Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2008, Az. V ZB 32/08

V. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 1898

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[X.][X.] vom 18. September 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 233 I Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist unverschuldet, wenn sie auf [X.] für den Rechtsanwalt unvorhergesehenen Erkrankung beruht und diesem infolge seiner Erkrankung nicht möglich ist, einen Antrag auf Verlängerung der Frist zu [X.] oder seinen Vertreter hierum zu bitten. [X.], [X.]uss vom 18. September 2008 - [X.] - [X.]AG [X.] - 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 18. September 2008 durch [X.] [X.], [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] Czub beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der [X.]uss der 15. Zivilkammer des [X.]s [X.] vom 28. Januar 2008 aufgehoben. Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] Durch am 23. Oktober 2007 zugestelltes Urteil hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig Berufung eingelegt. Mit am 27. Dezember 2007 eingegangenem Schriftsatz hat sie unter Vorlage der Berufungsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die mit dem 24. Dezember 2007 abgelaufene Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen und glaubhaft gemacht, ihr [X.] - 3 - vollmächtigter, ein Einzelanwalt ohne ständiges eigenes Personal, habe die Be-rufungsbegründung wegen anderer Arbeiten am 24. Dezember 2007 anfertigen und einreichen wollen. Dazu sei er nicht in der Lage gewesen, weil bei ihm am 22. Dezember 2007 plötzlich und ohne vorherige Anzeichen eine fiebrige Ma-gen-Darm-Infektion aufgetreten sei, die bis zum 24. Dezember 2007 angedau-ert habe. Er sei bettlägerig erkrankt und auch nicht imstande gewesen, einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zu stellen oder einen Vertreter hierum zu bitten. Das [X.] hat die Berufung unter Zurückwei-sung des [X.] als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin. I[X.] Das Berufungsgericht meint, die Berufungsbegründungsfrist sei nicht oh-ne Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Kläger versäumt worden. Auch von einem Einzelanwalt könne verlangt werden, dass für den Fall einer plötzlichen Erkrankung eine Fristenkontrolle durchgeführt und erforderlichenfalls ein anwaltlicher Vertreter eingeschaltet wird. Das sei durch entsprechende Bü-roorganisation zu gewährleisten und gelte auch, wenn die Erkrankung von [X.] an so schwer sei, dass der erkrankte Rechtsanwalt die zur Fristwahrung erforderliche Einschaltung eines Vertreters nicht selbst veranlassen könne oder eine entsprechende Anweisung an sein Personal nicht möglich oder nicht zu-mutbar sein sollte. Notfalls müsse der Rechtsanwalt einen Antrag nach § 53 [X.] stellen. 2 II[X.] Das hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. 3 - 4 - 1. Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig. Das Berufungsgericht verlangt von einem Rechtsanwalt, dass er einen Vertreter selbst dann einschaltet, wenn er infolge einer plötzlich auftretenden Erkrankung dazu weder selbst noch durch Anwei-sung seines Personals imstande oder ihm das nicht zumutbar ist. Das steht im Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des [X.], die solche Anstrengungen von einem Rechtsanwalt nicht verlangt (dazu: [X.], [X.]. v. 15. Februar 1967, [X.] 3/67, [X.] 1967, 585; [X.]. v. 26. [X.] 1996, [X.], NJW 1996, 1540, 1541; [X.]. v. 10. Mai 2006, [X.], [X.], 2412). 4 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. 5 a) Die Berufung durfte nicht als unzulässig verworfen werden. Die Kläge-rin hat zwar die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Ihr ist aber die form- und fristgerecht beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die [X.] dieser Frist zu gewähren. Die Versäumung der Frist ist weder von ihr selbst noch von ihrem Prozessbevollmächtigten, dessen Verschulden sie sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsste, verschuldet. 