Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.01.2024, Az. III ZR 15/23

3. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 320

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Gegenstand

Anspruch auf Schadensersatz wegen eines umgefallenen Straßenschildes; Passivlegitimation des Verwaltungshelfers


Leitsatz

Die Mitarbeiter eines privaten Unternehmens, die zur Ausführung einer von der Straßenbaubehörde angeordneten Verkehrsregelung (§ 45 Abs. 2 StVO), in deren Mittelpunkt ein Durchfahrtverbot steht, Verkehrsschilder (hier: Umleitungsankündigung) aufstellen, handeln als Verwaltungshelfer und damit als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne. Ihre persönliche Haftung gegenüber einem durch das Verkehrsschild Geschädigten scheidet daher gemäß Art. 34 Satz 1 GG aus (Bestätigung und Fortführung von BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 - III ZR 124/18, VersR 2019, 1145).

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] - 1. Zivilkammer - vom 3. November 2022 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des [X.] hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen eines umgefallenen [X.] auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Die Klägerin betreibt ein Autohaus in der [X.]          in [X.]      . Im Juli 2017 hatte sie vor ihren Geschäftsräumen ein Fahrzeug abgestellt. Die Beklagte stellte in diesem Bereich auf dem Bürgersteig der [X.]        ein Straßenschild (Zeichen 457.1 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO) auf, das eine Umleitung ankündigte. In der Nähe standen zu diesem Zeitpunkt Bauarbeiten zur Erneuerung der Fahrbahn der Kreisstraße [X.] an. Die Landesbehörde [X.] Straßen- und Verkehrsmanagement (künftig: [X.]) hatte mit den Bauarbeiten die [X.] beauftragt, welche wiederum die Beklagte mit der Aufstellung der entsprechenden Verkehrsschilder beauftragte. Die zuständige Behörde nahm am 18. Juli 2017 die gesamte Verkehrsabsicherung sowie die Umleitungsbeschilderung einschließlich des vorbezeichneten [X.] ab.

3

Einen Tag später fiel dieses Schild auf das Fahrzeug, welches im vorderen linken Bereich beschädigt wurde. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin den Ersatz von Reparatur- und Gutachtenkosten nebst einer Unfallpauschale sowie von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Zinsen. Sie hat geltend gemacht, die Beklagte habe das von ihr aufgestellte Schild unzureichend gesichert. Sie habe nicht als Verwaltungshelferin gehandelt. Aus den vorgelegten Plänen ergäben sich weder die exakten Standorte für die Schilder noch, wie konkret sie aufzustellen und zu sichern seien. Damit verbleibe der Beklagten ein ausreichender Handlungsspielraum.

4

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen, mit der die Klägerin ihren Anspruch weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige Revision hat keinen [X.]rfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte sei nicht passivlegitimiert. Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB träten hinter einem möglichen Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB, Art. 34 [X.] zurück. Die Beklagte habe beim Aufstellen des Schildes, das das Fahrzeug beschädigt habe, in Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt. Die Verkehrsregelung mittels Verkehrszeichen im Sinne von § 45 [X.] sei eine hoheitliche Aufgabe. Die entsprechende Anordnung obliege gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 und 4 [X.] der Straßenbaubehörde. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem hier aufgestellten [X.] um eine Maßnahme der [X.] handele, da damit jedenfalls verkehrsregelnde Maßnahmen im Sinne von § 45 Abs. 2 [X.] getroffen würden. Danach könne die Straßenbaubehörde zur Durchführung von Straßenbauarbeiten den Verkehr umleiten. Dies sei vorliegend mit der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 11. Juli 2017 einschließlich der anliegenden Pläne geschehen. Danach sei in der N.           als erstes Schild das Zeichen 457.1 "Umleitungsankündigung" vor dem Autohaus der Klägerin anzubringen gewesen.

