Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.11.2023, Az. 8 B 30/23

8. Senat | REWIS RS 2023, 9641

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Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des [X.] vom 22. Februar 2023 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für den Betrieb einer bereits bestehenden Spielhalle. Der Beklagte lehnte dies ab, weil die Spielhalle sich in einem baulichen Verbund mit einer anderen Spielhalle sowie in einem Abstand von weniger als 500 Metern zu mehreren Schulen oberhalb des [X.] und zu mehreren anderen Spielhallen befinde. Das Verwaltungsgericht hat die auf Erteilung der Genehmigung gerichtete Klage abgewiesen; das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

2

Die allein auf den [X.] der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

3

Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt voraus, dass die Rechtssache eine Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern diese Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten steht und dies zu einer Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus führen wird. Der Rechtsmittelführer hat darzulegen, dass diese Voraussetzungen vorliegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Dem wird die Beschwerde nicht gerecht.

4

1. Die Frage,

ob die Abstandsgebote gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 i. V. m. § 11 Abs. 2 Satz 2 [X.] [X.] und das [X.] gemäß § 25 Abs. 2 GlüStV 2021 aufgrund des neu eingeführten zentralen, bundesweiten und spielformübergreifenden [X.] "[X.]" gemäß § 8 GlüStV 2021 noch geeignet, erforderlich und angemessen und diese beschränkenden Regelungen unionsrechtswidrig sind,

und

ob die [X.] empirisch nachweisbar sind,

betrifft, soweit sie sich - im zweiten Teilsatz - auf die empirische Nachweisbarkeit bezieht, eine Tatsachen- und keine revisible Rechtsfrage. Im Übrigen ist sie nicht klärungsbedürftig, weil sie ohne Weiteres anhand der üblichen Auslegungsregeln unter Berücksichtigung der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu beantworten ist. In der Rechtsprechung sind die Vorgaben, die sich für örtliche Beschränkungen der Zulässigkeit von Spielhallen aus den Grundrechten auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG ergeben, bereits geklärt ([X.], Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u. a. - [X.]E 145, 20 Rn. 119 ff.; [X.], Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 [X.] 6.15 - [X.]E 157, 126 Rn. 34 ff.). Das Grundgesetz enthält danach kein Gebot konsequenter Glücksspielregulierung. Aus ihm lässt sich weder ein Konsistenzgebot jenseits des aus ordnungsrechtlichen Gründen beim Staat monopolisierten Glücksspielangebots noch ein sektorübergreifendes Gebot der Kohärenz glücksspielrechtlicher Regelungen ableiten ([X.], Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 [X.] 6.15 - [X.]E 157, 126 Rn. 51). Unterschiedliche Regelungen verschiedener Glücksspielformen sind zulässig, sofern der Gesetzgeber eine angemessene Suchtprävention nicht außer [X.] lässt ([X.], Beschluss vom 1. August 2022 - 8 B 15.22 - juris Rn. 6).

5

Ebenso geklärt sind die hier einschlägigen Vorgaben des Unionsrechts für die Glücksspielregulierung (vgl. [X.], Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u. a. - [X.]E 145, 20 Rn. 124; [X.], Urteile vom 16. Dezember 2016 - 8 [X.] 6.15 - [X.]E 157, 126 Rn. 83 ff. und vom 26. Oktober 2017 - 8 [X.] 18.16 - [X.]E 160, 193 Rn. 38 ff.). Dabei kann offen bleiben, ob und inwieweit das unionsrechtliche Kohärenzgebot außerhalb des Monopolsektors anwendbar ist. Es verlangt allenfalls, glücksspielrechtliche Regelungen zur Suchtprävention und zum Spielerschutz nicht durch eine gegenläufige Regulierung anderer Glücksspielbereiche mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial in einer Weise zu konterkarieren, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt ([X.], Beschluss vom 1. August 2022 - 8 B 15.22 - juris Rn. 6). Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn die zuständigen Behörden eine Politik verfolgen, die zur Teilnahme an Glücksspielen, die dem staatlichen Monopol unterliegen, anregt (vgl. zuletzt [X.], Beschluss vom 18. Mai 2021 - [X.]-920/19 [E[X.]LI:​EU:​[X.]:​2021:​395], [X.] - Rn. 32).

