Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.06.2010, Az. VIII ZR 135/08

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5553

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[X.][X.]M NAMEN DES VOLKES URTE[X.]L V[X.][X.][X.] ZR 135/08 Verkündet am: 23. Juni 2010 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: ja (zu [X.], [X.][X.]) [X.]R: ja [X.] [X.]-VO Art. 1, Art. 3, Art. 5 Nr. 1, Art. 6, Art. 23, Art. 27, Art. 60; C[X.]SG Art. 4, Art. 31, Art. 57; [X.][X.] Art. 28, Art. 32 a) Bei einem grenzüberschreitenden Versendungskauf ist für die Bestimmung des [X.] im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO an den Ort anzuknüpfen, an dem die mit dem Kaufvertrag erstrebte Übertragung der Sachen vom Verkäufer an den Käufer durch deren Ankunft an ihrem endgülti-gen Bestimmungsort vollständig abgeschlossen ist und der Käufer die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen (An-schluss an [X.], [X.], 1059). b) Ein nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO bestehender beson-derer Gerichtsstand des [X.] erfasst sämtliche Klagen aus ein und demselben Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen und nicht nur diejenige aus der Lieferverpflichtung an sich. Das gilt ungeachtet der jeweils gewählten [X.] oder Rechtsschutzform. [X.], Urteil vom 23. Juni 2010 - V[X.][X.][X.] ZR 135/08 - [X.]

LG München [X.] - 2 - Der V[X.][X.][X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2010 durch den Vorsitzenden [X.], die Richterin [X.], [X.] Achilles und [X.] sowie die Richterin [X.] für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 23. Zivilsenats des [X.] vom 17. April 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der in [X.] ansässige Kläger war für die in [X.]talien ansässige Be-klagte, die Holzwaren nach [X.] importiert, in langjähriger Geschäfts-beziehung als Handelsvertreter tätig. Dieses Handelsvertreterverhältnis [X.] er aus Altersgründen zum 31. August 2006. Daneben bezog er auf eigene Rechnung von der [X.] Holzwaren. Aus diesen Lieferungen sind noch zwei [X.] in Höhe von unstreitig insgesamt 43.141,42 • für Waren offen, welche die Beklagte auf der Grundlage der dabei verwendeten Klausel "[X.]: [X.]" aus [X.]talien an den Geschäftssitz des [X.] in [X.] versandt hatte. [X.]nsoweit hat die Beklagte nach Rechtshängigkeit 1 - 3 - der vorliegenden Klage ihrerseits gegen den Kläger bei dem für ihren Sitz zu-ständigen [X.] Gericht Klage auf Zahlung erhoben. 2 Der Kläger hält die [X.] aufgrund einer von ihm erklär-ten Aufrechnung mit Gegenforderungen in Höhe von insgesamt 49.007,11 • für erloschen. Diese Gegenforderungen leitet er aus offenen Handelsvertreterpro-visionen, einem von ihm beanspruchten [X.] sowie einer von ihm ferner beanspruchten Vergütung für weitere in [X.] erbrachte Dienstleistungen her. Der von ihm hierauf gestützten negativen Feststellungs-klage, dass er der [X.] aus den beiden Warenlieferungen nichts mehr schulde, ist die Beklagte in beiden Rechtszügen in erster Linie mit der Rüge der fehlenden örtlichen und internationalen Zuständigkeit des vom Kläger angeru-fenen [X.]s München [X.] entgegengetreten; hilfsweise hat sie sich gegen den Bestand der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen sowie die Zu-lässigkeit einer Aufrechnung gewandt. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat auf die Berufung der [X.] das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage (als unzulässig) abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelas-senen Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter. 3 Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg. 4 [X.]