Bundessozialgericht, Urteil vom 11.05.2011, Az. B 6 KA 23/10 R

6. Senat | REWIS RS 2011, 6803

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Gegenstand

Vertragsärztliche Versorgung - Notdienst - Rechtmäßigkeit der Anordnung einer ständigen ärztlichen Anwesenheit durch die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) - Verwaltungsakt - Anfechtungsklage - Gestaltungsspielraum der KÄV - Abgrenzung von Notdienst und notärztlicher Versorgung im Rettungsdienst


Leitsatz

Die Kassenärztliche Vereinigung darf dem zum Notdienst in einer zentralen Notfalldienstpraxis eingeteilten Arzt aufgeben, während der festgelegten Dienstzeiten in der Praxis ständig präsent zu sein.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. September 2009 aufgehoben. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 20. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten für das Berufungs- und das Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Der Kläger wehrt sich gegen die Anordnung ständiger Anwesenheit während des Notfalldienstes in einer zentralen Notfallpraxis.

2

Der Kläger ist als Arzt für Allgemeinmedizin seit 1985 in [X.] ([X.]) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er wird von der beklagten [X.] ([X.]) regelmäßig zum Notdienst in der zentralen Notfallpraxis am [X.] in [X.] eingeteilt. Wegen zeitweiliger Abwesenheitszeiten während seines Dienstes in der Notfallpraxis im Dezember 2002, Mai 2003 und April 2004 erteilte der [X.] der Beklagten dem Kläger einen Verweis. Widerspruch und Klage dagegen blieben ohne Erfolg. Das Berufungsverfahren beim [X.] ruht im Hinblick auf dieses Revisionsverfahren.

3

Mit Bescheid vom 4.11.2004 teilte die Beklagte den Kläger für die [X.] vom 1.2.2005 bis 31.1.2006 zum Notdienst ein. Im Nachgang übersandte sie ihm mit Schreiben vom 15.6.2005 den geänderten und mit Wirkung zum [X.] umgesetzten Organisationsplan, der [X.] in § 2 für die [X.] an Wochenenden Öffnungszeiten von 7.30 Uhr bis 22.00 Uhr vorsah und außerdem bestimmte, dass der zum Dienst eingeteilte Arzt zu den Öffnungszeiten der Notfallpraxis ständig anwesend sein müsse. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.1.2005 zurück.

4

Das [X.] hat die Klage mit Urteil vom [X.] abgewiesen. Die Verpflichtung zur ständigen Anwesenheit während der Heranziehung zum organisierten Notfalldienst sei nicht rechtswidrig. Auch die Wahrnehmung des organisierten Notfalldienstes sei Bestandteil der Ausübung des freien Berufes des Arztes.

5

Das L[X.] hat das Urteil des [X.] geändert und festgestellt, dass die Anordnung, in der Notfallpraxis am [X.] in [X.] während des Notfalldienstes ständig anwesend sein zu müssen, rechtswidrig gewesen sei. Die Verpflichtung zur Teilnahme am Notfalldienst ergebe sich aus § 75 Abs 1 [X.]B V, §§ 6 Abs 1 [X.], 30 [X.] 2 und 31 Abs 1 Heilberufsgesetz für das [X.] und § 26 Abs 2 Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte; die Beklagte und die Beigeladene müssten danach einen ärztlichen Notfalldienst in den [X.] [X.]en selbstständig sicherstellen. Bei der Ausgestaltung des Notfalldienstes komme den [X.]en und [X.] ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Es unterliege jedoch der uneingeschränkten Überprüfung durch das Gericht, ob die angegriffene Regelung eine ausreichende Rechtsgrundlage habe. Das sei hier zu verneinen. Die Verpflichtung zur ständigen Anwesenheit in der zentralen Notfallpraxis ergebe sich nicht mit der für belastende Regelungen notwendigen Eindeutigkeit aus § 8 Abs 2 der "Gemeinsamen Notfalldienstordnung der [X.] und der [X.] Nordrhein ([X.])" in der bis zum 30.12.2006 geltenden Fassung. Wenn dort bestimmt sei, der Notdienst sei "in der Notfallpraxis zu versehen", folge daraus nicht notwendig, dass der Arzt dort ständig anwesend sein müsse (Urteil vom [X.]).

