Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.10.2022, Az. 30 W (pat) 17/21

30. Senat | REWIS RS 2022, 7390

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – „RASPADURA (IR-Marke)“ - Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die international registrierte Marke IR 1 282 464

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 6. Oktober 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin [X.] und des [X.] Merzbach

beschlossen:

Die Beschwerde der [X.] wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die in [X.] basisregistrierte und am 25. September 2015 nach dem Protokoll zum [X.] Markenabkommen unter der Nummer 1 282 464 international registrierte Wortmarke

2

[X.]

3

sucht u. a. für die folgenden Waren

4

„Klasse 29: produits [X.]; fromages“

5

um Schutz im Gebiet der [X.] nach.

6

Mit Beschlüssen vom 16. August 2017 und vom 16. Dezember 2020, wobei letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 29 – [X.] – des [X.] der [X.] den Schutz in der [X.] wegen Freihaltebedürftigkeit teilweise, nämlich für die vorgenannten Waren verweigert (§§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] in Verbindung mit Art. 5 PMMA, Art. 6quinquies B [X.]).

7

Zur Begründung ist ausgeführt, dass die schutzsuchende Marke für die beanspruchten Waren eine beschreibende Angabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sei. Gemäß den im [X.] übermittelten Anlagen finde sich der Begriff [X.] auch auf [X.] Internetseiten als gängige Bezeichnung für einen geraspelten Hartkäse. Danach werde seit [X.] 2020 sogar ein [X.] angeboten und dazu ausgeführt: „[X.] (dialektaler Begriff, typisch für [X.]), d. h. sehr dünne Käsescheiben, die mit einem speziellen Messer vom Käselaib des Bella [X.] geschabt werden“ (Anlage 7 zum Erinnerungsbeschluss). Selbst wenn diese Webseite von einem Handelspartner und mit Billigung der Markeninhaberin geführt werde, zeigten diese und andere Fundstellen, dass die Bezeichnung [X.] für Hartkäse eine rein beschreibende Bedeutung habe. Dies werde bestätigt durch die Internetseiten anderer [X.] Käsereien, die ebenfalls [X.] anböten. Unter r… werde die Entstehung des [X.] beschrieben (Anlage 3 zum Erstprüferbeschluss). Nach der Homepage www.vip-italia.de bezeichne [X.] eine alte „[X.]“technik für Käse aus der Region [X.] (Anlage 4 zum Erstprüferbeschluss). „[X.] Milch“ bewerbe ihren Käse mit „(…) hauchdünn vom Laib als sogenannter raspadura abgezogen, (...)“ (Anlage 5 zum Erstprüferbeschluss). Diese Webseiten richteten sich zwar nicht direkt an den [X.] Verkehr. Sie bestätigen aber die beschreibende Bedeutung des Wortes [X.] in der Region [X.]. Es sei davon auszugehen, dass die Bezeichnung [X.] in [X.] zumindest dem mit Käsespezialitäten vertrauten [X.], der allein für die Annahme der Beschreibungseignung gern. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] maßgeblich sein könne, geläufig sei. Bestätigt werde dies durch die Fachveröffentlichungen in dem Restaurantführer „Osterie d’ltalia“. In der Ausgabe 2008/09 werde [X.] definiert als: „Spezialität aus der Gegend von [X.], die aus feinsten Spänen eines lokalen Grana-Käses besteht“ (Anlage 1 zum Erstprüferbeschluss). Bei einer Lokalbeschreibung finde sich überdies ein Hinweis auf einen Teil des Menüs, welcher folgendermaßen beschrieben werde: „...-und [X.], wie etwa ein schlichter Teller [X.] aus [X.], ganz frisch gehobelt.“ (Anlage 2 zum Erstprüferbeschluss). Auch die [X.] Angebote von [X.] (Anlage 6 zum [X.]) und [X.] (Anlage 8 zum Erinnerungsbeschluss) zeigten eine rein beschreibende Verwendung der Bezeichnung [X.]. Wie die Anlagen 9-10 zum Erinnerungsbeschluss belegten, verwendeten beide Anbieter an gleicher Stelle und Schriftart regelmäßig Angaben zur angebotenen Käseart bzw. andere glatt beschreibende Angaben zum angebotenen Produkt (wie z. B. PIZZA SPECIALE).

8

[X.] sei demnach eine [X.]technik für Hartkäse und bezeichne zudem den Käse, der auf diese Art und Weise zubereitet wurde. [X.] sei mithin geeignet, die zurückgewiesenen Waren zu beschreiben und werde zumindest vom Fachhandel in seiner beschreibenden Bedeutung verstanden. Der international registrierten Marke sei daher gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] der Schutz in der [X.] für die Waren „Milchprodukte“ und „Käse“ zu verweigern.

