Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.09.2002, Az. 5 StR 210/02

5. Strafsenat | REWIS RS 2002, 1759

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Nachschlagewerk: [X.]: [X.]: [X.] § 224 Abs. 1 Nr. 4Das Zusammenwirken des [X.] einer Körperverletzung mit einemGehilfen kann zur Erfüllung des [X.] der"mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich" begangenenKörperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) ausreichen.Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der am [X.] die Wirkung der Körperverletzungshandlung des [X.] in einer Weise verstärkt, welche die Lage des [X.] verschlechtern geeignet ist.[X.], [X.]. v. 3. September 2002 - 5 StR 210/02 LG Neuruppin [X.]5 StR 210/02BUNDESGERICHTSHOFIM [X.] DES VOLKESURTEILvom 3. September 2002in der [X.] gefährlicher Körperverletzung u.a.- 2 -Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom [X.] 2002, an der teilgenommen haben:[X.] als Vorsitzender,[X.],[X.]in [X.],[X.],[X.] [X.] beisitzende [X.],[X.] Vertreter der [X.],Rechtsanwalt [X.] Verteidiger für den Angeklagten [X.],Rechtsanwalt [X.] Verteidiger für den Angeklagten [X.],Rechtsanwalt [X.] Verteidiger für den Angeklagten L ,[X.] Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,- 3 -für Recht [X.] Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das [X.]eildes [X.] vom 29. November 2001a) in den [X.] dahin geändert, daß der [X.] der gefährlichen Körperverletzung,die Angeklagten [X.] und [X.] jeweils der Beihilfezur gefährlichen Körperverletzung schuldig sind,b) in sämtlichen [X.]n aufgehoben.2. Die weitergehenden Revisionen, die Angeklagten [X.]und [X.] betreffend, werden verworfen.3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten derRevisionen, an eine allgemeine Strafkammer des Land-gerichts zurückverwiesen.[X.] Von Rechts wegen [X.]G r ü n d eDas Schwurgericht hat den Angeklagten [X.]wegen (vorsätzli-cher) Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechsMonaten, die Angeklagten [X.] und [X.] jeweils wegen Beihilfe zur Kör-perverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Revisionen der Staatsan-waltschaft beanstanden mit der Sachrüge, daß die Angeklagten nicht wegen- 4 -gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB verurteilt [X.] sind, ferner, daß die Angeklagten [X.] und [X.] nicht als Mittäter an-gesehen wurden. Die vom [X.] vertretenen Revisionen ha-ben weitgehend Erfolg.1. Das Schwurgericht hat folgende Feststellungen getroffen:Am 26. Mai 2001 suchte der Angeklagte [X.]Streit mit dem [X.] vor einer Diskothek stehenden Zeugen [X.] .Er hatte bemerkt, daß [X.]den anderen [X.] demonstrativ [X.]s beschädigtes Auto gezeigt hatte, das er als Fahrzeug eines Unfall-flüchtigen identifiziert hatte. [X.]begab sich in die Diskothek und batdort die Mitangeklagten [X.] und [X.] , ihn bei einer [X.] unterstützen. Beide folgten ihm, um ihn zumindest durch ihre Anwesenheitzu stärken. Sie hielten sich anschließend stets in unmittelbarer Nähe [X.] s auf.