Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.12.2010, Az. 6 AZR 437/09

6. Senat | REWIS RS 2010, 206

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Gegenstand

Überleitung in den TV-Bundesagentur für Arbeit - Gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss


Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 17. März 2009 - 9 [X.] 355/08 [X.] - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 16. Juli 2008 - 9 [X.] 1066/07 [X.] - abgeändert:

[X.]s wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin von Januar 2006 bis einschließlich Dezember 2008 pro Monat einen individuellen Übergangsbetrag in Höhe von jeweils 36,31 [X.]uro brutto zu zahlen nebst Zinsen hierauf iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem jeweiligen ersten des Folgemonats.

3. Die Kosten der Revision hat die Beklagte zu 37 % und die Klägerin zu 63 % zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch darüber, ob der Klägerin nach der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der [X.] ([X.]) vom 28. März 2006 in der [X.] vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2008 ein individueller Übergangsbetrag in rechnerisch unstreitiger Höhe von monatlich 36,31 Euro brutto zustand.

2

Die 1970 geborene Klägerin ist seit dem 1. Oktober 1991 bei der [X.] in der [X.] als Fachassistentin für [X.] beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach dem [X.] zur Anpassung des [X.] - Manteltarifliche Vorschriften - ([X.]) vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Am 4. August 2006 vereinbarten die Parteien, dass auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des [X.] und des Tarifvertrags zur Überleitung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der [X.] in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts ([X.]) vom 28. März 2006 Anwendung finden.

3

Die Beklagte führte im Zusammenhang mit der Bildung von Kundenzentren und [X.] eine grundlegende Organisationsreform durch. Diese Änderungen und die Reform der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes führten zum Abschluss des [X.], der den [X.] ablöste. Der [X.] wurde am 28. März 2006 unterzeichnet und trat gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 [X.] rückwirkend zum 1. Januar 2006 in [X.]. Bereits im Juli 2005 hatten sich die Tarifvertragsparteien auf wesentliche Eckpunkte des künftigen Tarifvertrags verständigt.

4

Mit dem Inkrafttreten des [X.] änderte sich die Vergütungsstruktur der [X.]. Nach § 27 Abs. 1 [X.] bemaß sich die Grundvergütung in den einzelnen Vergütungsgruppen nach [X.], beginnend mit dem 21. Lebensjahr. Nach jeweils zwei Jahren wurde die nächste Lebensaltersstufe erreicht. Zusätzlich erhielten Angestellte einen [X.] und eine allgemeine Zulage.

5

Nach § 17 [X.] erhalten die Beschäftigten nunmehr ein monatliches Festgehalt. Dessen Höhe richtet sich nach der [X.] (§ 14 [X.]), in die sie eingruppiert sind, sowie nach der für sie maßgeblichen Entwicklungsstufe (§ 18 [X.]). Die Zuordnung der in den [X.] übergeleiteten Beschäftigten zu den einzelnen Entwicklungsstufen erfolgte nach den §§ 4 und 5 [X.]. Dort ist bestimmt:

        

„§ 4   

        

Überleitungszeitpunkt

        

(1)     

Die Überleitung der Beschäftigten erfolgt, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag des Inkrafttretens des [X.].

        

(2)     

1Beschäftigte in den Agenturen für Arbeit ([X.]), denen zum [X.]punkt des Inkrafttretens des [X.] eine Tätigkeit nach Anlage 1.1 des [X.] übertragen wird, werden mit Wirkung auf den [X.]punkt der Umstellung, frühestens jedoch am 1. Januar 2005, übergeleitet. 2[X.]punkte der Umstellung (Überleitungszeitpunkte) sind:

                 

• 01.01.2005

für die [X.] … H …

                 

…       

        
        

…       

        

(6)     

1Der Überleitungszeitpunkt für die einzelne Beschäftigte/den einzelnen Beschäftigten richtet sich grundsätzlich jeweils nach der Dienststelle, der sie/er zum [X.]punkt des Inkrafttretens des [X.] angehört. …

