Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2003, Az. V ZR 96/03

V. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 1265

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/03Verkündet am:10. Oktober 2003KanikJustizamtsinspektorinals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:nein[X.]R: jaBGB §§ 93, 94; ZGB [X.] §§ 295, 467Wird ein Grundstück in der Weise geteilt, daß Räume eines aufstehenden Gebäu-des von der Grenze der beiden neu gebildeten Grundstücke durchschnitten werden,sind diese wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, auf dem das Gebäude steht,welchem die Räume bei natürlicher Betrachtung zuzuordnen sind. Der Wille [X.], die von der Grundstücksgrenze durchschnittenen [X.] beiden Grundstücken zuzuordnen, ist demgegenüber unbeachtlich.[X.], Urt. v. 10. Oktober 2003 - [X.]/03 - [X.]AG [X.] [X.] hat auf die mündliche [X.] durch [X.], Dr. Klein, [X.], [X.] die Richterin [X.] für Recht erkannt:Auf die Rechtsmittel der [X.] werden das Urteil der 1. Zivil-kammer des [X.] vom 4. März 2003 imKostenpunkt und, soweit es die Klage betrifft, aufgehoben unddas Urteil des [X.] vom 2. Oktober 2002 ab-geändert:Die Klage wird abgewiesen.Die Kosten des ersten [X.] und der [X.] der Kläger; die Kosten des Berufungsverfahrens werden ge-geneinander aufgehoben.Von Rechts [X.]:Der Kläger verlangt von der [X.] die Herausgabe von [X.].Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in [X.], auf denen ein Haus mit zwei nebeneinander [X.] steht. Ursprünglich befand sich das Gebäude auf einem ungeteil-- 3 -ten Grundstück, welches der Mutter der [X.] gehörte. Von ihr erwarb [X.] 1980 eine Grundstückshälfte. In diesem Zusammenhang wurde [X.] so geteilt, daß die Grenze im Erdgeschoß und im Obergeschoß jeeinen Raum durchschneidet. Mit Einverständnis ihrer Mutter nutzte die [X.] diese Räume und baute sie aus. Nach dem Tod der Mutter ging [X.] mit dem darauf befindlichen Gebäudeteil in das Eigentum einerErbengemeinschaft über. Sodann erwarb es der Kläger Anfang 2001 im Wegeder Zwangsversteigerung.Der Kläger verlangt von der [X.] die Herausgabe der bei vertikalerTeilung auf seinem Grundstück befindlichen [X.]. Das Amtsgericht hatder Klage stattgegeben. Die Berufung der [X.] ist erfolglos geblieben. [X.] - von dem [X.] zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihrZiel einer Klageabweisung weiter.Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht ist der Ansicht, der Kläger könne Herausgabe derauf seinem Grundstücksteil befindlichen [X.], die von der [X.]genutzt werden, nach § 985 BGB verlangen. Die Beklagte habe kein Rechtzum Besitz. Ein Überbau im Sinne des § 912 BGB liege nicht vor, da die [X.] die Grenze nicht überbaut habe. Eine entsprechende Anwendung von§ 912 BGB sei nicht angebracht. Anläßlich der nachträglich erfolgten [X.] 4 -und Grenzziehung sei es den Beteiligten ohne weiteres möglich gewesen, [X.] innerhalb des Hauses der tatsächlichen Nutzung anzupassen. [X.] unterblieben sei, könne nur gefolgert werden, daß sie eine [X.] nicht gewollt hätten. Aus dem Einverständnis ihrer Mutter mit [X.] der streitigen Flächen könne die Beklagte gegenüber dem Kläger [X.] Rechte herleiten. Das Grundstück sei vom Kläger im Wege der [X.] und damit lastenfrei erworben