6

Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten. Die [X.] würden an zentralen und für die Bürger gut erreichbaren Orten in einem Kreisstellenbezirk eingerichtet. Sinn und Zweck der Einrichtung von [X.] sei es, dass die hilfesuchenden Patienten nicht erst eruieren müssten, welcher Arzt Notdienst habe, sondern direkt und ohne Voranmeldung oder Anfrage in den einzelnen [X.] erscheinen könnten und dann auch davon ausgehen dürften, dass ein Arzt zur sofortigen Hilfe anwesend sei. In der Notfallpraxis müsse es mindestens einen Arzt geben, der für die Versorgung aller hilfesuchenden Patienten des jeweiligen Notdienstbezirks durchgehend zur Verfügung stehe, während alle übrigen Ärzte ihre Praxis schließen dürften. Das bedinge, dass der notdiensthabende Arzt die Notfallpraxis zu den Öffnungszeiten nicht verlassen dürfe. Im Hinblick auf die Präsenzpflicht sei die Notfallpraxis mit Sozialräumen und Schlafmöglichkeiten ausgestattet.

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom [X.] zu ändern und die Berufung zurückzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene schließt sich den Ausführungen der Beklagten an.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das [X.] hat das sozialgerichtliche Urteil zu Unrecht geändert. Das [X.] hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger verpflichtet war, während seines Notdienstes in der Notfallpraxis anwesend zu sein.

1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Die Einteilung zum Notfalldienst stellt einen Verwaltungsakt iS des § 31 [X.]B X dar, der mit der Anfechtungsklage angegriffen werden kann. Auch das Schreiben der Beklagten vom 15.6.2005, mit dem dem Kläger der Organisationsplan übersandt wurde, ist als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Damit wurden die im Organisationsplan festgelegten Modalitäten des Notdienstes, ua die Anwesenheitspflicht während der Öffnungszeiten der [X.], für den Kläger verbindlich geregelt. Nach Ablauf des [X.]raums, in dem der Kläger zum Notdienst herangezogen wurde, haben sich die Verwaltungsakte erledigt. Ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit, soweit eine Anwesenheitspflicht angeordnet wurde, ergibt sich bereits aus der Präjudizialität für das Disziplinarverfahren, im Übrigen aber auch aus der Möglichkeit einer erneuten gleichartigen Heranziehung (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 9. Aufl 2008, § 131 Rd[X.]0b). Auch der im Berufungsverfahren vorgelegte Organisationsplan aus dem [X.] beinhaltet eine Pflicht zu ständiger Anwesenheit in der [X.].

2. Die mit der Heranziehung zum Notfalldienst verbundene Verpflichtung zur ständigen Anwesenheit während der Öffnungszeiten der [X.] war rechtmäßig.

Der Kläger ist als zur hausärztlichen Versorgung zugelassener Allgemeinarzt zur Teilnahme an dem gemeinsam von der Beklagten und der [X.] organisierten ärztlichen Notfalldienst verpflichtet. Rechtsgrundlage für diese Pflicht ist § 1 Abs 1 [X.] in der für die Beurteilung maßgeblichen Fassung vom 1.1.2002 ([X.] 1/2002 S 65). Danach haben alle niedergelassenen sowie in Praxen oder Medizinischen Versorgungszentren angestellten Ärzte am organisierten ärztlichen Notfalldienst teilzunehmen. Der [X.] hat hierzu zuletzt im Urteil vom [X.] (B[X.] [X.]-2500 § 75 [X.] Rd[X.]3) bekräftigt, dass die grundsätzliche Verpflichtung eines jeden Vertragsarztes zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst aus seinem [X.] folgt. Dieser auf seinen Antrag hin verliehene Status erfordert es, in zeitlicher Hinsicht umfassend - dh auch in den [X.]en außerhalb der Sprechstunde - für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung zu stehen. Der einzelne Arzt wird mithin dadurch, dass die gesamte [X.] einen Notfalldienst organisiert, von seiner andernfalls bestehenden Verpflichtung zur Dienstbereitschaft rund um die Uhr entlastet. Als Gegenleistung hierfür muss jeder Vertragsarzt den Notfalldienst als gemeinsame Aufgabe aller Ärzte gleichwertig mittragen (vgl B[X.] [X.]-2500 § 75 [X.] Rd[X.]0).