        

…       

        

§ 5     

        

Tätigkeitsübertragung und Zuordnung zu Entwicklungsstufen

        

(1)     

1Im Rahmen der Überleitung wird jede/jeder Beschäftigte durch Übertragung einer Tätigkeit, die nach den Anlagen 1.1 bis 1.9 des [X.] einer Tätigkeitsebene zugeordnet ist, einer Tätigkeitsebene und innerhalb der jeweiligen Tätigkeitsebene einer Entwicklungsstufe zugeordnet. …

                 

…       

        

(2)     

1Die erstmalige Zuordnung zu den Entwicklungsstufen richtet sich für die vor dem Überleitungszeitpunkt vom [X.] bzw. [X.] erfassten Beschäftigten nach der am Tag vor dem jeweiligen Überleitungszeitpunkt erreichten Lebensaltersstufe (§ 27 [X.] / [X.]). 2Die Zuordnung erfolgt im Einzelnen nach folgenden [X.]:

                 

…       

                 

-       

bis einschließlich Lebensaltersstufe 35

Entwicklungsstufe 4

                 

…       

        

…       

        

Abschnitt III

        

Besitzstandsregelung

        

§ 7     

        

Individueller Übergangsbetrag

        

(1)     

Sofern die Überleitung für Beschäftigte mit einer Verringerung des Entgelts verbunden ist, wird ab dem [X.]punkt der Überleitung monatlich ein individueller Übergangsbetrag gezahlt.

        

(2)     

1Der individuelle Übergangsbetrag beläuft sich auf die Differenz zwischen dem Entgelt im Kalendermonat vor der Überleitung gemäß den nachfolgenden Absätzen (Vergleichsentgelt) und dem Festgehalt (§ 17 [X.]) der maßgeblichen Entwicklungsstufe sowie gegebenenfalls einer Funktionsstufe (§ 20 [X.]) bzw. einer weiteren Gehaltskomponente (§ 16 Abs. 3 [X.]). …

        

(3)     

1Bei Beschäftigten aus dem Geltungsbereich des [X.] / [X.] setzt sich das Vergleichsentgelt aus Grundvergütung, allgemeiner Zulage, [X.] bis zur Stufe 2 sowie Zulagen nach den Absätzen 7 und 8 zusammen.

                 

…       

        

…       

        

(10)   

1Hat die/der Beschäftigte zwischen dem Überleitungszeitpunkt und dem 1.1.2006 nach den bisherigen tarifvertraglichen Regelungen eine höhere Lebensalters-/Lohnstufe erreicht, erhöht sich der individuelle Übergangsbetrag auf Antrag der/des Beschäftigten ab 1. Januar 2006 um die Differenz zwischen dem im Januar 2006 zustehenden Gehalt nach § 16 [X.] und der/dem letzten nach den bisherigen tarifvertraglichen Regelungen abgerechneten Vergütung/Lohn im Sinne der Absätze 3 bis 5. 2Der Anspruch ist bis zum 30. Juni 2006 geltend zu machen.

        

…       

        

(12)   

1Der individuelle Übergangsbetrag tritt als weiterer Gehaltsbestandteil neben das Gehalt nach § 16 [X.]. …“

6

Die Niederschrift über die Tarifverhandlung zwischen der [X.] - [X.] und der [X.] am 14. März 2006 lautet unter 7. (Top 3):

        

        

„Nach Verhandlungsunterbrechung wird im Rahmen eines [X.] zu den §§ 4 Abs. 6 und 7, 5 Abs. 2, 7 Abs. 8 und 12 (neu), 8, 9, 10 Abs. 6 und 15 Abs. 3 folgendes Ergebnis unter dem Vorbehalt der Gesamteinigung zum TVÜ-BA zu einem neu eingefügten Abs. 10 in § 7 TVÜ-BA erzielt:

                 

[X.]steigerungen werden unter folgenden Bedingungen berücksichtigt:

                 

1.    