7

Die Beklagte sei bei dem Aufstellen der Verkehrsschilder als Amtsträgerin im Sinne von Art. 34 Satz 1 [X.] tätig gewesen. Aus dem von ihr vorgelegten Plan, der vorgenannten verkehrsrechtlichen Anordnung, ergebe sich, dass die Beschilderung im Bereich des Autohauses durch die Beklagte habe aufgestellt werden sollen. Aus dem Urteil des [X.] vom 6. Juni 2019 ([X.], [X.], 1145) könne nicht gefolgert werden, dass nur das Aufstellen von verkehrsbeschränkenden Verkehrsregelungen und -zeichen eine hoheitliche Aufgabe darstelle. Zwar habe der [X.] sein Urteil hinsichtlich einer Geschwindigkeitsbeschränkung getroffen. Danach handele es sich jedenfalls bei verkehrsbeschränkenden Verkehrsregelungen und -zeichen um eine hoheitliche Aufgabe. Diese Formulierung könne jedoch nicht als [X.]inschränkung lediglich auf Ge- und Verbote als Verhaltensbefehle verstanden werden. Anderenfalls würde beispielsweise für ein Verkehrsschild, mit dem [X.]inschränkungen, die aufgrund einer Baumaßnahme erfolgten, wieder aufgehoben würden, nicht mehr anzunehmen sein, dass hierbei eine hoheitliche Tätigkeit ausgeübt werde. Diese Abgrenzung wäre willkürlich. Zudem sei zu berücksichtigen, dass auch die Aufstellung des [X.]es die Befahrbarkeit der betroffenen Straße einschränke und es sich um eine verkehrsbeschränkende Verkehrsregelung handele. Selbst wenn, wie vom Geschäftsführer der Klägerin behauptet, ausschließlich das Zeichen 457.1 aufgestellt und die Anordnung im Übrigen fehlerhaft beziehungsweise unvollständig umgesetzt worden sei, führe dies nicht zu einer Haftung der [X.], da der fehlerhafte Aufstellungsakt ebenfalls ein hoheitliches Handeln sei.

II.

8

Die Revision ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht passivlegitimiert. Das [X.] hat zutreffend eine eigene deliktsrechtliche Haftung der [X.] abgelehnt. Diese ist gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 [X.] ausgeschlossen, weil die Mitarbeiter der [X.] in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt haben.

9

1. In seinem Anwendungsbereich verdrängt § 839 BGB als vorrangige Spezialregelung konkurrierende Ansprüche aus §§ 823 ff BGB. Im Rahmen der Haftung nach § 839 BGB tritt gemäß Art. 34 Satz 1 [X.] - im Wege der befreienden Haftungsübernahme - der Staat beziehungsweise die [X.]eilige [X.] als Anspruchsgegner des Geschädigten an die Stelle dessen, der in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat; in diesem Fall scheidet eine persönliche Haftung des Amtsträgers gegenüber dem Geschädigten aus (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteile vom 13. April 2023 - [X.]/21, [X.], 30 Rn. 21 und vom 6. Juni 2019 aaO Rn. 10; [X.]. [X.]).

2. Die Mitarbeiter der [X.] handelten bei der Aufstellung des [X.], durch das nach dem Vortrag der Klägerin das in ihrem [X.]igentum stehende Fahrzeug beschädigt wurde, in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes.

a) Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich nach der ständigen Senatsrechtsprechung danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen (Senat, Urteile vom 13. April 2023 aaO Rn. 23 und vom 6. Juni 2019 aaO Rn. 18; [X.]. [X.]).

Hiernach können auch Mitarbeiter eines privaten Unternehmens Amtsträger im haftungsrechtlichen Sinne sein. Dies kommt neben den Fällen der Beleihung eines Privatunternehmens mit hoheitlichen Aufgaben auch dann in Betracht, wenn Private als Verwaltungshelfer bei der [X.]rledigung hoheitlicher Aufgaben tätig werden (Senat, Urteile vom 13. April 2023 aaO Rn. 24 und vom 6. Juni 2019 aaO; [X.]. [X.]). Dafür ist erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang und eine engere Beziehung zwischen der Betätigung des [X.] und der hoheitlichen Aufgabe bestehen, wobei die öffentliche Hand in so weitgehendem Maße auf die Durchführung der Arbeiten [X.]influss nimmt, dass der Private gleichsam als bloßes "Werkzeug" oder "[X.]rfüllungsgehilfe" des [X.] handelt und dieser die Tätigkeit des [X.] deshalb wie eine eigene gegen sich gelten lassen muss (Senat, Urteile vom 13. April 2023 und vom 6. Juni 2019; [X.]. aaO und [X.]).

