Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.12.2012, Az. III ZR 282/11

III. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 352

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 282/11
vom

13. Dezember 2012

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

ZPO § 23

Als hinreichender Inlandsbezug für die Anwendung des § 23 ZPO ist der Wohn-sitz des [X.] in [X.] anzusehen (im [X.] an das Senatsurteil vom 24.
November 1988 -
III
ZR 150/87, NJW 1989, 1431).

[X.], Beschluss vom 13. Dezember 2012 -
III ZR 282/11 -
OLG [X.]/Main

LG [X.]/Main
-

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Der III.
Zivilsenat des
[X.] hat am
13. Dezember 2012
durch den Vizepräsidenten [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] und Seiters

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der [X.] wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.] am Main vom 28.
November 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das [X.] zurückverwiesen.

Der Streitwert für das [X.] wird auf 30.000

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von der [X.], einer internationalen Ratingagen-tur, Schadensersatz wegen des Erwerbs von Zertifikaten, deren Emittentin
die [X.] L.

B.V. war. Hierbei handelt es sich um eine Tochter-
beziehungsweise
Enkelgesellschaft der L.

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Inc., [X.], über deren Vermögen am 15.
September 2008 das [X.] eröffnet wurde. Der Emissionsprospekt enthielt die Angabe, dass so-wohl der Emittentin als auch der L.

Inc. durch die beklagte [X.] eine Kreditwürdigkeit von A+ bescheinigt worden. Die Beurteilung der Kreditwürdigkeit erfolgte aufgrund eines zwischen der [X.] und der Emittentin abgeschlossenen Vertrags, der dem Recht
des Staates [X.] unterlag.

Der Kläger hat vor dem [X.] [X.]
am Main
Klage auf [X.] von Schadensersatz erhoben und die Zuständigkeit aus §
23 ZPO herge-leitet. Das [X.] hat
die Klage unter einer Adresse
in [X.] am Main
zugestellt, die im Internetauftritt der [X.] als "Office"
bezeichnet wird. Die entsprechenden Geschäftsräume
werden von einer
Schwestergesellschaft der [X.] genutzt.

Das [X.] hat die
abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet und die Klage
als
unzulässig abgewiesen, weil es sich für örtlich unzuständig gehalten hat. Insbesondere ergebe sich auch aus
§
23 ZPO
keine Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.

Auf die Berufung des [X.] hat das Berufungsgericht das Urteil des [X.]s aufgehoben und die Klage für zulässig erklärt.

Gegen die Nichtzulassung der Revision
im Urteil des Berufungsgerichts
hat die Beklagte Beschwerde eingelegt.

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II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der [X.] hat in der Sache Erfolg. Sie führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, im Gegensatz zur Auffassung des [X.]s sei die Klage zulässig. Ob -
wie erstinstanzlich zunächst von der [X.] in Zweifel gezogen
-
die Klage wirksam gemäß §
178 ZPO zugestellt worden sei, könne dahingestellt bleiben. Die Beklagte habe sich auf die Klage insoweit [X.] eingelassen (§
295 ZPO). Zudem habe die Beklagte diesen
Mangel gekannt, sei in der mündlichen Verhandlung erschienen und habe [X.] des [X.] diesen Aspekt dennoch nicht ausdrücklich gerügt. Dieser Punkt sei im Laufe des Verfahrens nicht näher thematisiert und insbesondere von der [X.] nicht mehr zum Gegenstand des [X.] gemacht worden. Entsprechend könne auch nicht von einer konklu-dent erklärten [X.] in der mündlichen Verhandlung ausgegangen werden. Damit trete die Rechtsfolge des §
295 ZPO ein. Die etwaige Verletzung der mangelnden Klagezustellung könne nicht mehr gerügt werden.