Nach dem individuellen Überleitungstermin erfolgte bis zum 31.12.2005 eine Lohn-/ [X.]steigerung im alten System.

                 

2.    

Zwischen der letzten Gehaltsabrechnung nach dem alten System und der ersten (richtigen) Gehaltsabrechnung im neuen System tritt tatsächlich eine Differenz auf, die auf die Nichtberücksichtigung der Lohn-/ [X.]steigerung zurückzuführen ist.

                 

3.    

Die/Der Betroffene ist Empfänger/in eines individuellen Übergangsbetrages.

                 

4.    

Die/Der Betroffene hat bis zum [X.] einen entsprechenden Antrag auf Berücksichtigung der tatsächlich noch im alten System erfolgten Lohn-/ [X.]steigerung gestellt.“

7

Die Beklagte zahlte der Klägerin bis zum 31. Juli 2005 unter Zugrundelegung der Lebensaltersstufe 33 eine monatliche Bruttovergütung [X.]. insgesamt 2.109,93 Euro und in den Monaten August bis November 2005 unter Zugrundelegung der Lebensaltersstufe 35 jeweils monatlich 2.147,09 Euro brutto einschließlich des kinderbezogenen [X.]s [X.]. 83,78 Euro. Rückwirkend zum Überleitungszeitpunkt 1. Januar 2005 stufte die Beklagte die Klägerin in die [X.] V ein, ordnete sie der Entwicklungsstufe 4 zu, errechnete eine Bruttovergütung der Klägerin [X.]. 2.027,00 Euro zuzüglich eines Kinderzuschlags gemäß § 10 [X.] [X.]. 83,78 Euro und zahlte der Klägerin ab dem 1. Dezember 2005 ein monatliches Gehalt [X.]. insgesamt 2.110,78 Euro brutto. Die Klägerin hat ohne Erfolg von der [X.] per E-Mail am 8. Mai 2006 und am 19. Juni 2006 die Zahlung eines individuellen Übergangsbetrags [X.]. monatlich 36,31 Euro ab dem 1. Dezember 2005 mit der Begründung verlangt, sie habe im August 2005 eine höhere Lebensaltersstufe erreicht.

8

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe ihr gemäß § 7 Abs. 10 [X.] den beanspruchten individuellen Übergangsbetrag zu zahlen. Ihrem Anspruch stehe nicht entgegen, dass ihr nicht bereits vor dem Erreichen der höheren Lebensaltersstufe ein individueller Übergangsbetrag zugestanden habe. Maßgebend sei, dass sich ihre Grundvergütung aufgrund des Erreichens der höheren Lebensaltersstufe im August 2005 und damit zwischen dem Überleitungszeitpunkt und dem 1. Januar 2006 erhöht habe. Der individuelle Übergangsbetrag dürfe ihr nicht allein deshalb vorenthalten werden, weil sie zufällig bereits zum 1. Januar 2005 in den [X.] übergeleitet worden sei und keinen anderen überleitungsbedingten [X.] erlitten habe. Ein solches Ergebnis hielte dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht stand.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt festzustellen,

        

dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr in der [X.] vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2008 pro Monat einen individuellen Übergangsbetrag nach § 7 Abs. 10 TVÜ-BA in Höhe von 36,31 Euro brutto zu zahlen und die Differenzbeträge ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt mit fünf Prozentpunkten über dem Basissatz der [X.] zu verzinsen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit von Tarifregelungen mit Art. 3 Abs. 1 GG sei der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie Rechnung zu tragen. Den Tarifvertragsparteien komme in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine [X.] zu. Sie seien nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Daran gemessen verstoße die tarifliche Regelung nicht gegen den Gleichheitssatz, weil sie als Stichtagsregelung Ausdruck einer gebotenen pauschalierten Betrachtung sei.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren für die Monate Januar 2006 bis Dezember 2008 weiter. Soweit die Klägerin den individuellen Übergangsbetrag auch für Dezember 2005 und über den 31. Dezember 2008 hinaus beansprucht hatte, hat sie ihre Klage mit Zustimmung der [X.] in der [X.] zurückgenommen. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen, soweit die Klägerin für die Monate Januar 2006 bis Dezember 2008 einen individuellen Übergangsbetrag in rechnerisch unstreitiger Höhe von monatlich 36,31 [X.] brutto beansprucht hat. Der Klägerin steht dieser Betrag gemäß § 7 Abs. 10 [X.] iVm. dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu.