. Das Berufungsgericht ([X.], [X.]PRax 2009, 69) hat, soweit für das Revisionsverfahren von [X.]nteresse, ausgeführt: 5 - 4 - Zur Entscheidung über die erhobene Klage sei entgegen der Auffassung des [X.]s eine internationale Zuständigkeit des angerufenen [X.] Gerichts nicht gegeben. Eine vertragliche Regelung zum Erfüllungsort hätten die Parteien nicht getroffen. Die Klausel "[X.]: [X.]", was mit "[X.] frei Absendung" zu übersetzen sei, betreffe nur die Frage der Frachtkos-ten, enthalte jedoch keine Regelung zum Erfüllungsort. Soweit der Kläger erst-mals im [X.] die Vereinbarung einer Bringschuld beziehungs-weise die Bestellung auf der Grundlage einer Ankunftsklausel behauptet habe, sei dieser Vortrag wegen Verspätung nicht zu berücksichtigen und widerspre-che im Übrigen auch den vorgelegten Transportdokumenten, welche die [X.] eines [X.] widerlegten. Keinen Einfluss auf den Erfül-lungsort des den Gegenstand der Feststellungsklage bildenden Kaufpreisan-spruchs habe weiter der Umstand, dass es dem Kläger im Ergebnis um eine Durchsetzung seiner zur Aufrechnung gestellten eigenen Gegenforderungen gehe. Ebenso wenig ergebe sich ein inländischer Erfüllungsort aus Art. 6 Nr. 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Ent-scheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. [X.] Nr. L 12 S. 1 - EuGVVO), da diese Vorschrift keine Anwendung finde, wenn eine Forderung als bloßes Ver-teidigungsmittel in das Verfahren eingeführt werde. 6 Eine internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte ergebe sich entge-gen der Auffassung des [X.]s auch nicht aus der Erfüllungsortzustän-digkeit nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. [X.]. [X.]m Sinne dieser Bestimmung sei als Ort, an dem nach dem Vertrag geliefert worden ist, der Ort der Übergabe an das (selbständige) Transportunternehmen und damit der [X.] zu [X.]. Zwar ließen die Textfassungen einzelner Amtssprachen auch eine Ausle-gung zu, nach der eine Zuständigkeitsanknüpfung an den Ort der Ankunft der Ware bei dem Käufer möglich sei. [X.]nsgesamt spreche ein Fassungsvergleich 7 - 5 - aber deutlich für eine Anknüpfung an den Ort der Absendung. Dieses [X.] sei deshalb aus Gründen der Rechtsklarheit vorzugswürdig, zumal dem für eine Anknüpfung an den Ankunftsort angeführten Argument der Sach- und Beweisnähe längst nicht in allen Fällen eine hinreichende Bedeutung zukomme. [X.][X.]. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Zulässigkeit der Klage nicht verneint werden. 8 1. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht von einem Fehlen der [X.] Zuständigkeit der [X.] Gerichte, die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in jedem [X.] wegen zu prüfen ist ([X.] 153, 82, 84 ff.; [X.]surteil vom 16. Dezember 2009 - V[X.][X.][X.] ZR 119/08, [X.], 251, [X.]. 8 m.w.[X.]), ausgegangen. 9 Die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte beurteilt sich, da die Parteien ihren Sitz jeweils im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsst[X.]tes haben und die in [X.]talien ansässige Beklagte abweichend von Art. 2 EuGVVO vor den [X.]en eines anderen Mitgliedsst[X.]tes, nämlich in [X.], verklagt wird, gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 60 Abs. 1 EuGVVO nach [X.] der Art. 5 bis 24 EuGVVO. Die Beklagte hat das Fehlen einer [X.] Zuständigkeit [X.] Gerichte in beiden Rechtszügen von Anfang an gerügt und in zulässiger Weise lediglich vorsorglich für den Fall, dass das ange-rufene [X.] Gericht den Gerichtsst[X.]t nach dem maßgeblichen Zuständig-keitsrecht für international zuständig halten sollte, auch Ausführungen zur Hauptsache gemacht, so dass es an einer zuständigkeitsbegründenden [X.] auf das Verfahren im Sinne von Art. 23 EuGVVO fehlt (vgl. [X.] - 6 - mer/Schütze/[X.], Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., [X.] 1 Art. 24 [X.]. 46 m.w.[X.]). Jedoch ist eine Zuständigkeit [X.] Gerichte nach [X.] von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a und [X.] gegeben, weil der Erfüllungsort für die den Streitgegenstand bildende Verpflichtung des [X.] zur Kaufpreis-zahlung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts am Sitz des [X.] in [X.] anzusiedeln ist. a) Nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO kann eine Person, die ihren ([X.] (Art. 59 f. EuGVVO) im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsst[X.]tes hat, vor dem Gericht desjenigen Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Für den Verkauf [X.] Sachen wird diese Bestimmung in Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster [X.] dahin ergänzt, dass im Sinne dieser Vorschrift und sofern nichts anderes vereinbart worden ist, der Erfüllungsort der Verpflichtung der Ort in ei-nem Mitgliedsst[X.]t ist, an dem die Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen. 