Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.04.2013, Az. 30 W (pat) 58/11

30. Senat | REWIS RS 2013, 6281

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "D-Linksoft Business Softwarevertrieb und –Support D-L (Wort-Bild-Marke)/D-Link (Gemeinschaftsmarke)" – zur Kennzeichnungskraft – zur rechtserhaltenden Benutzung – Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit - Verwechslungsgefahr durch gedankliches Inverbindungbringen


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 16 516

hat der 30. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 25. April 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des [X.] Jacobi

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des [X.] vom 13. August 2009 und vom 15. März 2011 aufgehoben.

Wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 1 416 361 wird die Löschung der Marke 307 16 516 angeordnet.

Gründe

I.

1

Die am 14. März 2007 angemeldete farbige Wort-/Bildmarke

Abbildung

2

ist am 30. Mai 2007 für die Waren und Dienstleistungen

3

„Computersoftware; organisatorisches Projektmanagement im EDV-Bereich; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung“

4

in das Markenregister eingetragen worden. Die Eintragung wurde am 29. Juni 2007 veröffentlicht.

5

Hiergegen ist Widerspruch erhoben aus der am 27. April 2001 eingetragenen Gemeinschaftsmarke 1 416 361

Abbildung

6

deren Waren- und Dienstleistungsverzeichnis lautet:

7

„Elektrische und elektronische Apparate und Instrumente, insbesondere Datenverarbeitungsgeräte, Kabel, Leitungen, Kabelgarnituren, Schaltgeräte, PC-Cards, Netzwerkkarten, [X.], [X.], Hubs, Switches, Router, Brouter, Transceiver, Repeater, Concentrator, Modems, Print-Server, [X.], [X.], Kameras, Radio und TV, Schaltgeräte, integrierte Schaltkreise, Programme und Software für Computer;

8

Dienstleistungen auf dem Gebiet der Reparatur von Datenverarbeitungsanlagen, [X.] und Kommunikationssystemen; Installationsarbeiten im Zusammenhang mit Datenverarbeitungsanlagen; [X.] und Kommunikationssystemen;

9

Durchführung von Schulungen und Seminaren; Ausbildung und Weiterbildung, insbesondere auf dem Gebiet der Datenverarbeitung, Netzwerke, Kommunikationssysteme.

Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung“.

Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2008 hat der Markeninhaber die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Die Widersprechende hat zur Glaubhaftmachung der Benutzung zwei eidesstattliche Versicherungen vom 30. Juli 2008 und vom 26. November 2010 nebst zahlreichen Produktabbildungen zur Akte gereicht.

Die Markenstelle für Klasse 9 des [X.] hat den Widerspruch mit zwei Beschlüssen vom 13. August 2009 und vom 15. März 2011, letzterer ergangen im Erinnerungsverfahren, wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Ausgehend von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und einem entsprechenden Schutzumfang halte die angegriffene Marke den geforderten Abstand auch angesichts möglicher Waren- und Dienstleistungsidentität ein. Zwar werde die angegriffene Marke durch den Bestandteil „[X.]“ geprägt. Dieser bilde jedoch eine gesamtbegriffliche Einheit. Der mit der Widerspruchsmarke übereinstimmende Zeichenteil „[X.]“ werde nicht als selbständig kennzeichnendes Element wahrgenommen. Eine Verwechslungsgefahr durch gedankliches Inverbindungbringen scheide mangels Zeichenserie der Widersprechenden aus.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie behauptet eine durch umfangreiche Benutzung erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Zudem bestehe Zeichenähnlichkeit. Die angegriffene Marke habe „[X.]“ als selbständig kennzeichnenden Bestandteil übernommen. Ihre übrigen Bestandteile seien beschreibend und deshalb nicht prägend. Auch das verwendete Logo rücke in den Hintergrund. Die beanspruchten Waren und Dienstleistungen seien teilweise identisch, teilweise hochgradig ähnlich. Im Ergebnis bestehe Verwechslungsgefahr.

Sie beantragt sinngemäß,

die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Der Markeninhaber hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Zwischen den Marken besteht Verwechslungsgefahr i. S. v. § 125b Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.].