worden.II.Die Revision der [X.] hat Erfolg.1. Die angefochtene Entscheidung ist allerdings nicht deshalb aufzuhe-ben, weil die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung [X.] durch einen Einzelrichter erfolgt ist. Anders als bei Beschlüssen in Be-schwerdeverfahren, in denen der Einzelrichter die Rechtsbeschwerde wegenGrundsätzlichkeit zugelassen hat (vgl. [X.], Beschluß v. 13. März 2003, [X.], NJW 2003, 1254), ist der Einzelrichter, dem das Verfahren vom [X.] übertragen wurde, im Berufungsverfahren der zur Entscheidung befugtegesetzliche Richter (vgl. [X.], Urt. v. 16. Juli 2003, [X.], [X.] In der Sache hält das Berufungsurteil einer revisionsrechtlichenNachprüfung jedoch nicht stand. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Heraus-gabe der streitgegenständlichen Flächen nach § 985 BGB zu, da diese nicht inseinem, sondern im Eigentum der [X.] 5 -a) Die Teilung des Grundstücks und der Erwerb der [X.] habenvor dem 3. Oktober 1990 stattgefunden. Die sachenrechtlichen Wirkungen die-ser Maßnahmen sind nach dem in Art. 233 § 2 Abs. 1 EGBGB zum [X.] Grundsatz daher nach dem Recht der [X.] zu beurteilen (vgl. [X.], Urt. v. 24. Januar 1997, [X.], [X.] 1997, 294).Wurde ein Grundstück in der Weise aufgeteilt, daß die Grenze der bei-den neu gebildeten Grundstücke ein vorhandenes Gebäude durchschneidet,und gelangten die Grundstücke in das Eigentum verschiedener Personen,standen sich bei der Zuordnung des Eigentums nach dem Recht der [X.] zweiwiderstreitende Prinzipien gegenüber, die in § 295 Abs. 1 ZGB geregelte Bin-dung des Eigentums am Gebäude an das Eigentum am Grundstück einerseits,und das nach § 467 Abs. 2 und 3 ZGB vorgesehene einheitliche Eigentum aneinem Gebäude andererseits. Nach der Rechtsprechung des Senats ist [X.] auch für Grundstücke in den neuen Bundesländern anhand der für densogenannten Eigengrenzüberbau entwickelten Grundsätze (vgl. Senat, [X.]Z64, 333; 102, 311; 105, 202, 204; 110, 298, 302) zu lösen (vgl. Senat, Urt. [X.] Januar 1997, [X.], [X.] den Fällen des Eigengrenzüberbaus gibt der Senat in ständigerRechtsprechung dem in § 93 BGB bzw. § 467 Abs. 2 und 3 ZGB geregeltenGrundsatz des einheitlichen Eigentums an einer Sache den Vorzug gegenüberder in § 94 BGB bzw. § 295 Abs. 1 ZGB vorgesehenen Bindung des Eigentumsan einem Gebäude an das Eigentum am Grundstück. Das bedeutet: Über-schreitet der Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke mit dem Bau aufeinem dieser Grundstücke die Grenze des anderen, so wird der hinüberge-- 6 -baute Gebäudeteil nicht Bestandteil des überbauten Grundstücks, sondern [X.] bildet, wenn es ein einheitliches Ganzes darstellt, einen wesentlichenBestandteil desjenigen Grundstücks, von dem aus übergebaut worden ist ([X.], Urt. v. 26. April 1961, [X.], [X.] § 912 BGB Nr. 9; [X.]Z 102, 311,314; Urt. v. 12. Oktober 2001, [X.], NJW 2002, 54).Dasselbe gilt für den Fall der Teilung eines Grundstücks in der Weise,daß ein aufstehendes Gebäude von der Grenze der beiden neu gebildetenGrundstücke durchschnitten wird. Gelangen diese Grundstücke in das [X.] verschiedener Personen, so ist das Eigentum an dem Gebäude als Gan-zem, wenn sich der nach Umfang, Lage und wirtschaftlicher Bedeutung ein-deutig maßgebende Teil auf einem der Grundstücke befindet, mit