Bundessozialgericht, Urteil vom 11.09.2020, Az. B 8 SO 22/18 R

8. Senat | REWIS RS 2020, 2454

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialhilfe - Kostenübernahme für den Umbau eines Badezimmers - Eingliederungshilfe - Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft - Hilfen zur Wohnungserhaltung - Erforderlichkeit der Umbaumaßnahmen - Abgrenzung zu den Leistungen für Unterkunft und Heizung


Leitsatz

1. Bei der Erforderlichkeit einer Rehabilitationsleistung bleiben in keinem unmittelbaren Kausalzusammenhang mit der konkreten Leistung stehende Maßnahmen außer Betracht.

2. Die Verbesserung und Erhaltung des privaten Wohnumfelds ist nicht an einen allgemein üblichen Wohnstandard geknüpft.

Tenor

Auf die Revision wird das Urteil des [X.] vom 12. Juli 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.] und eines [X.]odenablaufs in der Dusche sowie die Restkosten eines im Übrigen auf [X.]osten der Pflegekasse erfolgten [X.] in Höhe von insgesamt 890,26 Euro.

2

Der im Juni 2020 verstorbene [X.] litt infolge eines Motorradunfalls im Jahr 2002 ua an einer kompletten Querschnittslähmung mit neurogener [X.]lasen- und Darmentleerungsstörung, war schwerbehindert ([X.]d[X.] von 100 und Merkzeichen H, [X.], a[X.] und [X.]) und bezog vom [X.]eklagten Leistungen der [X.]rundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten [X.]apitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes [X.]uch - Sozialhilfe - (S[X.][X.] XII). [X.] war Eigentümer einer von ihm selbstbewohnten Doppelhaushälfte. Im Januar 2009 beantragte er beim [X.]eklagten unter Vorlage entsprechender [X.]ostenvoranschläge die Übernahme der Restkosten für den Umbau seines [X.]adezimmers sowie für den Einbau eines Thermostats und eines [X.]odenablaufs in der Dusche. Der [X.]eklagte lehnte die Anträge ab, da die [X.]osten der Unterkunft insgesamt unangemessen seien und nicht davon ausgegangen werde, dass [X.] sein Haus dauerhaft finanzieren könne ([X.]escheide vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]). [X.] ließ den Umbau im Jahr 2009 durchführen.

3

Die [X.]lage ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom [X.]; Urteil des [X.] vom 12.7.2017). Das LS[X.] hat ua ein [X.]utachten eines [X.]ausachverständigen eingeholt und hierauf gestützt zur [X.]egründung seiner Entscheidung insbesondere ausgeführt, der Wohnraum sei [X.] nicht erhaltenswert. Auch wenn die durchgeführten Maßnahmen für sich genommen notwendig sein könnten, stünde die Hilfe nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Erfolg, da ein behindertengerechter Umbau des Hauses insgesamt - die durchgeführten Maßnahmen stellten insoweit nur den Anfang dar - prognostisch mindestens rund 44 000 Euro kosten würde. Dies stehe nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem Wunsch des [X.], weiter in seinem Haus zu wohnen.

4

Nach dem Tod des [X.] führt dessen Prozessbevollmächtigter die Revision gegen dieses Urteil für die noch unbekannten Rechtsnachfolger fort. Mit der Revision rügt er eine Verletzung der §§ 53 Abs 1 Satz 1, 54 S[X.][X.] XII iVm § 55 Abs 1, Abs 2 [X.] Neuntes [X.]uch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (, in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung). Das LS[X.] habe festgestellt, dass der Umbau des [X.]adezimmers notwendig gewesen und [X.] behinderungsbedingt auf den Einbau eines Thermostats eines [X.]odenablaufs in der Dusche angewiesen gewesen sei. Den vom LS[X.] unter dem Aspekt einer behaupteten generellen Nichterhaltenswürdigkeit des Wohnraums angenommenen [X.]ostenvorbehalt gebe es nicht. Auch Art 19 des Übereinkommens der [X.] über die Rechte von Menschen mit [X.]ehinderungen vom 13.12.2006 (UN-[X.]ehindertenrechtskonvention ) stütze den Anspruch.