Da die auf bürgerlich-rechtlicher Grundlage beruhende Heranziehung privater Unternehmer zur [X.]rfüllung hoheitlicher Aufgaben eine Vielzahl von Fallgestaltungen umfasst, die sich sowohl durch den Charakter der [X.]eils wahrgenommenen Aufgabe als auch durch die unterschiedliche Sachnähe der übertragenen Tätigkeit zu dieser Aufgabe sowie durch den Grad der [X.]inbindung des Unternehmers in den behördlichen Pflichtenkreis unterscheiden, ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen, der ein "bewegliches Beurteilungsraster" zugrunde liegt: Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt - was vor allem in der [X.] der Fall ist -, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der öffentlichen Hand zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der [X.]ntscheidungsspielraum des [X.] ist, desto näher liegt es, den Handelnden als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen (Senat, Urteile vom 13. April 2023 aaO Rn. 25 und vom 6. Juni 2019 aaO Rn. 18 und 26; [X.]. [X.]).

b) Das Berufungsgericht hat die [X.] der [X.] unter Zugrundelegung dieses Maßstabs zutreffend bejaht.

aa) Bei den von der [X.] zu erbringenden Arbeiten stand der hoheitliche Charakter im Vordergrund.

(1) Die Verkehrsregelung mittels Verkehrszeichen (§ 45 [X.]) ist eine hoheitliche Aufgabe (Senat, Urteil vom 6. Juni 2019 aaO Rn. 13 [X.]). [X.]s handelt sich - jedenfalls bei verkehrsbeschränkenden Verkehrsregelungen und -zeichen - um Maßnahmen der [X.], da die durch sie angeordneten Ge- und Verbote Verhaltensbefehle sind, die für die Verkehrsteilnehmer bindend sind (Senat aaO [X.]). Die entsprechende Anordnung obliegt den Straßenverkehrsbehörden (§ 45 Abs. 3 [X.]) und im - vorliegenden - Ausnahmefall, wenn sie zur Durchführung von Straßenbauarbeiten erfolgt, den [X.] (§ 45 Abs. 2 Satz 1 und 4 [X.]; Senat aaO [X.]).

Auch die tatsächliche Umsetzung der Verkehrsregelung durch die Anbringung der Verkehrszeichen stellt eine hoheitliche Aufgabe dar (Senat aaO Rn. 14 [X.]). Zu ihrer Wahrnehmung ist gemäß § 45 Abs. 5 Satz 1 [X.] der Baulastträger verpflichtet. Baulastträger sind, wenn - wie vorliegend - von einer Baumaßnahme [X.] betroffen sind, gemäß § 41 Abs. 2 Satz 1 des [X.] Straßengesetzes ([X.]) die Landkreise und kreisfreien Städte. Diese können gemäß § 41 Abs. 2 Satz 2 [X.] durch Vereinbarung dem Land, dessen obere [X.] ist (§ 46 Abs. 2 [X.]), die Verwaltung und Unterhaltung der [X.] einschließlich des Um- und Ausbaus übertragen.

(2) Vorliegend stand bei den von der [X.] zu erbringenden Arbeiten der hoheitliche Charakter im Vordergrund. [X.]s bedarf in diesem Zusammenhang keiner [X.]ntscheidung, ob - wie die Revisionserwiderung meint - bei jedweder Maßnahme der (hoheitlichen) Verkehrsregelung der hoheitliche Charakter im Vordergrund steht. Denn bei den von der [X.] zu erbringenden Arbeiten ist dies schon deshalb zu bejahen, weil sie einen unmittelbaren Zusammenhang mit verkehrsbeschränkenden Verkehrsregelungen und -zeichen und den mit ihnen verbundenen Ge- und Verboten als Maßnahmen der [X.] aufwiesen.

