Bundessozialgericht, Urteil vom 02.11.2010, Az. B 1 KR 9/10 R

1. Senat | REWIS RS 2010, 1762

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Leistung zur Teilhabe - Anschlussheilbehandlung - Kostenerstattung für die stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation - Arbeitslosengeld unter erleichterten Voraussetzungen nach Vollendung des 58. Lebensjahrs - Rentenversicherungsträger - Krankenkasse - Zuständigkeit


Leitsatz

Versicherte sind nicht von Leistungen zur Teilhabe eines Rentenversicherungsträgers ausgeschlossen, wenn sie Arbeitslosengeld nach Vollendung des 58. Lebensjahrs unter erleichterten Voraussetzungen beziehen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 15. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 1917,79 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die klagende [X.] ([X.] Bund begehrt von der beklagten [X.] die Kostenerstattung für eine stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation (Reha) in Form einer Anschlussheilbehandlung ([X.]).

2

Der am 28.10.1943 geborene M. (im Folgenden: Versicherter), bei der klagenden [X.] renten- und bei der beklagten [X.] krankenversichert, beantragte am 27.11.2006 bei der Klägerin eine [X.]. Er verneinte im [X.] die Frage, ob er als Bezieher von Arbeitslosengeld ([X.]) bei der [X.] die Erklärung nach § 428 [X.] unterschrieben habe. Am 1[X.]2006 erfuhr die Klägerin, dass der Versicherte seit 25.1.2006 [X.] nach § 428 [X.] bezog. Sie bewilligte ihm eine stationäre [X.], weil die [X.] des § 14 Abs 1 Satz 1 [X.]B IX zur Weiterleitung des [X.] an die Beklagte abgelaufen war; sie wies darauf hin, dass sie die Maßnahme wegen Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Leistung des [X.] im Auftrag der Beklagten durchführe (Bescheid vom 1[X.]2006). Die Kosten der vom [X.] bis zum [X.] durchgeführten [X.] in Höhe von 1892,59 [X.] und [X.] in Höhe von 25,20 [X.] (insgesamt 1917,79 [X.]) machte die Klägerin bei der Beklagten geltend, weil der Bezug von [X.] nach § 428 [X.] die Gewährung einer Reha-Maßnahme durch den [X.] nach § 12 Abs 1 [X.] ausschließe. Die Beklagte lehnte eine Zahlung ab.

3

Das [X.] hat die auf Zahlung von 1917,79 [X.] gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Das L[X.] hat die (vom [X.] zugelassene) Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: In Betracht kommende Erstattungsansprüche nach §§ 104, 105 [X.]B X und nach § 14 Abs 4 Satz 1 [X.]B IX scheiterten daran, dass die Klägerin die nach § 9 Abs 1 [X.]B VI zur Erbringung von Leistungen zur medizinischen Reha und zur Teilhabe am Arbeitsleben zuständige Trägerin sei. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß § 11 [X.]B VI seien erfüllt. Eine Reha-Maßnahme sei auch nicht nach § 12 Abs 1 [X.] ausgeschlossen, weil der Versicherte weder zum Zeitpunkt der Bewilligung noch der Durchführung der Reha-Maßnahme eine Leistung bezogen habe, die "regelmäßig bis zum Beginn einer Rente wegen Alters gezahlt" werde. Allein aus dem Bezug von [X.] unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 [X.] folge dies nicht. Vielmehr werde insoweit lediglich eine der Tatbestandsvoraussetzungen für den Bezug von [X.] nicht mehr überprüft, ohne dass der Versicherte rechtlich gehindert sei, wieder eine in der [X.] versicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen. Dass dies bei [X.] dieser Leistung in der Praxis selten der Fall sein dürfte, ändere daran nichts (Urteil vom 15.10.2009).

