Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.06.2019, Az. III ZR 124/18

3. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 6526

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Gegenstand

Haftung nach Anbringen von Verkehrszeichen im Baustellenbereich durch privates Unternehmen


Leitsatz

Die Mitarbeiter eines privaten Unternehmens, die zur Ausführung einer verkehrsbeschränkenden Anordnung der Straßenbaubehörde und des der Anordnung beigefügten Verkehrszeichenplans (§ 45 Abs. 2 und 6 StVO) Verkehrsschilder nicht ordnungsgemäß befestigen, handeln als Verwaltungshelfer und damit als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne. Ihre persönliche Haftung gegenüber einem durch das Verkehrsschild Geschädigten scheidet daher gemäß Art. 34 Satz 1 GG aus (Bestätigung und Fortführung von BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - III ZR 68/14, NJW 2014, 3580).

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 23. Mai 2018 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des [X.] hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 7. Oktober 2014 geltend.

2

Die Beklagte ist auf dem Gebiet der [X.] tätig. Sie übernahm die Verkehrssicherung zur Durchführung von Straßenbauarbeiten an einer Bundesautobahn gemäß der verkehrsbeschränkenden Anordnung des Landesbetriebs Mobilität Rheinland-Pfalz (künftig: [X.]) als Straßenbaubehörde vom 13. November 2013. Der Anordnung war ein [X.] beigefügt, der die Verkehrsführung auf einem etwa drei Kilometer langen Streckenabschnitt vorschrieb. Der Plan gab vor, an welcher Stelle welche Verkehrsschilder aufzustellen waren. Die Beklagte nahm die Beschilderung im Baustellenbereich entsprechend dem Plan und den Vorgaben der Anordnung vom 13. November 2013 vor.

3

Die Klägerin ist Eigentümerin und Halterin eines Kraftfahrzeugs. Sie hat vorgetragen, ihr sei am 7. Oktober 2014 im Baustellenbereich ein eine Geschwindigkeitsbeschränkung anordnendes Verkehrsschild (Zeichen 274) entgegengeflogen, das auf dem rechten Standstreifen aufgekommen und gegen die Beifahrerseite ihres Fahrzeuges geschlagen sei. Das Schild habe sich gelöst, weil es von der Beklagten nicht ordnungsgemäß befestigt worden sei.

4

Das Amtsgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 1.318,71 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zuzüglich Zinsen zu zahlen. Es hat die Verpflichtung der Beklagten festgestellt, der Klägerin sämtlichen weiteren materiellen Schaden aus dem Unfallgeschehen vom 7. Oktober 2014 zu ersetzen. Das [X.] hat auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die von ihm zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe gegen die [X.] kein Anspruch aus § 823 Abs. 1 [X.] zu. Es könne dahinstehen, ob das Herunterfallen des [X.] und die Beschädigung des Fahrzeugs der Klägerin auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten durch die [X.] zurückzuführen seien. Die Klage scheitere bereits daran, dass die [X.] nicht passivlegitimiert sei. Sie sei als Beamtin im staatshaftungsrechtlichen Sinne anzusehen mit der Folge, dass die Verantwortlichkeit für eine etwaige Verletzung der Verkehrssicherungspflicht allein die Körperschaft treffe, in deren Dienst die [X.] tätig geworden sei. Das Unternehmen, das - wie hier - in [X.] nach Anordnung der Straßenbaubehörde, ohne einen eigenen Entscheidungs- oder Ermessenspielraum zu haben, Verkehrsschilder aufstelle, handele als Verwaltungshelfer in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amts. Insoweit verdränge die Haftung der Körperschaft gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. Art. 34 GG die unmittelbare Verantwortlichkeit der [X.] nach § 823 Abs. 1 [X.].

7

Hiergegen spreche nicht, dass der [X.] bei der Erfüllung seiner Aufgaben als Träger der Straßenbaulast im Rahmen der Daseinsfürsorge und nicht im Rahmen der [X.] gehandelt habe. Der mit der Rechtsfigur des [X.] verfolgte Zweck zu verhindern, dass sich die öffentliche Hand der Amtshaftung durch vertragliche Übertragung der öffentlichen Aufgabe auf einen privaten Unternehmer entziehe, greife auch außerhalb der [X.] im Bereich der Daseinsfürsorge.