[X.] ging zunächst auf [X.] los, den er anpöbelte und be-drängte. Als sich der Geschädigte [X.], um zu schlichten, dazwischen-stellte, versetzte ihm L einen heftigen Faustschlag ins Gesicht. [X.] ging zu Boden, rappelte sich jedoch wieder auf und ging erneut [X.] zu.Daraufhin wandten sich alle drei Angeklagten dem Zeugen [X.] zu. Es entwickelte sich ein Gerangel, bei dem [X.] , der gegen die Mo-torhaube eines geparkten Fahrzeugs gestoßen wurde, schließlich erneut [X.] stürzte. Bei gewalttätigen Einwirkungen wurde [X.] vorsätzlichvon L oder mit dessen Billigung von beiden Mitangeklagten oder voneinem von ihnen erneut im Gesicht sowie am rechten Unterarm verletzt.[X.] sind, wahrscheinlich am Schluß der Auseinandersetzung,als er erneut zu Boden gegangen war, sieben Messerstiche in den Rücken- 5 -versetzt worden. Als [X.] am Boden lag, wandten sich [X.] undauf dessen Kommando auch die beiden anderen Angeklagten abrupt vonihm ab und entfernten sich. Das [X.] wurde nicht gefunden. Die Stich-verletzungen waren nicht lebensgefährlich. Wer von den Angeklagten [X.] die Messerstiche beigebracht hatte, konnte das Schwurgericht nichtklären. Es nimmt zugunsten eines jeden Angeklagten an, daß er einen Mes-sereinsatz eines der anderen weder vorhergesehen noch gebilligt [X.] Die [X.] von der Staatsanwaltschaft nicht ausdrücklich angegriffene [X.]Beweiswürdigung des Schwurgerichts und die hieraus folgende Nichtzurech-nung der Messerstiche, deren Zufügung zugunsten eines jeden Angeklagtenals möglicher Exzeß eines der anderen Beteiligten gewertet wurde, ist [X.] noch nicht zu beanstanden, wenngleich ein anderes Ergeb-nis nach dem Vorgeschehen, den festgestellten räumlichen Verhältnissenund der Vielzahl der Messerstiche möglich [X.] und sogar näherliegend [X.] ge-wesen wäre. Indes besteht deshalb noch kein Anlaß für das Revisionsge-richt, in die weitgehend dem Tatrichter vorbehaltene Beweiswürdigung ein-zugreifen.3. Vor dem Hintergrund der ebenfalls rechtsfehlerfrei getroffenenFeststellungen, wonach aktive Körperverletzungshandlungen der Angeklag-ten [X.] und [X.] für keine Phase des Tatgeschehens sicher nachgewie-sen worden sind, ist die Wertung des Tatgerichts, diese Angeklagten [X.] eigenen Tatinteresses und mangels Tatherrschaft aufgrund ihrer Unter-ordnung unter den Angeklagten [X.]nicht als Mittäter, sondern als Ge-hilfen anzusehen, vom Revisionsgericht aus Rechtsgründen nicht zu [X.]. Zwar wäre auch ohne Feststellung eigener [X.] nicht ausgeschlossen gewesen, die Angeklagten [X.] und[X.] als Mittäter der Körperverletzung anzusehen, weil sie die vom [X.]ausgeübte Zwangswirkung bewußt verstärkten (vgl. [X.]GA 1986, 229; NStZ 1984, 328, 329). Dies war hier indes nicht zwingend.Aufgrund der Struktur des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB hierfür einen grundsätz-- 6 -lich erweiterten Anwendungsbereich für die Mittäterschaft zu eröffnen, istwegen der Erfassung des Zusammenwirkens eines [X.] mit einem Gehil-fen durch diesen [X.] (vgl. unten 4) nicht geboten. Es giltdaher auch hier uneingeschränkt, daß die tatrichterliche Wertung bei der [X.] zwischen ([X.] und Beihilfe vom Revisionsgericht biszur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen ist (vgl. [X.] StV 1998, 540m.w.