4

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 12 Abs 1 [X.]: Dem [X.]-Bezug von über 58-Jährigen unter den Bedingungen des § 428 [X.] (früher § 105c Arbeitsförderungsgesetz <[X.]>) sei immanent, dass er zu einer Altersrente hinführe bzw dem Rentenbezug vorgeschaltet sei. Tatbestandsmerkmal der Norm sei nicht, dass die Leistung "ununterbrochen" bis zur Inanspruchnahme der Altersrente gezahlt werde. Ausreichend sei vielmehr, dass dies "regelmäßig", also "in der Regel" bzw "üblicherweise" bis zum Beginn der Altersrente geschehe. Dass der Leistungsbezug in atypischen Fallkonstellationen nicht bis zum Beginn der Altersrente erfolge, sei unerheblich. Die tatsächlichen Möglichkeiten der Arbeitslosen, ihre Erklärung nach § 428 [X.] zu widerrufen und sich den Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur zur Verfügung zu stellen, würden tatsächlich nicht genutzt. Auch die Verkürzung der Höchstbezugsdauer des [X.] durch das Gesetz vom 2[X.]2003 ([X.] 3002) und die spätere Wiedererhöhung auf 24 Monate hätten nicht zu einer Änderung der Auslegung des § 12 Abs 1 [X.], sondern nur zu einer Änderung des Antragsverhaltens geführt - wie auch bei dem Versicherten, der die Leistung im Alter von 62 Jahren beantragt habe. Der Gesetzgeber habe bei der Einführung des § 12 Abs 1 [X.] ua ältere Arbeitnehmer mit Bezug von [X.] nach § 105c [X.] ausdrücklich als Beispiel für die Personenkreise aufgeführt, für die die Ausschlussregelung gelten sollte.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 2. Juli 2009 und das Urteil des [X.] vom 15. Oktober 2009 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, an sie (die Klägerin) 1917,79 [X.] zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das L[X.]-Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Der Senat konnte im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs 2 SGG).

9

Die Revision der klagenden [X.]in ist nicht begründet. Zu Recht hat das [X.] ihre Berufung gegen das klageabweisende [X.] zurückgewiesen, denn ihr steht kein Anspruch auf Zahlung von 1917,79 Euro gegen die beklagte [X.] zu.

Die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs sind nicht erfüllt. Es kommt ein Anspruch der [X.]lägerin nach § 104 [X.] oder § 6 der ab [X.] geltenden, zwischen der [X.]/[X.] geschlossenen "Vereinbarung über ein gemeinsames Verfahren bei den [X.] ([X.])" in Betracht (dazu 1.). Die Voraussetzungen dieser Erstattungsansprüche sind aber nicht erfüllt. Die [X.]lägerin war dafür zuständig, die stationäre Reha-Maßnahme in Form der AHB vom [X.] bis zum [X.] zu erbringen. Der Leistungsausschluss nach § 12 Abs 1 [X.] greift nicht ein (dazu 2.).

1. Die [X.]lägerin kann als erstangegangene [X.]in gegen die Beklagte (als von der [X.]lägerin als materiell-rechtlich originär zuständig angesehene [X.]in) einen Erstattungsanspruch nach § 104 [X.] haben. § 104 Abs 1 Satz 1 [X.] bestimmt: "Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers [X.]enntnis erlangt hat."