8

Eine andere Beurteilung bezüglich der Eigenschaft der [X.] als Verwaltungshelferin folge auch nicht aus der Entscheidung des [X.] vom 29. November 1973 ([X.], NJW 1974, 453). Vielmehr stehe die Einordnung als Verwaltungshelferin im Einklang mit einer jüngeren Entscheidung des [X.] vom 9. Oktober 2014 ([X.], NJW 2014, 3580). Es sei davon auszugehen, dass durch diese Entscheidung die frühere Rechtsprechung des [X.] überholt sei.

II.

9

Die Revision ist unbegründet. Die [X.] ist nicht passivlegitimiert. Das [X.] hat zutreffend eine eigene deliktsrechtliche Haftung der [X.] abgelehnt. Diese ist gemäß § 839 [X.] i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG ausgeschlossen, weil die Mitarbeiter der [X.] in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt haben.

1. In seinem Anwendungsbereich verdrängt § 839 [X.] als vorrangige Spezialregelung konkurrierende Ansprüche aus §§ 823 ff [X.] (siehe etwa Senatsurteile vom 9. Oktober 2014 - [X.], NJW 2014, 3580 Rn. 8 [X.]; vom 6. März 2014 - [X.]/12, [X.], 253 Rn. 29 [X.] und vom 13. Dezember 2012 - [X.], [X.], 35 Rn. 24). Im Rahmen der Haftung nach § 839 [X.] tritt gemäß Art. 34 Satz 1 GG - im Wege der befreienden Haftungsübernahme - der Staat beziehungsweise die [X.]eilige [X.] als Anspruchsgegner des Geschädigten an die Stelle dessen, der in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat; in diesem Falle scheidet eine persönliche Haftung des Amtsträgers gegenüber dem Geschädigten aus (zB Senat, Urteile vom 9. Oktober 2014 aaO [X.]; vom 6. März 2014 aaO [X.] und vom 22. Juni 2006 - [X.], NVwZ 2007, 487 Rn. 6; [X.], Urteil vom 18. Februar 2014 - [X.], [X.], 502 Rn. 7).

2. Die Mitarbeiter der [X.] handelten bei Aufstellung des [X.], das nach dem Vortrag der Klägerin deren Fahrzeug beschädigte, in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes.

a) Der [X.] war mit der verkehrsbeschränkenden Anordnung gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 6 [X.] des [X.] vom 13. November 2013 die "Verkehrssicherung" auf der Grundlage des beigefügten [X.] und damit eine hoheitliche Aufgabe übertragen worden.

aa) Die Verkehrsregelung mittels Verkehrszeichen (§ 45 [X.]) ist eine hoheitliche Aufgabe ([X.], [X.], 1393, 1396; [X.], [X.], 62). Es handelt sich - jedenfalls bei verkehrsbeschränkenden Verkehrsregelungen und -zeichen (hier: Geschwindigkeitsbeschränkung, Zeichen 274) - um Maßnahmen der [X.], da die durch sie angeordneten Ge- und Verbote Verhaltensbefehle sind, die für die Verkehrsteilnehmer bindend sind (vgl. [X.]/[X.], [X.], § 839 Rn. 61.1 [01.03.2019]; [X.] aaO). Die entsprechende Anordnung obliegt den Straßenverkehrsbehörden (§ 45 Abs. 3 [X.]) und im - vorliegenden - Ausnahmefall, wenn sie zur Durchführung von Straßenbauarbeiten erfolgt, den [X.] (§ 45 Abs. 2 Satz 1, 4 [X.]; vgl. hierzu [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., 44. [X.]. Rn. 4).