5

Der Prozessbevollmächtigte beantragt,
die Urteile des [X.] vom 12. Juli 2017 und des [X.] vom 13. März 2013 sowie die [X.]escheide des [X.]eklagten vom 24. März 2009 in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2009 aufzuheben und den [X.]eklagten zu verurteilen, an die Rechtsnachfolger des [X.] 890,26 Euro zu zahlen.

6

Der [X.]eklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält die Entscheidung des LS[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ).

9

Mit dem Tod des [X.] im Revisionsverfahren hat auf [X.]lägerseite zwar ein [X.] kraft Gesetzes stattgefunden. Eine Unterbrechung des Verfahrens (vgl § 202 SGG iVm § 239 Zivilprozessordnung ) ist jedoch nicht eingetreten, weil [X.] durch seinen Prozessbevollmächtigten vertreten war (§ 246 ZPO). Dieser führt den Rechtsstreit für die noch unbekannten Rechtsnachfolger fort (vgl [X.] vom 23.7.2014 - [X.] [X.] 14/13 R - [X.], 210 = [X.]-3500 § 28 [X.], Rd[X.]0; BSG vom 12.5.2017 - [X.] [X.] 14/16 R - [X.], 171 = [X.]-3500 § 66 [X.], Rd[X.]2 mwN).

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG) sind die Bescheide des [X.]n vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] (§ 95 SGG), mit dem der [X.] die Übernahme der [X.]osten in Höhe von 890,26 Euro für den Badumbau nebst Einbau eines Thermostats und eines [X.] abgelehnt hat.

Ob den unbekannten Rechtsnachfolgern des während des Revisionsverfahrens verstorbenen [X.] in der Sache Ansprüche gegen den [X.]n aus übergegangenem Recht zustehen, kann nicht abschließend entschieden werden. Im Grundsatz steht den Rechtsnachfolgern der im Streit stehende Anspruch dann zu, wenn sich die übereinstimmende Annahme der Beteiligten, der Nachlass sei wegen der bereits durchgeführten Umbaumaßnahmen noch mit Schulden belastet, als richtig erweist (zu den Voraussetzungen der Vererblichkeit von [X.] nach Maßgabe der §§ 58, 59 Sozialgesetzbuch [X.] <[X.] I> vgl BSG vom 12.5.2017 - [X.] [X.] 14/16 R - [X.], 171 = [X.]-3500 § 66 [X.], Rd[X.]4 mwN; BSG vom [X.] [X.] 4/16 R - [X.]-3500 § 17 [X.] Rd[X.]3). Denn die (noch zu ermittelnden unbekannten) Erben haben in diesem Fall die entstandenen Verbindlichkeiten zu begleichen; lediglich wenn der Fiskus der gesetzliche Erbe ist, kann dieser die Ansprüche von vornherein nicht geltend machen (vgl § 58 Satz 2 [X.] I).

Der [X.] kann mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des [X.] nicht beurteilen, ob sich wegen der von [X.] geltend gemachten [X.]osten für Umbaumaßnahmen seines Hauses Ansprüche auf Leistungen zur Teilhabe am Leben in der [X.] (die das [X.] allein geprüft hat) oder Ansprüche auf vorrangig zu erbringende [X.]osten der Unterkunft ergeben können. Die Abgrenzung von einer Leistung zur Teilhabe am Leben in der [X.] von einer Leistung zur Deckung von [X.]n richtet sich dabei danach, ob allein behinderungsbedingt weitere [X.]osten für Wohnbedarf entstehen, die von Leistungen des Lebensunterhalts nicht, nicht vollständig oder nicht ohne Einschränkungen umfasst werden (vgl BSG vom [X.] - [X.] [X.] 12/17 R - [X.], 43 = [X.]-3500 § 53 [X.], Rd[X.] 28 f; im Einzelnen später).

Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Zahlung der [X.]osten für den Umbau als Leistung der Eingliederungshilfe ist § 19 Abs 3 Satz 1 [X.] XII (in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das [X.] vom 27.12.2003 - [X.] 3022, im Folgenden alte Fassung ) iVm §§ 53, 54 Abs 1 Satz 1 [X.] XII aF und § 55 Abs 2 [X.] 5 [X.] IX (in der Fassung des [X.] schwerbehinderter Menschen vom 23.4.2004 - [X.] 606; im Folgenden aF). Für Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem [X.] XII ist der [X.]reis P als örtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 3 Abs 2 [X.] XII iVm § 1 Abs 1 Satz 1 Gesetz zur Ausführung des [X.] Sozialgesetzbuch vom 17.12.2010, GVOBl 2010, 789, 813) sachlich zuständig (vgl § 97 Abs 1 und 2 [X.] XII iVm § 2 Abs 1 AG-[X.] XII). Seine örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 98 Abs 1 [X.] XII. Im Übrigen ist der [X.] ohnehin als erstangegangener Rehabilitationsträger nach § 14 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 [X.] IX (idF des [X.] schwerbehinderter Menschen vom 23.4.2004, [X.] 606) zuständig. Richtiger [X.]r ist der Landrat des [X.]reises als beteiligtenfähige Behörde iS von § 70 [X.] SGG ([X.], vgl § 5 des schleswig-holsteinischen Ausführungsgesetzes zum SGG vom 2.11.1953 idF der Bekanntmachung vom 31.12.1971, Gesetz und Verordnungsblatt 1971, 182; vgl BSG vom 28.8.2018 - [X.] [X.] 5/17 R - [X.]/[X.] 2019, 87; BSG vom 16.10.2007 - [X.]/9b [X.] 2/06 R - [X.], 131 = [X.]-3500 § 28 [X.], Rd[X.]1).

[X.] erfüllte auf Grundlage der bindenden Feststellungen des [X.] (vgl § 163 SGG) die personenbezogenen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Eingliederungshilfe. Nach § 53 Abs 1 [X.] XII aF erhalten Personen, die durch eine Behinderung iS von § 2 Abs 1 Satz 1 [X.] IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der [X.], eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. [X.] war infolge der Querschnittslähmung auf einen Rollstuhl angewiesen und damit wesentlich in seiner Fähigkeit eingeschränkt, an der [X.] (vgl § 1 [X.] Eingliederungshilfe-Verordnung idF von Art 13 [X.] 2 des Gesetzes vom 27.12.2003 ).

Leistungen zur Teilhabe am Leben in der [X.] sind nach § 55 Abs 2 [X.] 5 [X.] IX aF (nunmehr § 77 Abs 1 [X.] IX idF des [X.] und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen - [X.] - vom 23.12.2016 - [X.] 3234) auch Hilfen bei Beschaffung, dem Umbau, der Ausstattung und der Erhaltung der Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen der behinderten Menschen entspricht. Die Hilfe zur Wohnungserhaltung iS von § 55 Abs 2 [X.] 5 [X.] IX aF umfasst ua notwendige Umbauten zur behindertengerechten Gestaltung einer Wohnung auch dann, wenn der behinderte Mensch bereits eine Wohnung besitzt (BT-Drucks 14/5074, [X.]). Feststellungen zur Notwendigkeit der beantragten und später durchgeführten Baumaßnahmen, dh zur konkreten Erforderlichkeit des [X.], des [X.] und des [X.], hat das [X.] ausgehend von seiner Rechtsauffassung nicht getroffen. Seine Rechtsansicht, Hilfen zur Wohnungserhaltung stünden einem behinderten Menschen nur unter weiteren einschränkenden Voraussetzungen zu, sodass allein die konkrete Erforderlichkeit einer beantragten Maßnahme für einen Anspruch nicht ausreiche, findet im Gesetz jedoch keine Stütze.