dem [X.] an diesem Grundstück verbunden (Senat, [X.]Z 64, 333; 102, 311; 105,202, 204; 110, 298, 302). Nur wenn die Grenzziehung zu einer Trennung [X.] in zwei wirtschaftlich selbständige Einheiten führt, kann jeder Ge-bäudeteil dem Grundstück zugeordnet werden, auf dem er steht (Grundsatz dervertikalen Teilung entsprechend dem Gedanken des § 94 Abs. 1 BGB, vgl. [X.], Urt. v. 12. Oktober 2001, [X.], aaO). [X.] jedoch in einem solchenFall ein Teil des einen Gebäudes in das Nachbargrundstück hinein, so findetauf diesen hineinragenden Teil, auch wenn er nur eines von mehreren Ge-schossen betrifft, wiederum § 93 BGB Anwendung. Nach dem darin zum Aus-druck gekommenen Gedanken, wirtschaftliche Werte möglichst zu erhalten,werden Räume, die von ihrer Größe, Lage, baulichen Eigenart und wirtschaftli-chen Nutzung her einem (selbständigen) Gebäudeteil zugehörig sind, aucheigentumsrechtlich diesem Gebäudeteil zugeordnet, sind also mit dem [X.] an dem Grundstück verbunden, auf dem sich der maßgebende Teil [X.] befindet.- 7 -b) Hiervon abzuweichen besteht für den vorliegenden Fall kein Anlaß.aa) Ohne Erfolg macht der Revisionsbeklagte geltend, die vorstehendenGrundsätze seien nach den tatsächlichen Gegebenheiten nicht einschlägig,weil die herausverlangten Flächen im Zeitpunkt der Teilung noch zu der [X.] seinem Grundstück befindlichen Wohnung gehört hätten, und von der [X.]n erst seit einem Umbau in den Neunziger Jahren genutzt würden. [X.] stehen die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Ur-teil entgegen. Danach ist das Gebäude "durch die einverständliche Grenzzie-hung in der beschriebenen Weise aufgeteilt worden", nämlich so, daß die vonder [X.] genutzten Raumteile auf dem Grundstück des [X.] liegen(Seite 4 des Berufungsurteils). Auch bei seiner nachfolgenden Argumentation,den Beteiligten sei es bei der Aufteilung und Grenzziehung ohne weiteresmöglich gewesen, den Grenzverlauf innerhalb des Hauses der tatsächlichenNutzung anzupassen, geht das Berufungsgericht ersichtlich davon aus, daß diestreitgegenständlichen Flächen bereits vor der Teilung des Grundstücks als zuder von der [X.] bewohnten Haushälfte zugehörig genutzt worden sind.Eine etwaige Unrichtigkeit dieser Feststellung hätte im [X.] § 320 ZPO behoben werden müssen. Da ein solches nicht durchgeführtwurde, ist der vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Sachverhalt für dasweitere Verfahren bindend (§ 314 ZPO).bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht der Anwendungder zum Eigengrenzüberbau entwickelten Grundsätze nicht entgegen, daß [X.] eine "Verzahnung" der Eigentumsabgrenzung innerhalb des [X.] möglicherweise nicht gewollt haben.- 8 -Die Annahme, aus der der tatsächlichen Nutzung des Hauses nicht ent-sprechenden Grundstücksteilung können nur gefolgert werden, daß eine sol-che nicht gewollt gewesen sei, ist schon in tatsächlicher Hinsicht fehlerhaft.Das Berufungsgericht hätte - da Feststellungen zum Vorgang der [X.], den daran Beteiligten und ihren Absichten nicht getroffen wordensind -, die naheliegende Möglichkeit in Erwägung ziehen müssen, daß [X.] zwischen dem gewählten Grenzverlauf und der räumlichen Einheit dervorhandenen Wohnungen bei der Teilung nicht erkannt oder angesichts dereinverständlichen Nutzung