Auch die tatsächliche Umsetzung der Verkehrsregelung durch die Anbringung der Verkehrszeichen (vgl. dazu BVerwGE 138, 21 Rn. 15 [X.]; 92, 32, 34; [X.]/[X.] aaO Rn. 11.1) stellt eine hoheitliche Aufgabe dar. Zu ihrer Wahrnehmung ist gemäß § 45 Abs. 5 Satz 1 [X.] der Baulastträger verpflichtet. Baulastträger ist bei [X.]esautobahnen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 [X.] zwar der [X.]. Die [X.]esautobahnen unterliegen jedoch gemäß Art. 90 Abs. 3 GG der Verwaltung durch die Länder im Auftrage des [X.]es. Bau, Unterhaltung und Verwaltung der [X.]esautobahnen obliegen in [X.] den Organen und Bediensteten der damit befassten Körperschaften in Ausübung öffentlicher Gewalt (§ 48 Abs. 2 LStrG RP).

bb) Soweit die Revision geltend macht, der geringe und formale hoheitliche Charakter der Aufgabe der Verkehrssicherung werde durch die Zuweisung zur Daseinsvorsorge deutlich abgeschwächt, die Verkehrssicherungspflicht der öffentlichen Hand bei öffentlichen Straßen sei ihrem Wesen nach keine Amtspflicht, sondern eine allgemeine zivilrechtliche Pflicht, weshalb die übertragene Aufgabe nur in äußerst eingeschränktem Maße der hoheitlichen Sphäre der Verwaltung zugerechnet werden könne, trifft dies jedenfalls für die vorliegende Fallgestaltung nicht zu.

Dabei kann dahinstehen, ob die gemäß § 45 Abs. 5 Satz 1 [X.] erfolgende - vorliegend durch die Anordnung vom 13. November 2013 auf die [X.] übertragene - Anbringung eines gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 [X.] angeordneten Verkehrszeichens eine Maßnahme der Verkehrsregelung oder der Verkehrssicherung ist (Zuordnung zum Bereich der Verkehrssicherung: Senat, Urteil vom 29. November 1973 - [X.], NJW 1974, 453; [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., [X.]. 42 Rn. 162; zur Abgrenzung zwischen Verkehrsregelungs- und Verkehrssicherungspflicht vgl. Senat, Urteil vom 14. Juni 1971 - [X.], NJW 1971, 2220, 2221; [X.], [X.], 9). Denn auch, wenn es sich dabei um eine Maßnahme der Verkehrssicherung handelte, wäre sie doch mit der Verkehrsregelung, die sie unmittelbar umsetzt, untrennbar verbunden mit der Folge, dass sie der hoheitlichen Sphäre der Verwaltung in nicht geringerem Maße zuzurechnen ist als die Verkehrsregelung selbst. Nach dem im Straßenverkehrsrecht geltenden Sichtbarkeitsgrundsatz bedarf die Verkehrsregelung zu ihrer Wirksamkeit der Aufstellung des entsprechenden Verkehrszeichens (BVerwGE 138, 21 Rn. 15; [X.]/[X.] aaO [X.]. 42 Rn. 1.33, 11.4). Diese Abhängigkeit kommt vorliegend dadurch zum Ausdruck, dass mit der - hoheitlichen - Anordnung des [X.] vom 13. November 2013 nicht nur die Verkehrsregelung gemäß § 45 Abs. 2 [X.] getroffen wurde, sondern die [X.] zugleich zur Ausführung der Verkehrsregelung und damit zur Anbringung der Verkehrszeichen gemäß dem der Anordnung beigefügten [X.] verpflichtet wurde. Verkehrsregelungen und Handlungen, die überhaupt erst zu ihrer Wirksamkeit führen, sind in gleichem Maße bedeutsame hoheitliche Tätigkeiten. Sie sind haftungsrechtlich einheitlich zu betrachten (so auch [X.] aaO).

b) Die [X.] hat die ihr übertragene hoheitliche Aufgabe auf Grund der Anordnung vom 13. November 2013 ihrerseits als Amtsträger im Sinne von Art. 34 Satz 1 GG wahrgenommen.