Dass die Einrichtung eines Notdienstes als insgesamt begünstigend für den Vertragsarzt anzusehen ist, weil es ihn von seinem umfassenden Versorgungsauftrag entlastet, schließt nicht aus, dass die konkrete Ausgestaltung des Notfalldienstes belastend wirkt. Die Indienstnahme des Vertragsarztes in Form der Verpflichtung zur ständigen Anwesenheit in der Notfallpraxis während des gesamten Notfalldienstes stellt einen gegenüber der grundsätzlichen Heranziehung zum Notdienst eigenständigen Eingriff in die persönliche Freiheit und die Freiheit der Berufsausübung dar, der einer speziellen materiell-rechtlichen Grundlage bedarf.

Die Verpflichtung des [X.] zur Präsenz während seines Notdienstes in der Notfallpraxis am Krankenhaus in S. ergibt sich aus § 8 Abs 2 Satz 4 [X.]. In der seit dem 1.1.2007 geltenden Fassung dieser Norm ist diese Pflicht explizit normiert. Für die hier noch maßgebliche frühere Fassung folgt dasselbe Ergebnis aus der im Lichte der Gewährleistungsverantwortung der [X.] nach § 75 Abs 1 Satz 2 [X.]B V gebotenen Auslegung dieser untergesetzlichen Norm. Die Wendung, "bei Bestehen einer Notfallpraxis (…) sind die zum Notfalldienst herangezogenen Ärzte verpflichtet, den Notfalldienst in der Notfallpraxis zu versehen", begründet mit hinreichender Deutlichkeit die Präsenzpflicht des Arztes.

Die nähere Ausgestaltung des Notdienstes fällt in die Zuständigkeit der einzelnen [X.], der ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt (B[X.] [X.]-2500 § 75 [X.] Rd[X.]2). Es steht mit Bundesrecht in Einklang, dass die Beklagte und die Beigeladene in der [X.] sowohl den Notdienst von der Praxis aus als auch den Notdienst in [X.] zugelassen haben. Das [X.] ist allerdings im Rahmen der Auslegung des § 8 [X.] zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Vorschrift in der bis 31.12.2006 geltenden Fassung keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Verpflichtung des [X.] zur ständigen Anwesenheit in der [X.] enthielt. Dieses Auslegungsergebnis ist hier ausnahmsweise für die revisionsgerichtliche Prüfung nicht bindend, weil es zu Widersprüchen mit Bundesrecht führt. Grundsätzlich ist allerdings das B[X.] an die Feststellung des Inhalts des Landesrechts und an dessen Auslegung durch das [X.] gebunden (§ 162 [X.]G; näher B[X.] [X.]-2500 § 75 [X.] Rd[X.]8). Landesrecht in diesem Sinne ist auch die [X.]; dass mit § 8 Abs 2 Satz 4 [X.] identische Vorschriften in anderen [X.] enthalten sind und diese Übereinstimmung auf einer bewussten Angleichung der Regelungen durch die jeweiligen Normgeber beruht (zu dieser Ausnahme von der Bindung an Landesrecht vgl B[X.] aaO; B[X.]E 106, 110 = [X.]-2500 § 106 [X.], Rd[X.]0, [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 9. Aufl 2008, § 162 Rd[X.]a), ist von der Beklagten nicht geltend gemacht worden.