1. Der Markeninhaber hat die Benutzung der Widerspruchsmarke in zulässiger Weise nach § 125b Nr. 4 i. V. m. § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] bestritten. Der Widersprechenden oblag es daher, die rechtserhaltende Benutzung der Gemeinschaftsmarke 1 416 361 für die Zeiträume vom 29. Juni 2002 bis 29. Juni 2007 und vom 25. April 2008 bis 25. April 2013 glaubhaft zu machen. Dies ist ihr jedenfalls im Hinblick auf die Ware „Router“ gelungen.

Was zunächst den zweiten Benutzungszeitraum angeht, ist der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers von [X.] vom 26. November 2010 zu entnehmen, dass die Widersprechende unter der Widerspruchsmarke im Jahr 2009 knapp 600.000 Router der Typen [X.], [X.] und [X.] abgesetzt hat. Die Zahlen beziehen sich zwar neben den Gemeinschaftsländern [X.] und [X.] auch auf die [X.]. Nach der Lebenserfahrung kann aber davon ausgegangen werden, dass ein für eine rechtserhaltende Benutzung jedenfalls ausreichender Anteil davon auf die [X.] entfällt. Die Art der Anbringung der Marke auf den Geräten ist den Anlagen 2, 3 und 11 zur eidesstattlichen Versicherung unzweifelhaft zu entnehmen. Ob auch für die anderen in der eidesstattlichen Versicherung genannten Geräte eine ausreichende Glaubhaftmachung vorliegt, kann dahinstehen, da es insoweit jedenfalls - wie nachfolgend dargestellt - an einer entsprechenden Glaubhaftmachung auch für den ersten Zeitraum fehlt.

Die zum ersten Benutzungszeitraum eingereichte eidesstattliche Versicherung des [X.] vom 30. Juli 2008 bezieht sich in erster Linie auf verschiedene Softwareprodukte. Das ist insofern unbehelflich, als hierzu für den zweiten Zeitraum nichts dargelegt ist. Allerdings ist in der eidesstattlichen Versicherung [X.] auch ausgeführt, dass von der [X.] in den Jahren 2005 bis 2007, 42.306, 518.668 und 1.304.645 Exemplare abgesetzt worden seien, davon mehr als 90 % in der [X.]. Des Weiteren ist dargelegt, dass diese Software zusammen mit dem Produkt [X.] vertrieben worden sei, dem sie beigefügt gewesen sei. Ausweislich der hierzu in Bezug genommenen Anlage 4 handelt es sich bei dem Produkt [X.] um einen deutlich mit der Widerspruchsmarke gekennzeichneten Router; [X.] ist die zugehörige, nach der [X.] im Lieferumfang mitenthaltene Installationssoftware. Damit aber kann auch für den ersten Benutzungszeitraum von einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke jedenfalls für Router ausgegangen werden.

Router sind im [X.] ausdrücklich aufgeführt.

2. Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des [X.] als auch des [X.] unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z. B. [X.] [X.], 1098 Nr. 44 - [X.]/[X.]; [X.], 933 Nr. 32 - [X.]; GRUR 2011, 915 Nr. 45 - [X.]; [X.], 1040 Nr. 25 - pjur/pure; [X.], 930 Nr. 22 - [X.]/[X.]; [X.], 64 Nr. 9 - Maalox/[X.]; [X.], 235 Nr. 15 - [X.]/[X.]). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (st. Rspr., z. B. [X.], 1040 Nr. 25 - pjur/pure; [X.], 930 Nr. 22 - [X.]/[X.]; [X.], 64 Nr. 9 - Maalox/[X.]; [X.], 1103 Nr. 37 - Pralinenform II; [X.] GRUR 2008, 343 Nr. 48 - [X.]/[X.]).

Nach diesen Grundsätzen kann die Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichsmarken nicht verneint werden.

a) Die von der angegriffenen Marke erfasste Software (Klassen 9 und 42) ist den Routern der Widerspruchsmarke ohne weiteres sogar eng ähnlich. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich hierbei um [X.] handelt, wie sie zumindest im ersten Benutzungszeitraum auch von der Widersprechenden vertrieben worden ist. Die von der angegriffenen Marke darüber hinaus beanspruchte Dienstleistung „organisatorisches Projektmanagement im EDV-Bereich“ ist, wie die Widersprechende zu Recht dargelegt hat, äußerst weit gespannt und kann auch Leistungen umfassen, die zu den Routern der Widerspruchsmarke zweifellos ähnlich sind, z. B. den Einbau solcher Geräte betreffen können.