aa) Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen (st. Rspr.; siehe nur Senat, Urteile vom 9. Oktober 2014 aaO Rn. 17; vom 6. März 2014 aaO Rn. 31; vom 15. September 2011 - [X.], [X.]Z 191, 71 Rn. 13 und vom 14. Mai 2009 - [X.], [X.]Z 181, 65 Rn. 10; Beschluss vom 31. März 2011 - [X.], NVwZ-RR 2011, 556 Rn. 7; [X.]. [X.]). Hiernach können auch Mitarbeiter eines privaten Unternehmens Amtsträger im haftungsrechtlichen Sinne sein. Dies kommt neben den Fällen der Beleihung eines Privatunternehmens mit hoheitlichen Aufgaben auch dann in Betracht, wenn Private als Verwaltungshelfer bei der Erledigung hoheitlicher Aufgaben tätig werden (Senat, Urteile vom 9. Oktober 2014 aaO; vom 2. Februar 2006 - [X.], [X.], 966 Rn. 7; vom 14. Oktober 2004 - [X.], [X.]Z 161, 6, 10 und vom 21. Januar 1993 - [X.], [X.]Z 121, 161, 164 ff). Dafür ist erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang und eine engere Beziehung zwischen der Betätigung des [X.] und der hoheitlichen Aufgabe bestehen, wobei die öffentliche Hand in so weitgehendem Maße auf die Durchführung der Arbeiten Einfluss nimmt, dass der Private gleichsam als bloßes "Werkzeug" oder "Erfüllungsgehilfe" des [X.] handelt und dieser die Tätigkeit des [X.] deshalb wie eine eigene gegen sich gelten lassen muss (siehe dazu Senat, Urteil vom 9. Oktober 2014 aaO [X.]). Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der öffentlichen Hand zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des [X.] ist, desto näher liegt es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen. Jedenfalls im Bereich der [X.] kann sich die öffentliche Hand der Amtshaftung für fehlerhaftes Verhalten ihrer Bediensteten grundsätzlich nicht dadurch entziehen, dass sie die Durchführung einer Maßnahme durch privatrechtlichen Vertrag auf einen privaten Unternehmer überträgt (Senat, Urteile vom 9. Oktober 2014 aaO; vom 14. Oktober 2004 aaO [X.] und vom 21. Januar 1993 aaO [X.] f; [X.], Urteil vom 18. Februar 2014 - [X.], NJW 2014, 2577 Rn. 5 [X.]).

bb) Das [X.] hat die [X.] unter Anwendung dieser Grundsätze zu Recht als Verwaltungshelferin und damit als Amtsträger im haftungsrechtlichen Sinne eingeordnet (so für eine ähnliche Konstellation [X.], [X.], 26, 27).

(1) Einer uneingeschränkten Anwendung der Grundsätze zum Verwaltungshelfer auf den vorliegenden Fall steht, anders als die Revision meint, nicht entgegen, dass der Bau und die Unterhaltung von Straßen Aufgaben der staatlichen Daseinsvorsorge sind (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 20. März 1967 - [X.], NJW 1967, 1325). Dabei kann offenbleiben, ob die Rechtsfigur des [X.] im gesamten Bereich der staatlichen Daseinsvorsorge Anwendung findet. Jedenfalls für die vorliegende Konstellation wäre dies, ordnete man die nach dem Vortrag der Klägerin nicht ordnungsgemäße Aufstellung des [X.] durch die Mitarbeiter der [X.] der Daseinsvorsorge zu, zu bejahen. Denn die Aufstellung des Schildes war sehr eng mit der durch das [X.] gemäß § 45 Abs. 2 [X.] getroffenen Verkehrsregelung als Maßnahme der [X.] verbunden, bei der der hoheitliche Charakter im Vordergrund steht (vgl. [X.]/[X.] aaO Rn. 63). Die Verkehrsregelung war - wie ausgeführt - ohne die Aufstellung des [X.] nicht wirksam. Diese besonders enge Beziehung zwischen Verkehrsregelung und ihrer Umsetzung hat zur Folge, dass beide Maßnahmen haftungsrechtlich einheitlich zu behandeln sind. Erfolgt mithin durch ein privates Unternehmen die Aufstellung von Verkehrszeichen zur Herbeiführung der Wirksamkeit der entsprechenden, diese Verkehrszeichen anordnenden Verkehrsregelung, sind die Mitarbeiter des Unternehmens als Verwaltungshelfer im vorgenannten Sinne anzusehen.