(a) Zur Beurteilung, ob bei einer Tätigkeit, die einem privaten Unternehmen zur [X.]rfüllung hoheitlicher Aufgaben übertragen wurde, der hoheitliche Charakter im Vordergrund steht, ist nicht allein die einzelne Tätigkeit in den Blick zu nehmen, deren Ausführung den in Streit stehenden Schaden verursacht hat. Maßgeblich ist vielmehr die gesamte hoheitliche Maßnahme, in deren Rahmen die den Schaden verursachende Tätigkeit erfolgt ist. Wird etwa zur Durchführung von Straßenbauarbeiten von der Straßenbaubehörde gemäß § 45 Abs. 2 [X.] eine Geschwindigkeitsbeschränkung angeordnet, so ist nicht nur die Aufstellung des entsprechenden [X.] (Zeichen 274) sehr eng mit der getroffenen Verkehrsregelung als Maßnahme der [X.] verbunden, bei der der hoheitliche Charakter im Vordergrund steht (vgl. Senat, Urteil vom 6. Juni 2019 aaO Rn. 20), sondern auch die Aufstellung des [X.] (Zeichen 278), mit dem das [X.]nde der Geschwindigkeitsbeschränkung angezeigt wird. Zwar enthält die entsprechende Verkehrsregelung kein Ge- oder Verbot. Sie steht jedoch als actus contrarius in einem derart engen Zusammenhang mit der Geschwindigkeitsbeschränkung selbst, dass sie im Hinblick auf die Frage, ob auch in ihrem Fall der hoheitliche Charakter im Vordergrund steht, nicht anders beurteilt werden kann als die Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung.

Gleiches gilt, wenn im Rahmen von Straßenbauarbeiten die Durchfahrt durch die betroffene Straße verboten, dies mittels des entsprechenden Verkehrszeichens umgesetzt wird (Zeichen 250) und zum Ausgleich für das Durchfahrtverbot eine Umleitung eingerichtet wird. Dabei handelt es sich um eine einheitliche Verkehrsregelung, in deren Mittelpunkt das Durchfahrtverbot als Maßnahme der [X.] steht, die mit ihrem im Vordergrund stehenden hoheitlichen Charakter die mit ihr zusammenhängenden einzelnen Verkehrsregelungen prägt. Letztere und die sie umsetzenden Verkehrszeichen sind daher im Hinblick auf die Frage, ob auch bei ihnen der hoheitliche Charakter im Vordergrund steht, wie das Durchfahrtverbot zu beurteilen, unabhängig davon, ob die einzelne Regelung selbst ein Ge- oder Verbot enthält.

Für eine solche Gesamtbetrachtung spricht auch ihre Umsetzbarkeit in der haftungsrechtlichen Praxis. Die mit einer Straßenbaumaßnahme verbundenen verkehrsrechtlichen Regelungen werden oft in einer einheitlichen verkehrsrechtlichen Anordnung getroffen (vgl. vorliegend verkehrsrechtliche Anordnung                von [X.] vom 11. Juli 2017), die zugleich die zur Umsetzung der Regelungen notwendigen Verkehrszeichen enthält (vgl. [X.] in Anlage zur verkehrsrechtlichen Anordnung              ). Mit der Ausführung der Anordnung und damit auch mit der Aufstellung sämtlicher zu ihrer Durchführung erforderlichen Verkehrsschilder wird häufig dasselbe private Unternehmen beauftragt. Würde dieses nur in Bezug auf die Aufstellung solcher Verkehrszeichen, mittels derer ein Ge- oder Verbot umgesetzt wird, als Verwaltungshelfer tätig, nicht hingegen in Bezug auf andere, im Rahmen derselben Straßenbaumaßnahme aufzustellende Verkehrszeichen, würde eine nur schwer überschaubare haftungsrechtliche "Gemengelage" entstehen, innerhalb derer bei durch Verkehrsschilder verursachten Schäden je nach deren Inhalt das aufstellende Privatunternehmen oder aber die dieses beauftragende öffentlich-rechtliche Körperschaft haftet. Dagegen ergibt sich bei einer die Straßenbaumaßnahme und die mit ihr verbundenen verkehrsrechtlichen Regelungen insgesamt in den Blick nehmenden Sichtweise ein einheitliches und für den Geschädigten rechtssicheres Haftungsregime.