Die [X.]lägerin ist nachrangig zuständige Leistungsträgerin. Sie hat den Antrag auf Reha nicht nach § 14 Abs 1 Satz 2 [X.] innerhalb von zwei Wochen nach Eingang weitergeleitet, weil sie aufgrund des Antrags ihre Zuständigkeit geprüft und zunächst bejaht hat. In solchen Fällen begründet § 14 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 1 und 2 [X.] für das [X.] zwischen den Trägern eine nachrangige Zuständigkeit des erstangegangenen Trägers, wenn er nach den Zuständigkeitsregelungen außerhalb von § 14 [X.] unzuständig, ein anderer Träger aber zuständig gewesen wäre. Dies ermöglicht es, dass der erstangegangene [X.] im Rahmen eines Erstattungsstreits sich die [X.]osten der Reha-Maßnahme nach § 104 [X.] vom vorrangig zuständigen [X.] erstatten lässt (vgl [X.], 267 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.] 9). Danach kann der nach § 14 Abs 2 Satz 1 [X.] im Außenverhältnis zum Versicherten zuständigen [X.]lägerin im [X.] ein Anspruch wegen nachrangiger Verpflichtung zur "nachträglichen [X.]orrektur" der irrtümlichen Bejahung ihrer Zuständigkeit nach den Regeln außerhalb des Regimes des § 14 [X.] aus § 104 [X.] zustehen. Ein Fall des nachträglichen Entfallens des Anspruchs gemäß § 103 [X.] liegt nicht vor (vgl zu solchen [X.]onstellationen nach § 103 [X.] außerhalb von § 14 [X.] zB BSGE 72, 163 = [X.]-2200 § 183 [X.] mwN; [X.], 298, 302 f = [X.]-2400 § 26 [X.] S 28 f, mwN),

An[X.] als der zweitangegangene [X.] hat die [X.]lägerin grundsätzlich keinen (entsprechend § 102 Abs 2 [X.] "privilegierten") Erstattungsanspruch aus § 14 Abs 4 Satz 1 [X.] (idF durch Art 1 des [X.], [X.] 1046 nebst nachfolgenden Änderungen, zuletzt durch Art 1 des Gesetzes vom 23.4.2004, [X.] 606). Diese Regelung bestimmt: "Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Absatz 1 Satz 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften." Dieser spezielle Anspruch ist begründet, soweit der Versicherte vom Träger, der ohne die Regelung in § 14 [X.] zuständig wäre, die gewährte Maßnahme hätte beanspruchen können (vgl zum Ganzen [X.], 277 = [X.]-2500 § 40 [X.], Rd[X.] 9 ff; [X.], 267 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.] 18 ff; BSG, Urteil vom [X.] - B 1 [X.]R 9/09 R, Rd[X.] 11 mwN, zur Veröffentlichung in [X.]-3250 § 14 [X.] vorgesehen). Die Regelung begründet einen Ausgleich dafür, dass (in der Regel) der zweitangegangene [X.] - bei Vorliegen eines entsprechenden [X.] - die erforderlichen [X.]en (spätestens nach drei Wochen) selbst dann erbringen muss, wenn er der Meinung ist, hierfür nicht zuständig zu sein. Dabei handelt es sich um eine gleichsam "aufgedrängte Zuständigkeit" (vgl [X.], 267 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.] 21). Eine vergleichbare [X.]onstellation kann bei dem erstangegangen [X.] nur ausnahmsweise vorliegen. Dies ist etwa der Fall, wenn seine Prüfung wegen der komplizierten Rechtsproblematik innerhalb der [X.] nicht zu einem greifbaren Ergebnis geführt und er im Interesse der Beschleunigung eine Weitergabe des [X.] unterlassen hat ([X.], 267 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.] 29). So lag es hier indes nicht.

Einen Anspruch wie nach § 104 [X.] könnte die [X.]lägerin im Übrigen stützen auf § 6 der ab [X.] geltenden [X.], die nach dem Vorbringen der Beteiligten weiterhin angewandt wird. Danach werden die [X.]osten der Durchführung einer AHB, die in den Zuständigkeitsbereich der [X.] fällt, von dem [X.] mit der Reha-Einrichtung abgerechnet; anschließend erstattet die [X.] dem [X.] alle im Zusammenhang mit der Durchführung der [X.] entstehenden [X.]osten.