(2) Das [X.] hat auch auf die Durchführung der Arbeiten, das heißt auf die Aufstellung der Verkehrszeichen, derart Einfluss genommen, dass die Mitarbeiter der [X.] gleichsam als bloße "Werkzeuge" oder "verlängerte Arme" des [X.] handelten (vgl. für einen ähnlichen Sachverhalt [X.] aaO; vgl. auch [X.]/[X.] aaO: privater Unternehmer, der auf Anordnung der Straßenverkehrsbehörde Halteverbotsschilder aufstellt, als Verwaltungshelfer). Dessen verkehrsbeschränkende Anordnung als Straßenbaubehörde vom 13. November 2013 war von den Mitarbeitern der [X.] strikt umzusetzen. Der [X.], der der Anordnung beigefügt war, gab präzise vor, welches Verkehrsschild an welcher Stelle aufzustellen war. Ein eigener Entscheidungs- und Ermessensspielraum kam, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, der [X.] und ihren Mitarbeitern hierbei nicht zu. Wesentliche "weitere Ausführungsmodalitäten", deren Auswahl der [X.] bei der Aufstellung der Verkehrsschilder als Umsetzung der Anordnung des [X.] verblieb, vermag auch die Revision nicht konkret zu benennen. Soweit sie die durch die [X.] in eigener Verantwortung ausgeführte - durch die Anordnung vom 13. November 2013 nicht ausdrücklich geregelte - Kontrolle der Baustellensicherung anführt, ist diese nicht Gegenstand der Pflichtverletzung, die der [X.] von der Klägerin vorgeworfen wird. Der Vorwurf der Klägerin betrifft vielmehr die nicht ordnungsgemäße Befestigung des [X.] (mit nicht dafür zugelassenen Schellen) und damit die erstmalige Aufstellung des Schildes in Umsetzung der verkehrsbeschränkenden Anordnung vom 13. November 2013.

(3) Der Einordnung der Mitarbeiter der [X.] als Verwaltungshelfer und damit als Amtsträger im Sinne von Art. 34 Satz 1 GG steht nicht das Urteil des Senats vom 29. November 1973 ([X.], NJW 1974, 453) entgegen. Diese Entscheidung ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, durch die neuere Senatsrechtsprechung überholt (so auch [X.] aaO S. 27 f).

(a) Der Senat hat in dem Urteil vom 29. November 1973 den Begriff des [X.] nicht verwandt (zur Entwicklung dieses Begriffs und seiner Verwendung in der Senatsrechtsprechung: [X.]/[X.] aaO Rn. [X.] [X.]). Er hat es allerdings abgelehnt, einen Unternehmer, der aufgrund eines mit einem Straßenbaulastträger abgeschlossenen Werkvertrages mit der Überwachung der von der Straßenverkehrsbehörde angeordneten Verkehrszeichen beauftragt war, als Beamten im Haftungssinne (Art. 34 GG) anzusehen. Wenn der Unternehmer bei der Erfüllung seiner Vertragspflichten Anordnungen der Straßenverkehrsbehörden über das Aufstellen bestimmter Verkehrszeichen tatsächlich ausführe, sei er nur technisches Ausführungsorgan der anordnenden Behörde. Die Vereinbarung mit der beklagten [X.] habe diese nicht der Pflicht als Straßenbaulastträger enthoben, für die Überwachung verkehrsregelnder Zeichen durch entsprechende Maßnahmen im Bereich ihrer Hoheitsverwaltung zu sorgen (Senat, Urteil vom 29. November 1973, aaO S. 453 f).