I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Trotz ihres Vergangenheitsbezugs liegt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Der verlangte Gegenwartsbezug wird dadurch hergestellt, dass die Klägerin die Erfüllung konkreter Vergütungsansprüche aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und damit einen gegenwärtigen rechtlichen Vorteil erstrebt. Das angestrebte [X.] ist geeignet, den Konflikt der Parteien endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Es kann von der [X.] als Körperschaft des öffentlichen Rechts erwartet werden, dass sie einem stattgebenden [X.] nachkommen wird (vgl. Senat 22. April 2010 - 6 [X.] - Rn. 9, [X.] 240 [X.]/[X.] § 16 Nr. 2; 21. Januar 2010 - 6 [X.] - Rn. 14 mwN, AP BGB § 611 Dienstordnungs-Angestellte Nr. 78).

II. Die Vorinstanzen haben zutreffend angenommen, dass der Anspruch der Klägerin auf individuelles Übergangsgeld nicht allein aus § 7 Abs. 10 Satz 1 [X.] folgt.

1. Diese Vorschrift regelt, um welchen Betrag sich der individuelle Übergangsbetrag auf Antrag der/des Beschäftigten erhöht, wenn diese/r zwischen dem Überleitungszeitpunkt und dem 1. Januar 2006 nach den bisherigen tarifvertraglichen Regelungen eine höhere Lebensalters-/Lohnstufe erreicht. Sie bindet den Anspruch auf einen erhöhten individuellen Übergangsbetrag ihrem Wortlaut nach, auf den es bei der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags nach ständiger Rechtsprechung des [X.] zunächst ankommt (vgl. 18. November 2010 - 6 [X.]/09 -; 25. Oktober 2007 - 6 [X.]/07 - Rn. 15, [X.] 124, 284; 9. Oktober 2003 - 6 [X.] - [X.] 108, 72, 74), mit der Formulierung „…erhöht sich der individuelle Übergangsbetrag...“ daran, dass die/der Beschäftigte bereits vor der Erhöhung Anspruch auf einen individuellen Übergangsbetrag hatte. Selbst wenn angenommen würde, dass der Wortlaut des § 7 Abs. 10 Satz 1 [X.] insoweit nicht völlig eindeutig ist, schlösse die Niederschrift der Tarifvertragsparteien vom 14. März 2006 zur Berücksichtigung von [X.]steigerungen letzte Zweifel am Ergebnis der wortlautgetreuen Auslegung aus. In Nr. 3 dieser Niederschrift ist als Verhandlungsergebnis festgehalten, dass die Berücksichtigung der [X.]steigerung nach § 7 Abs. 10 Satz 1 [X.] voraussetzt, dass die/der Betroffene Empfänger/in eines individuellen Übergangsbetrags ist.

2. Die Tarifvertragsparteien haben damit alle Beschäftigten von der Berücksichtigung einer [X.]steigerung zwischen dem Überleitungszeitpunkt und dem 1. Januar 2006 ausgeschlossen, denen vor dem Erreichen der höheren Lebensaltersstufe ein individueller Übergangsbetrag gemäß § 7 Abs. 1 [X.] nicht zustand, weil für sie die Überleitung in den [X.] nicht mit einer Verringerung des Entgelts verbunden war. Zu dieser Beschäftigtengruppe gehört die Klägerin. Ihre Gesamtbruttovergütung betrug im Monat vor dem für sie maßgeblichen Überleitungszeitpunkt 1. Januar 2005 2.109,93 [X.] und nach der Überleitung in den [X.]. Die Überleitung war für die Klägerin damit nicht mit einer Verringerung, sondern mit einer Erhöhung ihres Entgelts um monatlich 0,85 [X.] brutto verbunden.