11 [X.]) [X.]n der Rechtsprechung und im rechtswissenschaftlichen Schrifttum ist für den Verkauf beweglicher Sachen umstritten, an welchen Ort bei Fehlen einer bestimmten Vereinbarung der Vertragsparteien im Falle einer Versendung der Sachen für die Zuständigkeitsbestimmung anzuknüpfen ist. Teilweise wird angenommen, dies bestimme sich nach dem zugrunde liegenden materiellen Recht, hier vorbehaltlich abweichender vertraglicher Regelungen nach Art. 31 Buchst. a des Übereinkommens der [X.] über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 5. Juli 1989 ([X.] [X.][X.] S. 588 - C[X.]SG), der ge-mäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. a C[X.]SG auf die Vertragsbeziehungen Anwendung findet und wonach die Lieferpflicht des Verkäufers darin besteht, die Ware dem ersten Beförderer zur Übermittlung an den Käufer zu übergeben. Nach anderer 12 - 7 - Auffassung hat die Bestimmung nach rein tatsächlichen Kriterien ohne Rückgriff auf die jeweils zur Anwendung kommenden materiell-rechtlichen Regelungen autonom zu erfolgen, hier nach dem Ort, an dem der Käufer die Ware als ver-tragsgemäße Lieferung tatsächlich abnimmt (zum [X.] vom 9. Juli 2008 - V[X.][X.][X.] ZR 184/07, [X.]HR 2008, 189, [X.]. 18 ff.). 13 [X.]) Auf Vorlagebeschluss des [X.]s vom 9. Juli 2008 ([X.]O) hat der [X.]shof der [X.] mit Urteil vom 25. Februar 2010 ([X.]. [X.]/08, [X.], 1059 - Car Trim GmbH / [X.]) die [X.] wie folgt beantwortet: "Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass bei Versendungskäufen der Ort, an dem die beweglichen Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, auf der Grundlage der [X.] dieses Vertrags zu bestimmen sind. Lässt sich der Lieferort auf dieser Grundlage ohne Bezugnahme auf das auf den [X.] materielle Recht nicht bestimmen, ist dieser Ort derjenige der kör-perlichen Übergabe der Waren, durch die der Käufer am endgültigen Bestimmungsort des [X.] die tatsächliche Verfügungsge-walt über die Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen." Zur Begründung hat der Gerichtshof im Wesentlichen ausführt, dass sich bei einem Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen der in der Verordnung autonom definierte Lieferort der Waren in erster Linie nach dem Willen der [X.] bestimme, so dass zunächst zu prüfen sei, ob der Lieferort aus den Vertragsbestimmungen hervorgehe. Könne so der Lieferort ermittelt wer-den, ohne auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht Bezug zu nehmen, sei dieser Ort als der Ort anzusehen, an dem im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich EuGVVO geliefert worden sei oder hätte [X.] werden müssen ([X.]. 55 f). Enthalte der Vertrag dagegen keine [X.], die den Willen der Parteien hinsichtlich des [X.] der [X.] Rückgriff auf das anwendbare materielle Recht erkennen ließen, sei nach Entstehungsgeschichte und Systematik der Verordnung der Lieferort nicht dort 14 - 8 - anzusiedeln, wo die Waren an den ersten Beförderer zur Übermittlung an den Käufer übergeben werden, sondern am endgültigen Bestimmungsort, an dem die Ware dem Käufer körperlich übergeben worden sei oder hätte übergeben werden müssen ([X.]. 59 f.). 15 b) Hiernach hätte das Berufungsgericht eine internationale Zuständigkeit des angerufenen [X.] Gerichts zur Entscheidung über die vom Kläger erhobene negative Feststellungsklage nicht verneinen dürfen. [X.]) Allerdings hat das Berufungsgericht in der zwischen den Parteien verwendeten [X.] "[X.]: [X.]" ohne Rechtsfehler keine Vereinbarung eines [X.], sondern nur eine Regelung zur Kostentra-gung gesehen. Diese Auslegung ist möglich (vgl. [X.] 134, 201, 206 ff.). Sie wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen. Ebenso wenig beanstan-det die Revision, dass das Berufungsgericht eine abweichende Liefervereinba-rung insbesondere aufgrund der vorgelegten Transportdokumente für widerlegt erachtet hat. 16 [X.]) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht ferner davon abgesehen, die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen aus dem Handelsvertreter-verhältnis der Parteien unter Anwendung des Art. 6 Nr. 3 EuGVVO zur Bestim-mung des [X.] heranzuziehen. Denn Gegenstand des Rechtsstreits sind allein die [X.] der [X.], deren Fortbestand der Klä-ger verneint (vgl. [X.]surteil vom 4. Dezember 1991 - V[X.][X.][X.] ZR 32/91, [X.], 627, unter [X.][X.] 2 a). Demgegenüber stellt die Aufrechnung mit den er-hobenen Gegenforderungen lediglich ein Verteidigungsmittel dar, auf das Art. 6 Nr. 3 EuGVVO keine Anwendung findet ([X.], Urteil vom 13. Juli 1995 - [X.]. [X.]/93, [X.], 2161, [X.]. 12 ff. - [X.] / [X.]) und das auch sonst nicht geeignet ist, eine [X.] - 9 - lungsortzuständigkeit für die den Streitgegenstand bildenden Kaufpreisforde-rungen zu begründen. 18 cc) Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht dagegen, soweit es für eine Bestimmung des [X.] im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO auf den [X.] als den Übergabeort an den Beförderer abgestellt hat. (1) Allerdings hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass eine dem Erfüllungsort folgende Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. [X.] auch die Verpflichtung des [X.] zur Kaufpreiszahlung (Art. 53 C[X.]SG) selbst dann erfasst, wenn diese nach Art. 57 Abs. 1 Buchst. b C[X.]SG am Ort der [X.] Niederlassung der [X.] zu leisten ist. Denn der nach dieser Vorschrift bestehende besondere Gerichtsstand erfasst sämtliche Klagen aus ein und demselben Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen und nicht nur diejenige aus der Lieferverpflichtung an sich ([X.], Urteil vom 25. Februar 2010, [X.]O, [X.]. 50 m.w.[X.]). Das gilt ungeachtet der jeweils ge-wählten Klageart oder Rechtsschutzform, also nicht nur für Leistungsklagen, sondern auch für Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines durch den Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses im Ganzen oder [X.] bestimmten Vertragspflicht, hier eines Fortbestandes der Pflicht zur Kauf-preiszahlung ([X.], R[X.]W 1996, 1035; [X.], 3. Aufl., Art. 5 [X.] [X.]. 9; [X.]/[X.], Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts (2010), [X.]. [X.]; [X.]/[X.], ZPO, 28. Aufl. [X.]. [X.] Art. 5 EuGVVO [X.]. 15; [X.]/Schütze/[X.], [X.]O, [X.] 1 Art. 5 [X.]. 55 ff. m.w.[X.]). 19 - 10 - (2) Für die Bestimmung des Ortes in einem Mitgliedsst[X.]t, an dem die verkauften beweglichen Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, ist ohne Rückgriff auf das hier nach Art. 31 Buchst. b C[X.]SG zum [X.] Sitz der [X.] weisende materielle Recht für den autonom zu bestimmenden Begriff des [X.] im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO nach der Entstehungsgeschichte, den Zielen und der Systematik der Verordnung aus Gründen seiner Vorherseh-barkeit und der räumlichen Sachnähe zu dem zur Entscheidung berufenen [X.] an den Ort anzuknüpfen, an dem die mit dem Kaufvertrag erstrebte Über-tragung der Sachen vom Verkäufer an den Käufer durch deren Ankunft an ih-rem endgültigen Bestimmungsort vollständig abgeschlossen ist und der Käufer die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Waren erlangt hat oder hätte erlan-gen müssen ([X.], Urteil vom 25. Februar 2010, [X.]O, [X.]. 60 ff.). Das war nach den insoweit unter Bezugnahme auf die jeweiligen Transportdokumente getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts der Sitz des [X.] in [X.]. 20 2. Das Urteil des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus einem an-deren Grunde als richtig dar. Zwar entfällt das Feststellungsinteresse für eine negative Feststellungsklage im Regelfall, wenn eine auf die Durchsetzung [X.] Anspruchs gerichtete Leistungsklage erhoben wird und diese einseitig - durch den Anspruchsteller - nicht mehr zurückgenommen werden kann ([X.] 134, 201, 208 f.; 165, 301, 309; jeweils m.w.