2. Die [X.]lägerin ist indessen im [X.] als dafür zuständig anzusehen, dem Versicherten die stationäre Reha-Maßnahme in Form der AHB vom [X.] bis zum [X.] zu erbringen. Zu Recht ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass im Einklang mit den unangegriffenen Feststellungen des [X.] die Voraussetzungen der §§ 9, 10 und 11 [X.] für die Erbringung der Leistung zur medizinischen Reha durch die [X.]lägerin erfüllt waren. § 12 Abs 1 [X.] schloss ihre Zuständigkeit - entgegen ihrer Ansicht - nicht aus. Danach werden Leistungen zur Teilhabe "nicht für Versicherte erbracht, die eine Leistung beziehen, die regelmäßig bis zum Beginn einer Rente wegen Alters gezahlt wird". Diese Voraussetzung war für den Versicherten, der [X.] nach § 428 [X.] bezog, nicht erfüllt.

a) Unter einer Leistung, die "regelmäßig bis zum Beginn einer Rente wegen Alters" gezahlt wird, ist nur eine solche zu verstehen, mit deren Bezug regelmäßig das endgültige Ausscheiden des Versicherten aus dem Erwerbsleben verbunden ist. Dies folgt aus Wortlaut (dazu aa), Sinn und Zweck der Norm (dazu [X.]), ihrem systematischen Zusammenhang (dazu [X.]) sowie aus ihrer Entstehungsgeschichte (dazu [X.]).

aa) Bereits der Wortlaut der Vorschrift stellt den Bezug zum Beginn der Altersrente und damit zum Ausscheiden aus dem Erwerbsleben her. Der Begriff der Regelmäßigkeit macht deutlich, dass es nicht auf den Bezug der Leistung bis zum Beginn der Altersrente im Einzelfall ankommt, sondern eine typisierende Beurteilung anzustellen ist. Allerdings ist insoweit entgegen der Ansicht der [X.]lägerin nicht maßgeblich, ob nach der Auswertung statischer Erfahrungswerte bzw nach einem rein empirischen Prognosemaßstab die Leistung "regelmäßig" bis zum Beginn der Altersrente gezahlt wird (so aber [X.] in: jurisP[X.]-[X.], Stand: 13.9.2010, § 12 Rd[X.]8; [X.] in: jurisPR-[X.] 5/2008 [X.] 4 - [X.]erkung zum Urteil [X.], 267 = [X.]-3250 § 14 [X.]). Bei einem solchen Ansatz wäre die Auslegung von einer zeitlichen Dimension abhängig und könnte sich deshalb ändern. Es bliebe auch unklar, wo die Grenze zu ziehen ist, ab der eine Zuständigkeit des [X.]s ausgeschlossen ist. Regelungen über [X.] müssen aber von Anfang an klar sein und dürfen keine Interpretationsspielräume für die betroffenen Träger offen lassen (vgl auch [X.] in: [X.] 7/2007 [X.] 5 - [X.]erkung zum Bayerischen [X.], Urteil vom 25.7.2006 - L 5 [X.]R 83/06). Hinzu kommt, dass - wie schon das [X.] des § 14 [X.] belegt - gerade im Reha-Bereich die Zuständigkeitsfrage schnell und eindeutig gelöst werden muss. Die Bezugnahme auf den Beginn der Altersrente im Wortlaut der Vorschrift bringt vielmehr zum Ausdruck, dass mit dem Bezug der von § 12 Abs 1 [X.] erfassten Leistungen "regelmäßig" bereits das dauerhafte Ausscheiden aus dem Erwerbsleben (im Vorfeld der Altersrente) verbunden sein muss und sich die Inanspruchnahme der Altersrente anschließen muss.