9

Hiergegen richtet sich die Beschwerde [X.]ninhaberin, mit der sie geltend macht, dass das Zeichen [X.] die vorgenannten Waren nicht beschreibe. Dem Wort [X.] komme weder in der [X.] und erst recht nicht in der [X.] Sprache eine Bedeutung zu. Die Markeninhaberin habe Belege eingereicht, nach denen das Wort in keinem Wörterbuch der [X.] Sprache erscheine (Ausdruck der Webseite „wordreference.com“).

Die phantasievolle Wortschöpfung [X.] sei inspiriert worden durch einen in [X.] sehr lange nicht mehr gebräuchlichen Begriff aus einem alten Dialekt aus einer sehr kleinen Region [X.]s um die Stadt [X.] in der [X.] in der [X.] Region [X.]. Ausweislich der Voreintragung der [X.] nationalen Marken 302011901907238 und 30201390220666 erkenne nicht einmal der [X.] Verbraucher eine auch nur anspielende Bedeutung in Bezug auf Käse.

Das [X.] ignoriere dies und komme mit pauschalen Verweisungen auf die beigebrachten Anlagen zum falschen Ergebnis, nämlich der Bejahung eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Schon in der Erinnerungsbegründung sei dargelegt worden, warum die im Erstprüferbeschluss zitierten Anlangen nicht geeignet seien, die Kennzeichnungskraft der beschwerdegegenständlichen [X.] in Zweifel zu ziehen. So handele es sich bei den Auszügen aus dem Buch [X.] in den Anlagen 1 und 2 um Spezialwerke, die spezielle Gasthäuser in [X.] einem an Slow Food interessierten Leserkreis und somit nicht der Allgemeinheit vorstellen. Die in Anlage 1 beschriebene Anlehnung an einen alten Dialekt belege ebenfalls nicht, dass das breite Publikum in [X.] der Bezeichnung [X.] in Bezug auf Käse und Milchprodukte einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt im Sinne von geraspeltem Hartkäse zuordnen werde.

Soweit es in Anlage 2 heiße, „[X.] aus [X.], ganz frisch gehobelt“, stehe dies der Aussage der Markenstelle, [X.] sei ein „geraspelter Hartkäse“ denklogisch entgegen. Wenn [X.] nämlich einen geraspelten Hartkäse bezeichnen würde, könne dieser nicht frisch gehobelt werden. Die Anlage zeige also, dass es sich bei [X.] um eine phantasievolle Wortschöpfung handele. Anlage 3 stamme von der Markeninhaberin. Sie beschreibe darin nicht, wie ein generisch bezeichnetes Produkt entstehe, sondern beleuchte die Herstellung der von ihr selbst unter ihrer Marke [X.] vertriebenen Waren. Bei der Anlage 4 handele es sich um Auszüge aus den unter vip-italia.de abrufbaren Internetinhalten. Diese Domäne werde von einem Handelspartner der Markeninhaberin, mit deren Einverständnis und die Bezeichnung [X.] markenmäßig verwendet. Die in Anlage 5 dargestellte Benutzung der Marke [X.] in Österreich sei möglicherweise missbräuchlich und unterstreiche das Schutzbedürfnis der Inhaberin.Die Anlage 6 zeige einen Auszug aus den Sortimenten des zur [X.] gehörigen Lebensmittel-Discounters [X.] M… GmbH. Hierbei handelt es sich um eine markenmäßige Verwendung für ein Produkt aus dem Hause der Markeninhaberin.

Soweit die Markenstelle im Erinnerungsbeschluss ausführe, die Fundstellen zeigten, dass die Bezeichnung [X.] für Hartkäse eine beschreibende Bedeutung habe, selbst wenn die vorgenannten Webseiten mit Billigung der Markeninhaberin geführt würden, könne dem nicht gefolgt werden. Die Markenstelle ignoriere den Vortrag zum markenmäßigen Gebrauch des Zeichens auf den Webseiten, die sich auf die Markeninhaberin zurückführen ließen, und die Ausführungen zu einer möglichen missbräuchlichen Verwendung des Begriffs [X.] durch Mitbewerber. Die Markeninhaberin habe erhebliche Anstrengungen unternommen, um das Zeichen „[X.]“ auch auf dem [X.] Markt bekannt zu machen. Der überwiegende Teil der vom [X.] übersandten Rechercheergebnisse zeige eine Verwendung des Begriffs erst nach dem Anmeldetag der [X.] Marke und könne daher auf eine missbräuchliche Anlehnung an die Marke der Beschwerdeführerin, nicht jedoch eine beschreibende Bedeutung belegen.