6

Die inhaltlich gegenüber der früheren Fassung des Glücksspielstaatsvertrags unveränderte Regelung des § 25 Abs. 1 GlüStV 2021, die die konkrete Bestimmung des Abstands zwischen Spielhallen den Ausführungsbestimmungen der Länder überlässt, und die ebenfalls unveränderte Regelung des [X.]s in Art. 25 Abs. 2 GlüStV 2021 sind nach diesem Maßstab auch weiterhin mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar. Die Einführung des zentralen und spielformübergreifenden [X.] (§ 8 i. V. m. § 23 GlüStV 2021) ändert nichts an der Geeignetheit und Erforderlichkeit der [X.]. Die Sperren greifen gemäß § 8a GlüStV 2021 nur bei Personen, die dies beantragen oder bei denen die Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen aufgrund der Wahrnehmung ihres Personals oder aufgrund von Meldungen Dritter wissen oder aufgrund sonstiger tatsächlicher Anhaltspunkte annehmen müssen, dass sie spielsuchtgefährdet oder überschuldet sind, ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen oder Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen oder Vermögen stehen. Die vom Glücksspielstaatsvertrag bezweckte erhebliche Reduktion der Verfügbarkeit von Spielgelegenheiten des gewerblichen Spiels gerade auch zum Schutz von bisher nicht gefährdeten Personen wird durch die [X.] weder bezweckt noch erreicht. Die Einführung des [X.] macht deshalb die [X.]sregelung nicht etwa überflüssig, sondern ergänzt diese um einen spielerzentrierten Schutzansatz. Die durch diese Kumulation herbeigeführte Beschränkung der betroffenen Grundrechte ist angesichts des überragend wichtigen Gemeinwohlziels der Suchtprävention und -bekämpfung angemessen. Dass der konkret einzuhaltende Mindestabstand durch die jeweiligen Landesgesetzgeber unterschiedlich festgelegt wurde, ist verfassungs- (vgl. [X.], Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u. a. - [X.]E 145, 20 Rn. 123) und europarechtlich (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juni 2014 - [X.]-156/13 [E[X.]LI:​EU:​[X.]:​2014:​1756], [X.] - Rn. 33 ff.) nicht zu beanstanden. Weder das Grundgesetz noch das unionsrechtliche [X.] verlangen eine bundesweit uniforme Regelung. Bei verschiedener landesrechtlicher Ausgestaltung genügt es, dass diese jeweils den Anforderungen des höherrangigen Rechts entspricht. Bei der hier angegriffenen Regelung ist das aus den oben ausgeführten Gründen der Fall.

7

Die von der Beschwerde ebenso angegriffene Norm des § 11 Abs. 2 Satz 2 [X.] MV, die den Mindestabstand zu Schulen oberhalb des [X.] regelt, gehört zum nicht revisiblen Landesrecht. Insoweit käme eine Revisionszulassung nur in Betracht, wenn der verfassungs- und unionsrechtliche Maßstab selbst klärungsbedürftig wäre. Dies ist, wie dargelegt (vgl. Rn. 6), nicht der Fall.

8

Der Einwand der Klägerin, durch die Einführung des [X.] werde der angestrebte Abkühlungseffekt ebenso erreicht wie durch [X.], geht von Tatsachenfeststellungen aus, die das Oberverwaltungsgericht nicht getroffen hat, ohne dass insoweit Verfahrensrügen erhoben worden wären. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die gegenteilige Annahme des Gesetzgebers, [X.] hätten einen Abkühlungseffekt, innerhalb seines Einschätzungs- und Prognosespielraums liegt ([X.], Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u. a. - [X.]E 145, 20 Rn. 137).