[X.]) Diese Auslegung wird durch den Sinn und Zweck der Vorschrift bestätigt. § 12 Abs 1 [X.] soll sicherstellen, dass [X.]en der [X.] entsprechend ihrer Zweckbestimmung eingesetzt werden. Nach § 9 Abs 1 Satz 1 [X.] erbringt die [X.] ua Leistungen zur medizinischen Reha, um den Auswirkungen einer [X.]rankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden ([X.] 1) und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das [X.] ([X.] 2). Die Leistungen zur Teilhabe haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren [X.]punkt zu erbringen sind (§ 9 Abs 1 Satz 2 [X.]). Dem Ziel der Wiedereingliederung des Versicherten in das Erwerbsleben entspricht es, Leistungen des [X.]s zur Reha auszuschließen, wenn dieses Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Dies ist etwa bei den von § 12 Abs 1 [X.] erfassten älteren Versicherten der Fall, die bereits dauerhaft aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und durch Lohnersatzleistungen auf die Altersrente hingeführt werden (vgl Entwurf der Fraktionen der [X.] und [X.] eines Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung , BT-Drucks 13/4610, [X.]; vgl [X.] in: jurisP[X.]-[X.], § 12 Rd[X.] 19; [X.]ommentar zum Recht der [X.] <[X.]omG[X.]>, [X.], G[X.], Stand: Oktober 2008, § 12 [X.] 6.1.). Von diesem Ansatzpunkt aus können nur Leistungen in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen, mit denen ein dauerhaftes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verbunden ist.

[X.]) Nichts anderes ergibt der systematische Zusammenhang der Vorschrift. § 12 [X.] stellt die Gründe zusammen, die [X.]en eines [X.]s ausschließen (vgl Entwurf der Fraktionen der [X.], [X.] und [X.] eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung - Rentenreformgesetz 1992 - [X.] 1992 - BT-Drucks 11/4124 [X.] zu § 12). Während § 12 Abs 1 [X.] 1 und 3 [X.] (generell) die Zuständigkeit anderer Träger und [X.] 5 einen Sonderfall (Versicherte im Strafvollzug) regelt, betreffen die übrigen Gründe das dauerhafte Ausscheiden des Versicherten aus dem Erwerbsleben. § 12 Abs 1 [X.] 2 und [X.] [X.] schließen die Leistungen aus, wenn eine Rente wegen Alters (von wenigstens 2/3 der Vollrente) bezogen oder beantragt wird ([X.] 2) oder wenn ein Versicherter als Bezieher einer Versorgung wegen Erreichens einer Altersgrenze versicherungsfrei ist ([X.]). § 12 Abs 1 [X.] betrifft demgegenüber das Vorfeld des Rentenbeginns. Allen genannten Bestimmungen mit Bezug zur Altersrente ist zu entnehmen, dass Leistungen ausgeschlossen sind, wenn das Ausscheiden aus dem Arbeitsleben wegen Erreichens der Altersgrenze entweder bereits erfolgt ist oder unmittelbar bevorsteht.