Soweit die Markenstelle davon ausgehe, dass die Bezeichnung [X.] zumindest dem mit Käsespezialitäten vertrauten [X.] geläufig sei, handele es sich um eine bloße Behauptung.

Die [X.]ninhaberin beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 29 – [X.] – des [X.] vom 16. August 2017 und vom 16. Dezember 2020 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 66 [X.] zulässige Beschwerde der [X.]ninhaberin hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Schutzerstreckung der international registrierten Marke [X.] auf das Gebiet der [X.] steht für die streitgegenständlichen Waren „produits [X.]; [X.]“ (offensichtlicher Schreibfehler, korrekt: „fromages“), deutsch: „Milchprodukte; Käse“, das absolute Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen, so dass die Markenstelle zu Recht und mit zutreffender Begründung nach §§ 119, 124 [X.] a.F. (jetzt: §§ 107 Abs. 1, 112 [X.]), 113, 37 Abs. 1 und 5 [X.] i. V. m. Art. 5 PMMA, Art. 6quinquies Abschnitt [X.] PVÜ den Schutz für die [X.] teilweise verweigert hat.

2. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge und der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 8 Rn. 408). Es genügt also, wenn das angemeldete Zeichen in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. [X.] GRUR 1999, 723 Rn. 30, 31 – [X.]; [X.] Rn. 56 – Postkantoor). Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der Waren als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. [X.] GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen [X.]/[X.]). Hierbei muss der Formulierung „und/oder“ entnommen werden, dass auch das Verständnis der (am Handel) beteiligten Fachkreise allein von ausschlaggebender Bedeutung sein kann ([X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a.a.[X.], § 8 Rn. 443).

Ist die Eignung der angemeldeten Marke für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] keinen weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird; vielmehr reicht aus, dass sie zu diesem Zweck verwendet werden kann (st. Rspr., vgl. z. B. [X.] [X.], 674 Rn. 97 – Postkantoor; [X.] 2008, 160 Rn. 35 – [X.]; [X.]. 2010, 503 Rn. 37 – [X.]; GRUR 2010, 534 Rn. 52 – [X.]; [X.], 272 Rn. 12, 17 – [X.]; [X.], 276 Rn. 8 – Institut der Nord[X.] Wirtschaft e.V.; siehe auch [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a.a.[X.], § 8 Rn. 431 ff.). Dies ist bei einem Wortzeichen dann der Fall, wenn es – in üblicher Sprachform und für die beteiligten Verkehrskreise verständlich – ein oder mehrere Merkmale der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet ([X.] [X.], 146 Rn. 32 - DOUBLEMINT).

3. Nach diesen Maßstäben besteht an der Bezeichnung [X.] als glatt beschreibender, objektiver Eigenschaftsbezeichnung für „produits [X.]; [X.]“ (Milchprodukte; Käse) ein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

a. Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt und belegt hat, beschreibt [X.] eine [X.]technik für Hartkäse und bezeichnet zudem den Käse, der auf diese Art und Weise zubereitet wird. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ergibt sich dies unter anderem aus der Formulierung zum „[X.] Kit“ unter www.vip-italia.de in der Anlage 7 zum Erinnerungsbeschluss: „[X.] (dialektaler Begriff, typisch für [X.]), d.h. sehr dünne Käsescheiben, die mit einem speziellen Messer direkt aus der Käseform des Bella [X.] geschabt werden, (…)“. Der Hinweis, dass es sich bei [X.] um einen dialektalen Begriff typisch für [X.], sowie die Erklärung, dass es sich dabei um mit einem speziellen Messer geschabte Scheiben des „Bella [X.]“ handele, sprechen für eine beschreibende Bedeutung des Begriffs. Eine solche ergibt sich auch aus Anlage 3, die mit dem [X.]-Bescheid vom 8. August 2016 versendet wurde. Unter dem Titel „Der Käse der [X.]“ geht es um die besondere Käsesorte, nämlich den „Bella [X.], mit der schwarzen Rinde, der vom Granone [X.]giani abstammt und häufig als „raspadura [geschabt]“ serviert wird.“ Dass es sich bei [X.] um eine Käsezubereitung, nämlich einen geraspelten Hartkäse handelt, zeigen auch die Internetseiten [X.] Käsereien wie „Gruffanti“ (Anlage 1 zum Amtsbescheid vom 8. August 2016) „[X.]“ (Anlage 2 zum Erinnerungsbeschluss): „The [X.] is a grana cheese, (…), presented in very thin layers scraped with a special knife“ sowie des Herstellers „[X.] Milch“, der den Käse mit „(…) hauchdünn vom Laib als sogenannter raspadura abgezogen (...)“ bewirbt (Anlage 5 zum Erstprüferbeschluss).

