Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.12.2011, Az. 1 WB 51/11

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2011, 165

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Gegenstand

Wehrbeschwerdeverfahren; Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten


Leitsatz

Für die Beurteilung der Frage, ob die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im vorgerichtlichen Wehrbeschwerdeverfahren notwendig war, ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Antragsteller den Bevollmächtigten für das Verfahren mandatiert hat. Dafür ist eine formularmäßige Vollmacht nicht erforderlich.

Tatbestand

Der Antragsteller beantragte, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im vorgerichtlichen Wehrbeschwerdeverfahren für notwendig zu erklären. Er machte geltend, er habe den Bevollmächtigten nicht erst mit einer formularmäßigen Vollmacht vom 4. Juli 2011, sondern schon vorher in einer Email vom 8. Juni 2011 für das Verfahren mandatiert.

Das [X.] hat den Antrag zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

...

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] zu § 80 Abs. 2 VwVfG und § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines [X.]evollmächtigten im Vorverfahren unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen [X.] aus zu beurteilen. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger [X.]ürger mit gleichem [X.]ildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwalts oder sonstigen [X.]evollmächtigten bedient hätte. Notwendig ist die Zuziehung eines Rechtsanwalts dann, wenn es der [X.] nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen ([X.]eschluss vom 18. November 2010 - [X.]VerwG 1 [X.] 34.10 -; vgl. ferner [X.]eschlüsse vom 21. August 2003 - [X.]VerwG 6 [X.] - [X.] 316 § 80 VwVfG Nr. 51 und vom 1. Februar 2007 - [X.]VerwG 6 [X.] 85.06 - [X.] 316 § 80 VwVfG Nr. 52, jeweils m.w.N.; ähnlich [X.]eschluss vom 11. Dezember 2008 - [X.]VerwG 2 C 124.07 -). Die Notwendigkeit der Hinzuziehung wird auch durch die [X.]edeutung der Streitsache für den [X.]eschwerdeführer bestimmt (Urteil vom 24. Mai 2000 - [X.]VerwG 7 C 8.99 - [X.] 428 § 38 VermG Nr. 5). Aus dem [X.]egriff der "Notwendigkeit" der Zuziehung eines Rechtsanwalts folgt nicht, dass die Erstattungsfähigkeit im Vorverfahren eine Ausnahme bleiben müsste; der Gesetzeswortlaut gibt für eine solche Einschränkung keinen Anhaltspunkt (vgl. Urteil vom 24. Mai 2000 a.a.[X.]). Insoweit ist nicht das [X.]egriffspaar "Regel/Ausnahme" maßgeblich, sondern vielmehr die gesetzgeberische Differenzierung, dass die Erstattungsfähigkeit nicht automatisch, sondern je nach Lage des Einzelfalls nur unter der Voraussetzung der konkreten Notwendigkeit anzuerkennen ist (vgl. [X.]eschlüsse vom 15. September 2005 - [X.]VerwG 6 [X.] 39.05 - [X.] 448.0 § 17 [X.] Nr. 12 und vom 1. Juni 2010 - [X.]VerwG 6 [X.] 77.09 - juris Rn. 6).

Für die [X.]eurteilung der Notwendigkeit ist auf den Zeitpunkt der [X.]evollmächtigung abzustellen (stRspr, vgl. z.[X.]. Urteil vom 24. Mai 2000 a.a.[X.], [X.]eschlüsse vom 1. Juni 2010 a.a.[X.] m.w.N. und vom 18. November 2010 - [X.]VerwG 1 [X.] 34.10 -).

Nach diesen Maßstäben war die Hinzuziehung eines [X.]evollmächtigten im vorgerichtlichen Verfahren nicht nach § 16a Abs. 3 [X.]O notwendig.