III. Die Ausnahme der Beschäftigten in § 7 Abs. 10 Satz 1 [X.], für die die Überleitung in den [X.] zwar nicht mit einer Verringerung des Entgelts verbunden war, denen jedoch nach der tariflichen Regelung nach ihrer Überleitung in den [X.] ein niedrigeres Entgelt zusteht als das, das sie bei Berücksichtigung einer zwischen dem Überleitungszeitpunkt und dem 1. Januar 2006 erreichten [X.]steigerung erhielten, ist auch unter Beachtung des den Tarifvertragsparteien zukommenden Gestaltungsspielraums gleichheitswidrig und damit nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

1. Die Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung zwar nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Sie müssen hierbei jedoch aufgrund der [X.] der Grundrechte den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 3 GG beachten (st. Rspr. des Senats, vgl. 27. Mai 2004 - 6 [X.] - [X.] 111, 8; 30. Oktober 2008 - 6 [X.] § 1 Tarifverträge: [X.] Nr. 1; 18. März 2010 - 6 [X.] - Rn. 33, [X.] Art. 3 Nr. 321 = [X.] 100 TVöD-AT § 2 Diskriminierung sexuelle Orientierung Nr. 1; 22. April 2010 - 6 [X.] 966/08 - Rn. 26, [X.] Art. 3 Nr. 322 = [X.] 320 [X.] § 5 Abs. 2 Ortszuschlag Nr. 20). Deshalb ist im Ergebnis bei der Prüfung der Vereinbarkeit von Tarifregelungen mit Art. 3 Abs. 1 GG derselbe Maßstab anzulegen wie im Fall einer unmittelbaren [X.] (Senat 27. Mai 2004 - 6 [X.] - [X.] 111, 8, 14 ff.).

a) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für alle Belastungen und ungleiche Begünstigungen ([X.] 21. Juli 2010 - 1 [X.], 1 BvR 2464/07 - NJW 2010, 2783 mwN). Verboten ist damit auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an [X.] reichen. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Verbot verhältnismäßiger Gleichbehandlung verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen ([X.] 21. Juli 2010 - 1 [X.], 1 BvR 2464/07 - aaO).

b) Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. [X.] 28. Januar 2003 - 1 BvR 487/01 - [X.]E 107, 133, 141). Im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit von Tarifregelungen mit Art. 3 Abs. 1 GG ist der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie Rechnung zu tragen. Den Tarifvertragsparteien kommt in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie eine [X.] zu. Sie sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen (st. Rspr. des Senats, vgl. 23. September 2010 - 6 [X.] 180/09 - Rn. 12, [X.], 482; 22. April 2010 - 6 [X.] 966/08 - Rn. 26, [X.] Art. 3 Nr. 322 = [X.] 320 [X.] § 5 Abs. 2 Ortszuschlag Nr. 20; 18. März 2010 - 6 [X.] 156/09 - Rn. 30, EzA GG Art. 3 Nr. 108; 27. Mai 2004 - 6 [X.] - [X.] 111, 8, 19 mwN).