des Hauses jedenfalls nicht als regelungsbedürftigangesehen worden ist.In rechtlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht verkannt, daß ein etwai-ger Wille der Beteiligten, die streitgegenständlichen Flächen im Eigentum [X.] der [X.] zu belassen, folgenlos geblieben wäre, da er der sachen-rechtlichen Rechtslage widersprochen hätte. Ebensowenig wie die Absicht [X.], das Gebäude eigentumsmäßig zwei Grundstücken zuzuord-nen, die Eigentumslage beeinflußt (vgl. Senat, Urt. v. 2. Juni 1989, [X.], NJW-RR 1989, 1039), ist im Zusammenhang mit der Aufteilung einesGrundstücks, durch die ein aufstehendes Gebäude von der [X.] wird, der Wille der Beteiligten von Bedeutung, Räume eigen-tumsmäßig zu teilen, die mit einem Gebäude oder Gebäudeteil ein einheitli-ches Ganzes bilden. Eine Vereinbarung dieses Inhalts widerspräche der sa-chenrechtlichen Rechtslage und wäre daher unwirksam (vgl. Senat, Urt. [X.], [X.], aaO). Die vom Senat anerkannte Möglichkeit,die Rechtsfolgen eines Überbaus durch Rechtsgeschäft in gewissem Umfangabweichend von den gesetzlichen Regelungen zu bestimmen (vgl. Senat, [X.] 9 -v. 13. Juli 1966, [X.], [X.] 1966, 961), steht hierzu nicht in Widerspruch.Gemeint sind Rechtsgeschäfte über die Duldungspflicht des Nachbarn (§ 912BGB), nicht aber Vereinbarungen, die auf eine Änderung der aus § 93 [X.]. § 467 Abs. 2 u. 3 ZGB folgenden, grundsätzlich zwingenden eigentums-rechtlichen Zuordnung abzielen.Die vom Berufungsgericht unterstellte Absicht der Beteiligten, das Ei-gentum am Gebäude nach dem Verlauf der Grundstücksgrenze aufzuteilen, istdaher unbeachtlich. Die streitgegenständlichen Flächen sind vielmehr wesent-licher Bestandteil des Grundstücks, auf dem das Gebäude steht, welchem sievon der Größe, der Lage, ihrer baulichen Eigenart und wirtschaftlichen Nut-zung her zugehörig sind (sog. [X.], vgl. Senat, [X.]Z 110, 298,302 f.). Das ist das Grundstück der [X.].c) An dieser Rechtslage hat sich nichts dadurch geändert, daß der Klä-ger das Grundstück, in welches die Flächen hineinragen, im Wege [X.] erworben hat. Der Ersteher erwirbt durch den Zuschlagdas Eigentum an dem versteigerten Grundstück und an dessen wesentlichenBestandteilen (§§ 90, 55 Abs. 1, 20 Abs. 2 [X.], § 1120 BGB). Auf [X.], die wesentliche Bestandteile eines anderen Grundstücks sind, erstrecktsich die Zwangsversteigerung dagegen nicht, mögen sie auch auf dem verstei-gerten Grundstück stehen (vgl. Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 17. Aufl.,§ 55 [X.]. 6.3 u. 6.4). Auf eine [X.]eldung der Rechte des Nachbarn an demüberstehenden Gebäudeteil kommt es dabei nicht an.[X.] -Da ein Herausgabeanspruch des [X.] aus § 985 BGB nicht besteht,war die Klage unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen abzuweisen (§ 563Abs. 3 ZPO).- 11 -IV.Die Kostenentscheidung folgt für den ersten Rechtszug und die [X.] aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind [X.] auf die erfolglos gebliebene Widerklage gegeneinander aufgehobenworden (§ 92 Abs. 1 ZPO).Tropf Klein [X.]

Meta

V ZR 96/03

10.10.2003

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2003, Az. V ZR 96/03 (REWIS RS 2003, 1265)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1265

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