[X.]) Auch die Entstehungsgeschichte des § 12 [X.] belegt, dass die Zuständigkeit des [X.]s für Reha-Maßnahmen grundsätzlich erst bei dauerhaftem Ausscheiden des Versicherten aus dem Erwerbsleben endet. § 12 [X.] wurde durch das [X.] 1992 vom 18.12.1989 ([X.] 2261) eingeführt und entsprach überwiegend dem davor geltenden Recht. Mit § 12 Abs 1 [X.] 2 [X.] war allerdings eine Änderung der Rechtslage verbunden. Nach der bis zum 31.12.1991 geltenden Fassung des § 1236 Abs 1 Satz 2 Reichsversicherungsordnung ([X.]O) (vgl auch § 13 Abs 1 Satz 2 Angestelltenversicherungsgesetz, § 35 Abs 1 Satz 2 Reichsknappschaftsgesetz) konnte einem Versicherten, der das 63. Lebensjahr vollendet hatte, (unter den Voraussetzungen des § 1236 Abs 1 Satz 1 [X.]O) eine medizinische Reha-Maßnahme in einer [X.]ur- oder Spezialeinrichtung nur erbracht werden, wenn er berufsunfähig oder erwerbsunfähig war oder dies in absehbarer [X.] zu erwarten war. Das [X.] 1992 verzichtete auf diese strengen Voraussetzungen für ältere Versicherte und führte in § 12 Abs 1 [X.] 2 [X.] eine die Verlängerung der Lebensarbeitszeit flankierende Regelung ein. Versicherte, die weiterhin überwiegend erwerbstätig bleiben und deshalb weniger als zwei Drittel der Vollrente in Anspruch nehmen oder beziehen wollen (vgl § 42 iVm § 34 Abs 2 und 3 [X.]), sollten weiterhin [X.]en durch den [X.] in Anspruch nehmen (vgl insgesamt Gesetzentwurf zum [X.] 1992, BT-Drucks 11/4124 [X.]). Ausgeschlossen wurden damit lediglich die Teilrentner mit zwei Drittel der Vollrente, die nur noch in geringem Umfang einen Nebenverdienst erzielen und am Erwerbsleben nicht mehr maßgeblich teilnehmen. Mit der Einfügung von Abs 1 [X.]a in § 12 [X.] durch das [X.] vom 25.9.1996 ([X.] 1461) mit Wirkung vom [X.] beabsichtigte der Gesetzgeber, das Leistungsspektrum der Reha in der [X.] künftig stärker als bisher auf Versicherte zu konzentrieren, die noch nicht dauerhaft aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind. Weil diese Zweckbestimmung bei älteren Versicherten, die bereits dauerhaft aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und durch Lohnersatzleistungen auf die Altersrente hingeführt werden, nicht mehr erreicht werden kann, sollten sie keine [X.]en der [X.] erhalten (Gesetzentwurf zum [X.], BT-Drucks 13/4610, [X.]).

b) Bei dem auf der Grundlage des § 428 [X.] gewährten [X.] handelt es sich nicht um eine auf die Altersrente hinführende Leistung für Personen, die "dauerhaft" aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind. Der Bezug dieser Leistung kann nicht mit dem dauerhaften Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gleichgesetzt werden (jeweils ohne besondere Begründung aA: [X.] in: LP[X.]-[X.], 2. Aufl 2010, § 12 Rd[X.] 7; [X.]ater in: [X.] [X.]ommentar, Stand: Juli 2010, § 12 [X.] Rd[X.] 15b; [X.] in: [X.], Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche [X.], 12. Aufl, Stand: September 2010, § 12 Rd[X.]4; [X.] in: jurisP[X.]-[X.], § 12 Rd[X.]8; [X.]omG[X.], aaO, § 12 [X.] 6.1.; [X.] in: Wannagat, [X.], Gesetzliche [X.], Stand: Juni 2008, § 12 Rd[X.] 7; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 12 Rd[X.]; [X.]/[X.][X.], Handbuch der [X.], [X.], 3. Aufl, Stand: August 2010, § 12 Rd[X.] 37; vgl auch zu § 105c [X.]: [X.] in [X.]/[X.], [X.], Stand: Oktober 2010, [X.] § 12 Rd[X.] 8a).

           

§ 428 Abs 1 und 2 [X.] (in der ab 31.12.2005 gültigen Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 22.12.2005, [X.] 3676) lautet:

"(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld nach den Vorschriften des Zweiten Unterabschnitts des Achten Abschnitts des Vierten [X.]apitels haben auch Arbeitnehmer, die das 58. Lebensjahr vollendet haben und die Regelvoraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld allein deshalb nicht erfüllen, weil sie nicht arbeitsbereit sind und nicht alle Möglichkeiten nutzen und nutzen wollen, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Der Anspruch besteht auch während der [X.] eines Studiums an einer Hochschule oder einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule. Vom 1. Januar 2008 an gilt Satz 1 nur noch, wenn der Anspruch vor dem 1. Januar 2008 entstanden ist und der Arbeitslose vor diesem Tag das 58. Lebensjahr vollendet hat.