Die vorgenannten Beispiele zeigen die beschreibende Bedeutung des Wortes [X.] in der Region [X.] und darüber hinaus. Mit der Markenstelle ist deshalb davon auszugehen, dass die Bezeichnung [X.] in [X.] zumindest dem mit Käsespezialitäten vertrauten [X.], der allein für die Annahme der Beschreibungseignung gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] maßgeblich sein kann, geläufig ist. Bestätigt wird dies durch die Veröffentlichung in dem Restaurantführer „Osterie d’ltalia“. Schon in der Ausgabe 2008/09 wird [X.] definiert als: „Spezialität aus der Gegend von [X.], die aus feinsten Spänen eines lokalen Grana-Käses besteht“ (Anlage 1 zum Erstprüferbeschluss). Bei einer Lokalbeschreibung aus dem [X.]2013 findet sich überdies ein Menu-Hinweis: „...-und [X.], wie etwa ein schlichter Teller [X.] aus [X.], ganz frisch gehobelt.“ (Anlage 2 zum Erstprüferbeschluss). Auch die [X.] Angebote von [X.] (Anlage 6 zum [X.]) und [X.] (Anlage 8 zum Erinnerungsbeschluss) zeigen eine beschreibende Verwendung der Bezeichnung [X.]. So platzieren beide Anbieter an gleicher Stelle und in gleicher Schriftart regelmäßig Angaben zur Käsesorte, z. B. „Pecorino Romano g. U.“ oder „Gorgonzola g. U. Dolce“ (Anlagen 8 und 9 zum Erinnerungsbeschluss).

Die Bezeichnung [X.] ist nach alldem geeignet, Eigenschaften der Waren „produits [X.]; fromages“ (Milchprodukte; Käse) unmittelbar zu beschreiben, und wird zumindest vom [X.] in seiner beschreibenden Bedeutung für einen mit einer speziellen Technik geraspelten Hartkäse erkannt.

b. Die hiergegen vorgebrachten Einwendungen der Markeninhaberin greifen allesamt nicht durch.

aa. Soweit die Markeninhaberin vorträgt, dem Wort [X.] komme weder in der [X.] und erst recht nicht in der [X.] Sprache eine Bedeutung zu, kann dem nicht gefolgt werden. Eine beschreibende Bedeutung ergibt sich bereits aus den von der Markenstelle übermittelten Nachweisen. Dass der Begriff [X.] nach dem Vorbringen der Markeninhaberin in keinem Wörterbuch der [X.] Sprache erscheint, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Wie bereits ausgeführt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] keinen lexikalischen oder sonstigen Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang das Zeichen als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird; vielmehr reicht aus, dass es zu diesem Zweck verwendet werden kann.

bb. Aus der Eintragung der [X.] Marken Nr. 302011901907238 ([X.]) und Nr. 30201390220666 kann die Markeninhaberin keinen Anspruch auf Schutzgewährung ableiten. Voreintragungen führen weder für sich genommen noch in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz zu einer Bindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung bzw. Schutzgewährung zu befinden haben, denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. [X.] [X.] 2008, 163 (Nr. 39) - [X.]; [X.], 674 (Nr. 43, 44) - Postkantoor). Ausländische Voreintragungen oder Schutzerstreckungen selbst identischer Marken haben hinsichtlich der Schutzfähigkeit im Inland weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, [X.], 13. Aul., § 8 Rn. 82 f. m. w. N.).

cc. Soweit die Markeninhaberin geltend macht, dass „das breite Publikum in [X.]“ der Bezeichnung [X.] für Käse (und Milchprodukte als Oberbegriff für Käse) keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt im Sinne von geraspeltem Hartkäse zuordne, verhilft das der Beschwerde nicht zum Erfolg. Zu Recht hat die Markenstelle darauf abgestellt, dass auch das Verständnis der (am Handel) beteiligten Fachkreise für sich allein von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (Ströbele in Ströbele/[X.]/Thiering, aaO, § 8 Rn. 48).