Erforderlich ist eine Rehabilitationsmaßnahme dann, wenn sie, ausgehend von Art und Schwere der Behinderung und den hieraus resultierenden Einschränkungen, unter prognostischer Betrachtung geeignet und notwendig ist, das in Frage stehende [X.] - hier die Erhaltung des eigenen [X.] - zu erreichen (vgl BSG vom 9.12.2016 - [X.] [X.] 8/15 R - [X.], 154 = [X.]-3500 § 53 [X.] 5, Rd[X.] 22; BSG vom 6.12.2018 - [X.] [X.] 7/17 R - [X.]-3500 § 54 [X.]7 Rd[X.] 21). Das [X.] der Verbesserung und Erhaltung des privaten [X.] ist dabei - anders als das [X.] meint - nicht zwingend an die Erreichung eines bestimmten (objektivierbaren) Wohnstandards und dabei die Einhaltung bestimmter baulicher Maßgaben (etwa die [X.] für barrierefreies Planen und Bauen bei Wohnungen) geknüpft. Es gilt - wie auch sonst bei der Eingliederungshilfe - ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der keine pauschalierenden Betrachtungen zulässt (vgl zuletzt BSG vom 28.8.2018 - [X.] [X.] 9/17 R - [X.], 210 = [X.]-3500 § 18 [X.] 4; BSG vom 6.12.2018 - [X.] [X.] 7/17 R - [X.]-3500 § 54 [X.]7 Rd[X.]7, jeweils mwN). Maßgeblich sind damit die individuellen Wünsche des behinderten Menschen, der selbst über seine (private) Lebensführung entscheidet. Ein durch seine Wünsche (mit)bestimmtes [X.] ist legitim und entspricht gerade dem vom Gesetz anerkannten Ziel eines den besonderen Bedürfnissen behinderter Menschen entsprechenden Wohnraums (zu den Zielen der Leistungen nach § 55 [X.] IX vgl BSG vom 19.5.2009 - [X.] [X.] 32/07 R - [X.], 171 = [X.]-3500 § 54 [X.] 5, Rd[X.]6), der ihnen die Führung eines möglichst selbstbestimmten eigenverantwortlichen Lebens ermöglicht (§ 4 Abs 1 [X.] 4 [X.] IX; zum selbstbestimmten Wohnen als Aspekt der [X.] Teilhabe vgl auch BSG vom [X.] - [X.] [X.] 12/17 R - [X.], 43 = [X.]-3500 § 53 [X.], Rd[X.] 28 f).

Auch der Paradigmenwechsel, den Art 3 Abs 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) mit sich gebracht hat, und der Menschen mit Behinderungen ermöglichen soll, so weit wie möglich ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben zu führen (zuletzt [X.] <[X.]> vom 30.1.2020 - 2 BvR 1005/18 - NJW 2020, 1282, Rd[X.]6 f, 47 mwN) stützt diese Auslegung. Nach dem Willen des [X.] fließt das Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen als Teil der objektiven Wertordnung auch in die Auslegung des einfachen Rechts, insbesondere unbestimmter Rechtsbegriffe, ein (vgl zur "Ausstrahlungswirkung" der Norm [X.] vom 30.1.2020 aaO Rd[X.]7, 41), weshalb es bei der Auslegung der "besonderen Bedürfnisse" des behinderten Menschen iS des § 55 Abs 2 [X.] 5 [X.] IX aF im Ausgangspunkt darauf ankommt, wie dieser sich in seiner Individualität selbst begreift (vgl [X.] vom 11.10.1978 - 1 BvR 16/72 - [X.]E 49, 286 <298>). Schließlich bekennt sich Art 19 UN-BR[X.] (iVm dem Gesetz vom 21.12.2008 - [X.]I 1419 -, in der [X.] in [X.] seit [X.] - [X.]I 812) ausdrücklich zum Recht auf selbstbestimmtes Wohnen; auch dies ist bei der Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte (dazu [X.] B 1 [X.]R 10/11 R - [X.], 194 = [X.]-1100 Art 3 [X.] 69, Rd[X.]1 mwN) sowie der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe zu beachten (vgl Roller, [X.] 2016, 18; dazu auch BSG vom 10.9.2020 - B 3 [X.]R 15/19 R, juris Rd[X.] 27, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen).

Die Prüfung der Erforderlichkeit einer Maßnahme, dh einer konkreten Unternehmung, die ein bestimmtes Ergebnis bewirken soll, beurteilt sich damit konkret nach deren Zielen und [X.]osten. Sie lässt zwar die Prüfung von Alternativen zur Erreichung des Ziels zu, erlaubt aber nicht die Einbeziehung hypothetisch denkbarer, konkret nicht anstehender zusätzlicher Maßnahmen, die zu einem späteren Zeitpunkt anfallen oder sich ggf als sinnvoll erweisen könnten, aber in keinem unmittelbaren [X.]ausalzusammenhang mit der konkret in Frage stehenden Maßnahme stehen. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem vom [X.] geprüften Gesamtumbau des Hauses besteht wegen der vorliegend streitigen [X.]osten schon deshalb nicht, weil die (von [X.] später auch durchgeführten) Maßnahmen allein die Sanitäranlagen betreffen. [X.] musste sich deshalb nicht entgegenhalten lassen, konkret notwendige Maßnahmen könnten nicht erfolgen, weil andere Teile des Hauses (noch) nicht behinderungsgerecht umgebaut seien und die Realisierung eines solchen vollständigen Umbaus zu kostenintensiv sei. Ob die Gewährung von Leistungen zur Verbesserung des [X.] ausscheidet, wenn ein existenzfestes Leben des behinderten Menschen in der gewählten Wohnung schlechterdings nicht möglich erscheint, kann offenbleiben; für einen solchen Sachverhalt bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte.