(2) Die Agentur für Arbeit soll den Arbeitslosen, der nach Unterrichtung über die Regelung des Satzes 2 drei Monate Arbeitslosengeld nach Absatz 1 bezogen hat und in absehbarer [X.] die Voraussetzungen für den Anspruch auf Altersrente voraussichtlich erfüllt, auffordern, innerhalb eines Monats Altersrente zu beantragen; dies gilt nicht für Altersrenten, die vor dem für den Versicherten maßgebenden Rentenalter in Anspruch genommen werden können. Stellt der Arbeitslose den Antrag nicht, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld vom Tage nach Ablauf der Frist an bis zu dem Tage, an dem der Arbeitslose Altersrente beantragt."

Der Senat lässt offen, ob das [X.] nach § 428 [X.] schon deshalb - wie die beklagte [X.] vorträgt - keine Leistung nach § 12 Abs 1 [X.] ist, weil sie sich nicht notwendig bis auf einen [X.]punkt erstreckt, von dem an Rente wegen Alters beansprucht werden kann, wie es bei der Inanspruchnahme von [X.] ist (vgl dazu [X.], 267 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.] 35). Jedenfalls ist mit [X.] nach § 428 [X.] - ähnlich wie bei der Altersteilzeit - im Rechtssinne nicht typischerweise ein dauerhaftes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verbunden.

Der Regelungsgehalt des § 428 Abs 1 [X.] beschränkt sich nämlich auf die (für die [X.]-Leistungsgewährung unschädliche) Aufhebung der subjektiven Verfügbarkeit ([X.], 43 = [X.]-4300 § 428 [X.] 2, Rd[X.] 5; BSG [X.]-4300 § 428 [X.] 3; BSG [X.]-4100 § 103 [X.] 16; BSG [X.]-2500 § 44 [X.] 1 Rd[X.] 8 f; Brand in: [X.], [X.], 5. Aufl 2010, § 428 Rd[X.] 2; [X.]/[X.] in: Eicher/[X.], [X.], Stand: September 2010, § 428 Rd[X.] 20; [X.] in: [X.]/[X.], [X.], Stand: September 2010, [X.] § 428 Rd[X.] 7). Ein Versicherter, der das 58. Lebensjahr vor dem 1.1.2008 vollendete, kann nach § 428 Abs 1 [X.] daher - unabhängig von einer möglicherweise dabei zunächst avisierten Inanspruchnahme von Rentenleistungen - [X.] bereits verlangen, wenn er bis auf die subjektive Verfügbarkeit alle Voraussetzungen eines [X.]-Anspruchs nach §§ 117 ff [X.] erfüllt. § 428 Abs 1 [X.] ersetzt insoweit lediglich die nach § 119 Abs 5 [X.] 3 und 4 [X.] notwendige Bereitschaft, jede Beschäftigung im Sinne der Vorschrift auszuüben bzw an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen und die nach § 119 Abs 1 [X.] 2 notwendigen Eigenbemühungen zu zeigen. Dagegen muss bei dem Leistungsberechtigten über die Arbeitsbereitschaft hinaus dennoch weiterhin insbesondere die - bei einem altersbedingten Ausscheiden aus dem Erwerbsleben oftmals nicht mehr gegebene - objektive Verfügbarkeit bestehen, dh die Fähigkeit, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben (§ 119 Abs 5 [X.] 1 [X.]). Auch muss der Arbeitslose weiter den Vorschlägen der [X.] zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten können, dh sich im Nahbereich aufhalten (§ 119 Abs 5 [X.] 2 [X.]).