(b) In Anwendung der vorstehenden Grundsätze handelt es sich vorliegend auch bei dem in Rede stehenden, eine Umleitung ankündigenden Verkehrsschild (Zeichen 457.1) um die Umsetzung einer Maßnahme, bei der der hoheitliche Charakter im Vordergrund steht. Denn [X.] und Ausgangspunkt der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 11. Juli 2017 war, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, die Baumaßnahme betreffend die Kreisstraße [X.] zwischen dem Abzweig nach [X.] N.           . Im Bereich dieser Baumaßnahme wurde, wie sich aus der in dem [X.] in Anlage zur verkehrsrechtlichen Anordnung vom 11. Juli 2017 aufgelisteten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erörterten Beschilderung ergibt, ein Durchfahrtverbot angeordnet. Die Umleitung, die mit dem vorliegend in Rede stehenden Verkehrsschild angekündigt wurde, war Bestandteil desselben [X.]s. Sie diente dem Ausgleich der in Folge des [X.] nicht mehr gegebenen Befahrbarkeit der von der Baumaßnahme betroffenen Kreisstraße. Nach den vorstehenden Grundsätzen ist sie daher im Hinblick auf die Frage, ob auch bei ihr der hoheitliche Charakter im Vordergrund steht, nicht isoliert, sondern entsprechend dem im Mittelpunkt der verkehrsrechtlichen Regelungen stehenden Durchfahrtverbot zu beurteilen. Danach stand bei den von der [X.] zu erbringenden Arbeiten auch im Fall der Aufstellung des die Umleitung ankündigenden [X.] der hoheitliche Charakter im Vordergrund.

Soweit sich die Revision auf die im Berufungsurteil wiedergegebene Behauptung des Geschäftsführers der Klägerin beruft, es sei ausschließlich das Zeichen Umleitungsankündigung (Zeichen 457.1) aufgestellt und die Anordnung im Übrigen fehlerhaft beziehungsweise unvollständig umgesetzt worden, kann dies offenbleiben. Ausgangspunkt der Beurteilung, ob bei der Aufstellung eines [X.] der hoheitliche Charakter im Vordergrund steht, ist die (gesamte) Verkehrsregelung, die mit ihr umgesetzt werden soll. Ohne Bedeutung ist hingegen der - gegebenenfalls mangelhafte - Umfang, in dem die Verkehrsregelung tatsächlich ausgeführt worden ist. Vorliegend ist mithin allein maßgebend, dass in der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 11. Juli 2017 in Bezug auf die Kreisstraße [X.] ein Durchfahrtverbot und zu dessen Ausgleich eine Umleitung einschließlich einer Umleitungsankündigung bestimmt waren. Bereits hieraus folgt - wie ausgeführt -, dass die Umleitungsankündigung und das sie umsetzende Verkehrsschild im Hinblick auf ihren hoheitlichen Charakter wie das Durchfahrtverbot selbst zu beurteilen sind unabhängig davon, ob dieses ordnungsgemäß ausgeschildert worden ist.

bb) Die Beklagte verfügte nicht über einen relevanten eigenen Ausführungsspielraum.

(1) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, nach der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 11. Juli 2017 einschließlich der anliegenden Pläne sei in dem Bereich auf dem Ausschnitt 1 des von der [X.] vorgelegten Plans in der N.             vor dem Autohaus der Klägerin die Beschilderung entsprechend "[X.]" anzubringen gewesen. Das erste aufzustellende Schild sei das Zeichen 457.1 "Umleitungsankündigung" gewesen (Seite 7 des Berufungsurteils). Zweifel daran, dass die Beschilderung auf der N.           im Bereich des Autohauses der Klägerin aufzustellen gewesen sei, verblieben danach nicht (Seite 8 des Berufungsurteils).

(2) Damit hat das Berufungsgericht den Sachvortrag der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung zu einem eigenen Ausführungsspielraum der [X.] im Hinblick auf den konkreten Aufstellungsort der Beschilderung entgegen der Auffassung der Revision nicht gehörswidrig übergangen. [X.]s hat ihn vielmehr im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegeben (Seite 5 des Berufungsurteils) und in den [X.]ntscheidungsgründen die Frage, ob nach der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 11. Juli 2017 ein Standort des Schildes mit dem Zeichen 457.1 vorgegeben war, bejaht. Die von ihm angenommene Verpflichtung der [X.], die Beschilderung - und in ihrem Rahmen zuerst das Schild mit dem Zeichen 457.1 - vor dem Autohaus der Klägerin anzubringen, schließt einen relevanten [X.]ntscheidungsspielraum der [X.] aus. Letzterer ist nicht etwa bereits dann gegeben, wenn es dem Privatunternehmen innerhalb eines engen vorgegebenen Bereichs - hier: vor dem Autohaus der Klägerin - überlassen bleibt, an welcher Stelle exakt das Schild aufgestellt wird. In einem solchen Fall der Vorgabe eines engen, den Aufstellungsort des Schildes betreffenden Bereichs ist vielmehr ein eigener [X.]ntscheidungsspielraum des Privatunternehmens im Sinne der Senatsrechtsprechung zu verneinen.

