Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2013, Az. V ZR 199/12

V. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 872

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BUNDES[X.]RICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V ZR
199/12
Verkündet am:

22. November 2013

Mayer

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 912 Abs. 2 Satz 2
Wird ein Grundstück in der Weise aufgeteilt, dass ein aufstehendes Gebäude von der Grenze der beiden neu gebildeten Grundstücke durchschnitten wird, kommt es für die Höhe der Überbaurente auf die Grundstückswertverhältnisse im [X.]punkt der Grundstücksteilung an.
Allerdings ruhen die Duldungspflicht nach §
912 Abs.
1 [X.] und das Rentenrecht solange, bis die Grundstücke in das Eigentum verschiedener Personen gelangen.

[X.], Urteil vom 22. November 2013 -
V [X.]/12 -
KG [X.]

LG [X.]

-
2
-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, [X.]
Lemke und Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr.
[X.] und Weinland

für Recht
erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des 16. Zivilse-nats des [X.]s vom 8. August 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin war Eigentümerin des Grundstücks K.

straße

in [X.]. Das Grundstück wurde verfolgungsbedingt zu Gunsten der damaligen Reichshauptstadt [X.] enteignet, die am 1. September 1938
als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen wurde. Nach [X.] wurde es in Volkseigen-tum der [X.] überführt und mit Nachbargrundstücken zu einem größeren
neu gebildeten
Grundstück mit der Flurbezeichnung

vereinigt. Auf diesem ein-1
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heitlichen Grundstück errichtete im Jahre
1970 die frühere [X.] ein fünfstöckiges langgestrecktes Fernmeldebetriebsgebäude. Später ging das Grundstück Flurstück

in das Eigentum der [X.], der [X.], über. Mit seit dem 11. Juni 2007 bestandskräftigem Bescheid wurde
das ursprüngliche Grundstück K.

straße

an die Klägerin
restituiert. Dies hat zur Folge, dass sich nun ein Teil des Fernmeldebetriebsgebäudes auf dem der Klägerin gehörenden Grundstück befindet.
Die Klägerin verlangt von der [X.] die
Zahlung einer Überbaurente gemäß
§ 912 Abs. 2 [X.] für die [X.] vom 11. Juni 2007 bis zum 31.
Dezember 2011. Die ursprünglich auf Zaist vor dem [X.] nur in Höhe von 105.462,04

gewesen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin, mit der sie
nach teilweiser Kla-gerücknahme

verlangt hat, durch Be-schluss gem. § 522 Abs. 2
ZPO zurückgewiesen. Mit der von dem
Senat zuge-lassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Beklagte [X.] die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist für die Bemessung der der Klä-gerin in entsprechender Anwendung von § 912 Abs. 2 [X.] zustehenden Geld-rente auf die Grundstückswertverhältnisse im [X.]punkt der Gebäudeerrichtung im Jahr 1970 und nicht auf diejenigen im [X.]punkt der Grundstücksteilung im Jahr 2007 abzustellen. Es könne keinen Unterschied machen, ob § 912 Abs. 2 [X.] direkte Anwendung finde oder
ob ein Fall des Eigengrenzüberbaus vorlie-2
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ge, bei dem die Vorschrift analog angewendet werde, oder ob es sich um einen Überbau infolge späterer Grundstücksteilung handle. Entscheidend für die Be-wertung der Überbaurente sei stets die [X.] der Gebäudeerrichtung.

II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Zu Recht wendet das Berufungsgericht allerdings auf den vorliegen-den Sachverhalt die Vorschriften über den Überbau (§§ 912 ff. [X.]) entspre-chend an. Denn er steht der auf einem Eigengrenzüberbau beruhenden Fallge-staltung nahe, also dem Fall, dass ein Eigentümer zweier benachbarter [X.] mit dem Bau auf einem dieser Grundstücke die Grenze des anderen überschreitet und die bebauten Grundstücke später in das Eigentum verschie-dener Personen gelangen. Insoweit ist anerkannt, dass die zu den §§ 912 ff. [X.] entwickelten Grundsätze entsprechende Anwendung finden. Ausgehend von dem Zweck
der Überbauvorschriften, wirtschaftliche Werte möglichst zu erhalten, besteht daher beim Eigengrenzüberbau eine Duldungspflicht, was zur Folge hat, dass der hinübergebaute Gebäudeteil nach den §§ 93, 94 Abs. 1, 95 Abs. 1 Satz 2, § 946 [X.] nicht Bestandteil des überbauten Grundstücks, son-dern wesentlicher Bestandteil des Gesamtgebäudes und damit des anderen Grundstücks des [X.] wird (Senat, Urteil vom 20. Juni 1975