Im Zeitpunkt der förmlichen [X.]evollmächtigung des [X.]evollmächtigten durch den Antragsteller am 4. Juli 2011 - oder zu einem späteren Datum, wenn man das Vorbringen des [X.]evollmächtigten zugrunde legt, dass das Datum des 4. Juli 2011 auf dem Vollmachtsformular erst der Tag des Ausdrucks gewesen ist - bestand keine Notwendigkeit mehr für dessen Hinzuziehung. Zu diesem Zeitpunkt war dem Antragsteller persönlich der [X.]escheid des [X.] der [X.]undeswehr vom 30. Juni 2011 ausgehändigt worden; das entsprechende Empfangsbekenntnis hat der Antragsteller am 4. Juli 2011 unterzeichnet. In diesem [X.]escheid hat das [X.] dem Antragsteller mitgeteilt, dass die disziplinaren Vorermittlungen gegen ihn eingestellt worden seien und dass der [X.]escheid der Stammdienststelle der [X.]undeswehr vom 2. Mai 2011 aufgehoben werde. Über das Ergebnis der [X.] 2011 [X.] hinausgehend hat das [X.] den Antragsteller gleichzeitig darüber informiert, dass die Voraussetzungen für seine Aktivierung als Nachrücker erfüllt seien und die Zulassungszusage zum 1. Oktober 2011 eingelöst werde. Damit war dem Antrag des Antragstellers auf Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes vom 13. August 2010 - vorbehaltlich noch entgegenstehender Hinderungsgründe - bereits für das Auswahljahr 2011 in vollem Umfang Rechnung getragen worden. Angesichts dieser Sachlage bedurfte es für das vorgerichtliche Verfahren keines anwaltlichen [X.]eistandes mehr für den Antragsteller.

Entgegen der Auffassung des [X.]evollmächtigten des Antragstellers ist für den Zeitpunkt der [X.]evollmächtigung nicht auf das E-Mail-Schreiben des Antragstellers vom 8. Juni 2011 abzustellen.

Zwar hängt die Wirksamkeit einer Vollmacht für das vorgerichtliche Verfahren nicht von ihrer schriftlichen Erteilung ab. Die Vorlage einer Vollmacht für das vorgerichtliche Verfahren ist nicht Voraussetzung der Vertretungsbefugnis - wie etwa nach § 67 VwGO -, sondern dient lediglich dem Nachweis der Vollmacht. Die Vollmacht kann deshalb auch durch konkludentes Handeln erteilt werden (so zu § 14 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 VwVfG: [X.]/[X.], 12. Auflage 2011, § 14 Rn. 17 m.w.N.; [X.], Urteil vom 10. August 1992 - 12 UE 2254/89 - juris Rn. 26). Deshalb scheitert die Wirksamkeit einer möglicherweise früher erteilten [X.]evollmächtigung nicht daran, dass der Antragsteller bei seinem E-Mail-Schreiben nicht das Vollmachtsformular seines [X.]evollmächtigten benutzt hat.

Inhaltlich stellt das E-Mail-Schreiben des Antragstellers vom 8. Juni 2011 an seinen [X.]evollmächtigten bei der erforderlichen objektiven Auslegung seines Textes aber keine [X.]evollmächtigung für das vorgerichtliche Verfahren dar. In diesem Schreiben hat der Antragsteller ausdrücklich nur einen internen Prüfauftrag erteilt. Er hat seinen [X.]evollmächtigten gebeten zu prüfen, ob man auf dem Rechtsweg noch etwas an dem Ablehnungsbescheid der Stammdienststelle vom 2. Mai 2011 ändern könne, obwohl er inzwischen - wie der Antragsteller selbst betont - vom Amtsgericht freigesprochen worden sei. [X.]ereits aus dieser Formulierung eines [X.] ergibt sich, dass der Antragsteller lediglich eine interne Rechtsberatung durch seinen späteren [X.]evollmächtigten wünschte, jedoch nicht ohne jede [X.]edingung eine anwaltliche Vertretung im vorgerichtlichen Verfahren. [X.]estätigt wird diese Auslegung durch den Hinweis des Antragstellers in seinem E-Mail-Schreiben, er "habe keine private Rechtsschutzversicherung". Auch dieser Formulierung ist der Wunsch des Antragstellers zu entnehmen, dass er nur eine [X.]eratung im Innenverhältnis wünsche, jedoch noch keine Vertretung im Außenverhältnis im vorgerichtlichen Verfahren.

Davon abgesehen hatte der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von dem Freispruch durch das Urteil des Amtsgerichts ... vom 25. Mai 2011, also von dem Umstand, der als entscheidendes Argument für die Aufhebung des [X.]escheides der Stammdienststelle der [X.]undeswehr vom 2. Mai 2011 genutzt werden konnte. Dies auch ohne anwaltlichen [X.]eistand im vorgerichtlichen Verfahren geltend zu machen, war dem Antragsteller nach seinen persönlichen Verhältnissen zuzumuten. Allein auf den Umstand des Freispruchs hat sein späterer [X.]evollmächtigter dann die [X.]eschwerde vom 15. Juni 2011 gestützt.

Meta

1 WB 51/11

21.12.2011

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WB

§ 16a Abs 3 WBO, § 80 Abs 2 VwVfG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.12.2011, Az. 1 WB 51/11 (REWIS RS 2011, 165)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 165

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