[X.]). Daher bleiben die staatsanwaltlichen Revisionen hinsichtlich [X.] [X.] und [X.] ohne weitergehenden [X.] Zutreffend beanstandet die Staatsanwaltschaft indes, daß bei [X.] Angeklagten ein Schuldspruch lediglich wegen (einfacher vorsätzli-cher) Körperverletzung und nicht wegen gefährlicher Körperverletzung nach§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB ergangen ist. Nach den Feststellungen hat der [X.]die Körperverletzung mit anderen Beteiligten, den Ange-klagten [X.] und [X.] , gemeinschaftlich begangen, zu dieser qualifiziertenKörperverletzung haben die Angeklagten [X.] und [X.] ihm vorsätzlichHilfe geleistet.Nach der Fassung bis Inkrafttreten des Sechsten Gesetzes zur Re-form des Strafrechts [X.] 6. StrRG [X.] vom 26. Januar 1998 ([X.]) ver-langte § 223a StGB a.F. für diese Tatbestandsvariante noch, daß die Kör-perverletzung —von mehreren gemeinschaftlich begangenfi werde. Nach [X.] bezieht der [X.] [X.] trotz des an die [X.] die Mittäterschaft in § 25 Abs. 2 StGB anknüpfenden, daher etwas miß-verständlichen Wortlauts —gemeinschaftlich begehtfi [X.] durch den [X.] —mit einem anderen Beteiligtenfi, wie aus der Definition in § 28 Abs. 2StGB zu entnehmen ist, neben einem weiteren (Mit-)Täter den [X.] damit (§ 28 Abs. 1 StGB) auch den Gehilfen ausdrücklich ein. Der Ge-setzeswortlaut steht daher einer Auslegung nicht entgegen, wonach das ge-meinsame Wirken eines [X.] und eines Gehilfen bei Begehung einer Kör-perverletzung zur Erfüllung der Qualifikation des § 224 Abs. 1 Nr. 4 [X.] (h.M.; vgl. [X.] jeweils m. w. [X.] [X.] Tröndle/Fischer, StGB 50. [X.] -§ 224 Rdn. 11; [X.] in [X.]/[X.], StGB 26. Aufl. § 224 Rdn. 11;Lilie in [X.]. § 224 Rdn. 33 bis 35; Rengier [X.] 111 [1999], 1, 9 f.;C. [X.], 31, 35 f.; vgl. bereits [X.] 1997, 301; a.[X.] [X.], 7. Aufl. [Stand: Mai 1998] § 224 Rdn. 25; [X.] NJW 1998,2861; [X.] NStZ 1999, 377, 382; noch offengelassen von [X.],[X.]. vom 5. April 2000 [X.] 3 StR 95/00; vgl. auch zum Gefährlichkeitspo-tenzial einer Bande durch das Mitwirken eines Gehilfen: [X.]R StGB § 244Abs. 1 Nr. 2 Bande 5, zur Veröffentlichung in [X.]St bestimmt). Sinn [X.] des [X.] des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB gebietendie Einbeziehung des Zusammenwirkens von Täter und Gehilfen, soweitdurch ein solches Zusammenwirken, nicht anders als durch mittäterschaftli-che Begehung, eine verstärkte Gefährlichkeit der Körperverletzung für [X.] begründet wird.Eine gemeinschaftliche Begehung in dieser gegenüber mittäterschaft-lichem Handeln schwächeren Beteiligungsform ist jedenfalls dann anzuneh-men, wenn der am [X.] anwesende Gehilfe die Wirkung der Körperverlet-zungshandlung des [X.] bewußt in einer Weise verstärkt, welche die Lagedes Verletzten zu verschlechtern geeignet ist. Dies wird bei dieser Form [X.] regelmäßig vor allem [X.] wie auch offensichtlich hier [X.] durch eineSchwächung der [X.] verwirklicht, wenn das Opfer durchdie Präsenz mehrerer Personen auf der [X.] insbesondere auchwegen des erwarteten Eingreifens des oder der anderen Beteiligten in [X.] beeinträchtigt wird, dem Täter der Körperverletzung Gegenwehr zuleisten, ihm auszuweichen oder zu flüchten. Mit einer derartigen Begehungwird eine erhöhte Gefährlichkeit der Körperverletzung begründet, wie sie fürdie Qualifikationen nach § 224 Abs. 1 StGB kennzeichnend ist. Würde § 224Abs. 1 Nr. 4 StGB seinem Wortlaut nach diese Form des Zusammenwirkensnicht erfassen [X.] was indes im Blick auf die ausdrückliche Erwähnung des—Beteiligtenfi nicht der Fall ist [X.], müßte bei diesem [X.]weit eher als nach allgemeinen