Soweit das [X.] die Wendung in § 8 Abs 2 Satz 4 [X.] aF, der Notdienst sei "in" der Notfallpraxis zu versehen, lediglich dahin verstanden hat, der einzelne Arzt dürfe nicht frei entscheiden, ob er von dem Angebot der Notfallpraxis Gebrauch machen wolle, liegt diese Auslegung nicht nahe und hätte zur Folge, dass die Verantwortung der [X.] für die Sicherstellung einer angemessenen Versorgung der Versicherten außerhalb der Sprechstundenzeiten (§ 75 Abs 1 Satz 2 [X.]B V) zu stark eingeschränkt wird. Es widerspricht dem Sinn der Einrichtung einer zentralen Notfallpraxis, die eine sichere Anlaufstelle für die Patienten gewährleisten soll, dass der diensthabende Arzt dort nicht erreichbar ist. Gerade wenn eine Notfallpraxis am Krankenhaus oder in dessen unmittelbarem Einzugsbereich als einem allen Versicherten bekannten Ort eingerichtet ist, vermag nur die ständige Anwesenheit eines Arztes in dieser Praxis die grundsätzlich nicht erwünschte direkte Inanspruchnahme des Krankenhauses in Notfällen zu verhindern. Wenn ein Versicherter in der zentralen Notfallpraxis eintrifft, dort aber keinen Arzt vorfindet, würde er sich möglicherweise unmittelbar an das Krankenhaus bzw die dort bestehende Ambulanz wenden. Gerade die örtliche Nähe von [X.] und Krankenhaus soll die Qualität der vertragsärztlichen Notfallversorgung iS des § 75 Abs 1 Satz 2 [X.]B V verbessern. Dieses Ziel würde nicht nur nicht erreicht, sondern in sein Gegenteil verkehrt, wenn der Arzt nicht verpflichtet wäre, in dieser Notfallpraxis auch tatsächlich anwesend zu sein.

Die vom Kläger angeführten Bedenken, eine ständige Anwesenheit zur Verpflichtung in der [X.] von morgens 7.30 Uhr bis abends 22.00 Uhr stelle eine unzumutbare persönliche Belastung dar, weil keine hinreichende Möglichkeit zur Nahrungsaufnahme und zur Benutzung von Toiletten gegeben sei, sind fernliegend. Nach den Angaben der Beklagten steht in der Praxis die für einen ordnungsgemäßen Betrieb erforderliche Infrastruktur eines Sozialraums zur Verfügung. Im Übrigen kann, wenn eine zentrale Notfallpraxis unmittelbar in oder neben einem Krankenhaus betrieben wird, der den Notdienst ausübende Vertragsarzt etwa zur Nahrungsaufnahme auch die Infrastruktur des Krankenhauses nutzen. Es geht im Ergebnis nicht um die - mehr oder weniger spitzfindige - Frage, ob der diensthabende Vertragsarzt aus den genannten Gründen mehrmals für einige Minuten das Sprech- oder das Aufnahmezimmer der Notfallpraxis verlassen und sich ohne Einblicksmöglichkeit durch Patienten zB Nahrung zubereiten darf. Gemeint ist vielmehr, dass allein die Präsenz des Arztes in der [X.] geeignet ist, die Sicherstellung des vertragsärztlichen Notdienstes in den sprechstundenfreien [X.]en iS des § 75 Abs 1 Satz 2 [X.]B V zu gewährleisten.

Bei lebensnaher Auslegung schließt die Wendung "ständig" im angefochtenen Verwaltungsakt der Beklagten die kurzfristige Abwesenheit des [X.] vom Sprechzimmer der Notfallpraxis etwa zur Nahrungsaufnahme oder zum Aufsuchen von Sanitärräumen selbstverständlich nicht aus. Bei sachgerechter Auslegung dieses Bescheides, die auch dem Revisionsgericht möglich ist (vgl B[X.] vom 9.2.2011 - B 6 [X.]/10 R - Rd[X.]7 mwN), will die Beklagte dem Kläger damit aufgeben, sich während der [X.]en des Notdienstes nicht von dem Gelände der zentralen Notfallpraxis zu entfernen und sich nicht etwa (doch) in seiner Privatwohnung aufzuhalten. Dieses Verlangen ist auch auf der Basis des § 8 Abs 2 Satz 4 [X.] in der bis Ende 2006 geltenden Fassung rechtmäßig, wenn dort auf den Dienst "in" der [X.] abgestellt ist. Soweit das [X.] eine explizite normative Festlegung der Verpflichtung zur Anwesenheit, wie sie nunmehr klarstellend in der ab 1.1.2007 geltenden Fassung der [X.] enthalten ist, gefordert hat, kann dem aus den dargelegten Gründen nicht gefolgt werden.

Die Verpflichtung des Arztes, der Notdienst versieht, sich ständig in seiner Praxis aufzuhalten, kann unverhältnismäßig sein, wenn keine zentrale Notfallpraxis eingerichtet ist. Befinden sich etwa Privatwohnung und Praxis im selben Haus, kann dem Arzt nicht vorgeschrieben werden, sich in der Praxis aufzuhalten. Wenn aber aus Gründen der Verlässlichkeit des vertragsärztlichen Notdienstes eine zentrale Notdienstpraxis eingerichtet ist, folgt allein aus der Verpflichtung, dort ("in …") den Notdienst zu versehen, die Pflicht zur kontinuierlichen Präsenz. Eine zentrale Notdienstpraxis am Krankenhaus, in der zeitweilig kein Arzt anwesend ist, leistet - wie oben ausgeführt - keinen ausreichenden Beitrag zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung der Versicherten außerhalb der Sprechstundenzeiten.