Bei der konkreten Prüfung der Erforderlichkeit, die das [X.] anhand der aufgezeigten Maßstäbe nachzuholen hat, spricht vieles dafür, dass sowohl ein Thermostat als Maßnahme zur Verminderung des Verbrühungsrisikos am Unterkörper bei dem alleinlebenden querschnittsgelähmten [X.] als auch ein fachgerechter Dusch-Bodenablauf mit Geruchsverschluss bei dem unter Blasen- und Darmentleerungsstörung leidenden [X.] geeignet und erforderlich gewesen sind, um ihm eine alltägliche angemessene Lebensführung und selbstbestimmtes Wohnen in seinem Eigenheim zu ermöglichen; dies sind nach dem Gesagten legitime Ziele im Rahmen der Eingliederungshilfe. Was den Badumbau angeht, wird das [X.] auch den Zustand des Bads vor und nach dem Umbau in die Betrachtung einzubeziehen haben. Da die Pflegekasse nach Einholung eines MD[X.]-Gutachtens den Badumbau mit dem Höchstbetrag von 2557 Euro bezuschusst hat (§ 40 Abs 4 [X.] XI aF), spricht vieles dafür, dass es sich um eine (auch) behinderungsbedingt erforderliche Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes gehandelt hat. Die vorgelegten Auflistungen und Rechnungen der durchgeführten Arbeiten lassen eine unangemessen kostspielige Ausführung schließlich nicht erkennen, sodass auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, der im [X.] XII in § 9 Abs 2 Satz 3 [X.] XII Ausdruck gefunden hat, auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des [X.] nicht entgegen steht.

Leistungen der Eingliederungshilfe sind allerdings dort nicht notwendig (§ 4 [X.] IX), wo sie durch Ansprüche auf andere Sozialleistungen abgedeckt werden. Wie der [X.] bereits entschieden hat, gehen Ansprüche vor, soweit die in Rede stehenden [X.]osten das Grundbedürfnis des Wohnens für behinderte als auch für nicht behinderte Menschen gleichermaßen sichern (vgl bereits BSG vom [X.] - [X.] [X.] 12/17 R - [X.], 43 = [X.]-3500 § 53 [X.], Rd[X.] 29 f). Soweit es sich bei den [X.]osten für die Umbaumaßnahmen nicht um (allein) behinderungsbedingt erforderliche Maßnahmen gehandelt hat, kommt ein Anspruch auf Deckung von [X.]n im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 29 Abs 1 [X.] XII aF (in der bis 31.12.2010 gültigen Fassung vom 2.12.2006, [X.] 2670, jetzt § 35 [X.] XII) in Betracht, der dann vorrangig wäre. Zuständig hierfür wäre im Ausgangspunkt der [X.] (§ 97 Abs 1, § 98 Abs 1 Satz 1 [X.] XII iVm §§ 2 Abs 1, 2a Abs 1 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung des [X.] Sozialgesetzbuch vom 17.12.2010 GVOBl 2010, 789, 813), der aber die Aufgabenwahrnehmung auf die [X.] übertragen hat; ob diese insoweit im eigenen Namen handelt (vgl BSG vom [X.] - [X.] [X.] 20/16 R - [X.], 293 = [X.]-3500 § 23 [X.] 4, Rd[X.]3) und ggf zum Rechtsstreit beizuladen ist, wird das [X.] zu prüfen haben.