(3) Das Berufungsgericht hat auch den Sachvortrag der Klägerin zu einem eigenen Ausführungsspielraum der [X.] im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung des Aufstellens und der Absicherung des [X.] nicht gehörswidrig übergangen.

Art. 103 Abs. 1 [X.] verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner [X.]ntscheidung in [X.]rwägung zu ziehen. Das Gericht muss sich in seinen [X.]ntscheidungsgründen zwar nicht ausdrücklich mit jedem Parteivorbringen befassen. Grundsätzlich ist vielmehr davon auszugehen, dass es das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis genommen und in [X.]rwägung gezogen hat. [X.]in Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 [X.] lässt sich aber feststellen, wenn besondere Umstände vorliegen, die deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der [X.]ntscheidung nicht beachtet worden ist. Solche Umstände liegen etwa dann vor, wenn das Gericht auf den wesentlichen [X.] des Vortrags eines Beteiligten zu einer zentralen Frage des Verfahrens in den [X.]ntscheidungsgründen nicht eingeht, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (st. Rspr.; zB Senat, Beschluss vom 27. August 2020 - [X.]/19, juris Rn. 8 [X.]).

Danach ist vorliegend davon auszugehen, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin zur Kenntnis genommen und bei seiner [X.]ntscheidung in [X.]rwägung gezogen hat. Die [X.] der Revision betrifft allein einen einzelnen Satz auf Seite 3 der Berufungsbegründung der Klägerin, wonach sich aus dem Plan gemäß Anlage [X.] der [X.] - dabei handelt es sich um eine Abbildung des vorgenannten [X.]s - nicht ergebe, "wie konkret die Schilder aufzustellen sind, wie diese abzusichern sind pp.". Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag gesehen und im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegeben (Seite 5). [X.]iner ausdrücklichen Befassung mit dem Vorbringen der Klägerin in den [X.]ntscheidungsgründen bedurfte es nicht. [X.]s handelt sich bei dem vorstehend wiedergegebenen Satz der Berufungsbegründung der Klägerin nicht um den wesentlichen [X.] ihres Vortrags. Zudem war er offensichtlich unsubstantiiert, da die Klägerin nicht dargelegt hat, über welchen erheblichen, in vorliegendem Zusammenhang relevanten Ausführungsspielraum die Beklagte in Bezug auf die konkrete Ausgestaltung der Aufstellung und Anbringung des [X.] verfügt haben soll. Dies gilt umso mehr, als sich für die aufzustellenden Verkehrsschilder verbindliche Vorgaben sowohl aus dem [X.] selbst als auch aus der dort in Bezug genommenen Straßenverkehrsordnung ergaben (vgl. etwa § 39 Abs. 2 Satz 3 [X.] zum Standort der Schilder "regelmäßig rechts"). Darüber hinaus enthalten auch die [X.] zur Straßenverkehrsordnung (VwV-[X.]), die Richtlinien für Umleitungsbeschilderungen ([X.]; vgl. Nummer II der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu den Zeichen 421, 422, 442 und 454 bis 466 Umleitungsbeschilderung vom 26. Januar 2001 [BAnz vom 26. Januar 2001, [X.]419] i.d.[X.] v. 22. Mai 2017 [BAnz [X.] vom 29. Mai 2017 [X.], [X.]]) und die - von der [X.] in ihrem Schriftsatz vom 9. April 2021 (Seite 2) in Bezug genommenen - Bestimmungen der "Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Sicherungsarbeiten an Arbeitsstellen an Straßen" ([X.]) und der "[X.]" ([X.]) detaillierte Vorgaben für die Ausgestaltung und Aufstellung von Verkehrsschildern.

[X.]     

      

[X.]     

      

Arend 

      

Böttcher     

      

Kessen     

      

Meta

III ZR 15/23

11.01.2024

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Kassel, 3. November 2022, Az: 1 S 229/21

Art 34 S 1 GG, § 839 BGB, § 45 Abs 2 StVO, § 45 Abs 5 StVO, § 45 Abs 6 StVO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.01.2024, Az. III ZR 15/23 (REWIS RS 2024, 320)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 320 MDR 2024, 367-369 REWIS RS 2024, 320

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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