9

Schließlich begründet auch der Verweis der Beschwerde auf neuere Veröffentlichungen in der Literatur, die die Vereinbarkeit der Regelungen zu [X.] mit Verfassungs- und Europarecht bezweifeln ([X.], NVwZ 2022, 1241 ff.), keinen erneuten Klärungsbedarf. Zwar kann eine höchstrichterlich bereits entschiedene Rechtsfrage wieder klärungsbedürftig werden, wenn neue Gesichtspunkte von Gewicht vorgebracht werden. Dafür reicht es aber nicht, in einer Beschwerdebegründung auf Veröffentlichungen zu verweisen. Vielmehr muss die Beschwerdebegründung selbst diese gewichtigen Gesichtspunkte darlegen. Das ist hier nicht geschehen.

2. Die weitere Frage,

ob eine Ungleichbehandlung zwischen terrestrischem Spiel und virtuellem Spiel noch verfassungsrechtlich geboten bzw. gerechtfertigt sei,

bedarf aus den vorgenannten Gründen ebenfalls keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung. Weder Art. 3 Abs. 1 GG noch Art. 12 Abs. 1 GG oder das Unionsrecht hindern den Gesetzgeber, für terrestrisches und virtuelles Spiel verschiedene, den unterschiedlichen Zugangs- und Regulierungsmöglichkeiten Rechnung tragende Regelungen zur Suchtprävention und zum Spielerschutz zu treffen, sofern diese jeweils verhältnismäßig sind und - bei Anwendbarkeit der unionsrechtlichen Grundfreiheiten - das Kohärenzgebot im oben (Rn. 5) erläuterten Sinne wahren. Weiteren oder erneuten Klärungsbedarf legt die Beschwerdebegründung nicht dar. Sie setzt sich mit den zahlreichen im Glücksspielstaatsvertrag vorgesehenen Beschränkungen des virtuellen Spiels (§§ 6a - 6j GlüStV 2021) nicht auseinander und zeigt nicht auf, inwieweit das Schutzniveau im virtuellen Spiel jenes des terrestrischen in einem verfassungsrechtlich bedenklichen Maße unterschreitet.

3. Die Frage,

ob eine Ungleichbehandlung zwischen Spielhallen und Spielbanken verfassungsrechtlich geboten bzw. gerechtfertigt ist,

würde sich im Revisionsverfahren nur stellen, soweit sie die Anforderungen an die Rechtfertigung betrifft. Insoweit ist sie bereits in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt (vgl. [X.], Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u. a. - [X.]E 145, 20 Rn. 122, 174). Ein Art. 3 Abs. 1 GG genügender hinreichender Sachgrund für die unterschiedliche Behandlung von Spielhallen und Spielbanken liegt in dem unterschiedlichen Gefährdungspotential beider Arten von Spielstätten und insbesondere in der sehr unterschiedlichen Verfügbarkeit der Spielmöglichkeiten (vgl. [X.], Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u. a. - [X.]E 145, 20 Rn. 174). Erneuten Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Die Behauptung vorinstanzlich nicht festgestellter Tatsachen ist dazu ungeeignet. Im Übrigen wurde die Reduktion der Anzahl an Spielhallen in der Entscheidung des [X.] bereits berücksichtigt ([X.], Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u. a. - [X.]E 145, 20 Rn. 146). Feststellungen zu einer Ausweitung der Anzahl an Spielbanken, die gegebenenfalls die von der Klägerin angegriffene suchtpräventiv ausgerichtete staatliche Regulierung in Zweifel ziehen könnte, hat das Berufungsgericht nicht getroffen; Verfahrensrügen hat die Beschwerdebegründung auch insoweit nicht erhoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Meta

8 B 30/23

17.11.2023

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, 22. Februar 2023, Az: 2 LB 607/20, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.11.2023, Az. 8 B 30/23 (REWIS RS 2023, 9641)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9641

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