Soweit der Kläger unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit die Dauer der ihm aufgegebenen Präsenz - von 7.30 Uhr bis 22.00 Uhr - beanstandet, ist dem hier nicht weiter nachzugehen. Allerdings ist die Dienstzeit in der Notfallpraxis mit mehr als 14 Stunden recht lang, nach Angaben des [X.] auch länger als in benachbarten zentralen [X.] im [X.] oder der [X.]. Ob diese Dauer eines Notdienstes in einer Notfallpraxis noch von der Gestaltungsfreiheit der Beklagten gedeckt ist, kann der Kläger in einem gegen die Einteilung zum Notdienst gerichteten Rechtsmittelverfahren klären lassen. Es ist ihm aber verwehrt, die Dauer des Dienstes unbeanstandet zu lassen und die damit aus seiner Sicht verbundene Belastung durch selbstgewählte Abwesenheitszeiten zu kompensieren. Da sich der Kläger hier ausdrücklich nur gegen die Verpflichtung zur ständigen Präsenz gewandt hat, kann die Angemessenheit eines über 14-stündigen Dienstes - zumal im Revisionsverfahren, ohne Möglichkeit der weiteren Sachaufklärung - nicht überprüft werden.

Soweit der Kläger darauf verweist, im Notdienst seien typischerweise keine schweren Krankheiten zu behandeln, weil dies Sache des Rettungsdienstes sei, folgt daraus nichts für die hier maßgebliche Präsenzpflicht des Arztes. Nach § 75 Abs 1 Satz 2 [X.]B V umfasst die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung vorbehaltlich abweichender Regelungen im Landesrecht nicht die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes. Aus der Abgrenzung von Notdienst und notärztlicher Versorgung im Rettungsdienst (dazu näher B[X.] [X.]-2500 § 75 [X.] RdNr 6) ergibt sich eine dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 [X.]B V) entsprechende Stufenfolge. Besonders schwerwiegende akute Gesundheitsstörungen (zB Schlaganfälle, Herzinfarkte) werden über den Rettungsdienst versorgt, unabhängig davon, ob die Gesundheitsstörung während der üblichen vertragsärztlichen Sprechstundenzeiten auftritt oder außerhalb. Wenn weniger gravierende oder schwer eindeutig zu beurteilende Gesundheitsstörungen auftreten, sollen die Patienten während der Sprechstundenzeiten ihren Arzt in der Praxis und außerhalb dieser [X.]en die Notfallpraxis oder den Arzt aufsuchen, der den Notdienst versieht. Gerade bei unspezifischen Symptomen des Patienten, die eine banale oder sehr schwerwiegende Ursache haben können, ist eine schnelle und kompetente ärztliche Beurteilung wichtig, ob mit der Behandlung gewartet werden kann oder sofort notfallmäßige Maßnahmen ergriffen werden müssen. Wenn diese Beurteilung nicht stattfinden kann, weil in der Notfallpraxis kein Arzt anwesend ist, besteht die Gefahr, dass ohne fachkundige ärztliche Prüfung der Rettungsdienst gerufen wird. Das ist wegen der hohen Kosten von [X.] nicht wirtschaftlich und im Übrigen geeignet, das Vertrauen der Versicherten in die Qualität des vertragsärztlichen Notdienstes in Frage zu stellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 [X.]G iVm §§ 154 Abs 1, 162 Abs 3 VwGO.

Meta

B 6 KA 23/10 R

11.05.2011

Bundessozialgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Düsseldorf, 20. Juni 2007, Az: S 33 KA 337/05, Urteil

§ 12 Abs 1 SGB 5, § 75 Abs 1 S 2 SGB 5, § 31 S 1 SGB 10, § 54 Abs 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 11.05.2011, Az. B 6 KA 23/10 R (REWIS RS 2011, 6803)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6803

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