Der Bezieher von [X.] nach § 428 [X.] kann aber trotz der durch den Verzicht auf eine Arbeitsbereitschaft möglichen vereinfachten Inanspruchnahme von [X.] jederzeit allein durch seine Entscheidung, sich auch erneut subjektiv dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen oder eine die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung anzunehmen, wieder aktiv am Erwerbsleben teilnehmen und so ggf auch die für ihn negative Folge des § 428 Abs 2 [X.] (= Aufforderung der [X.] zur Rentenantragstellung mit der [X.]onsequenz des Ruhens von [X.] bei [X.]) abwenden. Diese Sachlage ist ähnlich derjenigen bei Bezug von aufgestocktem Altersteilzeitentgelt in der Aktiv- oder Passivphase eines Block- Altersteilzeitmodells, bei der der Arbeitnehmer nach Abschluss der Altersteilzeit ebenfalls wieder [X.] beanspruchen (vgl § 10 Abs 1 Satz 2 Altersteilzeitgesetz <[X.]>) oder eine weitere Arbeitsphase anschließen kann (vgl § 8 Abs 3 [X.]). Auch in der [X.]onstellation eines [X.] ist der Arbeitnehmer nicht gehalten, im [X.] an die Altersteilzeit Altersrente in Anspruch zu nehmen. Hierfür hat der erkennende Senat bereits verneint, dass der Ausschlussgrund nach § 12 Abs 1 [X.] eingreift (vgl [X.], 267 = [X.]-3250 § 14 [X.], insbesondere Rd[X.] 36; BSG, Urteile vom [X.] -B 1 [X.]R 32/09 R und 33/09 R). Entsprechendes gilt für die Leistung nach § 428 [X.]. Angesichts der aufgezeigten Rechtsentwicklung, insbesondere der Änderung allein des § 12 Abs 1 [X.] 1 [X.], nicht aber dessen [X.]a durch § 22 Abs 8 [X.] 3 des [X.] (Gesetz zur Regelung der Weiterverwendung nach Einsatzunfällen, [X.] 2861, in [X.] getreten am 18.12.2007) in [X.]enntnis des Urteils des BSG vom 26.6.2007 ([X.], 267 = [X.]-3250 § 14 [X.]) zum Nichteingreifen eines rentenversicherungsrechtlichen Ausschlusses medizinischer Reha-Maßnahmen bei Altersteilzeit, führt auch der Umstand, dass noch § 105c [X.] - die 1986 eingeführte Vorgängervorschrift des § 428 [X.] - in der Gesetzesbegründung als Leistung iS des § 12 Abs 1 [X.] beispielhaft genannt wurde (Gesetzentwurf zum [X.], BT-Drucks 13/4610 [X.] zu [X.] Buchst a - § 12), nicht zu einem anderen Ergebnis.

3. Die [X.]ostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 G[X.]G.

Meta

B 1 KR 9/10 R

02.11.2010

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Berlin, 2. November 2007, Az: S 36 KR 1543/08, Urteil

§ 117 SGB 3, § 119 SGB 3, § 428 SGB 3, § 12 Abs 1 Nr 4a SGB 6, § 9 SGB 6, § 10 SGB 6, § 11 SGB 6, § 14 Abs 1 S 1 SGB 9, § 14 Abs 2 S 1 SGB 9, § 14 Abs 1 S 2 SGB 9, § 14 Abs 4 S 1 SGB 9, § 102 SGB 10, § 103 SGB 10, § 104 Abs 1 S 1 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 02.11.2010, Az. B 1 KR 9/10 R (REWIS RS 2010, 1762)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1762

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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B 1 KR 6/18 R (Bundessozialgericht)

(Leistungen zur Teilhabe - Zuständigkeitsklärung - Rentenversicherungsträger - erstangegangener Rehabilitationsträger - Anerkennung der Zuständigkeit gegenüber …


B 13 R 12/14 R (Bundessozialgericht)

Anspruch auf medizinische Leistungen für voll erwerbsgeminderte und in einer Werkstatt für behinderte Menschen tätige …


B 11 AL 2/12 R (Bundessozialgericht)

(Erstattungsanspruch des zweitangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs 4 S 1 SGB 9 - Leistungen …


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