Die örtliche Zuständigkeit des [X.]s [X.] am Main ergebe sich
aus §
23 ZPO. Die Beklagte habe im Inland befindliches Vermögen. Dieses sei auch im Blick ein auf etwaig zu vollstreckendes
Urteil nicht unangemessen gering. Weiter sei auch der erforderliche Inlandsbezug
gegeben, weil der Kläger seinen Aufenthalt und Wohnsitz in [X.] innehabe und darüber hinaus noch [X.] Staatsbürger sei.

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III.

Die Revision ist zuzulassen und begründet, weil das angegriffene Urteil die Beklagte in ihrem Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art.
103 Abs.
1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Das Urteil ist daher nach §
544 Abs.
7 ZPO aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

1.
Mit Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, das [X.] habe das Recht der [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art.
103 Abs.
1 GG)
verletzt, in dem es von einer wirksamen Zustellung der Klageschrift als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage ausgegangen sei.

Mit seiner Begründung, die Beklagte habe sich in erster Instanz zur Sa-che eingelassen, ohne die [X.] der fehlenden Klagezustellung zu erheben

295 ZPO),
setzt sich das Berufungsgericht
über zentrales
Vorbringen
des [X.] hinweg. Gleiches gilt
für die Annahme,
die Frage der wirksamen [X.]zustellung sei nicht mehr zum Gegenstand des Berufungsverfahrens ge-macht worden.

a) Die Beklagte hat
bereits vor der eigentlichen Klageerwiderung mit Schriftsatz vom 9. August 2010 beanstandet, dass der "[X.]"
die Klage
nicht wirksam zugestellt worden sei. Mit weiterem Schriftsatz vom 25.
August 2010 hat sie mitgeteilt, dass sie an ihrer Auffassung zur Unwirksam-keit der Zustellung festhalte, sich jedoch im Hinblick auf die vom Gericht geäu-ßerte gegenteilige Meinung zur fehlenden Zuständigkeit des Gerichts sowie vorsorglich zur Sache äußern werde. Die Schriftsätze der [X.]
bieten mit-hin keinen
Anhalt dafür, dass die Beklagte ihre
[X.] fallengelassen hat.
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Soweit das Berufungsgericht darauf abstellt, dass die Beklagte ausweis-lich des [X.] in der mündlichen Verhandlung die [X.] nicht ausdrücklich erhoben habe,
übersieht es bereits, dass das [X.]
im Tat-bestand seines Urteils
festgestellt
hat, dass nach Auffassung der
[X.]
die die Klage nicht
ordnungsgemäß zugestellt worden sei.
Des Weiteren lässt das Berufungsgericht außer [X.], dass nach
der ständigen
Rechtsprechung des [X.]
im Zweifel mit der Antragstellung in
der mündlichen Ver-handlung eine Bezugnahme der Parteien auf den Inhalt der zur Vorbereitung vorgelegten Schriftstücke verbunden ist ([X.], Urteil vom 12.
März 2004 -
V
ZR 257/03,
[X.]Z 158, 269, 281 mwN). Vorliegend
ergibt sich aus dem Protokoll der
mündlichen Verhandlung vor dem [X.], dass
Schriftsätze [X.], Schriftsatznachlässe
beantragt und gewährt worden sind sowie die Rechtslage erörtert worden ist. Sodann hat der [X.]vertreter die Abwei-sung der Klage als unzulässig beantragt. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass in
diesem Termin abgesondert allein über die Zulässigkeit der Klage
ver-handelt worden ist. Der Ablauf der mündlichen Verhandlung
lässt danach kei-nen Zweifel daran aufkommen, dass sämtliche Zulässigkeitsrügen zum Gegen-stand der mündlichen Verhandlung gemacht geworden sind. Davon ist auch das [X.] ausgegangen. Von einer
[X.]en
Einlassung nach §
295 ZPO kann
daher
keine Rede
sein.