Abgrenzungskriterien üblich die Annahme- 8 -von Mittäterschaft erwogen werden, um den Unrechtsgehalt erschöpfendwürdigen zu können.Inwieweit andere Erscheinungsformen des Zusammenwirkens eines[X.] mit einem Gehilfen oder auch einem Anstifter ebenfalls die Voraus-setzungen des [X.] des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB er-füllen, insbesondere inwieweit ein Zusammenwirken am [X.] erforderlichist, bedarf im vorliegenden Fall ebensowenig der Entscheidung wie die [X.], inwieweit bei bestimmten Erscheinungsformen mittäterschaftlichen [X.], insbesondere ohne gleichzeitige Präsenz am [X.], dieser[X.] ausnahmsweise nicht erfüllt sein kann (vgl. [X.]RStGB § 223a Abs. 1 [a.F.] gemeinschaftlich 2).5. Da das Schwurgericht diese Variante des § 224 Abs. 1 StGB nebenden rechtsfehlerfrei ausgeschlossenen Varianten des § 224 Abs. 1 Nr. 2 undNr. 5 StGB nicht erwogen hat, hält das angefochtene [X.]eil insoweit sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen erweisen, daß die Vor-aussetzung einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4StGB in der erörterten Beteiligungsform gemeinschaftlicher Begehung des[X.] [X.] mit den seine Zwangswirkung bewußt verstärkenden Ge-hilfen [X.] und [X.] hier ohne weiteres (mindestens) erfüllt waren.Der [X.] kann insoweit zum Schuldspruch abschließend entschei-den. Es ist auszuschließen, daß sich die Angeklagten wirkungsvoller, als ge-schehen, hätten verteidigen können, wenn der entsprechend in der Revisi-onshauptverhandlung gegebene rechtliche Hinweis bereits in der tatgerichtli-chen Verhandlung erteilt worden wäre. Zugunsten aller drei Angeklagter istbei der gegebenen Beweislage die denkbar mildeste Sachverhaltsvariantefestgestellt worden. Wie sich einer von ihnen in tatsächlicher Hinsicht nachentsprechendem Hinweis erfolgversprechend noch abweichend hätte vertei-- 9 -digen können, ist nicht ersichtlich und auch von der Verteidigung in der Revi-sionshauptverhandlung nicht begründet worden. Andererseits gibt der er-folgte Rechtsfehler keine Veranlassung, erneut umfassende tatrichterlicheTatsachenfeststellungen zur gesamten Tat zu verlangen, insbesondere etwabetreffend die Feststellbarkeit eigener Körperverletzungshandlungen derbislang als Gehilfen abgeurteilten Angeklagten oder den Einsatz des [X.], seine Kenntnis und Billigung eingeschlossen.6. Die Schuldspruchänderung zieht wegen der unterschiedlichen Straf-rahmen die Aufhebung der [X.] nach sich. Da dies auf einemSubsumtionsfehler beruht, bedarf es nicht der Aufhebung von [X.] § 353 Abs. 2 StPO. Das neue Tatgericht [X.] nunmehr gemäß § 74Abs. 1 [X.] die allgemeine Strafkammer [X.] wird die Strafzumessung auf [X.] der bisherigen auch die uneingeschränkte Schuldfähigkeit [X.] einschließenden Feststellungen, die allenfalls durch hierzu wi-derspruchsfreie weitere Feststellungen ergänzbar sind, vorzunehmen [X.] -Mit der Aufhebung der [X.] erledigen sich die sofortigenBeschwerden der Staatsanwaltschaft gegen die [X.] zugunsten der Angeklagten [X.] und [X.] .[X.] [X.] [X.]

Meta

5 StR 210/02

03.09.2002

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.09.2002, Az. 5 StR 210/02 (REWIS RS 2002, 1759)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 1759

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