2. Daran gemessen ist die Nichtberücksichtigung einer im maßgeblichen tariflichen Zeitraum erfolgten [X.]steigerung bei Beschäftigten nicht zu beanstanden, soweit sich die Gesamthöhe ihres Entgelts infolge der Überleitung in den [X.] nicht verringert hat und sie unter der Geltung der bisherigen tariflichen Regelungen auch nach dem Erreichen der höheren Lebensaltersstufe ein niedrigeres Entgelt bezogen hätten als nach der Überleitung in den [X.] (vgl. Senat 30. Oktober 2008 - 6 [X.] § 1 Tarifverträge: [X.] Nr. 1). Die Tarifvertragsparteien mussten bei der Regelung des individuellen Übergangsbetrags auch nicht erst nach dem jeweiligen Überleitungszeitpunkt erreichte höhere [X.] berücksichtigen. Wenn sie dies jedoch für angemessen gehalten haben, mussten sie die Grenzen ihrer autonomen Regelungsmacht beachten und durften Beschäftigte wie die Klägerin, für die die Überleitung in den [X.] zwar nicht mit einer Verringerung des Entgelts verbunden war, denen jedoch nach der tariflichen Regelung nach der Überleitung ein niedrigeres Entgelt zusteht als das, das sie bei Berücksichtigung einer zwischen dem Überleitungszeitpunkt und dem 1. Januar 2006 erreichten [X.]steigerung erhalten hätten, von der Begünstigung nicht ausnehmen.

a) Zwischen der von der Regelung in § 7 Abs. 10 Satz 1 [X.] erfassten Beschäftigtengruppe und der Gruppe der Beschäftigten, der die Klägerin angehört, bestehen im Hinblick auf den Zweck des individuellen Übergangsbetrags, den Besitzstand der Beschäftigten zu sichern und eine mit der Überleitung der Beschäftigten in den [X.] verbundene Verringerung des Entgelts auszugleichen, keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Mit dem Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung ist es deshalb nicht zu vereinbaren, Beschäftigte ohne Anspruch auf einen individuellen Übergangsbetrag von der begünstigenden Regelung in § 7 Abs. 10 Satz 1 [X.] auch dann auszunehmen und ihnen damit die mit der Berücksichtigung der höheren Lebensaltersstufe verbundene Entgeltsteigerung vorzuenthalten, wenn ihnen im Vergleich zu dem Entgelt, auf das sie nach den bisherigen tariflichen Regelungen bei Berücksichtigung der erreichten [X.]steigerung Anspruch hatten und - wie die Klägerin - auch erhielten, nach der Überleitung in den [X.] ein niedrigeres Entgelt zusteht.

b) Allerdings dürfen Tarifvertragsparteien bei der Gruppenbildung generalisieren und typisieren. Sie können bestimmte in wesentlichen Elementen gleichgeartete Lebenssachverhalte normativ zusammenfassen und dabei Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, generalisierend vernachlässigen. Allerdings müssen die von ihnen vorgenommenen Verallgemeinerungen im Normzweck angelegt sein und dürfen diesem nicht widersprechen. Die bei einer solchen Typisierung entstehenden, unvermeidlichen Ungerechtigkeiten und Härten in einzelnen, besonders gelagerten Fällen, in denen die Interessenlage von der von den Tarifvertragsparteien als typisch angenommenen abweicht, sind hinzunehmen, wenn sie nicht besonders schwerwiegend und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl. Senat 22. April 2010 - 6 [X.] 966/08 - Rn. 28, [X.] Art. 3 Nr. 322 = [X.] 320 [X.] § 5 Abs. 2 Ortszuschlag Nr. 20; 18. Dezember 2008 - 6 [X.] 287/07 - Rn. 26, [X.] § 11 Nr. 2 = [X.] 320 [X.] § 11 Abs. 1 Nr. 13).

c) Bei Anwendung dieser Grundsätze überschreitet die tarifliche Regelung in § 7 Abs. 10 Satz 1 [X.] die Grenzen zulässiger Typisierung. Sie führt nicht nur in atypischen, seltenen Ausnahmefällen zu erheblichen Nachtteilen für die ausgenommene Beschäftigtengruppe, der die Klägerin zuzuordnen ist.