b) Die [X.] der Zulässigkeit der Klage ist auch in der Berufungsinstanz nicht fallengelassen worden. Die Beklagte hat
im Berufungsverfahren ihr [X.] wiederholt, dass sie in [X.] weder ihren Sitz noch eine Nieder-lassung habe und es in [X.]
am Main auch keinen "Scheinsitz"
bezie-hungsweise keine "Scheinniederlassung"
gebe. Dieser Sachvortrag ist nicht nur für die Frage der -
vom [X.] verneinten
-
örtlichen Zuständigkeit des 13
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[X.]s [X.] am Main, sondern auch für die Frage der Wirksamkeit der Klagezustellung relevant. Die Beklagte hat zugleich die Abweisung der [X.] als unzulässig weiterverfolgt und insoweit die Zurückweisung der Berufung beantragt. Die in erster Instanz vorgetragenen [X.]n zur Zulässigkeit der Klage waren damit auch Gegenstand des Berufungsverfahrens. Mit dem zulässigen Rechtsmittel der Berufung gelangt grundsätzlich der gesamte aus den Akten ersichtliche Sachvortrag erster Instanz ohne weiteres in die Berufungsinstanz. Das gilt auch für solches Vorbringen, das vom Gericht erster Instanz für uner-heblich gehalten worden ist
(vgl. [X.], Urteil vom 22.
April 2010 -
IX
ZR 160/09, NJW-RR 2010, 1286 Rn.
10).

2.
Da das Berufungsgericht zur Frage der wirksamen Klagezustellung nicht die erforderlichen
Feststellungen getroffen hat, ist das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die [X.]n der Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergebe sich aus §
23 ZPO,
nicht durchgreifen. Insoweit beanstandet die Nichtzulassungsbeschwerde allein, dass der
inländische Wohnsitz des [X.] nicht ausreichend sei, den für §
23 ZPO notwendigen Inlandsbezug zu
bejahen. Zwar trifft es zu, dass nach der Rechtsprechung des [X.] eine Anwendung des §
23 ZPO nur in Betracht
kommt, wenn der Rechtsstreit einen über die Vermögensbelegenheit hinausgehenden Inlandsbezug aufweist (Urteil vom 2.
Juli
1991 -
IX
ZR 206/90, [X.]Z 115, 90, 94
ff). Bei der Frage, welche Anforderungen insoweit zu stellen sind, ist aber die
Entstehungsgeschichte der Norm in den Blick zu nehmen. [X.] sollte mit der
Regelung in §
24 [X.] von 1877
(seit der Novelle von 1898:
§
23), -
von der Überlegung
getragen, Ausländern mit im Inland gelegenem 15
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Vermögen könnten andernfalls nicht verklagt werden
-
ein
Auffanggerichtsstand für klagende Inländer, und zwar ohne Rücksicht auf ihre
Staatsangehörigkeit, geschaffen
werden ([X.] aaO). Demgemäß hat das [X.] den Gedan-ken des Inländerschutzes bei der Anwendung des §
23 ZPO hervorgehoben (vgl. [X.], 400, 403, 405). Ausgehend von diesen Überlegungen hat der Se-nat bereits
den Wohnsitz des [X.] im Inland als ausreichend für die Anwen-dung des §
23 ZPO und damit als hinreichenden Inlandsbezug anerkannt (Se-natsurteil vom 24.
November 1988 -
III
ZR 150/87, NJW 1989, 1431). Von die-ser Senatsrechtsprechung abzuweichen, gibt der vorliegende Sachverhalt kei-nen Anhalt, zumal der Kläger nicht
nur seinen Wohnsitz im Inland hat, sondern auch [X.] Staatsangehöriger ist.

[X.]
[X.]
[X.]

[X.]
Seiters

Vorinstanzen:
LG [X.]/Main, Entscheidung vom 20.04.2011 -
2-13 O 111/10 -

OLG [X.]/Main, Entscheidung vom 28.11.2011 -
21 [X.] -

Meta

III ZR 282/11

13.12.2012

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.12.2012, Az. III ZR 282/11 (REWIS RS 2012, 352)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 352

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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