b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist von Hause aus durchschnittlich. Ob - wie von der Widersprechenden geltend gemacht - erhöhte Kennzeichnungskraft vorliegt, muss offen bleiben, da hierzu jedenfalls für den (auch) maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung nichts vorgetragen ist. Darauf kommt es aber im Ergebnis nicht an.

c) Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (z. B. [X.], 1040 Nr. 25 - pjur/pure; [X.], 930 Nr. 22 - [X.]/[X.]; [X.], 64 Nr. 15 - Maalox/[X.]; [X.], 729 Nr. 23 - [X.]). Das schließt es indessen nicht aus, dass ein oder mehrere Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein und insoweit eine rechtlich relevante Verwechslungsgefahr begründen können. Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen (vgl. [X.], 64 Nr. 15 - Maalox/[X.]; [X.], 729 Nr. 31 - [X.]; GRUR 2009, 1055 Nr. 23 - airdsl).

Die Markenstelle ist unter Anwendung dieser Grundsätze zutreffend davon ausgegangen, dass die angegriffene Marke durch den Bestandteil „[X.]“ geprägt wird. Die Angabe „Business Softwarevertrieb und -Support“ ist rein beschreibend; das [X.] wiederholt nur in Form einer Abkürzung den dominant herausgestellten [X.] „[X.]“ (s. zum Zurücktreten solcher abkürzender Logos auch BPatG [X.], 441, 444 - pn printnet/PRINECT).

Nicht zutreffend ist jedoch die Annahme der Markenstelle, dass eine Zeichenähnlichkeit verneint werden müsse, weil der [X.] „[X.]“ eine gesamtbegriffliche Einheit bilde, der die darin enthaltene Widerspruchsmarke nicht erkennen lasse. Die Annahme einer die Zeichenähnlichkeit hindernden gesamtbegrifflichen Einheit (s. hierzu [X.]/Hacker, [X.], 10. Aufl., § 9 Rn. 369 ff. zur Prägung; Rn. 428 zur selbständig kennzeichnenden Stellung und Rn. 464 zur mittelbaren Verwechslungsgefahr) setzt zwingend einen die einzelnen Elemente verschmelzenden, übergreifenden Sinngehalt voraus. Insoweit ist nicht ersichtlich und von der Markenstelle auch nicht dargetan, welchen gesamtbegrifflichen Sinngehalt das Gebilde „[X.]“ aufweisen soll. Jedenfalls das Element „D-“ weist keinen ersichtlichen Sinngehalt auf; dann aber kann „[X.]“ auch keine gesamtbegriffliche Einheit bilden.

Viel näher liegt es demgegenüber, dass der Verkehr eine Software oder Organisationsdienstleistungen, die unter einer Marke mit dem prägenden Bestandteil „[X.]“ angeboten und vertrieben werden, mit den [X.]-Routern der Widersprechenden in Verbindung bringt. Auch wenn der Verkehr die Vergleichsmarken nicht im Sinne einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr gleichstellt, ist es nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern drängt es sich geradezu auf, in den mit der angegriffenen Marke gekennzeichneten Produkten ergänzende Angebote zu den mit der Widerspruchsmarke versehenen Routern zu sehen und sie der Widersprechenden zuzuordnen. Das aber reicht zur Annahme einer Verwechslungsgefahr durch gedankliches Inverbindungbringen aus, ohne dass es hierfür zwingend einer Zeichenserie der Widersprechenden bedürfte (vgl. [X.]/Hacker, a. a. O. § 9 Rn. 475 f.).

Da nach alledem eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werden kann, war unter Aufhebung der [X.] die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

3. Gründe für eine Kostenauferlegung gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Es verbleibt deshalb bei der Kostenfolge des § 71 Abs. 1 Satz 2 [X.], dass jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst zu tragen hat.

Meta

30 W (pat) 58/11

25.04.2013

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.04.2013, Az. 30 W (pat) 58/11 (REWIS RS 2013, 6281)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6281

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Referenzen
Wird zitiert von

30 W (pat) 50/12

30 W (pat) 19/13

30 W (pat) 35/12

30 W (pat) 506/12

30 W (pat) 114/11

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