6 b) Ein der Klägerin zurechenbares Verschulden ihres [X.] kann nicht darin gesehen werden, dass er die Anfertigung und Ein-reichung der Berufungsschrift bis zum letzten Tag der Frist aufgeschoben hat. Ein Rechtsanwalt, der die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels bis zum letz-ten Tag ausschöpft, hat zwar wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzu[X.] ([X.], [X.]. v. 23. April 1998, [X.], [X.], 2677, 2678; [X.]. v. 23. Juni 2004, [X.], NJW-RR 2004, 1502; [X.]. v. 9. Mai 2006, [X.], [X.], 2637 [X.]. 8). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen 7 - 5 - Stand kommt daher nicht in Betracht, wenn von dem Rechtsanwalt nicht alle erforderlichen und zumutbaren Schritte unternommen wurden, die unter norma-len Umständen zur Fristwahrung geführt hätten ([X.], [X.]. v. 9. Mai 2006, [X.], [X.]O). Entsprechende Maßnahmen hatte der [X.] der Klägerin jedoch vorgesehen. Er wollte die - konzipierte - [X.] am 24. Dezember 2007 anfertigen und selbst bei Gericht einwerfen. Das hätte die Frist gewahrt. c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann ein der Klägerin zu-rechenbares Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten auch nicht darin ge-sehen werden, dass er die erforderlichen Vorkehrungen gegen eine krankheits-bedingte Versäumung von Fristen nicht getroffen oder während seiner Erkran-kung die gebotenen Maßnahmen nicht ergriffen hätte. 8 [X.]) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] muss ein Rechtsanwalt allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorherge-sehen ausfällt. Er muss seinem Personal die notwendigen allgemeinen Anwei-sungen für einen solchen Fall geben. Ist er als Einzelanwalt ohne eigenes Per-sonal tätig, muss er für seine Vertretung sorgen ([X.], [X.]. v. 6. März 1990, [X.], [X.], 1026; [X.]. v. 18. Mai 1994, [X.]/94, [X.], 1520). Auf einen krankheitsbedingten Ausfall muss sich der Rechtsanwalt aber nur dann durch konkrete Maßnahmen vorbereiten, wenn er einen solchen Ausfall vorhersehen kann ([X.], [X.]. v. 18. Oktober 1984, [X.], [X.], 139, 140; Senat, [X.]. v. 23. November 1995, [X.], NJW 1996, 997, 998). Wird er unvorhergesehen krank, muss er nur das unterneh-men, was ihm dann möglich und zumutbar ist ([X.], [X.]. v. 15. Februar 1967, [X.] 3/67, [X.] 1967, 585; [X.]. v. 10. Februar 1977, [X.], [X.], 433, 434; [X.]. v. 11. März 1987, [X.] 2/87, [X.], 9 - 6 - 785, 786; [X.]. v. 6. März 1990, [X.], [X.], 1026; [X.]. v. 11. März 1991, [X.], [X.], 1270, 1271; [X.]. v. 8. Februar 2000, [X.], juris; Senat, [X.]. v. 18. September 2003, [X.], [X.], 182). [X.]) Nach diesen Maßstäben war die Versäumung der Berufungsfrist [X.]. 10 (1) Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat anwaltlich versichert, er habe mit einem Kollegen eine Vertretungsvereinbarung für den Fall eines un-vorhergesehenen Ausfalls getroffen. Die fiebrige [X.] sei plötzlich und unerwartet aufgetreten. Es habe vorher keine Anzeichen für eine solche Erkrankung gegeben. Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben des Pro-zessbevollmächtigten der Klägerin nicht zutreffen könnten, hat das Berufungs-gericht nicht festgestellt. 11 (2) Auch bei einer unvorhergesehenen Erkrankung muss der [X.] allerdings die Maßnahmen ergreifen, die ihm möglich und zumutbar sind. Solche Maßnahmen kamen hier aber nicht in Betracht. Der [X.] der Klägerin war nach seiner anwaltlichen Versicherung bettlägrig erkrankt und durch seine Erkrankung so geschwächt, dass er weder selbst einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist stellen noch den ansonsten für seine Ver-tretung zur Verfügung stehenden Kollegen darum bitten konnte. Damit beruht die Fristversäumung nicht auf einem vorwerfbaren Verhalten (vgl. [X.], 12 - 7 - [X.]. v. 10. Januar 1973, [X.], [X.], 317; [X.]. v. 26. No-vember 1997, [X.], NJW-RR 1998, 639). [X.] Lemke [X.]
Stresemann Czub
Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 04.10.2007 - 32 C 1548/06-41 - [X.], Entscheidung vom 28.01.2008 - 2/15 [X.]/07 -

Meta

V ZB 32/08

18.09.2008

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2008, Az. V ZB 32/08 (REWIS RS 2008, 1898)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 1898

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