dd. Entgegen dem Vorbringen der Markeninhaberin ergibt sich aus der Aussage „[X.] aus [X.], ganz frisch gehobelt“ (Anlage 2 zum Erstprüferbeschluss), die im Widerspruch zu „geraspeltem Hartkäse“ stehe, nicht, dass es sich bei [X.] um eine phantasievolle und schutzwürdige Wortschöpfung handelt. Es ist bereits zweifelhaft, ob die vorgenannte Schlussfolgerung aus einem bestehenden Widerspruch überhaupt gezogen werden könnte. Überdies besteht der angebliche Widerspruch nicht, weil [X.] die Bezeichnung einer „[X.]“-technik und einer so zubereiteten Käseart ist und es keine wesentliche Rolle spielt, ob man die Käsespäne (vgl. Anlage 1 zum Erstprüferbeschluss) als geraspelt oder gehobelt bezeichnet.

ee. Soweit die Markeninhaberin ausführt, der Inhalt der Anlage 3 zum Erstprüferbeschluss stamme von ihr und beschreibe nicht die Entstehung eines generischen Produkts, sondern die Herstellung der von ihr unter ihrer Marke [X.] vertriebenen Waren, führt dies nicht zum Erfolg der Beschwerde. Das ergibt sich bereits aus der beschreibenden Verwendung z. B. in den als Anlage 1 und 2 (zum Erstprüferbeschluss) übersandten Auszügen. Im Übrigen führt die im Eingangssatz des Textes in Anlage 3 enthaltene Formulierung „[X.] ist ein typischer Käse aus [X.]“ von dem Gedanken weg, es handele sich bei [X.] um einen Hinweis auf einen bestimmten Herstellungsbetrieb. Dafür spricht auch die Aufmachung AbbildungAbbildung[X.] durch den Herstellernamen ergänzt ist.

Im Hinblick auf die unter vip-italia.de abrufbaren Internetinhalte (Anlage 4 zum Erstprüferbeschluss) mag sein, dass diese Domäne von einem Handelspartner der Markeninhaberin betrieben wird. Die Formulierung „‘[X.]‘, ein sehr dünner Käselaib, der mit einem [X.] direkt aus der Form geschabt wird (…)“ zeigt jedoch eine beschreibende und keine markenmäßige Verwendung.

ff. Die angeblich missbräuchliche Verwendung durch „[X.] Milch“, die ihren Käse mit „(…) hauchdünn vom Laib als sogenannter raspadura abgezogen, (...)“ bewirbt (Anlage 5 zum Erstprüferbeschluss), unterstreicht – entgegen der Ansicht der Markeninhaberin - nicht ihr Schutzbedürfnis, sondern das ihrer Mitbewerber. Dabei mag es sein, dass die Markeninhaberin erhebliche Anstrengungen unternommen hat, um die Bezeichnung [X.] für Käse (als ihre Marke) auf dem [X.] Markt bekannt zu machen. Wie bereits ausgeführt, ist der Begriff (in Alleinstellung) jedoch geeignet, Eigenschaften der Waren „produits [X.]; fromages“ (Milchprodukte; Käse) zu unmittelbar beschreiben, so dass der beantragten Schutzerstreckung das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegensteht.

gg. Das Vorbringen der Markeninhaberin, der überwiegende Teil der vom [X.] übersandten Rechercheergebnisse zeige eine Verwendung von [X.] erst nach dem Anmeldetag der [X.] Marke und könne eine beschreibende Bedeutung nicht belegen, führt zu keinem anderen Ergebnis. So ist für die Bejahung eines Freihaltungsbedürfnisses kein Nachweis erforderlich, dass das Zeichen bereits im Verkehr bekannt ist oder beschreibend verwendet wird; es reicht aus, dass es zu diesem Zweck verwendet werden kann (Ströbele in Ströbele/[X.]/Thiering, aaO, § 8 Rn. 440). Das ist vorliegend der Fall, wie die neben den Belegen von 2008/2009 und 2012/2013 (Anlagen 1 und 2 zum Erstprüferbeschluss) übersandten Verwendungsnachweise von 2016 bis 2020 zeigen.

4. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

Meta

30 W (pat) 17/21

06.10.2022

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, § 119 MarkenG vom 11.12.2018, § 124 MarkenG vom 25.10.1994, Art 5 MAbkMadridProt, Art 6quinquies Abschn B Nr 2 PVÜ

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.10.2022, Az. 30 W (pat) 17/21 (REWIS RS 2022, 7390)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7390

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