V
ZR
206/74, [X.]Z 64, 333, 336 f.; Urteil vom 26. April 1961

[X.], [X.] § 912 Nr. 9 [X.]). Angesichts der Ähnlichkeit der Sachlage kommen die gleichen Grundsätze auch dann zur Anwendung, wenn

wie hier

ein [X.] in der Weise aufgeteilt wird, dass ein aufstehendes Gebäude von der Grenze der beiden neu gebildeten Grundstücke durchschnitten wird (Senat, 4
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Urteil vom 20. Juni 1975

[X.], [X.]Z 64, 333, 336 f.; Urteil vom 19.
Oktober 2012

[X.], [X.], 329, 330 Rn. 16 mwN).
Da hier nach den Feststellungen der Vorinstanzen der weitaus größere Teil des Gebäudes auf dem Grundstück der [X.] steht und ihm die über-wiegende wirtschaftliche Bedeutung zukommt, steht es insgesamt im Eigentum der [X.] (vgl. Senat, Urteil vom 20. Juni 1975

[X.], [X.]Z 64, 333, 338; Senat, Urteil vom 23. Februar 1990

[X.], [X.]Z 110, 298, 302; Urteil vom 15. Februar 2008

[X.], [X.]Z 175, 253, 259 Rn. 14) und ist von der Klägerin entsprechend § 912 Abs. 1 [X.] zu dulden. Der Kläge-rin wiederum steht gemäß §
912 Abs. 2 Satz 1 [X.] analog als Ausgleich eine Entschädigung durch eine Geldrente zu.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es im Fall
des ], §
912 Rn.
58) für die Berechnung der Überbaurente nicht auf die [X.] im [X.]punkt der Gebäudeerrichtung, sondern auf diejenigen im [X.]punkt der Grundstücksteilung an.
a) Nach § 912 Abs. 2 Satz 2 [X.] ist für die Höhe der Rente die [X.] der Grenzüberschreitung maßgebend. Dem entspricht § 915 [X.], der für die Be-messung des Wertersatzes der überbauten Grundstücksfläche bei einem ver-langten Ankauf ebenfalls auf den [X.]punkt der Grenzüberschreitung abstellt (Senat, Urteil vom 4. April 1986

[X.], [X.]Z 97, 292, 297). Im unmittel-baren Anwendungsbereich der Überbauvorschriften, wenn also der Eigentümer bei der Errichtung des Gebäudes über die Grenze hinweg auf das ihm nicht gehörende Nachbargrundstück baut, fallen der [X.]punkt der Grenzüberschrei-tung und der der Errichtung des Baus zusammen. Dasselbe gilt im Fall des Ei-gengrenzüberbaus. Baut der Eigentümer eines Grundstücks auf ein benachbar-6
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tes, ebenfalls in seinem Eigentum stehendes Grundstück hinüber, wird die Grenze mit der Errichtung des Überbaus überschritten. Das [X.] entsteht schon in diesem [X.]punkt, ruht allerdings bis zum Übergang der beiden Grundstücke in verschiedene Hände ([X.], 166, 181; 169, 172, 175; [X.]/[X.], [X.], [2009], § 912 Rn. 56). Demgemäß sind auch in einem solchen Fall für die Bemessung der Rentenhöhe die Wertverhältnisse im [X.]punkt der Errichtung des Baus zugrunde zu legen.
b) Anders verhält es sich hingegen, wenn ein bereits bebautes einheitli-ches Grundstück nachträglich geteilt wird und sich die neugebildete [X.]sgrenze durch das bestehende Gebäude zieht.
Hier wird die dem Überbau oder Eigengrenzüberbau entsprechende tatsächliche Situation erst durch die Aufteilung des Grundstücks geschaffen (vgl. Senat, Urteil vom 4.
Dezember 1987

V ZR 274/86, [X.]Z 102, 311, 315). Bei Errichtung des Gebäudes ist

anders als beim Überbau oder Eigengrenzüberbau

eine Grenze, die über-schritten werden könnte (vgl. §
912 Abs. 2 Satz 2 [X.]), noch nicht vorhanden. Demgemäß kann zu diesem [X.]punkt weder ein Duldungsanspruch noch

dem korrespondierend

ein Rentenzahlungsrecht entstehen. Das hat zur Folge, dass für die Bemessung der Überbaurente nicht auf die Wertverhältnisse bei der Gebäudeerrichtung abgestellt werden kann. Ausgehend von der gesetzge-berischen Grundentscheidung, dass für die Höhe der Rente die [X.] der Grenz-überschreitung maßgebend ist (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 1986

