.] mit Verfassungs- und Europarecht bezweifeln (Hartmann/[X.], NVwZ 2022, 1241 ff.), keinen erneuten Klärungsbedarf. Zwar kann eine höchstrichterlich bereits entschiedene Rechtsfrage wieder klärungsbedürftig werden, wenn neue Gesichtspunkte von Gewicht vorgebracht werden. Dafür reicht es aber nicht, in einer Beschwerdebegründung auf Veröffentlichungen zu verweisen. Vielmehr muss die Beschwerdebegründung selbst diese gewichtigen Gesichtspunkte darlegen. Das ist hier nicht geschehen.

2. Die weitere Frage,

ob eine Ungleichbehandlung zwischen terrestrischem Spiel und virtuellem Spiel noch verfassungsrechtlich geboten bzw. gerechtfertigt sei,

bedarf aus den vorgenannten Gründen ebenfalls keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung. Weder [X.]. 3 Abs. 1 GG noch [X.]t. 12 Abs. 1 GG oder das Unionsrecht hindern den Gesetzgeber, für terrestrisches und virtuelles Spiel verschiedene, den unterschiedlichen Zugangs- und Regulierungsmöglichkeiten Rechnung tragende Regelungen zur Suchtprävention und zum Spielerschutz zu treffen, sofern diese jeweils verhältnismäßig sind und - bei Anwendbarkeit der unionsrechtlichen Grundfreiheiten - das Kohärenzgebot im oben (Rn. 6) erläuterten Sinne wahren. Weiteren oder erneuten Klärungsbedarf legt die Beschwerdebegründung nicht dar. Sie setzt sich mit den zahlreichen im Glücksspielstaatsvertrag vorgesehenen Beschränkungen des virtuellen Spiels (§§ 6a - 6j GlüStV 2021) nicht auseinander und zeigt nicht auf, inwieweit das Schutzniveau im virtuellen Spiel jenes des terrestrischen in einem verfassungsrechtlich bedenklichen Maße unterschreitet.

3. Die Frage,

ob eine Ungleichbehandlung zwischen Spielhallen und Spielbanken verfassungsrechtlich geboten bzw. gerechtfertigt ist,

würde sich im Revisionsverfahren nur stellen, soweit sie die Anforderungen an die Rechtfertigung betrifft. Insoweit ist sie bereits in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt (vgl. [X.], Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u. a. - [X.]E 145, 20 Rn. 122, 174). Ein [X.]t. 3 Abs. 1 GG genügender hinreichender Sachgrund für die unterschiedliche Behandlung von Spielhallen und Spielbanken liegt in dem unterschiedlichen Gefährdungspotential beider [X.]ten von Spielstätten und insbesondere in der sehr unterschiedlichen Verfügbarkeit der Spielmöglichkeiten (vgl. [X.], Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u. a. - [X.]E 145, 20 Rn. 174). Erneuten Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Die Behauptung vorinstanzlich nicht festgestellter Tatsachen ist dazu ungeeignet. Im Übrigen wurde die Reduktion der Anzahl an Spielhallen in der Entscheidung des [X.] bereits berücksichtigt ([X.], Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u. a. - [X.]E 145, 20 Rn. 146). Feststellungen zu einer Ausweitung der Anzahl an Spielbanken, die gegebenenfalls die von der Klägerin angegriffene suchtpräventiv ausgerichtete staatliche Regulierung in Zweifel ziehen könnte, hat das Berufungsgericht nicht getroffen; Verfahrensrügen hat die Beschwerdebegründung auch insoweit nicht erhoben.

4. Schließlich betrifft die Frage,

ob die Norm des § 21 [X.] [X.] voraussetzt, dass die Verbundspielhallen von mehreren Betreibern betrieben werden müssen,

kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Gesetz zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages 2021 [X.] vom 21. Juni 2021 enthält - anders als § 33 GlüStV - keine die Revisibilität gemäß [X.]t. 99 Alt. 2 GG begründende Vorschrift.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Meta

8 B 15/23

28.09.2023

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, 21. Dezember 2022, Az: 2 LB 892/20, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, § 25 Abs 2 GlüStVtr MV 2021, § 8 GlüStVtr MV 2021

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28.09.2023, Az. 8 B 15/23 (REWIS RS 2023, 9638)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9638

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