Die Verneinung der Beamteneigenschaft im haftungsrechtlichen Sinne in Bezug auf einen mit der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben beauftragten Privatunternehmer entsprach der seinerzeit in der Senatsrechtsprechung verankerten "Werkzeugtheorie". Danach kann es möglich sein, dass eine Behörde in einem solchen Ausmaß auf die Durchführung von Arbeiten des beauftragten Unternehmens Einfluss nimmt, dass sie in bestimmten Beziehungen dessen Tätigwerden wie ein eigenes gegen sich gelten lassen und es so angesehen werden muss, wie wenn der Unternehmer lediglich als Werkzeug der öffentlichen Behörde bei der Erledigung ihrer hoheitlichen Aufgabe tätig geworden wäre (Senat, Urteile vom 7. Februar 1980 - [X.], NJW 1980,1679; vom 14. Juni 1971 - [X.], NJW 1971, 2220, 2221 und vom 15. Juni 1967 - [X.], [X.]Z 48, 98, 103). Das Handeln des Unternehmers wurde der Behörde (und den dort tätigen Amtsträgern) direkt zugerechnet, ohne den Unternehmer selbst als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne einzuordnen (so zutreffend Traeger, Die Haftung des Staates bei der Einschaltung privater Kräfte zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, 1998, S. 40).

(b) In seiner Entscheidung vom 21. Januar 1993 ([X.], [X.]Z 121, 161, 164 ff) hat der Senat sodann seine Rechtsprechung zur Haftung des Staates im Falle der Heranziehung selbständiger privater Unternehmer zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben auf eine breitere Grundlage gestellt. In diesem Rahmen hat er den beauftragten Unternehmer unter bestimmten, oben (Buchstabe [X.]) dargestellten Voraussetzungen als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne angesehen. Die auf privatrechtlicher Grundlage beruhende Heranziehung privater Unternehmer zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben umfasst danach Fallgestaltungen, die sich sowohl durch den Charakter der [X.]eils wahrgenommenen Aufgabe als auch durch die unterschiedliche Sachnähe der übertragenen Tätigkeit zu dieser Aufgabe sowie durch den Grad der Einbindung des Unternehmers in den behördlichen Pflichtenkreis voneinander unterscheiden. Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund trete, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der Behörde zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Unternehmers sei, desto näher liege es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen (Senat, Urteil vom 21. Januar 1993 aaO [X.] f).

Diese neuere Rechtsprechung hat Elemente der "Werkzeugtheorie" insofern übernommen, als in die nunmehr anzustellende Gesamtbetrachtung auch der Entscheidungsspielraum der Mitarbeiter des privaten Unternehmens einzubeziehen ist. Stehen ihnen relevante eigene Entscheidungsspielräume nicht zu, handeln sie als "Werkzeuge" oder "verlängerte Arme" des [X.] (Senat, Urteil vom 9. Oktober 2014 aaO Rn. 19). Das hindert indes nicht ihre Einordnung als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne, sondern ist vielmehr in Abkehr von der früheren Rechtsprechung - neben einem in den Vordergrund tretenden hoheitlichen Charakter der Aufgabe und einer engen Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der öffentlichen Hand zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe - gerade deren Grundlage (vgl. oben zu aa).

Der Umstand, dass die [X.] vorliegend angesichts der präzisen Anordnungen im [X.] nur "technisches Ausführungsorgan" der - hoheitlich tätigen - Straßenbaubehörde war, ohne eigene hoheitliche Befugnisse zur Wahrnehmung übertragen bekommen zu haben, hindert ihre Einordnung als Verwaltungshelfer im Sinne der Senatsrechtsprechung mithin nicht (vgl. Senat, Urteil vom 9. Oktober 2014 aaO Rn. 20: Aufgabe wird nicht auf den [X.] "delegiert", sondern dieser wird lediglich als Helfer oder "Werkzeug" der öffentlichen Hand tätig). Soweit in dem Urteil des Senats vom 29. November 1973 eine solche Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf den [X.] als Voraussetzung seiner Einordnung als Beamter im Haftungssinne erachtet worden ist (aaO), ist dieses Erfordernis durch die neuere Senatsrechtsprechung überholt.

[X.]     

      

Tombrink     

      

Remmert

      

Reiter     

      

Kessen     

      

Meta

III ZR 124/18

06.06.2019

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Kaiserslautern, 23. Mai 2018, Az: 1 S 67/17

Art 34 S 1 GG, § 839 BGB, § 45 Abs 2 StVO, § 45 Abs 5 StVO, § 45 Abs 6 StVO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.06.2019, Az. III ZR 124/18 (REWIS RS 2019, 6526)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 989-990 REWIS RS 2019, 6526

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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