V
ZR 17/85, [X.]Z 97, 292, 297), kommt es vielmehr auf den [X.]punkt der Teilung des Grundstücks an, da erst dann eine Überbausituation entsteht, die die ent-sprechende Anwendung der §§ 912 ff. [X.] rechtfertigt. Dies entspricht auch dem Zweck der Überbaurente, einen Ausgleich für den durch die Grenzüber-schreitung hervorgerufenen Verlust der Bodennutzung zu gewähren (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 1986
V
ZR 17/85, [X.]Z 97, 292, 295). Allerdings ruhen

wie im Falle des Eigengrenzüberbaus

die Duldungspflicht und das [X.]
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recht solange, bis die Grundstücke in das Eigentum verschiedener Personen gelangen (vgl. Ruhwinkel, Rechtsverhältnisse beim Grenzüberbau, S.
88).
3. Danach ist hier die Grenzüberschreitung nicht schon bei Errichtung des Gebäudes erfolgt (zu einem solchen Fall vgl. BVerwG, [X.] 2000, 88,
90), sondern erst zu dem in § 34 VermG bestimmten [X.]punkt; denn das [X.] wird erst durch die Restitution geteilt und die Teilung zu diesem [X.]punkt wirksam.
Die Besonderheit des vorliegenden Falles, dass die [X.] Folge der Wiedergutmachung verfolgungsbedingten Unrechts war, [X.] entgegen der Auffassung der [X.] keine abweichende Beurteilung. Die Wiedergutmachung solchen Unrechts erfolgt in den neuen Bundesländern und im früheren Ostteil von [X.] nach Maßgabe des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (§ 1 Abs. 6 VermG). Einer Restitution nach dem [X.] steht zwar nicht in jedem Fall entgegen, dass das zu restitu-ierende Grundstück von einem [X.] aus mit einem Gebäude überbaut worden ist (BVerwG, [X.] 2000, 88, 90). Aus § 5 VermG
ergibt sich aber, dass die Schaffung solcher Überbausituationen
in Bereichen, die die [X.] oder die Fortführung von Unternehmen betreffen, möglichst vermie-den werden soll. So ist die Restitution ausgeschlossen, wenn ein Grundstück mit erheblichem baulichen Aufwand in der Nutzungsart oder Zweckbestimmung verändert worden ist und an dieser Nutzung ein öffentliches Interesse besteht (§ 5 Abs. 1 Buchst. a VermG) oder wenn das Grundstück der gewerblichen Nutzung zugeführt oder in eine Unternehmenseinheit einbezogen wurde und nicht ohne erhebliche Beeinträchtigung des Unternehmens zurückgegeben werden könnte (§ 5 Abs. 1 Buchst. [X.]). Zu berücksichtigen ist auch, dass eine bauliche Nutzung später restituierter Grundstücke je nach der Person und Aufgabenstellung des Nutzers Ankaufsansprüche nach dem Sachenrechts-

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oder dem Verkehrsflächenbereinigungsgesetz auslösen konnte
(vgl. Senat, Ur-teil vom 23. Oktober 2009 -
V [X.], NJW-RR 2010, 588, 589 Rn. 11). Da der Gesetzgeber damit Instrumente zur Vermeidung einer Überbausituation im Zusammenhang mit einer Restitution von Grundstücken zur
Verfügung gestellt hat, besteht kein Grund, in den verbleibenden Fällen von den allgemeinen Grundsätzen abzuweichen.

III.
Das Urteil des Berufungsgerichts ist daher aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen (§
563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil es
aus seiner Sicht folgerichtig
die erforderlichen Feststellungen zum Verkehrswert der überbauten Bodenfläche zu dem nach § 34 VermG maßgeblichen
[X.]punkt und zu den Beeinträchtigun-gen, die von dem Überbau bei der Nutzung des nicht überbauten
Grund-

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stücksteils ausgehen (vgl. Senat, Beschluss vom 10.
Dezember 2009 -
V
ZB 115/09, [X.] 2010, 265 Rn.
12), nicht getroffen hat.
Stresemann
Lemke
Schmidt-Räntsch

[X.]
Weinland
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 03.11.2011 -
20 O 358/10 -

KG [X.], Entscheidung vom 08.08.2012 -
16 U 60/11 -

Meta

V ZR 199/12

22.11.2013

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2013, Az. V ZR 199/12 (REWIS RS 2013, 872)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 872

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V ZR 199/12

V ZR 263/11

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