[X.]). Es kann dahin stehen, ob diese Voraussetzungen nach dem insoweit maßgeblichen [X.] Prozessrecht für die Zahlungsklage gegeben sind, welche die Beklagte wegen der im Streit stehenden [X.] nach Rechtshängigkeit in dieser Sache ihrer-seits vor dem für ihren Sitz zuständigen [X.] Gericht gegen den Kläger erhoben hat. Denn ein [X.]nteresse des [X.] an der begehrten Feststellung besteht trotz dieser Zahlungsklage schon deshalb fort, weil er nicht davon [X.] - 11 - gehen kann, dass über das Bestehen der Kaufpreisansprüche der [X.] im Rahmen des in [X.]talien anhängigen Verfahrens entschieden wird. 22 Nach Art. 27 EuGVVO hat das später angerufene Gericht, vorliegend das Gericht in [X.]talien, das bei ihm anhängige Verfahren von Amts wegen auszuset-zen, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen [X.] Gerichts feststeht, und sich für unzuständig zu erklären, sobald diese Zuständigkeit feststeht. Da der hier normierte Grundsatz der zeitlichen Priorität auch dann eingreift, wenn einerseits eine negative Feststellungsklage und andererseits eine Leistungskla-ge erhoben worden sind, würde das Rechtsschutzinteresse des [X.] für sei-ne negative Feststellungsklage deshalb selbst dann nicht entfallen, wenn die Beklagte ihre Zahlungsklage nicht mehr einseitig zurücknehmen könnte. Denn das mit der Zahlungsklage befasste [X.] Gericht ist bei der von ihm zu erwartenden Befolgung des Art. 27 EuGVVO nicht in der Lage, eine für einen Vorrang der Leistungsklage erforderliche Sachentscheidung zu treffen (so schon zum gleichlautenden Art. 21 EuGVÜ [X.] 134, 201, 209 ff.; [X.]surteil vom 6. Februar 2002 - V[X.][X.][X.] ZR 106/01, [X.], 1725, unter [X.][X.] 1; jeweils m.w.[X.]). [X.][X.][X.]. Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand ha-ben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht - vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig - keine Feststellungen zum Bestand der vom Kläger zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen sowie zu den Voraussetzungen einer Aufrechnung getroffen hat. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzu-verweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). 23 - 12 - Für das weitere Verfahren weist der [X.] darauf hin, dass das [X.], dessen internationale Zuständigkeit zur Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen sich vorliegend jedenfalls aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich EuGVVO ergeben dürfte (vgl. [X.], Urteil vom 11. März 2010 - [X.]. [X.]/09, [X.], 1189, [X.]. 33 ff. - [X.] [X.]; [X.]/Schütze/Gei-mer, [X.]O, [X.] 1 Art. 5 [X.]. 90 m.w.[X.]), auch zu prüfen haben wird, ob die Vor-aussetzungen, das Zustandekommen und die Wirkungen der Aufrechnung im Gegensatz zu der von ihm in der Berufungsverhandlung gebilligten Sichtweise des [X.]s, das die Aufrechnung ersichtlich nach [X.]m Recht als der lex fori beurteilt hatte, nicht stattdessen nach unvereinheitlichtem [X.] Recht zu beurteilen sein werden. Denn die Aufrechnung unterliegt nach dem hier noch anwendbaren Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 [X.][X.] (vgl. Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des internationalen Privatrechts an die Verordnung [[X.]] Nr. 593/2008 vom 25. Juni 2009 [[X.] [X.] S. 1574]) der für die Hauptforderung maßgeblichen Rechtsordnung; das [X.] der Hauptforderung entscheidet deshalb auch über die Voraussetzungen, das [X.] und die Wirkungen der Aufrechnung ([X.] 38, 254, 256; [X.], Urteil vom 25. November 1993 - [X.]X ZR 32/93, [X.], 394 unter [X.], inso-weit in [X.] 124, 237 nicht abgedruckt; [X.]/[X.], 4. Aufl., Art. 32 [X.][X.] [X.]. 65; [X.]/Hohloch, [X.], 12. Aufl., Art. 32 [X.][X.] [X.]. 13; jeweils m.w.[X.]). Da jedoch das auf die Hauptforderungen anwendbare Übereinkommen der [X.] über Verträge über den internationalen Warenkauf jedenfalls nicht die Aufrechenbarkeit solcher [X.] regelt, die sich - wie hier - nicht lediglich aus einem dem Übereinkom-men unterliegenden Vertragsverhältnis ergeben, bestimmt sich das zur Beurtei-lung der Aufrechnung berufene Recht vorliegend gemäß Art. 32 Abs. 1 Nr. 4, Art. 28 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.][X.] nach dem gemäß Art. 4 Satz 1 C[X.]SG sonst zur Anwendung kommenden unvereinheitlichten [X.] Recht (vgl. 24 - 13 - Schlechtriem/Schwenzer/[X.], Kommentar zum [X.], 5. Aufl., Art. 4 [X.]. 39; [X.]/[X.], [X.] (2005), Art. 4 C[X.]SG [X.]. 46; jeweils m.w.[X.]). [X.] [X.] [X.]
[X.] [X.] Vorinstanzen: LG München [X.], Entscheidung vom 16.08.2007 - 5 [X.] 18480/06 - [X.], Entscheidung vom 17.04.2008 - 23 U 4589/07 -

Meta

VIII ZR 135/08

23.06.2010

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.06.2010, Az. VIII ZR 135/08 (REWIS RS 2010, 5553)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5553

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