Nach § 19 Abs 2, § 42a Abs 2 iVm § 29 Abs 1 Satz 1 [X.] XII aF werden Bedarfe für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen übernommen. [X.] in diesem Sinne sind beim selbstbewohnten Eigenheim auch Aufwendungen für notwendige Instandhaltungs- und Reparaturmaßnahmen. Diese Auslegung, die bereits vor Einführung des [X.] ([X.] II) und dem [X.] XII im [X.] ([X.]) galt, gilt auch für § 29 [X.] XII aF. Der Rechtsprechung der für das [X.] II zuständigen [X.]e des BSG, wonach unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum anzuerkennen sind, schließt sich der [X.] für die Bedarfe für die Unterkunft nach dem [X.] XII an (vgl zu § 22 Abs 1 Satz 1 [X.] II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung bereits BSG vom [X.] - B 4 [X.]/08 R - [X.]-4200 § 22 [X.]7 Rd[X.]4; ebenso jetzt zu § 35 [X.] XII Berlit in LP[X.]-[X.] XII, 12. Aufl 2020, § 35 Rd[X.]2; Löcken in jurisP[X.]-[X.] XII, 3. Aufl 2020, § 35 Rd[X.] 62; enger Wrackmeyer-Schöne in [X.]/[X.]/[X.], [X.] XII, 7. Aufl 2020, § 35 Rd[X.] 47). Hierunter können auch notwendige Umbaumaßnahmen fallen, die (unabhängig von der Behinderung des [X.]) der Sicherung und Erhaltung der Substanz und der Aufrechterhaltung der Bewohnbarkeit dienten und notwendig waren (vgl BSG vom 18.9.2014 - B 14 [X.]/13 R - [X.]-4200 § 22 [X.] 79 Rd[X.]7 f). Dem steht nicht entgegen, dass § 22 Abs 2 [X.] II (idF des [X.] [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 <[X.] 453>) dies seit dem 1.1.2011 ausdrücklich normiert, ein entsprechender Passus in § 35 [X.] XII aber fehlt. § 22 Abs 2 [X.] II konkretisiert lediglich die Rechtsprechung des BSG (so für Modernisierungsmaßnahmen, die vor Inkrafttreten der Änderung durchgeführt worden sind, bereits BSG vom 18.9.2014 - B 14 [X.]/13 R - [X.]-4200 § 22 [X.] 79 Rd[X.]17 ff), wobei der Gesetzgeber darauf hingewiesen hat, dass Eigentümer und Mieter nach denselben Grundsätzen zu behandeln sind (vgl BT-Drucks 17/3404, [X.]). Gerade dieser Aspekt gilt für Leistungsberechtigte nach dem [X.] XII in gleicher Weise.

Bei der abschließenden Prüfung der Angemessenheit solcher [X.]osten (zur Angemessenheit von einmaligen [X.]osten für selbst genutztes Wohneigentum BSG vom 18.9.2014 - B 14 [X.]/13 R - [X.]-4200 § 22 [X.] 79 Rd[X.] 24 mwN), die das [X.] ggf durchzuführen hat, kommt es nicht auf eine Prognose an, ob [X.] sein Eigenheim auf Dauer hätte finanzieren können (vgl bereits BSG vom 7.11.2006 - B 7b [X.]/06 R - [X.], 231 = [X.]-4200 § 22 [X.] 2, Rd[X.] 25: kein "Alles-oder-Nichts-Prinzip"), zumal [X.] mit seiner kreditgebenden Bank eine zumindest befristete Einigung zur weiteren Durchführung der Finanzierung erzielt hatte. Bei dem in Rede stehenden Betrag liegt die Angemessenheit der [X.]osten bezogen auf die zur Anwendung kommende Jahresgrenze nahe; ob eine [X.]ostensenkungsaufforderung (§ 29 Abs 1 Satz 3 [X.] XII aF; zu deren Notwendigkeit auch bei einmalig anfallenden Instandhaltungsmaßnahmen BSG vom 18.9.2014 - B 14 [X.]/13 R - [X.]-4200 § 22 [X.] 79 Rd[X.] 25 mwN) vorgelegen hat, kann nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens deshalb dahinstehen.

Das [X.] wird ggf auch über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 8 SO 22/18 R

11.09.2020

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Itzehoe, 13. März 2013, Az: S 15 SO 41/10, Urteil

§ 53 Abs 1 S 1 SGB 12, § 54 Abs 1 S 1 SGB 12 vom 27.12.2003, § 55 Abs 2 Nr 5 SGB 9 vom 23.04.2004, § 4 Abs 1 SGB 9, § 42 S 1 Nr 2 SGB 12 vom 02.12.2006, § 29 Abs 1 S 1 SGB 12 vom 27.12.2003, Art 3 Abs 3 S 2 GG, Art 19 UNBehRÜbk

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 11.09.2020, Az. B 8 SO 22/18 R (REWIS RS 2020, 2454)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2454

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2 BvR 1005/18

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