aa) Aus den in § 4 Abs. 2 Satz 2 [X.] festgesetzten Überleitungszeitpunkten ergibt sich, dass bereits ein großer Teil der Beschäftigten in den ersten Monaten des Jahres 2005 in den [X.] übergeleitet worden ist. Ausweislich der Personalstatistik im Geschäftsbericht 2006 der [X.] (S. 87) wies ihr Haushaltsplan im Jahr 2005 76.483,50 Stellen für [X.], davon 20.014 Stellen für Beamte aus. Dies rechtfertigt die Annahme, dass eine große Zahl der in einem Arbeitsverhältnis Beschäftigten nach ihrer Überleitung in den [X.] bis zum 1. Januar 2006 eine höhere Lebensaltersstufe erreicht hat. Dies war bei allen Beschäftigten der Fall, deren Grundvergütung sich nach der bisherigen tariflichen Regelung nach [X.] bemessen hat, die noch nicht der höchsten Lebensaltersstufe zugeordnet waren und die im maßgeblichen Zeitraum ein Lebensjahr mit ungerader Zahl vollendeten.

bb) Angesichts der großen Zahl der bei der [X.] in einem Arbeitsverhältnis Beschäftigten fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass sich infolge der Überleitung in den [X.] bei nur sehr wenigen Beschäftigten das monatliche Entgelt im Vergleich mit ihrer Vergütung vor der Überleitung lediglich um 0,85 [X.] brutto oder ähnlich geringfügig erhöht hat. Für das Gegenteil spricht schon, dass die als Fachassistentin für [X.] beschäftigte Klägerin von den insgesamt acht Tätigkeitsebenen des neuen Vergütungssystems der [X.] zugeordnet worden ist und die Beklagte im Bereich der Arbeitsförderung ([X.]) eine Vielzahl von Fachassistentinnen und Fachassistenten beschäftigt. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass es sich beim Fall der Klägerin um einen seltenen Ausnahmefall handelt.

cc) Gemessen an der mit der [X.]steigerung verbundenen Entgelterhöhung von monatlich 37,16 [X.] ist die mit der Überleitung in den [X.] für die Klägerin verbundene Entgeltsteigerung von monatlich nur 0,85 [X.] brutto keine einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ausschließende Kompensation. Die Entgeltsteigerung ist vielmehr im Vergleich zur vorenthaltenen Begünstigung unverhältnismäßig. Dies ist auch dann anzunehmen, wenn für Beschäftigte mit der Überleitung in den [X.] eine ähnlich geringfügige Entgeltsteigerung wie für die Klägerin verbunden war. Ohne die Ausnahme der Gruppe der Beschäftigten, der die Klägerin angehört, hätte die Klägerin bis zur Erhöhung des [X.] durch das Aufsteigen in den Entwicklungsstufen ihrer Tätigkeitsebene (§ 9 Abs. 3 [X.]) und damit in den Monaten Januar 2006 bis Dezember 2008 jeweils ein um den Differenzbetrag von 36,31 [X.] brutto höheres Entgelt erhalten. Die Benachteiligung [X.]. insgesamt 1.307,16 [X.] brutto kann bezogen auf den Regelungsbereich „Besitzstandswahrung“ und angesichts der Höhe des Gehalts der Klägerin nicht als marginale, unerhebliche Schlechterstellung vernachlässigt werden. Es trifft zwar zu, dass in den [X.] übergeleitete Beschäftigte die nächsthöhere Entwicklungsstufe - ungeachtet einer nach Maßgabe des § 19 [X.] möglichen Verkürzung oder Verlängerung von für das Erreichen von Entwicklungsstufen erforderlichen Zeiten - anders als die Klägerin nicht erst nach vier Jahren, sondern gemäß § 18 Abs. 6 [X.] auch schon nach einem Jahr, zwei Jahren oder drei Jahren erreichen konnten mit der Folge der Verringerung oder des Wegfalls des individuellen Übergangsbetrags gemäß § 9 Abs. 3 [X.]. Auch dies rechtfertigt aber noch nicht die Annahme, dass eine der Benachteiligung der Klägerin vergleichbare Schlechterstellung nur in Ausnahmefällen eingetreten ist, zumal nach § 18 Abs. 6 [X.] die Entwicklungsstufe 6 erst nach fünf Jahren einer ununterbrochenen Tätigkeit in der Entwicklungsstufe 5 erreicht wird und sich die Benachteiligung damit noch stärker auswirkt.

3. Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bewirkt, dass die Klägerin so zu stellen ist, als würde sie von der Regelung in § 7 Abs. 10 Satz 1 [X.] erfasst.

a) Verstöße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG lösen bei Tarifverträgen und Gesetzen die gleichen Rechtsfolgen aus. Soweit den Tarifvertragsparteien ein Regelungsspielraum verbleibt, haben die Gerichte für Arbeitssachen dies zu respektieren. Eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches einer tariflichen Regelung ist daher nicht ohne weiteres möglich. Die gleichheitswidrig ausgenommenen Beschäftigten haben jedoch dann Anspruch auf die Vergünstigung, wenn die Tarifvertragsparteien nur auf diesem Weg dem Gleichheitssatz Rechnung tragen können oder wenn anzunehmen ist, dass sie bei Beachtung des Gleichheitssatzes alle zu berücksichtigenden Personen in die Vergünstigung einbezogen hätten (vgl. Senat 22. April 2010 - 6 [X.] 966/08 - Rn. 43, [X.] Art. 3 Nr. 322 = [X.] 320 [X.] § 5 Abs. 2 Ortszuschlag Nr. 20; 18. März 2010 - 6 [X.] - Rn. 57, [X.] Art. 3 Nr. 321 = [X.] 100 TVöD-AT § 2 Diskriminierung sexuelle Orientierung Nr. 1; 18. Dezember 2008 - 6 [X.] 287/07 - Rn. 36, [X.] § 11 Nr. 2 = [X.] 320 [X.] § 11 Abs. 1 Nr. 13).

b) Die Voraussetzungen einer Ausdehnung des Anwendungsbereiches einer tariflichen Regelung in § 7 Abs. 10 Satz 1 [X.] sind erfüllt. Der gleichheitswidrige Begünstigungsausschluss kann nur dadurch beseitigt werden, dass die Beschäftigtengruppe, der die Klägerin angehört, die ihr vorenthaltene Leistung erhält und sich ihr Entgelt damit unter Berücksichtigung einer eingetretenen [X.]steigerung nach Maßgabe des § 7 Abs. 10 Satz 1 [X.] erhöht. Aus Gründen des Vertrauensschutzes kann der von § 7 Abs. 10 Satz 1 [X.] erfassten Beschäftigtengruppe der erhöhte individuelle Übergangsbetrag nicht rückwirkend genommen werden (vgl. Senat 18. März 2010 - 6 [X.] 156/09 - Rn. 54 mwN, EzA GG Art. 3 Nr. 108).

4. Die Zinsentscheidung beruht auf § 286 Abs. 1, §§ 288, 247 BGB iVm. § 26 Abs. 1 Satz 2 [X.].

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Der Klägerin waren die Kosten aufzuerlegen, soweit sie die Klage teilweise zurückgenommen hat. Zur Ermittlung der Kostenquote war ein fiktiver, den gesamten Streitgegenstand abbildender Streitwert zu bilden. Dabei waren für jede Instanz bezogen auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung der von der Feststellungsklage umfasste, vergangenheitsbezogene Zeitraum einerseits und der zukunftsgerichtete Teil der Klage andererseits zu berücksichtigen (Senat 23. September 2010 - 6 [X.] 174/09 - Rn. 26).

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Klapproth    

        

    Jerchel    

                 

Meta

6 AZR 437/09

16.12.2010

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Halle (Saale), 16. Juli 2008, Az: 9 Ca 1066/07 E, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, § 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.12.2010, Az. 6 AZR 437/09 (REWIS RS 2010, 206)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 206

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